Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.11.2005, Az. III ZR 73/05

III. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 906

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 73/05
Verkündet am: 10. November 2005 [X.] als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

- 2 -

[X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. November 2005 durch die Richter [X.], Dr. [X.], [X.], [X.] und [X.]

für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil der 12. Zivilkammer des [X.] vom 16. März 2005 wird [X.].

Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen. Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger verlangt die Rückerstattung eines Betrages, den er am 19. November 2003 im Zuge der Teilnahme an einem sogenannten "[X.]" an den Beklagten gezahlt hat.

Die "Schenkkreise" waren nach Art einer Pyramide organisiert. Die an der Spitze stehenden Mitglieder des "[X.]" erhielten von ihnen nachgeordneten "[X.]" bestimmte Geldbeträge. Darauf schieden die "Beschenkten" aus dem "Spiel" aus; an ihre Stelle traten die Mitglieder [X.], die nunmehr die [X.] einnahmen. Es galt dann, 1 2 - 3 -

genügend Teilnehmer für neu zu bildende "Geberkreise" zu finden, die bereit waren, den festgelegten Betrag an die in den "Empfängerkreis" aufgerückten Personen zu zahlen. Die Anwerbung war Sache der auf der untersten Reihe verbliebenen "Mitspieler".

In Kenntnis des vorbeschriebenen Systems trat der Kläger in einen "[X.]" ein und zahlte an den Beklagten, der mit anderen den "[X.]" besetzt hatte, 1.250 •. Er wollte weiter im Spiel bleiben und selbst später "Beschenkter" werden.

Amtsgericht und Berufungsgericht haben dem Kläger die eingeklagten 1.250 • nebst Zinsen und 13,70 • Auslagen zugesprochen. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag, die Klage abzuweisen, weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

[X.]

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die den "[X.]" zugrunde liegende Spielvereinbarung sei sittenwidrig und daher nichtig. Es habe sich um ein Schneeballsystem gehandelt. Die "Schenkkreise" seien darauf angelegt ge-wesen, den ersten "Mitspielern" einen sicheren Gewinn zu verschaffen, wäh-3 4 5 6 - 4 -

rend die große Masse der späteren Teilnehmer keine Chance auf einen Ge-winn gehabt habe und ihren "Einsatz" habe verlieren müssen; denn in [X.] habe die für das Aufrücken der - größer werdenden - Zahl von "Ge-bern" in den "Empfängerkreis" notwendige, immer größer werdende Zahl von "Schenkern" nicht mehr gewonnen werden können.

Den aufgrund der nichtigen Vereinbarung gezahlten Betrag könne der Kläger unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung von dem Beklagten zurückfordern. Der Anspruch sei nicht gemäß § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen, weil der Kläger - als [X.] - selbst gegen die guten Sit-ten verstoßen habe. In dieser Phase des "Spiels" sei er noch passiv gewesen. Im Übrigen sei es mit [X.] und Glauben nicht zu vereinbaren, wenn der [X.] den durch anstößiges Verhalten erlangten Vorteil behalten dürfte, [X.] diejenigen, die ihn wie der Kläger "beschenkt" hätten, Opfer des [X.] würden.

I[X.]

Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Prüfung stand. Der Kläger kann von dem Beklagten Zahlung von 1.250 • nebst Zinsen und Auslagen fordern.
1. Anspruchsgrundlage ist § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB. Dem Kläger steht diese Leistungskondiktion zu, weil er 1.250 • ohne rechtlichen Grund an den Beklagten gezahlt hat. Die Vereinbarung des "Schenkkreises" war, da auf ein Schneeballsystem gerichtet, sittenwidrig und damit nichtig (§ 138 Abs. 1 7 8 9 - 5 -

BGB; vgl. [X.], Urteil vom 22. April 1997 - [X.] - NJW 1997, 2314, 2315). Das stellt auch die Revision nicht in Frage.
- 6 -

2. Der Bereicherungsanspruch scheitert entgegen der Annahme der Revi-sion nicht an § 817 Satz 2 BGB. Danach ist eine Rückforderung ausgeschlos-sen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein Gesetz- oder [X.] zur Last fällt. Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt, es spreche zwar einiges dafür, dass der Kläger sich der Sittenwidrigkeit der Spielanlage bewusst gewesen sei, oder sich zumindest dieser Einsicht leichtfertig verschlossen habe. Mit der [X.] an den Beklagten habe er indes nicht unmittelbar sittenwidrige Ziele [X.]; er sei in dieser Phase des "Spiels" passiv gewesen. Ob dem zu folgen ist, kann dahinstehen.

