Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.04.2006, Az. 5 StR 32/06

5. Strafsenat | REWIS RS 2006, 3839

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5 StR 32/06 [X.]IM NAM[X.]N D[X.]S VOLK[X.]S URT[X.]IL vom 26. April 2006 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. wegen gewerbs- und bandenmäßigen [X.]inschleusens von Ausländern u. a. - 2 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat aufgrund der Hauptverhand-lung vom 25. und 26. April 2006, an der teilgenommen haben: Vorsitzende [X.]in [X.], [X.], [X.], [X.]in [X.], [X.] [X.] als beisitzende [X.], Oberstaatsanwalt beim [X.]als Vertreter der [X.], Rechtsanwältin [X.]als Verteidigerin für den Angeklagten [X.], Rechtsanwältin [X.], Rechtsanwalt [X.]als Verteidiger für die Angeklagte [X.], Rechtsanwalt [X.], Rechtsanwalt [X.]als Verteidiger für den Angeklagten [X.], Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, - 3 - am 26. April 2006 für Recht erkannt: 1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] (Oder) vom 27. April 2005 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Angeklagten in den Fällen IV. J der Urteilsgründe freige-sprochen worden sind. 2. Die weitergehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft und die Revisionen der Angeklagten gegen das oben ge-nannte Urteil werden verworfen. 3. Die Angeklagten tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel. Soweit die Revisionen der Staatsanwaltschaft erfolglos bleiben, trägt die Staatskasse die Kosten und notwendi-gen Auslagen der Angeklagten. 4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und [X.]ntscheidung, auch über die verbliebenen Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.
[X.] Von Rechts wegen [X.]
G r ü n d e Das [X.] hat die Angeklagten unter anderem wegen mehrerer Fälle des versuchten und vollendeten gewerbs- und bandenmäßi-gen [X.]inschleusens von Ausländern (§§ [X.] Abs. 1, 92a Abs. 2 Nr. 1 [X.]), 1 - 4 - teilweise in Tateinheit mit gewerbs- und bandenmäßigem Verschaffen [X.] Ausweise (§ 276 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StGB), verurteilt und gegen den Angeklagten [X.]zwei Gesamtfreiheitsstrafen von drei Jahren sechs Mona-ten bzw. einem Jahr sechs Monaten, gegen die Angeklagte [X.]eine Ge-samtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt ist, sowie gegen den Angeklagten [X.] eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verhängt. Von weiteren Vorwürfen des gewerbs- und bandenmäßigen bzw. gewerbsmäßigen [X.]inschleusens von Ausländern hat das [X.] die Angeklagten aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Die auf Verfahrens- und Sachrügen gestützten Revisionen der Angeklagten, die ihre Freisprechung erstreben, bleiben erfolglos. Die ge-gen die Freisprüche und die Nichtanordnung des Verfalls gerichteten Revisi-onen der Staatsanwaltschaft, die vom [X.] vertreten wer-den, sind teilweise erfolgreich. Nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen [X.] sich die Angeklagten [X.]und [X.] zusammen mit den bereits rechtskräftig abgeurteilten [X.]

und [X.]

