Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.11.2010, Az. 5 StR 414/10

5. Strafsenat | REWIS RS 2010, 1129

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5 [X.] [X.] vom 23. November 2010 in der Strafsache gegen wegen Einschleusens von Ausländern

- 2 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 23. November 2010 beschlossen: Auf die [X.]vision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 6. April 2010, soweit es diesen Angeklagten betrifft, nach § 349 Abs. 4 StPO a) dahin ergänzt, dass der Angeklagte im Übrigen [X.] wird; insoweit hat die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des [X.] zu tragen; b) ferner mit den Feststellungen aufgehoben; ausgenom-men sind die Feststellungen zu den Tatgeschehen ge-mäß Ziffer [X.] und [X.], die bestehen blei-ben; insoweit wird die weitergehende [X.]vision gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des [X.]chtsmittels, an eine andere [X.] des Landge-richts zurückverwiesen. [X.]e
Das [X.] hat den Angeklagten [X.]wegen Einschleusens von Ausländern zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren [X.] es zur Bewährung ausgesetzt hat. Zur Entschädigung für überlan-ge Verfahrensdauer hat es drei Monate der Freiheitsstrafe für vollstreckt er-1 - 3 - klärt. Die mit Verfahrensrügen und der Sachrüge geführte [X.]vision erzielt den aus der [X.] ersichtlichen weitgehenden Teilerfolg. 1. Nach den Feststellungen des [X.] unternahm es der Ange-klagte in den Jahren 2002 bis 2004, durch vier Einzelakte Scheinehen zwi-schen [X.] Staatsangehörigen und einer [X.] bzw. Schwarzaf-rikanerinnen zu vermitteln, um diesen einen Aufenthaltstitel in [X.] zu verschaffen. Für die Eingehung der Ehen entlohnte er die [X.] Staatsangehörigen mit Geld oder Sachmitteln bzw. bot solche Entlohnungen an. Lediglich im [X.] b der Urteilsgründe kam es zur Eheschließung und [X.] nach entsprechender Antragstellung durch die betroffene Frau [X.] zur Ertei-lung eines Aufenthaltstitels. Hingegen wurden in den Fällen [X.], f und h keine Ehen geschlossen, weil die Frauen ihre ursprünglich gefassten Absichten nicht weiter verfolgten (Fälle [X.], f) bzw. der betroffene —[X.] unmittelbar vor der Eheschließung —kalte [X.] bekam ([X.] h). Jedenfalls von Seiten der (potentiellen) —[X.] war in keinem Fall die Be-gründung einer Lebensgemeinschaft geplant; sie handelten sämtlich, um den jeweiligen Frauen [X.] in Aussicht auf die versprochene Entlohnung [X.] unrecht-mäßig zu einem Aufenthaltstitel zu verhelfen. Dies war dem Angeklagten bewusst. 2 2. Im Ausgangspunkt hält die Auffassung des [X.], der Ange-klagte habe sich auf der Basis der Feststellungen wegen einer Tat des Ein-schleusens von Ausländern nach dem hier gemäß § 2 Abs. 1 und 3 StGB anzuwendenden § 92a Abs. 1 Nr. 2 [X.] strafbar gemacht, rechtlicher Überprüfung nicht stand. 3 Zu Unrecht hat die [X.] eine (tatbestandliche) Handlungsein-heit angenommen (zu den Voraussetzungen [X.] in [X.], 12. Aufl. Vor § 52 Rdn. 20 ff.). Entgegen ihrem Standpunkt verbindet das in § 92a Abs. 1 Nr. 2 [X.] [X.] nunmehr § 96 Abs. 1 Nr. 2 [X.] [X.] verwende-te Tatbestandsmerkmal —wiederholtenfi Handelns nicht mehrere Verstöße 4 - 4 - [X.] einschließlich des Erstverstoßes [X.] zu einer Tat des Einschleusens von Ausländern. Vielmehr stellt jeder Verstoß eine selbständige Straftat dar, wo-bei der Tatbestand zwingend eine zuvor begangene Anstiftung oder Beihilfe zu einer der in § 92 Abs. 2 [X.] bezeichneten Handlungen voraussetzt (vgl. [X.], 2829; siehe zu § 95 Abs. 1 Nr. 7 [X.] auch [X.] in GK-[X.] § 95 Rdn. 201). Es wäre daher von vier Taten auszugehen gewesen, wobei der Angeklagte durch seine erste vom [X.] als straf-bar erachtete Handlung ([X.] b) kein Vergehen des Einschleusens von [X.] nach § 92a Abs. 1 Nr. 2 [X.] begangen haben kann. Mangels [X.] Vortat und damit mangels —wiederholtenfi Handelns kommt inso-weit allenfalls eine Beihilfe (§ 27 Abs. 1 StGB) zu einem Vergehen nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 [X.] in Betracht. 5 Die Notwendigkeit der Ergänzung von Teilfreisprüchen ergibt sich un-ter diesen Voraussetzungen bereits aus der Antragsschrift des [X.]. 6 3. Ob sich der Angeklagte strafbar gemacht hat, kann aufgrund ord-nungsgemäß gerügter Verfahrensmängel derzeit nicht abschließend beurteilt werden. Denn das [X.] hat in den [X.] und h Hilfsbeweisanträ-ge der Verteidigung unter [X.] nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO abgelehnt, die Konsequenzen der [X.] für seine rechtliche Be-wertung dann aber nicht gezogen. Der [X.]chtsfehler im [X.] b erstreckt sich auf die Taten gemäß [X.] und f. Denn bei Nichterweislichkeit einer [X.] des Angeklagten im [X.] b (unten a) ginge dieser insgesamt straflos aus, weil in den Fällen [X.], f und h mangels einschlägiger Vortat je-weils das Merkmal —wiederholtenfi Handelns und damit der Tatbestand des § 92a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 [X.] nicht erfüllt wäre. Das nur in § 92a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 [X.], nicht aber im Rahmen des § 92 Abs. 2 Nr. 2 [X.] pö-nalisierte Stadium der versuchten Teilnahme hat der Angeklagte in diesen Fällen nicht überschritten.
- 5 - a) Zu [X.] b hatte der Angeklagte durch Benennung der Zeugin [X.]

