Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.11.2010, Az. 2 AZR 171/09

2. Senat | REWIS RS 2010, 1040

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Gegenstand

Außerordentliche Kündigung - Personalratsbeteiligung - Kündigungsbefugnis


Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 1. Dezember 2008 - 6 [X.] 817/08 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die [X.]irksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Der im Jahr 1967 geborene Kläger arbeitete seit dem 1. März 1989 bei der beklagten [X.]. Er war ab 2002 in der Einsatzzentrale des Eigenbetriebs [X.]EB (Abfallwirtschaft und [X.]entwässerung) in der Einsatzsteuerung der Straßenreinigung und der Abfallsammlung tätig. Zum 1. Januar 2005 wurde die Straßenreinigung in den unselbständigen Eigenbetrieb [X.] („Straße und Grün“ in [X.]) eingegliedert. Nach dem Arbeitsvertrag vom 1. Februar 2002 erhielt er eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe VII BAT.

3

Anfang September 2006 erhielt die Beklagte den Hinweis, dass seit Mai 2006 regelmäßig einmal in der [X.]oche in einer bestimmten Straße im „[X.] 2“ Abfälle aus einem privaten Fahrzeug in ein Abfallsammelfahrzeug der [X.] umgeladen würden. Die [X.]erksleitung beauftragte daraufhin eine Detektei mit Ermittlungen. Deren Mitarbeiter observierten in der [X.] vom 12. September bis zum 7. November 2006 das Entsorgungsteam des [X.]s 2. Sie stellten fest, dass in der betreffenden Straße regelmäßig von einem dort wartenden Geländewagen mit Anhänger Müll in die Abfallfahrzeuge [X.] und [X.]H umgeladen wurde, ohne dass der sich in [X.] der [X.] befunden hätte. Halter und Eigentümer des Geländefahrzeugs samt Anhängers war der Kläger. Fahrer der Müllfahrzeuge war jeweils laut Einsatzplan der Vater des [X.]. Am 8. November 2006 übergab die Detektei der Beklagten ihren Bericht nebst Videoaufnahmen. Am 14. November 2006 hörte die Beklagte den Kläger zu den Vorwürfen an. Der Kläger bestätigte, Halter des Geländewagens und des Anhängers zu sein, erklärte aber, er teile sich diese mit zwei Freunden.

4

Mit Schreiben vom 16. November 2006 bat der [X.]erksleiter des Eigenbetriebs [X.] dessen Personalrat um die „Herstellung des Benehmens“ zur fristlosen Kündigung des [X.]. Dieses wurde am 21./22. November 2006 erzielt. Der Personalrat des Eigenbetriebs [X.]EB und der Gesamtpersonalrat wurden nicht beteiligt.

5

Mit einem vom Oberbürgermeister unterzeichneten Schreiben vom 28. November 2006 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos zum 30. November 2006.

6

Der Kläger hat Kündigungsschutzklage erhoben und geltend gemacht, es liege kein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung vor. Er habe sich an der „Schwarzentsorgung“ nicht beteiligt. Die Beklagte habe außerdem die zweiwöchige Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt. Sie habe seit dem 8. November 2006 von dem maßgeblichen Sachverhalt vollständige Kenntnis gehabt. Die Anhörung am 14. November 2006 habe nicht der Aufklärung weiterer Tatsachen gedient. Im Übrigen sei der falsche Personalrat beteiligt worden. Da er Angestellter der Beklagten und nicht des Eigenbetriebs [X.] sei, habe der Gesamtpersonalrat beteiligt werden müssen.

7

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 28. November 2006 nicht aufgelöst worden ist.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beteiligung an illegaler Abfallentsorgung rechtfertigte die außerordentliche Kündigung. Der Kläger habe an mehreren Tagen bei verschiedenen Firmen Müll eingesammelt und von seinem Fahrzeug in eines ihrer Entsorgungsfahrzeuge umgeladen. Durch entgangene Entsorgungsgebühren, aufgewendete Personalkosten und die Kosten der Detektei sei ihr ein Schaden von mehr als 9.000,00 Euro entstanden. Da sie vor Ausspruch der Kündigung auch mögliche entlastende Gesichtspunkte habe ermitteln müssen, sei es erforderlich gewesen, den Kläger selbst anzuhören. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei deshalb gewahrt. Mit dem Personalrat des Eigenbetriebs [X.] sei das zuständige Gremium beteiligt worden. Für die Mitarbeiter des Eigenbetriebs [X.] treffe der [X.]erksleiter die fraglichen Entscheidungen, ihm seien die personalrechtlichen Befugnisse übertragen worden.

