Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.10.2004, Az. VIII ZR 246/03

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 1088

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] ZR 246/03 Verkündet am: 20. Oktober 2004 [X.] , Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 20. Oktober 2004 durch [X.] [X.], [X.], Dr. Leimert, [X.] sowie die Richterin [X.] für Recht erkannt: Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des [X.] vom 5. August 2003 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand: Die Klägerin ist seit 1992 Eigentümerin des mit einem Wohnhaus bebau-ten Grundstücks U. straße in [X.]. Die Beklagten haben seit 1959 im Erdgeschoß (Hochparterre) des Hauses eine Zwei-Zimmer-Wohnung mit Küche und Bad mit einer Größe von ca. 70 m2 gemietet. Die Klägerin bewohnt [X.] im Erdgeschoß nebst Küche mit einer Wohnfläche von ca. 90 m2. Die Toilette der Klägerin ist nur über den Flur des Erdgeschosses zu erreichen, der den Eingangsbereich für beide Wohnungen bildet. Über ein Bad verfügt die Wohnung der Klägerin, die seit 1996 an Lungenkrebs erkrankt und darüber hinaus stark sehbehindert ist, nicht. Die Klägerin benutzt das Bad im Untergeschoß ([X.]), welches innerhalb des Hauses über eine stei-nerne Wendeltreppe oder von außen über einen abschüssigen, schlecht befe-stigten Weg um das Haus herum erreichbar ist. Die Wohnung im ersten Stock, die ebenfalls über ein Bad verfügt, steht leer. - 3 - Die Klägerin hat gegenüber den jetzt 81 und 82 Jahre alten Beklagten mit Schreiben vom 6. April 2000 eine Eigenbedarfskündigung ausgesprochen. Sie hat geltend gemacht, sie wolle die Erdgeschoßwohnung des Anwesens zu einer Fünf-Zimmer-Wohnung umbauen, damit ihre in [X.] lebenden Eltern dort zumindest zeitweise mit ihr zusammen wohnen und sie pflegen könnten, wenn ihr Gesundheitszustand dies erfordere. Es sei ihren betagten Eltern nicht mög-lich, die Wohnung im Obergeschoß zu nutzen. Die Beklagten haben der Kündi-gung widersprochen. Sie bestreiten den Eigenbedarf der Klägerin und machen darüber hinaus geltend, aufgrund ihres Gesundheitszustandes - die Beklagte zu 1 ist an [X.] erkrankt - sei es ihnen nicht zumutbar, in eine andere Woh-nung umzuziehen. Die Klägerin begehrt die Räumung der von den Beklagten bewohnten Wohnung im Erdgeschoß. Das Amtsgericht hat nach Einnahme eines Augen-scheins im Anwesen [X.]die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Räu-mungsantrag weiter. Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Kündigung der Klägerin rechtfertige einen Räumungsanspruch ge-gen die Beklagten nicht. Ein Vermieter könne ein Mietverhältnis über Wohn-raum grundsätzlich nur dann kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung habe. Dieses sei insbesondere dann gegeben, wenn er die - 4 - Räume als Wohnung für sich oder seine Familienangehörigen benötige. Das sei dann der Fall, wenn vernünftige und nachvollziehbare Gründe für die Inan-spruchnahme des Wohnraumes sprächen, wobei nur auf die Interessen des Vermieters abzustellen sei. Die besonderen Belange des Mieters seien bei [X.] im Rahmen der Härteklausel des § 574 BGB (vorher § 556 a BGB a.F.) zu beachten. Nach diesen Grundsätzen sei Eigenbedarf zu bejahen. Vor dem Hinter-grund von stationären Krankenhausaufenthalten und einer begleitenden Che-motherapie der Klägerin sei offensichtlich, daß sie der Pflege und Unterstützung durch ihre Eltern bedürfe. Zur Überzeugung der Kammer stehe fest, daß sich die Eltern der Klägerin aufgrund der [X.]erkrankung ihrer Tochter ernsthaft entschlossen hätten, nach [X.] zu ziehen, um ihr beizustehen und sie zu unterstützen. Selbst wenn sie die von ihnen derzeit bewohnten Räumlichkeiten in [X.]beibehalten und die Wohnung der Beklagten vor allem in den Zeiten nutzen wollten, in denen ihre Tochter aufgrund ihrer Erkrankung der