Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.12.2011, Az. VII ZR 67/11

7. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 67

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Gegenstand

Öffentliche Ausschreibung: Erfordernis eines Hinweises auf die Kontaminierung des zum Aushub und zur Weiterverwendung bestimmten Bodens im Falle eines Bodenaushubs unterhalb einer teerhaltigen Asphaltdecke


Leitsatz

1. Grundsätzlich ist der öffentliche Auftraggeber gehalten, ihm mögliche und zumutbare Angaben zur Kontamination eines zum Aushub und zur Weiterverwendung vorgesehenen Bodens zu machen. Ein Unterlassen solcher Angaben kann die Auslegung des Vertrages dahin rechtfertigen, eine Bodenkontamination liege nicht vor.

2. Ein ausdrücklicher Hinweis auf die Kontaminierung des zum Aushub und zur Weiterverwendung vorgesehenen Bodens ist nicht notwendig, wenn diese sich aus den Umständen klar und eindeutig ergibt, weil der im Leistungsverzeichnis beschriebene Boden regelmäßig kontaminiert ist (hier: Boden unterhalb einer teerhaltigen Asphaltschicht).

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des [X.] vom 24. Februar 2011 aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des [X.] vom 22. Mai 2009 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin verlangt von den [X.] zusätzliche Vergütung für Tiefbauarbeiten mit der Begründung, sie habe beim Aushub von [X.] unterhalb einer Ortsdurchfahrt schadstoffhaltigen [X.] angetroffen, der nicht ausgeschrieben gewesen sei.

2

Die [X.] haben Teile einer Ortsdurchfahrt im Gemeindegebiet der [X.] zu 2 ausgebaut. Die Klägerin wurde im Jahre 2002 teilweise von der [X.] zu 1 und teilweise von der [X.] zu 2 unter anderem damit beauftragt, die teerhaltige Asphaltschicht der Ortsdurchfahrt und den darunter liegenden [X.] zu entfernen. Das Leistungsverzeichnis für die gesamten Arbeiten sah in verschiedenen Positionen vor, dass der [X.] gelöst und von der Klägerin weiterverwendet wird. Angaben zur [X.]beschaffenheit enthielten die Verträge nicht. Die Geltung der VOB/B wurde vereinbart.

3

Die Analyse des gelösten [X.]s ergab den [X.] 1.1 der Mitteilung der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA). Dies bedeutet eine geringfügige Schadstoffbelastung.

4

Die Klägerin hat vorgetragen, sie sei von schadstofffreiem [X.] ausgegangen. Infolge der Zuordnung zu [X.] sei der vorgesehene Wiedereinbau nicht möglich gewesen und ihr seien wegen der Notwendigkeit der Deponierung des [X.]s Mehrkosten entstanden.

5

Das [X.] hat die Klage, mit der auch noch andere Ansprüche geltend gemacht worden sind, insoweit abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin, mit der allein die [X.] infolge veränderter [X.]verhältnisse gegen die Beklagte zu 1 in Höhe von 99.806,45 € nebst Zinsen und vorgerichtlicher Kosten von 1.663,50 € und gegen die Beklagte zu 2 in Höhe von 48.421,97 € nebst Zinsen und vorgerichtlicher Kosten von 1.233 € geltend gemacht worden sind, hat das Berufungsgericht ein Grundurteil erlassen.

6

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die [X.] ihren Antrag auf Zurückweisung der Berufung weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Zurückweisung der Berufung der Klägerin.

I.

8

Das Berufungsgericht ist der Meinung, Gegenstand der Vergütungsvereinbarungen sei ein von Schadstoffen unbelasteter Boden. Das Festhalten der Beklagten an den Verträgen nach dem [X.] des Bodens mit einem [X.] von Z 1.1 führe zu einem Anspruch der Klägerin aus § 2 Nr. 5 [X.]/B.

9

Der Wortlaut der auszulegenden Verträge, aus dem sich kein Hinweis auf belastetes Material ergebe, spreche ebenso für die Klägerin wie die Richtigkeits- und Vollständigkeitsvermutung der öffentlichen Ausschreibung nach § 9 Nr. 1 und Nr. 3 [X.]/A. Der Auftraggeber müsse die Bodenverhältnisse so beschreiben, dass der Erwerber ihre Auswirkungen auf die bauliche Anlage und die Bauausführung hinreichend beurteilen könne. Zusätzlich gestützt werde der Schutz und das Vertrauen des Auftragnehmers durch die ebenfalls zu berücksichtigenden [X.]-Normen 18300 und 18299. Danach seien die Schadstoffbelastungen nach Art und Umfang bei einem Boden sowie generell die Bodenverhältnisse anzugeben.