9

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg. Es liegt ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 626 Abs. 1 BGB vor. Die Beklagte hat die fristlose Kündigung rechtzeitig iSd. § 626 Abs. 2 BGB ausgesprochen. Der zuständige Personalrat ist ordnungsgemäß beteiligt worden.

I. Das [X.] hat zu Recht das Vorliegen eines wichtigen Grundes zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des [X.] angenommen.

1. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

2. Rechtsfehlerfrei ist das [X.] davon ausgegangen, dass der Kläger durch seine mehrfache Beteiligung an der umfangreichen illegalen Entsorgung von privatem Müll mit Hilfe städtischer Müllfahrzeuge seine arbeitsvertraglichen Pflichten erheblich verletzt hat. Der Kläger hat es an der nach § 241 Abs. 2 BGB gebotenen Rücksicht auf die berechtigten Interessen der Beklagten fehlen lassen und deren Vertrauen in seine Redlichkeit schwer verletzt. Durch sein Verhalten hat er der Beklagten nicht nur „Konkurrenz“ gemacht, sondern sie auch um Gebühreneinnahmen gebracht. Die Revision greift diese Würdigung nicht an. Dies gilt auch hinsichtlich der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Interessenabwägung des [X.]s.

II. Die außerordentliche Kündigung vom 28. November 2006 wurde innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB erklärt.

1. Nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Diese Frist beginnt nach Abs. 2 Satz 2 der Norm mit dem Zeitpunkt, in dem der [X.] von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Die Bestimmung ist ein gesetzlich konkretisierter Verwirkungstatbestand (Senat 26. Juni 2008 - 2 [X.]/07 - Rn. 23, [X.] § 626 Nr. 213 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 21; 2. Februar 2006 - 2 [X.] - Rn. 18, [X.] § 626 Nr. 204 = EzA BGB 2002 § 626 Ausschlussfrist Nr. 1). Ihr Ziel ist es, dem Arbeitnehmer rasch Klarheit darüber zu verschaffen, ob der [X.] einen bestimmten Sachverhalt zum Anlass für eine außerordentliche Kündigung nimmt. Die Frist beginnt, wenn der [X.] eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis von den maßgebenden Tatsachen hat und ihm deshalb eine fundierte Entscheidung über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses möglich ist (Senat 26. Juni 2008 - 2 [X.]/07 - aaO; 1. Februar 2007 - 2 [X.] - EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3; 2. Februar 2006 - 2 [X.] - Rn. 19, aaO). Zu den maßgeblichen Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Solange diese dem [X.]n nicht umfassend bekannt sind, kann dessen Kündigungsrecht nicht verwirken (Senat 2. Februar 2006 - 2 [X.] - Rn. 21, aaO; 5. Dezember 2002 - 2 [X.] - [X.] § 123 Nr. 63 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 1). Dabei gehören auch solche Aspekte zum Kündigungssachverhalt, die für den Arbeitnehmer sprechen. Sie lassen sich regelmäßig nicht ohne eine Anhörung des Arbeitnehmers erfassen (vgl. Senat 2. Februar 2006 - 2 [X.] - Rn. 21, aaO; [X.] 14. November 1984 - 7 [X.] - zu II 4 der Gründe, [X.] § 626 Nr. 89; [X.]/[X.] 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 211; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 330; [X.]/Preis 10. Aufl. Rn. 797 ff.). Der [X.], der bislang nur Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann deshalb nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen beginnt (Senat 17. März 2005 - 2 [X.] [X.] der Gründe, [X.] § 626 Ausschlussfrist Nr. 46 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 9; 10. Juni 1988 - 2 [X.] - [X.] § 626 Ausschlussfrist Nr. 27 = EzA BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 2). Sind die Ermittlungen abgeschlossen und hat er eine hinreichende Kenntnis vom Kündigungssachverhalt, beginnt der Lauf der Ausschlussfrist. [X.] ist, ob die Ermittlungsmaßnahmen tatsächlich zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben oder überflüssig waren (Senat 5. Dezember 2002 - 2 [X.] - zu [X.] (1) der Gründe, [X.] § 123 Nr. 63 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 1).