Anfang 1999 dazu, [X.] aus [X.] und der [X.] bei der Visabeschaffung, der [X.]inreise nach [X.] und dem anschließenden Aufenthalt in [X.] zu [X.], um die Frauen gegen [X.]ntgelt in verschiedene bordellartige Betriebe und Modellwohnungen für eine Tätigkeit als Prostituierte zu vermitteln. Dabei handelten sie in der Absicht, sich eine fortlaufende und andauernde nicht unerhebliche [X.]innahmequelle zu verschaffen. Teilweise wurden die Frauen von der Gruppierung über Kontaktpersonen angeworben, teilweise wandten sich auch bereits aus [X.] abgeschobene oder ausgewiesene [X.] erneut an die ihnen bereits bekannte Gruppierung. [X.] [X.] Frauen wurde von der Gruppierung nicht nur bei der [X.]inreise und dem Aufenthalt im [X.], sondern bereits bei der Beschaffung dreimonatiger Touristenvisa geholfen; diese Visa erhielten die Frauen nur aufgrund von Falschangaben über den wahren Aufenthaltszweck. Teilweise wurden den [X.] Frauen auch verfälschte [X.] Reisepässe [X.] - 5 - schafft. [X.]inem Teil der visumsfrei nach [X.] eingereisten [X.]n Frauen besorgte die Gruppierung nach erfolgter Ausweisung oder [X.] verfälschte [X.] Pässe, damit sie damit erneut ins [X.] einreisen konnten. Im [X.]raum von März 1999 bis Februar 2004 organisierten die Angeklagten [X.]und [X.] zusammen mit den bereits rechtskräftig abge-urteilten [X.]

und [X.]
die Ausübung der Prostitution der Aus-länderinnen, indem sie diese in bordellartige Betriebe, die Dritte betrieben, vermittelten. Die vier Genannten sorgten ferner für das Abholen der einge-schleusten Frauen von ihrem jeweiligen Ankunftsort. Sie kümmerten sich um deren Unterkünfte und ihren Transport zu den jeweiligen bordellartigen Be-trieben bzw. Modellwohnungen. Sie organisierten auch die Fahrten der [X.] zwischen ihren Unterkünften und den jeweiligen —[X.] Als Ge-genleistung erhielten die vier Genannten für die Vermittlung in bordellartige Betriebe wöchentlich bis zu 500 DM (250 [X.]uro) sowie für die Unterkünfte 300 DM (150 [X.]uro) monatlich. Für die Unterbringung in einer Modellwohnung wurden Beträge zwischen 150 und 300 DM täglich verlangt; die Höhe des von den Frauen gezahlten Geldes hing von deren jeweiligem Verdienst und der [X.]dauer ihrer [X.] ab. Ferner mussten diejenigen Frauen, die ihre [X.]inreise nicht selbst finanzieren konnten, die durch die Gruppe vorfinanzierten Ausgaben für die Beschaffung von Visa, Fahrkarten, Flugtickets und verfälschten [X.]n Pässen zurückzahlen. 3 Als sich der Angeklagte [X.]in der [X.] von Dezember 2001 bis August 2002 in anderer Sache in Haft befand, übernahm die Angeklagte [X.]seine Stellung innerhalb der Gruppierung und versuchte [X.] ebenfalls aus finanziellen Motiven handelnd [X.] das —[X.] aufrechtzuerhalten. 4 I. Die Revisionen der Angeklagten bleiben ohne [X.]rfolg. 5 - 6 - 1. Die Besetzungsrüge des Angeklagten [X.]nach § 338 Nr. 1 [X.] ist nicht ordnungsgemäß ausgeführt und deshalb nach § 344 Abs. 2 Satz 2 [X.] unzulässig. 6 2. Auf die Ablehnung einer wörtlichen Protokollierung einer Aussage nach § 273 Abs. 3 Satz 1 [X.] kann die Revision des Angeklagten [X.]nicht gestützt werden, weil das Urteil auf der Ablehnung des Antrags nicht beruhen kann (st. Rspr., vgl. [X.], 25; [X.], Beschluss vom 10. Dezember 1993 [X.] 3 StR 450/93; [X.], Urteil vom 26. April 1994 [X.] 1 StR 32/94; [X.], [X.] 48. Aufl. § 273 Rdn. 36). 7 3. Die von den Angeklagten [X.]

und [X.]

