Bundessozialgericht, Beschluss vom 13.05.2020, Az. B 13 R 35/20 B

13. Senat | REWIS RS 2020, 2536

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Erfüllung der Formerfordernisse für den elektronischen Rechtsverkehr mit den Gerichten durch eine von einem De-Mail-Konto aus versandte Nachricht ohne qualifizierte elektronische Signatur


Tenor

Der Antrag des [X.], ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 11. Dezember 2019 - L 27 R 628/18 - Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines noch zu benennenden Rechtsanwalts zu gewähren, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Mit Urteil vom 11.12.2019 hat das [X.] dahinstehen lassen, ob der [X.]läger die Erstattung seiner Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung sowie die Verzinsung des geltend gemachten Erstattungsanspruchs beanspruchen könne, weil seine hierauf gerichtete [X.]lage wegen Versäumnis der [X.]lagefrist bereits unzulässig sei.

2

Das Urteil ist der Bevollmächtigten des [X.] am [X.] zugestellt worden. Am [X.] um 23.51 Uhr ist beim [X.] eine E-Mail der Mutter der Bevollmächtigten mit dem Betreff "[X.] - Nichtzulassungsbeschwerde" eingegangen, die von deren [X.]-[X.]onto aus versandt worden ist. Die Mutter der Bevollmächtigten hat vorgebracht "eingesprungen" zu sein, weil nur sie über ein [X.]-[X.]onto verfüge; bevollmächtigt sei weiterhin die bisherige Bevollmächtigte. Der E-Mail ist eine nicht gesondert signierte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des [X.] angehängt gewesen.

3

II. 1. Der [X.] wertet die E-Mail vom [X.] als Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.]. Eine Nichtzulassungsbeschwerde nach § 160a [X.] stellt den einzig in Betracht kommenden Rechtsbehelf gegen das ersichtlich angegriffene Berufungsurteil dar. Den zugleich gestellten Antrag auf Prozesskostenhilfe ([X.]) legt der [X.] entsprechend dahin aus, dass er auf die Bewilligung von [X.] für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde unter Beiordnung eines noch zu benennenden Rechtsanwalts gerichtet ist.

4

2. Es kann offenbleiben, ob die angestrebte Nichtzulassungsbeschwerde hinreichende Erfolgsaussichten iS von § 73a Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 114 ZPO bietet. [X.] ist dem [X.]läger schon deswegen nicht zu bewilligen, weil kein wirksamer [X.]-Antrag vorliegt. Mit der Ablehnung des [X.]-Antrags entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der [X.] (§ 73a Abs 1 [X.] iVm § 121 Abs 1 ZPO).

5

Für die Bewilligung von [X.] und die damit verbundene Beiordnung eines Rechtsanwalts zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens gegen die Nichtzulassung der Revision ist nach der Rechtsprechung des [X.] und der anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes Voraussetzung, dass der [X.]-Antrag nebst der Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen auf dem dafür vorgeschriebenen Erklärungsformular 117 Abs 2 bis 4 ZPO) bis zum Ablauf der Beschwerdefrist eingereicht werden. Innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist (§ 160a Abs 1 Satz 2 [X.]), die vorliegend am 21.1.2020 abgelaufen ist, hat der [X.]läger keinen formwirksamen [X.]-Antrag gestellt. In Ermangelung eines wirksamen [X.]-Antrags kommt es nicht entscheidend darauf an, dass der [X.]läger zudem die Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht unterschrieben hat, wie es die als Anlage zur Prozesskostenhilfeformularverordnung vom 6.1.2014 ([X.]) erlassenen [X.] unter Buchstabe [X.] vorsehen (vgl dazu, dass eine fehlende Unterschrift unschädlich ist, wenn feststeht, von wem die Erklärung stammt, [X.] Beschluss vom 10.7.1985 - [X.] - NJW 1986, 62; zur Unschädlichkeit unvollständiger [X.]-Unterlagen allgemein [X.] Beschluss vom 19.11.2008 - [X.]/08 - juris RdNr 10 mwN).

6

a) In der E-Mail vom [X.] liegt kein formwirksamer [X.]-Antrag.

7

Der [X.]-Antrag ist beim Prozessgericht schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle zu stellen (§ 73 Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 117 Abs 1 Satz 1 ZPO). Nach § 65a Abs 1 [X.] kann anstelle des schriftlich einzureichenden Antrags ein elektronisches Dokument bei Gericht eingereicht werden. Dieses muss entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen werden (§ 65a Abs 3 Alt 1 [X.]) oder signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (§ 65a Abs 3 Alt 2 [X.]). Eine einfache E-Mail genügt dem nicht ([X.]sbeschluss vom 9.5.2017 - B 13 R 113/17 B - juris RdNr 2; [X.] Beschluss vom [X.] - B 8 [X.] 44/18 B - juris RdNr 5), was dem [X.]läger und seiner Bevollmächtigten offensichtlich bekannt ist. Aber auch eine von einem [X.]-[X.]onto aus versandte Nachricht erfüllt nicht in jedem Fall die Formerfordernisse für den elektronischen Rechtsverkehr mit den Gerichten. Wird wie vorliegend eine E-Mail von einem [X.]-[X.]onto aus versandt, die nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, liegt der dann erforderliche sichere Übertragungsweg iS von § 65a Abs 3 Alt 2 [X.] nur vor, wenn erstens der Absender bei Versand der Nachricht sicher iS von § 4 Abs 1 Satz 2 [X.] angemeldet ist und er sich zweitens die sichere Anmeldung gemäß § 5 Abs 5 [X.] bestätigen lässt (§ 65a [X.] 4 Nr 1 [X.]).