2. Danach war bei [X.] die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht abgelaufen.

a) Zwar lagen der Beklagten am 8. November 2006 der Ermittlungsbericht und das Observierungsmaterial der Detektei vor. Die Beklagte durfte aber den Kläger noch zu dem Ermittlungsergebnis anhören. Eine solche Anhörung war nicht überflüssig. Zum einen war die Beklagte verpflichtet, die Umstände aufzuklären, die ggf. gegen eine außerordentliche Kündigung des [X.] sprachen. Zum anderen war der Umfang der Beteiligung des [X.] noch näher zu klären, weil bei der „Schwarzentsorgung“ mehrere Personen mit unterschiedlicher Intensität mitgewirkt hatten. Dies gilt umso mehr als der Kläger nicht auf allen Videoaufnahmen klar erkennbar und sein Pkw möglicherweise auch von anderen Beteiligten benutzt worden war. Erst nach einer Klärung dieser Umstände konnte aus Sicht der Beklagten der Kündigungssachverhalt als einigermaßen bekannt gelten. Vorher vermochte sie ihn nicht abschließend zu bewerten.

b) Da die zweiwöchige Ausschlussfrist somit erst nach der Anhörung des [X.] am 14. November 2006 anlief, ist diesem die Kündigung am 28. November 2006 rechtzeitig zugegangen. Dabei spielt es keine Rolle, dass seine Anhörung zur Aufklärung des Sachverhalts nichts beigetragen hat.

III. Mit dem Personalrat des Eigenbetriebs [X.] ist das zuständige Gremium ordnungsgemäß beteiligt worden ist. Entgegen der Auffassung des [X.] war nicht der Gesamtpersonalrat zuständig.

1. Nach § 75 Abs. 1 Nr. 3 [X.] hat die Dienststelle bei einer außerordentlichen Kündigung das Benehmen mit dem Personalrat herzustellen. Dazu hat sie nach § 76 Abs. 1 Satz 1 [X.] dem Personalrat vor Durchführung der Maßnahme Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Nach Satz 3 der Vorschrift gilt die beabsichtigte Maßnahme als gebilligt, wenn der Personalrat sich nicht innerhalb der Frist des Abs. 2 schriftlich unter Angabe von Gründen äußert.

2. Nach § 76 Abs. 2 Satz 3 [X.] ist eine ohne die Beteiligung nach Abs. 1 ausgesprochene Kündigung unwirksam; dies folgt überdies aus § 108 Abs. 2 B[X.]G. Ohne die gesetzlich geforderte Beteiligung ist eine außerordentliche Kündigung auch dann unwirksam, wenn ein unzuständiger Personalrat beteiligt worden ist (Senat 28. Januar 2010 - 2 [X.]/09 - Rn. 11, [X.] BetrVG 1972 § 102 Nr. 162 = EzA B[X.]G § 108 Nr. 4; 12. Mai 2005 - 2 [X.] [X.] der Gründe, [X.] BetrVG 1972 § 102 Nr. 145 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 13).

3. Die Beklagte hat mit dem Personalrat des Eigenbetriebs [X.] den zuständigen Personalrat beteiligt.

a) Nach § 79 Abs. 1 [X.] hat die zur Entscheidung befugte Dienststelle in Angelegenheiten, die sie oder ihre Beschäftigten betreffen, den bei ihr gebildeten Personalrat zu beteiligen.

aa) Dienststellen im Sinne des [X.] sind nach § 6 Abs. 1 seiner Regelungen ua. die einzelnen Behörden und die selbständigen Betriebe einschließlich der Eigenbetriebe. Danach bildet der - unselbständige - Eigenbetrieb [X.] eine Dienststelle im Sinne dieser Norm.

bb) Haben Gemeinden mehr als eine Dienststelle iSv. § 6 Abs. 1 [X.], wird nach § 49 Abs. 1 Satz 2 [X.] ein Gesamtpersonalrat gebildet.

b) Besteht neben dem örtlichen Personalrat ein Gesamtpersonalrat, ist dieser nach § 80 Abs. 1 [X.] bei allen Maßnahmen zu beteiligen, für die die sog. [X.] zuständig ist und die nicht nur den Bereich einer einzelnen Dienststelle betreffen. Gemäß § 6 Abs. 3 [X.] ist eine [X.] eine Dienststelle, die Nebenstellen oder sonstige Teile aufweist, deren Leitung zu bestimmten selbständigen Maßnahmen befugt ist, oder die räumlich weit von der [X.] entfernt liegen. Die personalrechtliche Funktion des [X.] besteht darin, Lücken im System der Beteiligungsrechte zu schließen, die sich aus der personalvertretungsrechtlichen Verselbständigung von Dienststellen oder Teilen von Dienststellen ergeben ([X.] 3. Februar 1982 - 7 [X.] 791/79 - [X.] LPVG [X.] Art. 77 Nr. 1; [X.]/Müller-Fritzsche [X.] 15. Aufl. § 80 Rn. 1).