erhobenen [X.] der Verletzung formellen Rechts sind nicht ausgeführt und deshalb nach § 344 Abs. 2 Satz 2 [X.] unzulässig. 8 4. Die von den Angeklagten erhobenen Sachrügen decken keine durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf. 9 a) Zutreffend ist das [X.] bei den [X.] Frauen davon ausgegangen, dass deren mit Falschangaben über den Aufenthalts-zweck erschlichenen Touristenvisa formell gültige Aufenthaltsgenehmigun-gen waren und deshalb eine illegale [X.]inreise (vgl. § 92 Abs. 1 Nr. 6 [X.]; § 95 Abs. 1 Nr. 3 [X.]) oder ein illegaler Aufenthalt (vgl. § 92 Abs. 1 Nr. 1 [X.]; § 95 Abs. 1 Nr. 2 [X.]) dieser Frauen innerhalb der Geltungs-dauer des jeweiligen Visums nicht in Betracht kam (vgl. [X.]St 50, 105). Damit scheidet in solchen Fällen eine Strafbarkeit der Angeklagten nach § 92a Abs. 1 und 2, § [X.] [X.] hinsichtlich der Beteiligung am illegalen Aufenthalt bzw. an einer illegalen [X.]inreise aus. Soweit die Angeklagten die [X.] Frauen nicht im [X.]inzelfall nach dem Ablauf des jeweiligen Vi-sums oder nach [X.]inreise ohne jede Aufenthaltsgenehmigung bei deren ille-galem Aufenthalt im [X.] unterstützt haben, hat das [X.] deshalb zutreffend darauf abgestellt, dass die Angeklagten den Frauen [X.] - 7 - weils Hilfe bei der [X.]rschleichung der Touristenvisa geleistet haben (§ 92a Abs. 1 i.V.m. § 92 Abs. 2 Nr. 2 [X.]). b) [X.]ine solche Beihilfehandlung sieht der [X.] in sämtlichen [X.] und insbesondere auch in den Fällen [X.], 17 und 28 durch die Urteilsgründe belegt. Zwar ist bei den letztgenannten Fällen keine unmittelbare materielle Unterstützung bei der Beantragung des durch Falschangaben erlangten Schengenvisums festgestellt. Aus dem [X.] (insbesondere [X.] ff.) ergibt sich [X.], dass die Frauen ihr jeweiliges Visum nur deshalb mittels Täuschung über ihren wahren Aufenthaltszweck (Prostitution) beantragt haben, weil die Angeklagten durch die umfassende Organisation der [X.] überhaupt erst die konkrete Möglichkeit eines Gelderwerbs durch Prostitution im [X.] geschaffen haben, u. a. über Anwerbung in der [X.], Abholung nach der [X.]inreise, [X.]inweisung in die Wohnung und die Prostituti-onsausübung sowie Hilfe bei der [X.]. Die in Kenntnis die-ses Umstands handelnden Angeklagten haben damit durch die Organisation der [X.] und das Vermitteln dieses —Angebotsfi in die [X.] die jeweiligen Frauen auch in den Fällen [X.], 17 und 28 zumindest in ihrem [X.]ntschluss zur Visaerschleichung bestärkt; dies reicht für die Annahme einer (psychischen) Beihilfehandlung und damit für eine Strafbarkeit nach § 92a Abs. 1 i.V.m. § 92 Abs. 2 Nr. 2 [X.] aus (vgl. [X.] NStZ 2000, 657, 659; [X.], Beschluss vom 18. Oktober 2001 [X.] 3 [X.]). 11 c) In den Fällen [X.], 11 und 19 der Urteilsgründe ist das [X.] allerdings zu Unrecht davon ausgegangen, dass sich die zuvor ausgewiesenen [X.] und staatenlosen Frauen durch die [X.]inreise und den Aufenthalt mit einem durch Falschangaben erschlichenen Visum nach § 92 Abs. 2 Nr. 1 [X.] strafbar gemacht haben; denn das formal gülti-ge ([X.] hindert auch in diesen Fällen eine Strafbarkeit der Frauen wegen illegaler [X.]inreise oder illegalen Aufenthalts nach Abschiebung oder Ausweisung (vgl. [X.], 344, 346; [X.], [X.] - 8 - gale Ausländerbeschäftigung, in [X.]