Der so gegebene Vertrauensschutz entfalle nicht dadurch, dass die Klägerin - wie auch der Sachverständige gemeint habe - mit belastetem Material habe rechnen müssen, weil dies regelmäßig unterhalb der Teerschicht der [X.] anzufinden sei. Denn es gäbe auch Fälle, bei denen der [X.]nbau unter solchen Umständen schadstofffrei sei.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Die Auslegung, welche Leistung von der [X.] in einem Bauvertrag erfasst wird, obliegt dem Tatrichter. Eine revisionsrechtliche Überprüfung findet nur dahin statt, ob Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze oder Denkgesetze vorliegen oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht ([X.], Urteil vom 22. Juli 2010 - [X.], [X.]Z 186, 295 Rn. 13 m.w.N.). Das Berufungsgericht hat gegen anerkannte Auslegungsgrundsätze verstoßen (1.). Die dem Senat selbst mögliche Auslegung ergibt, dass die [X.] der Parteien auch den Aushub des kontaminierten Bodens erfasst (2.).

1. Welche Leistungen von der [X.] in einem Bauvertrag erfasst sind, ist durch Auslegung des Vertrages nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen, §§ 133, 157 BGB, zu ermitteln.

a) Dabei ist das gesamte Vertragswerk zugrunde zu legen, wozu bei einer öffentlichen Ausschreibung auch die [X.]/B gehört. Danach werden durch die vereinbarten Preise alle Leistungen abgegolten, die nach der Leistungsbeschreibung, den verschiedenen Vertragsbedingungen und der gewerblichen Verkehrssitte zu den vertraglichen Leistungen gehören, § 2 Nr. 1 [X.]/B. Bei einer öffentlichen Ausschreibung kommt dem Wortlaut der Leistungsbeschreibung vergleichsweise große Bedeutung zu ([X.], Urteil vom 9. Januar 1997 - [X.], [X.]Z 134, 245, 248). Wie diese zu verstehen ist, hängt vom [X.] ab. Maßgeblich ist insoweit bei Ausschreibungen nach [X.]/A der objektive [X.] der potentiellen Bieter ([X.], Urteil vom 22. April 1993 - [X.], [X.], 595, 596 = [X.] 1993, 219; Urteil vom 11. November 1993 - [X.], [X.]Z 124, 64, 67).

Die Auslegung hat zu berücksichtigen, dass der Bieter grundsätzlich eine mit den Ausschreibungsgrundsätzen der öffentlichen Hand konforme Ausschreibung erwarten darf. Deshalb darf der Bieter die Leistungsbeschreibung einer öffentlichen Ausschreibung nach der [X.]/A im Zweifelsfall so verstehen, dass der Auftraggeber den Anforderungen der [X.]/A an die Ausschreibung entsprechen will ([X.], Urteil vom 11. November 1993 - [X.], [X.]Z 124, 64, 68; Urteil vom 9. Januar 1997 - [X.], aaO; Urteil vom 11. März 1999 - [X.], [X.], 897, 898 = [X.] 1999, 256). Nach diesen Anforderungen ist die Leistung eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung in gleichem Sinne verstehen müssen und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen können. Dem Auftragnehmer darf kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss hat und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen er nicht im Voraus schätzen kann. Die für die Ausführung der Leistung wesentlichen Verhältnisse der Baustelle, z.B. Boden- und Wasserverhältnisse, sind so zu beschreiben, dass der Bewerber ihre Auswirkungen auf die bauliche Anlage und die Bauausführung hinreichend beurteilen kann. Die "Hinweise für das Aufstellen der Leistungsbeschreibung" in Abschnitt 0 der [X.], [X.] 18299 ff., sind zu beachten, § 9 Nr. 1 bis 3 [X.]/[X.]

b) Diese Auslegungsgrundsätze hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft angewandt.