Eine Beteiligung des [X.] kommt deshalb in Betracht, wenn eine Angelegenheit sowohl Beschäftigte der ([X.] als auch einen personalvertretungsrechtlich verselbständigten Teil einer Dienststelle oder wenn sie Beschäftigte in zwei Dienststellen betrifft (BVerwG 29. August 2005 - 6 [X.] 6.05 -; 20. August 2003 - 6 [X.] - zu 1 der Gründe, [X.], 150). Letzteres ist dem Wortlaut des § 80 Abs. 1 [X.], der nur von Gesamt- und [X.] spricht, zwar nicht ausdrücklich zu entnehmen, folgt aber aus § 49 Abs. 1 Satz 2 [X.]. Andernfalls ergäbe die Bildung eines [X.] bei Gemeinden mit mehreren Dienststellen iSv. § 6 Abs. 1 [X.] keinen Sinn. Das Gremium besäße dann keine Kompetenzen.

Der Gesamtpersonalrat kann auch dann zu beteiligen sein, wenn es um eine Angelegenheit geht, in der nicht der Leiter der [X.] oder der betreffenden gemeindlichen Dienststelle, sondern der Leiter der Gesamt-/ [X.] bzw. die Behördenleitung über eine personelle Maßnahme zu entscheiden hat (vgl. [X.] 16. Juli 2007 - 18 P 06.1918 - Rn. 27, [X.] 2010, 28; [X.] 1. Dezember 2005 - 1 A 2278/03.PVL - Rn. 31 u. 33). Die Beteiligungsbefugnis der Personalvertretung folgt der Entscheidungsbefugnis der Dienststellenleitung (BVerwG 7. August 1996 - 6 P 29/93 - zu II 2 a der Gründe, [X.] 1996, 493). Eine Zuständigkeit des [X.] ist deshalb anzunehmen, wenn eine personelle Maßnahme zwar an sich nur den Bereich der [X.] oder der betreffenden gemeindlichen Dienststelle betrifft, die Entscheidung hierüber aber von der Leitung der Gesamt-/[X.] bzw. der Behördenleitung getroffen wird. Die Kompetenzverteilung zwischen Personalrat und Gesamtpersonalrat bestimmt sich nach der Entscheidungsbefugnis der Dienststellenleitung. Im Falle einer Kündigung ist deshalb maßgeblich, wem die Entlassungsbefugnis rechtlich zusteht, welche Leitung also insoweit die [X.] ausübt ([X.]/Dierßen/[X.]/[X.]/[X.] [X.] 3. Aufl. § 80 Rn. 2).

c) Im Streitfall war nicht der Gesamtpersonalrat zuständig. Der Werksleiter des Eigenbetriebs [X.] konnte über eine Kündigung der dort Beschäftigten entscheiden. Der Oberbürgermeister als Behördenleiter hatte ihm die entsprechende Befugnis wirksam übertragen.

aa) Die Entscheidungsbefugnis der Dienststellen und des [X.] ergibt sich aus dem Gesetz, aus Verordnungen, Satzungen, Verwaltungsvorschriften und Einzelverfügungen (Senat 22. August 1996 - 2 [X.] 5/96 - zu II 2 a der Gründe, [X.] B[X.]G § 82 Nr. 4; [X.]/[X.]/[X.] Das Personalvertretungsrecht in [X.] Stand Juli 2010 § 79 Rn. 4).

bb) Die Kündigungsbefugnis der Betriebsleitung eines Eigenbetriebs folgt nicht unmittelbar aus dem Gesetz. Zwar führt nach § 113 Abs. 4 der [X.] Gemeindeordnung [X.]) die Leitung des Eigenbetriebs dessen „laufende Geschäfte“. Zu diesen gehören jedoch personelle Entscheidungen grundsätzlich nicht. Dies folgt aus § 3 Abs. 3 der [X.] Eigenbetriebsverordnung vom 15. August 1989 (Nds. GVBl. S. 318). Nach dieser Vorschrift kann die Satzung des Eigenbetriebs vorsehen, dass bestimmte personalrechtliche Befugnisse von der Werksleitung ausgeübt werden. Einer solchen Regelung hätte es nicht bedurft, wenn die Wahrnehmung personalrechtlicher Kompetenzen ohnehin zu den „laufenden Geschäften“ iSv. § 113 Abs. [X.] zählte.

cc) Die Kündigungsbefugnis des Betriebsleiters des Eigenbetriebs [X.] ergibt sich aus der Satzung des [X.]. einer Dienstanweisung des Oberbürgermeisters.