/[X.], [X.], 2002, Rdn. 439). Dies stellt den Schuldspruch indes nicht in Frage. Die Feststellungen des [X.] belegen ohne weiteres in diesen Fällen eine gemäß §§ [X.], 92a Abs. 1 i.V.m. § 92 Abs. 2 Nr. 2 [X.] strafbare Beihilfe der [X.] Angeklagten zur Visumserschleichung. II. Die [X.] auf die Freisprüche und das Absehen der Anordnung des Verfalls von [X.] in Bezug auf vier Fälle beschränkten [X.] Revisio-nen der Staatsanwaltschaft, die vom [X.] vertreten werden, greifen teilweise durch; im Übrigen wurde in der Revisionshauptverhandlung [X.] 14 der Urteilsgründe vorläufig eingestellt (§ 154 Abs. 2 [X.]) und im [X.] 5 der Urteilsgründe die Verfolgung beschränkt (§ 154a Abs. 2 [X.]). 13 1. Die Freisprüche der Angeklagten können keinen Bestand haben. Indem die Angeklagten [X.] Frauen bei der [X.] im [X.] unterstützt haben, die sich nur als nicht erwerbstäti-ge Touristen ohne Aufenthaltsgenehmigung im [X.] aufhalten durf-ten (vgl. § 3 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 12 Abs. 1 DV[X.] sowie Art. 1 Abs. 2, Art. 4 Abs. 3 i.V.m. Anlage II [X.]UVisaVO), ha-ben die Angeklagten zur Illegalität des bis zur Aufnahme der [X.]rwerbstätigkeit [X.] Aufenthalts beigetragen und damit eine Beihilfe zum illegalen Aufenthalt der [X.] begangen (vgl. [X.] NStZ 2005, 407). 14 Das [X.] hat die Freisprüche ausschließlich mit § 2 Abs. 3 StGB und den Rechtsänderungen durch den Beitritt [X.]s zur [X.]u-ropäischen Union und das am 1. Januar 2005 in [X.] getretene [X.] (vom 30. Juli 2004; [X.]) begründet. Die [X.]inschrän-kung des persönlichen Anwendungsbereichs der Aufenthaltsgenehmigungs-pflicht durch den Beitritt [X.]s zur [X.]uropäischen Union zum 1. Mai 2004 und die Änderungen durch das am 1. Januar 2005 in [X.] getretene [X.] - 9 - derungsgesetz sind jedoch insoweit in Hinblick auf § 2 Abs. 3 StGB unbe-achtlich (vgl. [X.]R [X.] § 96 Anwendungsbereich 1 und Altfälle 1). 2. Die Nichtanordnung des Verfalls (von [X.]) in den Fällen [X.], 12, 19 und 20 ist jedenfalls im [X.]rgebnis nicht zu beanstanden. Das [X.] hat die Anordnung des Verfalls auch gemäß § 73c Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 StGB im Hinblick darauf abgelehnt, dass das [X.]rlangte nicht mehr im Vermögen der Angeklagten vorhanden ist, sie sich mit der außerge-richtlichen [X.]inziehung der bei ihnen sichergestellten Geldbeträge und Forde-rungen einverstanden erklärt haben, zusätzlich gepfändete Gegenstände erheblich an Wert verloren haben, die Angeklagten durch den [X.]igenverkauf dieser Gegenstände die Kosten des Strafverfahrens begleichen wollen und sie darüber hinaus über keinerlei Vermögenswerte mehr verfügen. Dies nimmt der [X.] letztlich hin. 16 [X.] Häger Basdorf Gerhardt [X.]

Meta

5 StR 32/06

26.04.2006

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.04.2006, Az. 5 StR 32/06 (REWIS RS 2006, 3839)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 3839

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