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PDF anzeigenBUNDESGERICHTSHOFBESCHLUSS2 BJs 79/00 - 4AK 11/01vom12. Juli 2001in dem Ermittlungsverfahrengegenalias:alias:alias:wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung u.a.- 2 -Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des General-bundesanwaltes sowie des Beschuldigten und seiner Verteidiger am 12. Juli2001 gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen:Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bun-desgerichtshof findet in drei Monaten statt.Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach denallgemeinen Vorschriften zuständigen Gericht übertragen.Gründe:1. Der Beschuldigte befindet sich seit 27. Dezember 2000 in Untersu-chungshaft aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesge-richtshofs vom selben Tag (2 BGs 205/2000), der durch neuen Haftbefehl vom15. Juni 2001 (2 BGs 158/2001) ersetzt wurde. Dieser ist damit begründet, daßder Beschuldigte folgender Straftaten dringend verdächtig sei:- er habe sich im Dezember 2000 im Raum F. an einer von sog."non-aligned Mudjahedin" gegründeten, auf Dauer angelegten und nachaußen abgeschotteten, konspirativ arbeitenden Organisationseinheit mit-gliedschaftlich beteiligt, die beabsichtigt habe, zunächst zur Jahreswende2000/2001 einen Sprengstoffanschlag auf einem belebten öffentlichen Platzin St. zu verüben (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1 und 3 StGB);- 3 -- er habe zur Vorbereitung dieses Anschlags im Zusammenwirken mit denMitbeschuldigten M. , B. und S. Sprengstoff hergestellt(§ 310 Abs. 1 Nr. 2 StGB);- er habe unechte oder verfälschte amtliche Ausweise in der Absicht ver-wahrt, deren Gebrauch zur Täuschung im Rechtsverkehr zu ermöglichen(§ 276 Abs. 1 Nr. 2 StGB);- er habe zur Täuschung im Rechtsverkehr zwei unechte Urkunden herge-stellt und gebraucht (§ 267 Abs. 1 StGB);- er habe unter Vorlage einer gefälschten American-Express-Kreditkarte inder H. -Apotheke in F. Kaliumpermanganat erworben und denKreditkartenbeleg mit dem Falschnamen "A. " abgezeichnet (§ 152 aAbs. 1 Nr. 2, § 263 Abs. 1 StGB);- er habe unerlaubt die tatsächliche Gewalt ausgeübt über zwei vollautomati-sche Selbstladewaffen (§ 52 a Abs. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 3 WaffG) und vierhalbautomatische Selbstladekurzwaffen (§ 53 Abs. 1 Nr. 3 a Buchst. aWaffG).2. Der Senat stützt seine Entscheidung zur Fortdauer der Untersu-chungshaft nicht auf den Vorwurf der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einerterroristischen Vereinigung (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1 und 3 StGB). Zwar belegt dasbisherige Ermittlungsergebnis hinreichend, daß der Beschuldigte in ein inter-nationales konspiratives Netz gewaltbereiter islamistischer Fundamentalisten("non-aligned Mudjahedin") eingebunden ist, aus dem heraus terroristischeAnschläge begangen oder vorbereitet werden. Es besteht auch ein Anfangs-verdacht (§ 160 Abs. 1 StPO) dahingehend, daß sich der Beschuldigte an einerin der Bundesrepublik bzw. speziell im Raum F. aus diesem Netzheraus gegründeten terroristischen Vereinigung beteiligt haben könnte. Jedoch- 4 -begründen die bisherigen Ermittlungen diesbezüglich noch keinen dringendenTatverdacht im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 StPO. Es fehlen bislang hinrei-chend konkrete Anhaltspunkte dafür, daß sich aus dem Kreis der genanntenislamischen Fundamentalisten in Deutschland Organisationen oder Teilorgani-sationen herausgebildet hätten, die den Merkmalen entsprechen, die dieRechtsprechung für die Annahme einer kriminellen oder terroristischen Verei-nigung voraussetzt (vgl. BGHSt 30, 328; 31, 202, 204; 31, 239 f.; BGH NJW1992, 1518). Selbst wenn eine derartige Vereinigung bestanden