Dem Berufungsgericht ist jedenfalls darin zuzustimmen, dass der Grund und der Schutzzweck der [X.] (§ 138 Abs. 1 BGB) hier - aus-nahmsweise - gegen eine Kondiktionssperre gemäß § 817 Satz 2 BGB spre-chen (vgl. zu einer solchen Einschränkung des § 817 Satz 2 BGB im Hinblick auf den Zweck eines Verbotsgesetzes in Verbindung mit dem Grundsatz von [X.] und Glauben: [X.]Z 111, 308, 312 f einerseits, [X.]Z 118, 142, 150, 182, 193 und [X.], Urteil vom 14. Juli 1993 - [X.] - [X.], 1765, 1767 andererseits; s. ferner [X.] NJW 1996, 2660, 2661; [X.] NJW 2005, 3290, 3291 f; [X.] 4. Aufl. 2004 § 817 Rn. 13; [X.]/[X.], [X.]. 2004 § 817 Rn. 15; [X.]/[X.], Lehrbuch des [X.] Besonderer Teil 2. Halbband 13. Aufl. 1994 S. 166).

a) Die im Streitfall zu beurteilenden, nach dem Schneeballsystem orga-nisierten "Schenkkreise" waren anstößig (§ 138 Abs. 1 BGB), weil die große Masse der Teilnehmer - im Gegensatz zu den initiierenden "Mitspielern", die (meist) sichere Gewinne erzielten - zwangsläufig keinen Gewinn machten, [X.] 11 12 - 7 -

dern lediglich ihren "Einsatz" verloren. Das "Spiel" zielte allein darauf ab, zu-gunsten einiger weniger "Mitspieler" leichtgläubige und unerfahrene Personen auszunutzen und sie zur Zahlung des "Einsatzes" zu bewegen (vgl. [X.], Urteil vom 22. April 1997 aaO). Einem solchen sittenwidrigen Verhalten steuert § 138 Abs. 1 BGB, indem er für entsprechende Vereinbarungen Nichtigkeit anordnet. Das würde aber, wie das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt hat, im [X.] konterkariert und die Initiatoren solcher "Spiele" zum Weitermachen gera-dezu einladen, wenn sie die mit sittenwidrigen Methoden erlangten Gelder - ungeachtet der Nichtigkeit der das "Spiel" tragenden Abreden - behalten dürf-ten.

b) Der vorstehenden, § 817 Satz 2 BGB einschränkenden Wertung steht nicht entgegen, dass das aufgrund eines Spiels Geleistete gemäß § 762 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht zurückgefordert werden kann (vgl. [X.], Urteil vom 22. April 1997 aaO). Diese Vorschrift greift nur dann Platz, wenn die Rückforderung auf den Spielcharakter gestützt wird. Ist die "Spielvereinbarung" - wie hier - gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig, gelten die allgemeinen Regeln (§§ 812 ff BGB; vgl. [X.] NJW-RR 2002, 1393, 1394; [X.], 313; [X.], 491, 492; [X.]/[X.], BGB <2001> § 762 Rn. 26; 13 - 8 -

Janoschek in [X.]/[X.], BGB 2003 § 762 Rn. 17; [X.] 4. Aufl. 2004 § 762 Rn. 13 und 24; [X.]/[X.], [X.] Aufl. 2005 § 762 Rn. 10).

[X.] Ri[X.] Dr. [X.] ist wegen
[X.] Urlaubs verhindert zu unter- schreiben

[X.]

[X.] Herrmann

Vorinstanzen: [X.] ([X.]), Entscheidung vom [X.] - 71 C 303/04 - [X.], Entscheidung vom 16.03.2005 - 12 S 276/04 -

Meta

III ZR 73/05

10.11.2005

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.11.2005, Az. III ZR 73/05 (REWIS RS 2005, 906)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 906

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