Bundesfinanzhof, Beschluss vom 13.09.2013, Az. IX B 63/13

9. Senat | REWIS RS 2013, 2804

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Gegenstand

Ablehnung einer Terminsverlegung


Leitsatz

NV: Eine geminderte seelische Belastbarkeit des fachkundig vertretenen Klägers zwingt das Gericht grundsätzlich nicht zur Terminsverlegung. Der Anspruch auf rechtliches Gehör eines Beteiligten kann durch seinen Prozessbevollmächtigten wahrgenommen werden.

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das finanzgerichtliche Urteil ist nicht verfahrensfehlerhaft ergangen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

2

1. Die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) erhobene [X.] hätte nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn sich ihrem Beschwerdevorbringen entnehmen ließe, dass der unanfechtbare Beschluss des Finanzgerichts ([X.]) über die Zurückweisung des [X.] nicht nur fehlerhaft, sondern greifbar gesetzwidrig und damit willkürlich gewesen wäre (Beschluss des [X.] --BFH-- vom 14. August 2012 VII B 183/11, [X.], 208, m.w.N.). Hieran fehlt es vorliegend. Vielmehr ist dem Beschluss des [X.] über die Ablehnung des [X.] der Kläger schlüssig zu entnehmen, weshalb im Streitfall nicht von einer Befangenheit des Vorsitzenden auszugehen ist.

3

2. Der Anspruch des [X.] zu 2. auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--, § 96 Abs. 2, § 119 Nr. 3 [X.]O) ist durch die versagte Terminsverlegung nicht verletzt.

4

Nach § 155 [X.]O i.V.m. § 227 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann das [X.] aus erheblichen Gründen einen Termin aufheben oder verlegen. Diese erheblichen Gründe sind auf Verlangen glaubhaft zu machen (§ 227 Abs. 2 ZPO). Wenn erhebliche Gründe vorliegen, verdichtet sich das Ermessen des [X.] zu einer Rechtspflicht, das heißt, der Termin muss zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs verlegt werden, selbst wenn das Gericht die Sache für entscheidungsreif hält und die Erledigung des Rechtsstreits verzögert wird. Der durch Art. 103 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gesicherte Anspruch des Verfahrensbeteiligten auf rechtliches Gehör verpflichtet das [X.], einen Termin zur mündlichen Verhandlung auf Antrag aufzuheben oder zu verlegen, wenn dafür nach den Umständen des Falls, insbesondere dem Prozessstoff oder den persönlichen Verhältnissen des Beteiligten bzw. seines Prozessbevollmächtigten erhebliche Gründe vorliegen. Bei der Prüfung der Gründe muss das [X.] zugunsten des Beteiligten berücksichtigen, dass es einzige Tatsacheninstanz ist und der Beteiligte ein Recht hat, seine Sache in der mündlichen Verhandlung zu vertreten ([X.] vom 19. Oktober 2012 VII B 79/12, [X.], 225, m.w.N.).

5

Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist andererseits nicht verletzt, wenn der Beteiligte nicht jede zumutbare Gelegenheit wahrgenommen hat, sich Gehör zu verschaffen. Denn der Anspruch auf rechtliches Gehör wird begrenzt durch die Mitverantwortung der Beteiligten (vgl. [X.] vom 10. Juli 2012 IX B 179/11, [X.], 1633; [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 119 [X.]O Rz 58). Danach haben die Beteiligten alles in ihren Kräften Stehende und nach Lage der Dinge Erforderliche zu tun, um ihr Recht auf Gehör zu verwirklichen. Daran fehlt es jedenfalls, wenn der Beteiligte trotz rechtzeitiger und ordnungsgemäßer Ladung bei eigener Verhinderung nicht wenigstens durch den bereits bestellten Prozessbevollmächtigten vertreten wird. Dem Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör wird dadurch entsprochen, dass sich der von ihm bestellte Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung äußern kann ([X.] vom 8. Oktober 2012 I B 22/12, [X.], 389). Laut Sitzungsprotokoll vom 11. März 2013 ist für die Kläger und ihren Prozessbevollmächtigten niemand erschienen, auch nicht der Prozessbevollmächtigte. Damit sind die Kläger ihrer Prozessverantwortung nicht nachgekommen.

6

Daran ändert im Streitfall auch der Hinweis des Vorsitzenden nichts, das Erscheinen des [X.] zu 2. sei ratsam. Das persönliche Erscheinen des [X.] hat das [X.] nicht angeordnet. Dass das [X.] das Erscheinen des [X.] persönlich für ratsam erklärt hat, steht der Anordnung seines persönlichen Erscheinens nicht gleich. Das [X.] hat eindeutig signalisiert, dass das persönliche Erscheinen nicht erforderlich sei. Die Begründung des [X.], der Kläger zu 2. sei nur deshalb geladen worden, weil er seinen Wohnsitz in der Nähe des Gerichts habe und die Kläger damit im Fall seines Erscheinens auch persönlich vertreten gewesen wären, ist vertretbar. Dass das [X.] das persönliche Erscheinen eines [X.] nicht anordnet, stellt selbst keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dar ([X.] vom 20. August 2010 IX B 41/10, [X.], 2239).

7

Im Übrigen musste das [X.] das ärztliche Attest der Fachärztin für Psychiatrie nicht dahin verstehen, dass der Kläger zu 2. den anberaumten Termin nicht hätte wahrnehmen können. Vielmehr befand sich der Kläger an diesem Tag lediglich in einer akuten psychischen Krise mit der Folge einer geminderten seelischen Belastbarkeit, weshalb die Fachärztin um ein "Überdenken" des Termins gebeten hat. In Betracht wäre danach jedenfalls auch ein Erscheinen des [X.] unter Berücksichtigung seiner geminderten seelischen Belastbarkeit gekommen. Das parallele hausärztliche Attest, wonach der Kläger wegen einer psychischen Erkrankung nicht teilnehmen könne, wiegt demgegenüber, da es unspezifiziert und nicht vom Facharzt erstellt ist, weniger schwer.

Meta

IX B 63/13

13.09.2013

Bundesfinanzhof 9. Senat

Beschluss

vorgehend FG Düsseldorf, 11. März 2013, Az: 10 K 3280/10 E, Urteil

Art 103 Abs 1 GG, § 119 Nr 3 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 155 FGO, § 227 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 13.09.2013, Az. IX B 63/13 (REWIS RS 2013, 2804)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2804

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