haben sollte,spricht im übrigen gegen eine mitgliedschaftliche Beteiligung des Beschuldig-ten hieran die Tatsache, daß er erst am 5. Dezember 2000 in die Bundesrepu-blik eingereist ist und sein Rückflug nach L. bereits für den 4. Januar2001 gebucht war. Dies deutet eher darauf hin, daß er sich nur zur Vorberei-tung und Durchführung des Anschlages in St. in der Bundesrepublikaufhielt und sich lediglich nach § 129 a Abs. 3 StGB strafbar gemacht habenkönnte.Auch soweit dem Beschuldigten im Haftbefehl als Vergehen nach § 267Abs. 1 StGB angelastet wird, er habe bei der Anmietung eines Appartements inBa. am 23. Dezember 2000 die Gästeanmeldung in der PensionSch. mit dem Falschnamen "A. " unterzeichnet, stützt der Senat seine Ent-scheidung hierauf nicht. Denn unter Beachtung der in BGHSt 33, 159, 160 f.entwickelten Grundsätze erscheint fraglich, ob der Beschuldigte hierdurch innach § 267 Abs. 1 StGB strafbarer Weise über seine Identität oder nicht viel-mehr nur straflos über seinen Namen täuschte.Letztlich legt der Senat seiner Entscheidung auch nicht den im Haftbe-fehl enthaltenen Vorwurf zugrunde, der Beschuldigte habe gegen § 276 Abs. 1- 5 -Nr. 2 StGB verstoßen, indem er den auf den Namen "E. " ausgestelltenbritischen Reisepaß verwahrte. Dieser Paß wurde laut Auskunft der britischenBehörden tatsächlich für den Beschuldigten ausgestellt; er ist daher weder un-echt noch verfälscht. Es ist bisher auch nicht ausreichend belegt, daß der Paßeine Falschbeurkundung der in §§ 271 und 348 StGB bezeichneten Art enthält.Allein die Tatsache, daß der Beschuldigte den Paß bei den britischen Behör-den als gestohlen gemeldet hat, macht diesen Paß noch nicht zu einem taugli-chen Tatobjekt im Sinne des § 276 Abs. 1 StGB.3. Dagegen liegen bezüglich der übrigen im Haftbefehl vom 15. Juni2001 genannten Taten die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersu-chungshaft über sechs Monate hinaus vor.a) Der dringende Tatverdacht hinsichtlich des Vergehens nach § 310Abs. 1 Nr. 2 StGB ergibt sich zunächst insbesondere daraus, daß bei einerDurchsuchung der von den Beschuldigten M. , E. und S. ge-nutzten Wohnung in der Si. -Str. in F. in arabischerSprache verfaßte Anleitungen, Pläne etc. zur Herstellung von Sprengstoffenund Sprengzündern gefunden wurden sowie in erheblichem Umfang Stoffe,Utensilien, Materialien und Gerätschaften, die laut sachverständiger Begut-achtung zur Sprengstoffherstellung geeignet sind. Da in zwei sichergestelltenSeifendosen, deren Inhalt noch vor Ort aus Sicherheitsgründen gesprengt wur-de, Spuren von Triacetontriperoxid (TATP) nachgewiesen werden konnten,liegt auch ein hinreichender Beleg dafür vor, daß die Beschuldigten bereitsSprengstoff fertiggestellt hatten. Daß der Sprengstoff für einen Anschlag aufden Weihnachtsmarkt oder einen Wochenmarkt in St. die-nen sollte, folgt aus dem Umstand, daß die Beschuldigten E. und S. - 6 - am 23. Dezember 2000 unter Angabe falscher Personalien in Ba. zwei Appartements für den Zeitraum vom 25. Dezember 2000 bis 2. Ja-nuar 2001 bzw. vom 26. bis 31. Dezember 2000 buchten und sodann von dortaus mit einem vom Beschuldigten B. in F. angemietetenPkw eine Fahrt nach St. unternahmen, um die ins Auge gefaßten Tat-orte sowie die Routen für An- und Abfahrt auszukundschaften. Die Anmietungder Appartements wird durch Zeugenaussagen belegt, die Fahrt nach St. und deren Zweck durch den Inhalt eines Videofilms, den die genanntenbeiden Beschuldigten hierbei aufnahmen, und der bei der erwähnten Durchsu-chung sichergestellt werden konnte. Auch hat der Beschuldigte B. inseiner Vernehmung vom 12. Februar 2001 bestätigt, daß die BeschuldigtenM. , E. und S. vorhatten, Menschen zu töten.Der dringende Tatverdacht gegen den Beschuldigten E. bezüg-lich der Straftaten