aa) Das Berufungsgericht geht fehlerhaft davon aus, aus dem Wortlaut der Verträge ergebe sich, dass der Aushub kontaminierten Materials nicht Gegenstand der Vereinbarungen sei. Das Gegenteil ist der Fall. Der Boden wird in der Leistungsbeschreibung nicht beschrieben, so dass nach dem Wortlaut der Verträge der Aushub des jeweilig vorgefundenen Bodens geschuldet und von der Preisvereinbarung erfasst ist. Deshalb ist auch der Hinweis des Berufungsgerichts auf eine Vollständigkeits- und Richtigkeitsvermutung verfehlt. Der Auftragnehmer darf sich grundsätzlich darauf verlassen, dass eine Leistung richtig beschrieben ist. Er darf sich auch darauf verlassen, dass Details vollständig angegeben sind, soweit sich aus dem Vertrag nichts Abweichendes ergibt (vgl. Kapellmann/Schiffers, Vergütung, Nachträge und Behinderungsfolgen beim Bauvertrag, Band 1, 6. Aufl., Rn. 728). Da die Beklagte den Boden im Detail nicht beschrieben hat, kommt eine Vollständigkeits- und Richtigkeitsvermutung in diesem Sinne nicht in Betracht.

bb) Es kommt deshalb darauf an, ob sich aus den übrigen Umständen, insbesondere der Verkehrssitte oder den [X.] der [X.]/A oder [X.]/[X.] eine Einschränkung des Wortlauts dahin entnehmen lässt, dass der Aushub des Bodens, der mit einem [X.] von Z 1.1 bewertet worden ist, nicht von den Preisvereinbarungen erfasst ist.

Das Berufungsgericht geht insoweit davon aus, dass die Leistungsbeschreibung nur dann den Anforderungen an § 9 Nr. 1 und Nr. 3 [X.]/[X.] entspricht, wenn die vorgefundene Kontamination darin erwähnt worden wäre. Das entnimmt es auch den Regelungen in [X.] 18299 und 18300. Dabei geht es jedoch von unzutreffenden Voraussetzungen aus. Richtig ist, dass auch bei einer nach dem Wortlaut umfassend beschriebenen Leistung unter dem Gesichtspunkt ein einschränkendes Verständnis der Preisvereinbarung möglich ist, dass ansonsten unter Verstoß gegen die Ausschreibungsgrundsätze ein ungewöhnliches Wagnis auferlegt würde (vgl. [X.], Urteil vom 11. November 1993 - [X.], [X.]Z 124, 64, 68). Das Berufungsgericht geht jedoch zu Unrecht davon aus, dass ein solcher Verstoß vorliege, weil unter den gegebenen Umständen die genannten Ausschreibungsgrundsätze nur gewahrt sein könnten, wenn eine vorgefundene [X.] ausdrücklich beschrieben sei.

Inwieweit eine Ausschreibung den Anforderungen des § 9 [X.]/[X.] entspricht, beurteilt sich nicht allein danach, ob einzelne [X.] beschrieben sind, sondern nach dem objektiven Verständnis der potentiellen Bieter von der vorhandenen Leistungsbeschreibung. Ergibt sich aus der Leistungsbeschreibung unter Berücksichtigung aller dem Vertrag zugrunde liegenden Umstände klar und eindeutig, dass ein bestimmtes [X.] Gegenstand der Preisvereinbarung ist, so bedarf es seiner weiteren Erwähnung im Vertrag grundsätzlich nicht. Denn dann ist die Leistung auch ohne Erwähnung dieses Details eindeutig und erschöpfend beschrieben, § 9 Nr. 1 Satz 1 [X.]/[X.], und dem Auftragnehmer wird durch Weglassen des Details kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet, § 9 Nr. 2 [X.]/[X.]

Dieser Grundsatz gilt auch, soweit es um die Beschreibung von Bodenverhältnissen geht. Bodenverhältnisse können durch Beschreibung im Vertrag zum von der Vergütungsvereinbarung erfassten Leistungsinhalt erhoben werden ([X.], Urteil vom 20. August 2009 - [X.], [X.]Z 182, 158 Rn. 78; Urteil vom 30. Juni 2011 - [X.], [X.], 1646 = NZBau 2011, 553 = [X.] 2011, 747). Möglich ist auch, dass bestimmte Bodenverhältnisse, wie z.B. Kontaminationen, negativ als nicht von der Vergütungsvereinbarung erfasst ausgeschlossen werden. Insoweit kann den Ausschreibungsregeln der [X.]/A ohne Weiteres entnommen werden, dass [X.] in Verträgen über den Aushub und die Weiterverwendung von Boden durch den Auftragnehmer grundsätzlich aus der Leistungsbeschreibung hervorgehen müssen, soweit der Auftraggeber zu einer solchen Beschreibung nach den Umständen in der Lage und diese zumutbar ist. Denn Kontaminationen haben regelmäßig erhebliche Auswirkungen auf die Möglichkeiten der Weiterverwendung und beeinflussen deshalb die Preisbildung. In aller Regel wird es daher notwendig sein, mögliche und zumutbare Angaben zur [X.] in der Leistungsbeschreibung ausdrücklich zu erfassen, damit eine verlässliche Preisermittlung möglich ist.