unter Beweis gestellt, diese sei in den [X.]—unsterblich ver-liebtfi gewesen und habe ihn heiraten wollen, wobei sie sich eine auf Dauer angelegte eheliche Lebensgemeinschaft vorgestellt habe. Das [X.] hat als wahr unterstellt, dass [X.] an [X.]—echtes Interessefi gehabt habe. Dieser Umstand sei jedoch rechtlich irrelevant, weil der Angeklagte —auch die andere [X.] gekannt habe, nämlich die Geldforderung des [X.]([X.]). 7 Der Senat geht davon aus, dass die [X.] ungeachtet der von ihr verwendeten undeutlichen Formulierungen die Beweisbehauptungen des Angeklagten [X.] wie geboten (vgl. etwa [X.]R StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 [X.] 6, 14 und 18) [X.] ohne Einengung, Umdeutung oder [X.] dem Antragsteller nachteilige inhaltliche Änderung als wahr unterstellt hat. Auf der Grundlage des von ihr danach als erwiesen zu betrachtenden [X.] hätte der Angeklagte jedoch keine Straftat begangen. § 92a Abs. 1 Nr. 2 [X.] scheidet mangels wiederholten Handelns aus (oben 2.). Für eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zu einem Vergehen der Zeugin [X.] nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 [X.] fehlt es an einer beihilfefähigen Haupttat. Denn [X.]

hat jedenfalls nach ihrem Vorstellungsbild keine unwahren oder unvoll-ständigen Angaben im Sinne des § 92 Abs. 2 Nr. 2 [X.] gemacht. Die ge-schlossene Ehe war rechtsgültig, wobei sie mit [X.]auch eine Lebensge-meinschaft in [X.] begründen wollte. Damit handelte sie ohne den erforderlichen Vorsatz. 8 Dass [X.]an der Antragstellung mitgewirkt hat und durch die [X.], mit [X.] eine Lebensgemeinschaft eingehen zu wollen, un-wahre Angaben zu deren Gunsten gemacht hat (§ 92 Abs. 2 Nr. 2 [X.]: —für sich oder einen anderenfi), ist den Feststellungen nicht zu entnehmen. [X.] liegt auch keine Beihilfe des Angeklagten zu einer durch [X.]be-gangenen Tat nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 [X.] vor. 9 - 6 - Der Senat schließt nicht aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung Feststellungen getroffen werden können, die eine Beihilfestrafbarkeit des Angeklagten ergeben. 10 b) Im [X.] h liegt dem Angeklagten zur Last, die Vermittlung einer Scheinehe zwischen der Zeugin Sa. und dem Zeugen [X.]. versucht zu haben. Der Verteidiger hatte hierzu durch Benennung der Zeugin Sa.

