Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.10.2014, Az. VII ZB 16/14

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 2114

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 16/14
vom

16. Oktober 2014

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 13; ArbGG § 5 Abs. 3 Satz 1; HGB § 92a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1
Der in einem Handelsvertretervertrag enthaltenen Bestimmung "Der Consultant darf während der Vertragszeit nur
hauptberuflich
für M. tätig sein und die M.-Dienstleistungen und die von M. freigegebenen Finanzprodukte vermitteln" ist ein vertragliches Tätigkeitsverbot im Sinne von §
92a Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 HGB zu
entnehmen.
[X.], Beschluss vom 16. Oktober 2014 -
VII ZB 16/14 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der VII.
Zivilsenat des [X.] hat am
16. Oktober 2014
durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr.
[X.], [X.]
Eick, Dr.
Kartzke und Prof. Dr. Jurgeleit und die Richterin Graßnack
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde
des Beklagten wird der Beschluss des 10.
Zivilsenats des [X.] vom 25.
Februar 2014 in [X.]. 1 und 2 des Tenors aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zu-rückverwiesen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 5.485,25

Gründe:
I.
Die Parteien streiten im Rahmen eines Provisionsrückzahlungsprozesses vorab über den richtigen Rechtsweg.
Am 8.
Juni
2009 schlossen die Parteien mit Wirkung zum 1.
Juni 2009 einen M. Consultant Vertrag (im Folgenden: [X.]). Der Beklagte hatte als Consultant die Aufgabe, die Kunden der Klägerin über die Vermittlung 1
2
-
3
-
von Dienstleistungen und Finanz-
und Vorsorgeprodukten zu beraten. Er war der Geschäftsstelle [X.] zugeordnet.
§
2 Nr. 1 des Vertrags lautet wie folgt:

2
Verpflichtungen des Consultants
1.
Der Consultant darf während der Vertragszeit nur

hauptberuflich
für M. tätig sein und die M.-Dienstleistungen und die von M. freigegebenen Finanzprodukte vermitteln. Die Dienstleistungen und Finanzprodukte sind in der [X.] aufgeführt. Eine Beteiligung
gleichgültig welcher
Art
-
an Konkurrenzunternehmen ist ihm untersagt. [X.] hiervon ist die Beteiligung durch den Erwerb börsen-gängiger Wertpapiere."
Mit Schreiben vom 1.
Januar 2012
kündigte der Beklagte den [X.] zum 1.
April 2012. Die Klägerin bestätigte die Kündigung mit [X.] zum 9.
April 2012.
Mit ihrer bei dem [X.] erhobenen Klage begehrt die Klägerin von dem Beklagten die Rückzahlung von [X.] in Höhe von 16.455,76

Kosten. Der Beklagte hat in der ersten Instanz die Zulässigkeit des beschrittenen
Rechtswegs gerügt und geltend gemacht, im Streitfall sei gemäß §
5 Abs.
3 ArbGG die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ge-geben.
Das [X.] ist in ein Vorabverfahren nach §
17a [X.] eingetreten und hat durch Beschluss den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für zu-lässig erklärt. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen diesen Beschluss ist erfolglos geblieben. Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner vom Be-schwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde. Er erstrebt die Verweisung des Rechtsstreits an das zuständige Arbeitsgericht.
3
4
5
6
-
4
-
II.
Die statthafte (§
17a Abs.
4 Satz
4 [X.], §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2 ZPO) und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde führt im tenorierten Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
1. [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte nach §
2 Abs.
1 Nr.
3
Buchst.
a
i.[X.]. §
5 Abs.
1 Satz
1 ArbGG bestehe nicht, weil der Beklagte kein Arbeit-nehmer, sondern selbständiger Handelsvertreter im Sinne der §§
84
ff. HGB sei. Nach der Rechtsprechung des [X.] (Beschluss vom 28.
Juni
2011