Ihre ausdrückliche Angabe ist jedoch nicht zwingend. Sie kann unterbleiben, wenn sich aus den gesamten [X.] klar ergibt, dass eine [X.] vorliegt. Davon gehen - wie das Berufungsgericht und die Revisionserwiderung verkennen - auch die in § 9 Nr. 3 Abs. 4 [X.]/[X.] in Bezug genommenen Ausschreibungsregeln in [X.] 18299 und [X.] 18300 aus. Sowohl nach [X.] 18299 Abschnitt [X.] als auch nach [X.] 18300 Abschnitt 0.2.3 ist in der Leistungsbeschreibung die Schadstoffbelastung "nach den Erfordernissen des Einzelfalles" anzugeben. Das bedeutet, dass im Einzelfall die ausdrückliche Angabe der Schadstoffbelastung auch entbehrlich sein kann, wenn damit den in § 9 [X.]/A zum Schutz des Bieters enthaltenen Ausschreibungsgrundsätzen Genüge getan ist (vgl. auch Beck'scher [X.]-Kommentar/Englert/[X.], Teil [X.], 2. Aufl., [X.] 18299 Rn. 16). Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Schadstoffbelastung keiner weiteren Erwähnung bedarf, weil sie sich aus den übrigen Umständen klar ergibt.

2. Der Senat kann - weil weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind - die Auslegung abschließend selbst vornehmen. Danach ist der von der Klägerin ausgehobene Boden Gegenstand der Ausschreibung und Vergütungsvereinbarung. Ein Anspruch aus § 2 Nr. 5 [X.]/B besteht nicht.

a) Aufgrund der Feststellungen des Sachverständigen, die insoweit von den Parteien nicht in Frage gestellt werden, steht fest, dass sich unterhalb der Asphaltdecke einer Ortsdurchfahrt regelmäßig ein mit Schadstoffen belasteter Boden befindet. Denn in der Regel sind die Bodenschichten unter einer alten Asphaltdecke durch nach unten sickernde Schadstoffe aus dem teerbelasteten Asphalt ebenfalls belastet. Die Belastungen des Unterbaus schwanken in der Regel zwischen LAGA - [X.] 1.1, [X.], [X.] und > [X.]. Es kann zwar auch - worauf die Klägerin wiederholt hingewiesen hat - unbelasteter Boden vorgefunden werden; das ist jedoch bei Ortsdurchfahrten selten. Unerheblich ist, dass die Mengen teerhaltigen Materials im Verhältnis zu den sonstigen Mengen des Leistungsverzeichnisses nur in geringem Umfang ausgeschrieben waren. Denn das stellt nicht in Frage, dass den potentiellen Bietern bei der Angebotskalkulation bewusst sein musste, dass sie unterhalb der Asphaltdecke regelmäßig belasteten Boden antreffen werden. Insoweit kommt es auf den verständigen und fachkundigen Bieter an, der sich nicht darauf berufen kann, im [X.] würde dies seiner Aufmerksamkeit entgehen können, so dass der Auftraggeber verpflichtet sei, ihn sozusagen warnend ausdrücklich auf die Kontamination des Bodens aufmerksam zu machen. Einer solchen Warnung bedarf es nicht, wenn von dem fachkundigen Bieter die Kenntnis vorausgesetzt werden kann, dass regelmäßig kontaminierter Boden vorliegt. Das ist hier der Fall.

b) Bei dieser Sachlage hat ein Bieter grundsätzlich keinen Grund zu der Annahme, der gemeinsam mit der Entfernung der Asphaltdecke ausgeschriebene Bodenaushub unterhalb dieser Decke könne schadstofffreien Boden betreffen. Gibt es keine besonderen Erkenntnisse über den Boden, stellt sich für ihn die Leistungsbeschreibung in gleicher Weise wie für den Auftraggeber so dar, dass ein noch nicht untersuchter Boden entfernt werden soll, der regelmäßig schadstoffbelastet ist. Die Möglichkeit, dass auch Boden des [X.] angetroffen werden könnte, ändert nichts, weil das regelmäßig nicht der Fall ist. Vielmehr ist auch ohne weitere Erwähnung der Schadstoffbelastung klar, dass die naheliegende Möglichkeit einer Kontamination besteht und die Preise unter Einbeziehung dieser Möglichkeit kalkuliert werden sollen. In einem solchen Fall liegt ein Verstoß gegen die Ausschreibungsregeln der [X.] 18299 und [X.] 18300 nicht vor, denn die Erwähnung der Kontamination ist nach den Erfordernissen des Einzelfalls nicht geboten.