8

Die E-Mail vom [X.] ist jedoch versandt worden, ohne dass der [X.]-Anbieter (vorliegend: [X.]) die sichere Anmeldung bestätigt hat. Das ergibt sich aus der Bestätigungsnachricht des Anbieters, die zugleich mit der E-Mail beim [X.] eingegangen ist. Um die notwendige Bestätigung zu erlangen, hätte die Mutter der Bevollmächtigten eine besondere Versandart wählen müssen, die bei ihrem Anbieter unter dem Namen "Absenderbestätigung" angeboten wird und die in aller Regel ein zusätzliches Entgelt anfallen lässt.

9

Von den dargelegten Formerfordernissen kann selbst dann nicht abgesehen werden, wenn sich aus der übermittelten Nachricht die Urheberschaft und der Wille, das elektronische Dokument in den Verkehr zu bringen, hinreichend sicher ergibt ([X.] Beschluss vom [X.] - B 1 [X.]R 19/16 S - juris Rd[X.]; [X.] Beschluss vom [X.] - B 8 [X.] 44/18 B - juris RdNr 5). Der [X.] kann daher dahinstehen lassen, ob die E-Mail vom [X.] und die Begleitumstände bereits ausreichend sicher erkennen lassen, dass diese Nachricht mit dem Willen des [X.] versandt worden ist.

Der [X.]läger ist in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils auch ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass die elektronische Form nur durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewährt wird, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und entweder von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 65a Abs 4 [X.] eingereicht worden ist. Lediglich ergänzend macht der [X.] darauf aufmerksam, dass die Anbieter von [X.]-Diensten gesetzlich verpflichtet sind, ihre [X.]unden auf die Rechtsfolgen der Nutzung dieser Dienste hinzuweisen (§ 9 Abs 1 Satz 1 [X.]). In der aktuellen Fassung des Informationsblattes des Anbieters, dessen Dienste die Mutter der Bevollmächtigten nutzt, heißt es dazu beispielsweise: "Bitte beachten Sie, dass die [X.] alleine für sich nicht das gesetzliche Schriftformerfordernis erfüllt … Ausnahme: [X.] eines elektronischen Dokuments an die jeweilige Behörde mit der Versandart "Absenderbestätigung" (Ziff 2.1.3). Hierzu wird erläutert: "…Möchten Sie [X.]s mit erhöhter Beweiswirkung versenden, dann stehen Ihnen hierfür die Versandoptionen … oder "Absenderbestätigung" (§ 5 Abs 5 [X.]) zur Verfügung" (Ziff 2.1.2).

b) Eine weiterer, gegebenenfalls formwirksamer [X.]-Antrag ist bis zum Ablauf der Beschwerdefrist nicht beim [X.] eingegangen. Anhaltspunkte für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 [X.]) sind insoweit nicht ersichtlich. Ein Hinweis in Erfüllung der prozessualen Fürsorgepflicht des Gerichts (vgl [X.] Beschluss vom 9.5.2018 - B 12 [X.]R 26/18 B - [X.] 4-1500 § 65a [X.] RdNr 10f) auf die Formunwirksamkeit des mittels E-Mail vom [X.] eingereichten Antrags hätte die [X.] des [X.] nicht mehr vor Fristablauf erreicht (vgl hierzu [X.] Beschluss vom 20.12.2011 - [X.] AS 161/11 B - juris RdNr 9 mwN), denn aufgrund des Übersendungszeitpunkts gelangte diese Nachricht erst am 21.1.2020 und damit am letzten Tag der Beschwerdefrist in den Geschäftsgang des [X.].

3. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig und daher durch Beschluss ohne Zuziehung [X.] zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 [X.]). Sie ist jedenfalls formunwirksam. Schon die Beschwerdeschrift muss von einem vor dem [X.] zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 iVm Abs 2 [X.]) eingereicht werden. Hierauf ist der [X.]läger in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils auch hingewiesen worden. Der [X.] sieht gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.] von einer weiteren Begründung ab, weil sie nicht geeignet ist, zur [X.]lärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen.

4. Die [X.]ostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 und 4 [X.].

Meta

B 13 R 35/20 B

13.05.2020

Bundessozialgericht 13. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Berlin, 17. Juli 2018, Az: S 14 R 1244/17, Urteil

§ 65a Abs 1 SGG, § 65a Abs 3 SGG, § 65a Abs 4 Nr 1 SGG, § 73a Abs 1 S 1 SGG, § 160a Abs 1 SGG, § 117 ZPO, § 4 Abs 1 S 2 De-Mail-G, § 5 Abs 5 De-Mail-G, § 9 Abs 1 S 1 De-Mail-G

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 13.05.2020, Az. B 13 R 35/20 B (REWIS RS 2020, 2536)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2536

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