VIII
ZB
91/10, NJW-RR 2011, 1255
ff.) seien die Bestimmungen des [X.]s dahin zu würdigen, dass der Beklagte für die Klägerin nicht als Arbeitnehmer, sondern als Handelsvertreter tätig gewesen sei.
Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ergebe sich auch nicht aus §
2 Abs.
1 Nr.
3
Buchst.
a
i.[X.]. §
5 Abs.
3 ArbGG, weil der Beklagte nicht unter die letztgenannte Vorschrift falle.
Nach den
Bestimmungen des [X.]s handele es sich bei dem Beklagten nicht um einen Einfirmenvertreter im Sinne von §
92a Abs.
1 Satz
1 HGB. [X.] teile nicht die vom Beklagten zitierte Auf-fassung des [X.] (IHR
2013, 179
= ZVertriebsR 2013, 255
f.), der
zufolge die Klausel in §
2 Nr.
1 Satz
1 des [X.]s da-hingehend auszulegen
sei, dass es dem Consultant untersagt sei, als Handels-vertreter für weitere Unternehmer tätig zu sein,
und ihm nur eine nebenberufli-che anderweitige Tätigkeit außerhalb seines Gewerbes als Handelsvertreter 7
8
9
10
11
-
5
-
erlaubt sei. Denn durch diese Regelung werde eine
nebenberufliche Tätigkeit des Beklagten für andere Unternehmen, die nicht in Konkurrenz zur
Klägerin stünden, nicht ausgeschlossen. Dass der Beklagte nicht für ein Konkurrenzun-ternehmen der Klägerin als Handelsvertreter habe tätig werden dürfen, das im gleichen Marktsegment wie diese tätig sei, folge bereits aus den gesetzlichen Verpflichtungen eines Handelsvertreters nach §
86 Abs.
1 HGB. Aus dem [X.] des Beklagten ergebe sich auch nicht, dass es ihm im Zusammenhang mit der Erbringung der vertraglich geschuldeten Leistungen gegenüber der Klä-gerin tatsächlich unmöglich gewesen sei, für andere
Unternehmen [X.] als Handelsvertreter tätig zu werden.
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
a) Soweit das Beschwerdegericht angenommen hat, eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ergebe sich nicht aus §
2 Abs.
1 Nr.
3 i.[X.]. §
5 Abs.
1
Satz
1 ArbGG, weil der Beklagte kein Arbeitnehmer, sondern selbständiger Handelsvertreter gewesen sei, wird dies von der Rechtsbeschwerde hinge-nommen. Im Rechtsbeschwerdeverfahren relevante Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich (vgl. [X.], Beschluss vom 28. Juni 2011

[X.], NJW-RR 2011, 1255 Rn. 12).
b) Mit der vom Beschwerdegericht gegebenen Begründung kann indes eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 i.[X.]. § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG nicht verneint werden.
[X.])
Nach § 13 [X.] gehören vor die ordentlichen Gerichte alle bürgerli-chen Rechtsstreitigkeiten, für die nicht entweder die Zuständigkeit von [X.] oder Verwaltungsgerichten begründet ist oder aufgrund von Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG sind die Arbeitsgerichte ausschließlich zu-12
13
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-
6
-
ständig für näher bezeichnete bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeit-nehmern und Arbeitgebern. Handelsvertreter im Sinne des § 84 Abs.
1 HGB gelten nach § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG nur dann als Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes, wenn sie zu dem Personenkreis gehören, für den nach § 92a HGB die untere Grenze der vertraglichen Leistungen des Unternehmers festgesetzt werden kann, und wenn sie während der letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses, bei kürzerer Vertragsdauer während dieser, im [X.] monatlich nicht mehr als 1.000 Euro auf Grund des Vertragsverhältnis-ses an Vergütung einschließlich Provision und Ersatz für im regelmäßigen [X.] entstandene Aufwendungen bezogen haben.
Zu dem genannten Personenkreis
gehören Handelsvertreter, die vertrag-lich nicht für weitere Unternehmer tätig werden dürfen (§ 92a Abs.
1 Satz
1
Alt.
1 HGB; so genannte Einfirmenvertreter kraft Vertrags, vgl. BT-Drucks. 1/3856, [X.]), und Handelsvertreter, denen dies nach Art und Umfang der ver-langten Tätigkeit nicht möglich ist (§ 92a Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 HGB; so genannte Einfirmenvertreter kraft Weisung, vgl. BT-Drucks. 1/3856, [X.]). Als [X.] ist ein Handelsvertreter insbesondere dann einzustufen, wenn ihm vertraglich untersagt ist, für weitere Unternehmer tätig zu werden
(vgl. [X.], Beschluss vom 18. Juli 2013

VII
ZB
27/12,
ZVertriebsR 2014, 44 Rn.
14; Beschluss vom 18.
Juli
2013

VII
ZB
45/12,
ZVertriebsR 2013, 318, 319).
Die Beschränkung des besonderen [X.] Schutzes auf den Einfir-menvertreter kraft Vertrags oder Weisung findet darin ihre Rechtfertigung, dass dieser Vertreter in seiner Stellung am stärksten einem Angestellten angenähert ist. Der Einfirmenvertreter ist an einen bestimmten Unternehmer gebunden, für den er seine Arbeitskraft und -zeit einsetzen muss und von dem er dadurch [X.] abhängig ist. Hingegen kann einem Handelsvertreter, der für mehrere Unter-16
17
-
7
-
nehmer tätig werden und die sich daraus ergebenden Chancen ausnutzen kann, kein Mindestschutz zugebilligt werden. Ein solcher Handelsvertreter hat die typische Stellung eines selbständigen Kaufmannes (BT-Drucks.
1/3856,
[X.]).