nach § 276 Abs. 1 Nr. 2 StGB beruht darauf, daß bei seinerFestnahme und Durchsuchung der Wohnung Si. -Str. in F. gefälschte, auf die Falschnamen " Mu. " und " A. "ausgestellte und mit seinem Lichtbild versehene französische Ausweispapiereaufgefunden wurden, nämlich ein Reisepaß, zwei Führerscheine und eine vomfranzösischen Außenministerium ausgegebene konsularische Immatriku-lationskarte. Der Beschuldigte hat bereits anläßlich des Auffindens dieserAusweise eingeräumt, daß sie gefälscht sind.Die Fälschung der American-Express-Kreditkarte wurde durch sachver-ständige Begutachtung und Auffinden des Codierungsgeräts in Großbritannienbestätigt. Ihr nach § 263 Abs. 1 und § 152 a Abs. 1 Nr. 2 StGB strafbarer Ein-satz durch den Beschuldigten in der H. -Apotheke in F. ergibt sich- 7 -aus dem Abgleich der Belastungsbuchungen und der Aussage des Verkäufers,der den Beschuldigten bei einer Wahllichtbildvorlage wiedererkannt hat. Durchdie Abzeichnung des Belastungsbelegs mit dem Falschnamen " A. " hatder Beschuldigte außerdem eine unechte Urkunde hergestellt und gebraucht(§ 267 Abs. 1 StGB).Hinsichtlich der Waffendelikte (§ 52 a Abs. 1 Nr. 1, § 53 Abs. 1 Nr. 3 aBuchst. a WaffG) folgt der dringende Tatverdacht aus dem Umstand, daß inder genannten Wohnung Si. -Str. in F. in einer schwar-zen Aktentasche zwei Maschinenpistolen der Marke "Scorpion" sowie drei Pi-stolen und ein Revolver aufgefunden wurden.b) Bei dem Beschuldigten besteht aus den im Haftbefehl des Ermittlungs-richters des Bundesgerichtshofs vom 15. Juni 2001 genannten Gründen derHaftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Der Zweck der Untersu-chungshaft kann nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als derenVollzug (§ 116 Abs. 1 StPO) erreicht werden.Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechsMonate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) sind gegeben. Die besondere Schwierig-keit und der außergewöhnliche Umfang der Ermittlungen haben bisher ein Ur-teil nicht zugelassen. Die Ermittlungen erstrecken sich gegen eine Vielzahl vonBeschuldigten, deren Verbindungen innerhalb der Bundesrepublik, in das eu-ropäische Ausland, aber auch in den Mittleren Osten aufzuklären sind. Siewerden durch das konspirative Verhalten der Beschuldigten und ihres Umfel-des erschwert. Es sind mehrere Rechtshilfeersuchen an Ermittlungsbehördenin Frankreich, Großbritannien und Italien notwendig geworden, die zum Teil- 8 -noch nicht erledigt sind. Durch Wohnungsdurchsuchungen, Telefonabhörmaß-nahmen und sonstige Ermittlungen, aber auch durch die Überlassung von Be-weisstücken ausländischer Ermittlungsbehörden hat sich eine umfangreiche,durch die laufenden Ermittlungen noch anwachsende Sammlung von Beweis-material ergeben, deren Auswertung mit einem erheblichen Aufwand verbun-den ist und teilweise sachverständige Begutachtung voraussetzt. Dies wirdnoch dadurch erschwert, daß eine Vielzahl von Schriftstücken, Abhörprotokol-len und auf Datenträgern gespeicherter Dokumente zunächst ins Deutsche zuübersetzen ist, um eine Auswertung erst zu ermöglichen. Es ist kein Anhalts-punkt dafür erkennbar, daß die Ermittlungen bisher nicht mit der in Haftsachengebotenen Beschleunigung betrieben wurden. Der weitere Vollzug der Unter-suchungshaft steht auch nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache undder für den Beschuldigten zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).Rissing-van Saan Miebach Becker
Meta
12.07.2001
Bundesgerichtshof 3. Strafsenat
Sachgebiet: False
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.07.2001, Az. AK 11/01 (REWIS RS 2001, 1922)
Papierfundstellen: REWIS RS 2001, 1922
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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