unter Beweis gestellt, dass diese sich mit [X.]. über Wochen getrof-fen und mit ihm geplant habe, zu heiraten und eine gemeinsame Wohnung zu nehmen. Die beiden hätten auch schon über die Aufteilung [X.] gesprochen und dem Angeklagten erzählt, sie wollten gemeinsam dort [X.] und dann heiraten. 11 12 Das [X.] hat als wahr unterstellt, dass die Zeugin vorhatte, mit [X.]. eine Beziehung aufzubauen und beide auch schon über die Auftei-lung einer Wohnung gesprochen hatten; das ändere aber nichts an der [X.], dass dem Angeklagten die wahren Hintergründe durch [X.]. be-kannt gewesen seien, worauf allein es ankomme ([X.]). Auch dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Abermals nimmt der Senat an, dass das [X.] sämtliche unter Beweis gestellten Tatsachen als wahr unterstellt hat. Das [X.] hatte danach als erwiesen zu betrachten, dass der Angeklagte um die —ernstenfi Absichten der Zeugin Sa. im vorgenannten Sinne wusste. Nach dem Vorstellungsbild des Angeklagten würde dann aber jedenfalls die Zeugin Sa. § 92 Abs. 2 Nr. 2 [X.] nicht vorsätzlich verwirklicht haben. Dass sich der Angeklagte eine Mitwirkung des [X.] in Wahrheit nicht zur Eingehung einer Lebensgemeinschaft bereiten [X.] Zeugen [X.]. beim Antrag auf Ertei-lung eines Aufenthaltstitels vorgestellt haben könnte, ergibt sich aus den [X.] nicht. 13 - 7 - Ferner zielte die beantragte Beweiserhebung erkennbar auch darauf ab, die Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen [X.]. zu erschüttern. Die genannten Tatsachen hätten uneingeschränkt in die Beweiswürdigung, na-mentlich in die Beurteilung von dessen Aussage einbezogen werden [X.]. Der Zeuge [X.]. hat indessen gemeinsam getroffene konkrete Vorbe-reitungshandlungen zur Eingehung einer Lebensgemeinschaft mit der Zeugin Sa. ausweislich der Urteilsgründe gerade nicht bekundet. Mit diesem zentralen Widerspruch hätte sich die [X.] im Einzelnen auseinan-dersetzen müssen. 14 4. Die Feststellungen zu den Tatgeschehen gemäß [X.] und f der Ur-teilsgründe können bestehen bleiben. Dem Gesamtzusammenhang der Ur-teilsgründe kann dabei entgegen der Auffassung der [X.]vision noch hinrei-chend deutlich entnommen werden, dass sich der Angeklagte insoweit des versuchten Einschleusens von Ausländern nach § 92a Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 [X.] schuldig gemacht haben kann, sofern die Tat im [X.] b in einer [X.] erweislich sein sollte. Dass die letztgenannte Tat nur als Beihilfe zu einem Vergehen des § 92 Abs. 2 Nr. 2 [X.] angesehen wer-den könnte (oben 2.), stünde nicht entgegen. Denn die Vortat muss keines der qualifizierenden Merkmale des § 92a Abs. 1 [X.] erfüllen ([X.], 2829). Neue Feststellungen können getroffen werden, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen. 15 5. Schon weil der maßgebliche Aufhebungsgrund verfahrensrechtli-cher Art ist, kommt eine [X.]visionserstreckung nach § 357 StPO auf den nicht revidierenden Mitangeklagten [X.], nicht in Betracht. 16 6. Im Hinblick darauf, dass eine Freisprechung des Angeklagten in ei-nem neuen Verfahren nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, war auch der Ausspruch über den für vollstreckt erklärten Teil der Freiheitsstrafe auf-zuheben. Hierzu bemerkt der Senat ergänzend, dass das angefochtene Ur-teil die Dauer der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung nicht wie [X.] - 8 - forderlich ([X.]St [X.] GS [X.] 52, 124, 147) konkret feststellt. Dies wird das neue Tatgericht bei einer Verurteilung nachzuholen haben. Für den Fall der Ge-samtstrafenbildung ist ein bezifferter Teil auf die Gesamtstrafe anzurechnen ([X.] aaO). Der im angefochtenen Urteil eher pauschal bemessene [X.] von 25 % auf die Freiheitsstrafe von einem Jahr (vgl. auch dazu [X.] aaO), mithin drei Monate, darf im Hinblick auf § 358 Abs. 2 StPO nicht [X.] werden. 7. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin: 18 a) Das angefochtene Urteil teilt den [X.] hinsichtlich der Strafe aus dem Urteil des [X.] vom 27. August 2007 nicht mit. Sofern diese zur Zeit des angefochtenen Urteils noch nicht erledigt war, liegen die Voraussetzungen des § 55 StGB vor, weswegen bei einer Verurteilung des Angeklagten eine nachträgliche Gesamtstrafe zu bilden [X.]. 19 20 b) Zur Fassung der Urteilsformel wird Bezug genommen auf die zutref-fenden Ausführungen in der Antragsschrift des [X.].
[X.] [X.]

Meta

5 StR 414/10

23.11.2010

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.11.2010, Az. 5 StR 414/10 (REWIS RS 2010, 1129)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1129

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