Gemäß § 113 Abs. 1 [X.] hat die Gemeinde für ihre Eigenbetriebe [X.] zu erlassen. Dies ist hier mit der Satzung für den „Eigenbetrieb ,Straße und Grün’ in W“ vom 24. November 2004 geschehen. Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 der Satzung leitet die Werksleitung den Eigenbetrieb selbständig und führt dessen laufende Geschäfte. Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 der Satzung gehören - ersichtlich in Anwendung von § 3 Abs. 3 der [X.] zu den laufenden Geschäften „personalrechtliche Maßnahmen, soweit vom Oberbürgermeister beauftragt“. Mit seiner Dienstanweisung vom 13. Dezember 2004 hatte der Oberbürgermeister der Werksleitung die Entscheidung über personalrechtliche Maßnahmen übertragen.

dd) Der Übertragung von personalrechtlichen Entscheidungsbefugnissen vom Oberbürgermeister auf die Leitung des Eigenbetriebs steht § 80 [X.] nicht entgegen.

(1) Nach § 80 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 [X.] kann der Verwaltungsausschuss die Befugnis zur Entlassung von Arbeitnehmern allgemein oder für bestimmte Arbeitnehmergruppen auf die Bürgermeisterin oder den Bürgermeister übertragen. Der Verwaltungsausschuss der Beklagten hat am 10. September 1973 eine solche Übertragung der Befugnis zur Entlassung von Angestellten bis zur [X.]. [X.] auf den Oberbürgermeister beschlossen.

(2) Eine weitere Delegation vom Bürgermeister auf die Eigenbetriebsleitung schließt die [X.] nicht aus. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass die [X.] in ihrem Fünften Teil allein das Verhältnis der drei Gemeindeorgane Rat, Verwaltungsausschuss und Bürgermeisterin/Bürgermeister zueinander regelt. Wenn der Verwaltungsausschuss nach § 80 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 [X.] Kompetenzen an die Bürgermeisterin/den Bürgermeister abgibt, hat damit ein Gemeindeorgan zugunsten eines anderen Gemeindeorgans von einer entsprechenden kommunalverfassungsrechtlichen Befugnis Gebrauch gemacht. Welche Personen anschließend innerhalb des Organs „[X.]“ - zu dem auch die kommunalen Eigenbetriebe zählen - mit der Wahrnehmung der übertragenen Kompetenz betraut werden, ist keine Angelegenheit der Kommunalverfassung mehr, sondern unterfällt der Organisationshoheit der Bürgermeisterin/des Bürgermeisters.

Die rechtliche Unbedenklichkeit der Übertragung der Entlassungsbefugnis vom Oberbürgermeister auf die Betriebsleitung ergibt sich zum anderen aus § 3 Abs. 3 Eigenbetriebsverordnung, der eine Ausübung von personalrechtlichen Befugnissen durch die Werksleitung gerade zulässt, und dem Umstand, dass die Satzung des [X.], die eine solche Übertragungsmöglichkeit ausdrücklich vorsieht, gem. § 6 Abs. 1, § 40 Abs. 1 Nr. [X.] vom Rat als dem Hauptorgan der Gemeinde (§ 31 Abs. 1 Satz 1 [X.]) selbst erlassen wurde.

IV. [X.] beruht auf § 97 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Eylert    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

        

        

    Söller    

        

    A. Claes    

                 

Meta

2 AZR 171/09

25.11.2010

Bundesarbeitsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Wilhelmshaven, 22. Januar 2008, Az: 1 Ca 442/06, Urteil

§ 49 Abs 1 S 2 PersVG ND 2007, § 80 Abs 1 PersVG ND 2007, § 626 Abs 1 BGB, § 626 Abs 2 BGB, § 6 Abs 1 PersVG ND 2007, § 6 Abs 3 PersVG ND 2007, § 76 Abs 1 PersVG ND 2007, § 79 Abs 1 PersVG ND 2007, § 108 Abs 2 BPersVG, § 6 Abs 1 GemO ND, § 31 GemO ND, § 80 GemO ND, § 113 Abs 1 GemO ND, § 113 Abs 4 GemO ND, § 3 Abs 3 EigBetrV ND, § 241 Abs 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.11.2010, Az. 2 AZR 171/09 (REWIS RS 2010, 1040)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1040

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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