Wird einem Handelsvertreter auferlegt, hauptberuflich für den Unterneh-mer
tätig zu werden, mit dem er den Handelsvertretervertrag geschlossen hat, so ist er nach Sinn und Zweck des § 92a Abs. 1 Satz 1 HGB als Einfirmenver-treter kraft Vertrags einzustufen. Ein solcher
Handelsvertreter ist zwar nicht [X.] von diesem Unternehmer abhängig, weil ihm eine nebenberufliche Tätigkeit gestattet ist. Bei der gebotenen typisierenden Betrachtung ist ein solcher Han-delsvertreter
jedoch einem Angestellten ähnlich
angenähert wie ein Handelsver-treter, dem
vertraglich vollständig untersagt ist, für weitere Unternehmer tätig zu werden (im Ergebnis ebenso [X.], Vertriebsrecht, 3. Aufl.,
§ 92a HGB Rn.
9;
a.M. [X.], Beschluss vom 29. November
2010 -
I-18 W 61/10, juris Rn.
30
ff.; [X.], Beschluss vom 18. Juni 2010 -
5 W 38/10, n.v.; [X.], Beschluss vom 3. Mai 2011 -
7 W 40/10, n.v.). Denn er ist -
ähnlich wie ein hauptberuflich Angestellter
-
verpflichtet, hauptberuflich für den Unter-nehmer
tätig zu werden, mit dem er den Handelsvertretervertrag geschlossen hat. Er kann die sich aus einer etwaigen nebenberuflichen Tätigkeit ergebenden Chancen nicht in gleicher Weise nutzen wie ein nicht in den [X.] 92a Abs.
1 Satz
1 HGB fallender Mehrfirmenvertreter. Anders als dieser hat
er
nicht die typische Stellung eines selbständigen Kaufmannes. Er ist vielmehr wegen der hauptberuflichen Zuordnung zu einem Unternehmer von diesem abhängig und kann ebenso wie der in den Gesetzesmaterialien (BTrucks.
1/3856 S.
40)
genannte Einfirmenvertreter erwarten, dass seine Arbeit wenigstens so viel einbringt, als er zur Erhaltung seiner Existenz unum-gänglich benötigt.
18
-
8
-
bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ergibt sich aus § 2
Nr. 1 Satz 1 des [X.]s ein vertragliches Verbot der Tätigkeit für weitere Unternehmer im Sinne des § 92a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 HGB. § 2 Nr. 1 Satz 1 des [X.]s enthält, sieht man von
dem in
[X.] ge-setzten Zusatz "hauptberuflich" ab, ein generelles
Verbot, für weitere
Unter-nehmer tätig zu werden.
Der in [X.] gesetzte Zusatz hat zwar ersichtlich den Zweck, dieses generelle
Verbot in dem Sinne einzuschränken, dass eine nebenberufliche Tätigkeit für andere Unternehmer -
außerhalb des Konkurrenz-bereichs
-
gestattet wird. Aufgrund dieses Zusatzes war der Beklagte jedoch

ähnlich wie ein hauptberuflich Angestellter
-
verpflichtet, hauptberuflich für die Klägerin tätig zu werden.
3. Die angefochtene Entscheidung ist nach alledem im tenorierten [X.] aufzuheben. Der [X.] kann nicht in der Sache selbst entscheiden, da das Beschwerdegericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob der Beklagte
während der letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses im Durchschnitt monatlich nicht mehr als 1.000 Euro auf Grund des Vertragsverhältnisses an

19
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-
9
-
Vergütung einschließlich Provision und Ersatz für im regelmäßigen Geschäfts-betrieb entstandene Aufwendungen bezogen hat
(vgl. §
5 Abs.
3 Satz
1 ArbGG).
Die Sache ist deshalb zur
erneuten Entscheidung, auch über die Kos-ten des Rechtsbeschwerdeverfahrens,
an das Beschwerdegericht zurückzu-verweisen, § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO.

[X.]
Eick
Kartzke

Jurgeleit
Graßnack
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 03.01.2014 -
1 O 802/13 -

OLG [X.], Entscheidung vom 25.02.2014 -
10 [X.]/14 -

Meta

VII ZB 16/14

16.10.2014

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.10.2014, Az. VII ZB 16/14 (REWIS RS 2014, 2114)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2114

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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