An dieser Beurteilung ändert sich nichts dadurch, dass den Beklagten ein Verstoß gegen die beschriebenen Ausschreibungsregeln unterlaufen sein könnte, weil sie keine Angaben gemacht haben, die der Klägerin die genaue Einordnung des Bodens in die verschiedenen [X.]e ermöglicht hätte. Diese Angaben könnten deshalb notwendig gewesen sein, weil die Möglichkeiten der Weiterverwendung umso mehr eingeschränkt sind, je höher der [X.] ist. Bei hohen Werten kann eine Weiterverwendung ganz ausgeschlossen sein. Diese Unterlassung rechtfertigt nicht die Auslegung des Vertrages, es werde ein schadstofffreier Boden vorgefunden. Vielmehr wird ein regelmäßig belasteter Boden vorausgesetzt. Die Klägerin muss sich an diesem Aussagewert des Vertrages fest halten lassen, auch wenn sie insoweit ein Risiko eingegangen ist ([X.], Urteil vom 27. Juni 1996 - [X.], [X.], 126, 128 = [X.] 1997, 29). Das Risiko einer hohen Belastung hat sich im Übrigen nicht verwirklicht. Die Klägerin hat einen nur gering schadstoffhaltigen Boden vorgefunden, der offen jedenfalls in technische Bauwerke eingebaut werden kann. Soweit es um das Risiko geht, dass ein zur Weiterverwendung ungeeigneter Boden vorgefunden wird, ist darauf hinzuweisen, dass der Vertrag einen Boden voraussetzt, der zur Weiterverwendung geeignet ist. Das ergibt sich aus den zahlreichen Positionen, in denen diese ausdrücklich vorgesehen ist. Wäre ein nicht zur Weiterverwendung vorgesehener Boden angetroffen worden, hätte die Klägerin eine Preisanpassung gemäß § 2 Nr. 5 [X.]/B oder jedenfalls nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage verlangen können.

c) Der vom Senat vorgenommenen Auslegung des Vertrages steht nicht das Ergebnis der Umfrage entgegen, die der Sachverständige bei acht heimischen Bauunternehmern vorgenommen hat. Diese haben allerdings angegeben, sie wären bei der Kalkulation von unbelastetem Boden ausgegangen. Das ist im Hinblick darauf, dass regelmäßig belasteter Boden unterhalb der [X.] anzufinden ist, nicht nachvollziehbar. Die Antworten der angefragten Unternehmer lassen nicht erkennen, warum sie trotz dieses Umstandes von einem unbelasteten Boden ausgehen. Sie geben nicht das objektive Verständnis eines fachkundigen Bieters wieder, auf das es allein ankommt.

d) Schließlich spielt es keine Rolle, dass die Beklagte und vergleichbare Behörden nunmehr möglicherweise die [X.]e in den Ausschreibungen angeben. Allerdings kann ein einheitliches oder weit verbreitetes [X.] maßgeblichen Einfluss auf die Verkehrssitte und damit das Verständnis eines Vertrages haben. Werden [X.]e nunmehr in den öffentlichen Ausschreibungen angegeben, so kann das Unterlassen einer solchen Angabe Einfluss auf das Verständnis des maßgeblichen Bieterkreises haben. Von der Klägerin ist nicht dargetan, dass bereits im Jahre 2002 eine solche allgemeine Handhabung vorlag. Dass einzelne [X.]nverkehrsbehörden bereits [X.]e angegeben haben, ist unerheblich.

3. Ein Anspruch aus § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil den Beklagten kein entscheidungserheblicher Verstoß gegen Vergabevorschriften zur Last fällt. Auch ein Anspruch auf Preisanpassung gemäß § 313 BGB ist nicht ersichtlich. Geschäftsgrundlage des Vertrages ist nicht geworden, dass ein Boden des [X.]es 1.1 nicht vorgefunden wird.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Kniffka                                                     Kuffer                                                 Bauner

                         Safari [X.]habestari                                             Leupertz

Meta

VII ZR 67/11

22.12.2011

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Koblenz, 24. Februar 2011, Az: 2 U 777/09, Urteil

§ 133 BGB, § 157 BGB, § 9 VOB A 2006, Nr 18300 Abschn 0.2.3 DIN

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.12.2011, Az. VII ZR 67/11 (REWIS RS 2011, 67)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 67

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