Hilfe und Pflege bedürfe, stehe dies einem berechtigten Interesse der Klägerin an der Beendigung des Mietverhältnisses mit den Beklagten nicht entgegen. Eine Beendigung des Mietverhältnisses komme jedoch deshalb nicht in Betracht, weil die Kündigung für die Beklagten eine Härte bedeute, die auch unter Würdigung der aufgezeigten Interessen der Klägerin nicht zu rechtfertigen sei. Die Beklagte zu 1 sei schwer krebskrank. Das durch das Attest vermittelte Gesamtbild mache es auch angesichts des Alters der Beklagten nachvollzieh-bar, daß die mit einem Umzug einhergehenden physischen und psychischen Belastungen erheblichen negativen Einfluß haben würden. Hinzu komme, daß der Umzug in eine andere Umgebung bereits für sich eine Härte bedeute, weil Menschen im Alter der Beklagten an ihre Umgebung gewöhnt und dort verwur-zelt seien, so daß sie sich in einem neuen Umfeld nicht mehr eingewöhnen und - 5 - zurechtfinden könnten. Allerdings konkurriere mit den gesundheitlichen und persönlichen Belangen der Beklagten in gleicher Weise der Wunsch der Kläge-rin nach gegenseitiger Unterstützung und Hilfe innerhalb der Familie. In dieser schwierigen Konfliktsituation gingen die Belange der Beklagten vor, da es der Klägerin immerhin in begrenztem Umfang möglich sei, ihre Eltern während de-ren zeitweiligen Aufenthaltes in [X.]im Hause selbst anderweitig unterzu-bringen, da jedenfalls im Dachgeschoß ausreichender Wohnraum zur Verfü-gung stehe. Zwar sei für die Mutter der Klägerin das Treppensteigen mit [X.] verbunden. Es erscheine jedoch zumutbar, daß die Klägerin mechanische Hilfsvorrichtungen zur Überwindung der Stockwerke (Treppenlift oder ähnliches) anbringe, um auf diese Art den mit der Nutzung einer Treppe einhergehenden Schwierigkeiten zu begegnen. I[X.] Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer rechtlichen Über-prüfung stand. 1. Zu Recht hat das Berufungsgericht das Vorliegen von Eigenbedarf (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) auf seiten der Klägerin in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des [X.] (z.B. Beschluß vom 3. Oktober 1989, NJW 1990, 309 ff.) bejaht. Diese Würdigung wird von der Klä-gerin als ihr günstig nicht angegriffen. 2. Rechtsfehlerfrei ist das [X.] ferner zu dem Ergebnis gelangt, daß die Beendigung des Mietverhältnisses für die Beklagten eine Härte [X.] würde, die auch unter Würdigung der aufgezeigten Interessen der Klägerin nicht zu rechtfertigen ist. - 6 - Das Berufungsgericht hat bei der Würdigung der beiderseitigen Interes-sen im Rahmen des § 574 BGB nach gründlicher und sorgfältiger Sachverhalts-feststellung, unter anderem auf der Grundlage eines Augenscheins im [X.] durch das Gericht erster Instanz, den Belangen der Beklagten ein größeres Gewicht beigemessen. Dies beruht auf einer Subsumtion des festge-stellten Sachverhalts durch das Berufungsgericht unter die unbestimmten Rechtsbegriffe des § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB. Insoweit hat das Revisionsgericht den tatrichterlichen Beurteilungsspielraum der Instanzgerichte zu respektieren. Es kann regelmäßig nur überprüfen, ob das Berufungsgericht Rechtsbegriffe verkannt hat und ob dem Tatgericht von der Revision gerügte [X.] unterlaufen sind, es etwa wesentliche Tatumstände übersehen oder nicht vollständig gewürdigt oder Erfahrungssätze verletzt hat (z.B. [X.], Urteil vom 29. März 1990 - [X.], NJW 1990, 2889 unter [X.]). Hiernach zu berück-sichtigende Rechtsfehler vermag die Revision nicht aufzuzeigen. II[X.] Danach war die Revision zurückzuweisen.
Dr. [X.] [X.] Dr. Leimert
[X.] [X.]

Meta

VIII ZR 246/03

20.10.2004

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.10.2004, Az. VIII ZR 246/03 (REWIS RS 2004, 1088)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 1088

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