Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.04.2015, Az. VI ZB 50/14

6. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 12760

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Gegenstand

Rechtsweg für eine Regressklage des Unfallversicherungsträgers gegen einen Arbeitgeber im Falle der Schwarzarbeit


Leitsatz

Für die gerichtliche Geltendmachung des einem Unfallversicherungsträger gegen einen Unternehmer im Falle der Schwarzarbeit zustehenden Regressanspruchs nach § 110 Abs. 1a SGB VII ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten und nicht der Zivilrechtsweg eröffnet.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 10. Zivilsenats des [X.] vom 11. August 2014 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

[X.]: 1.192,06 €

Gründe

I.

1

Der Beklagte betreibt ein Taxi- und Mietwagenunternehmen. Die [X.]lägerin ist Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung. Sie verlangt vom Beklagten aus § 110 Abs. 1a [X.] die Erstattung von Aufwendungen, die sie für die Heilbehandlung eines für den Beklagten tätigen, jedoch nicht bei der Einzugsstelle oder der Datenstelle der Träger der Rentenversicherung gemeldeten Taxifahrers erbracht hat, nachdem dieser von einem Fahrgast überfallen und schwer verletzt worden war. Der Beklagte wendet sich gegen eine Erstattungspflicht mit der Begründung, der Taxifahrer sei nicht als [X.] Arbeitnehmer, sondern als selbständiger Unternehmer für ihn tätig geworden.

2

Das [X.] hat den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht verwiesen. Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde der [X.]lägerin zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die [X.]lägerin mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

3

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO, § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdegericht ist zutreffend zum Ergebnis gelangt, dass im Streitfall nach § 51 Abs. 1 Nr. 3 [X.] der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet ist und es sich insbesondere nicht um eine den ordentlichen Gerichten zugewiesene bürgerliche Rechtsstreitigkeit im Sinne des § 13 GVG handelt.

4

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

5

Beim Anspruch aus § 110 Abs. 1a [X.] handle es sich um Sonderrecht eines Trägers öffentlicher Aufgaben, da er nur einem Träger der gesetzlichen Unfallversicherung zustehen könne. Diesem Anspruch, der nicht mit einer zivilrechtlichen Vertragsstrafe vergleichbar sei, komme in erster Linie [X.] zu, von dem allein ein in Ausübung öffentlicher Gewalt handelnder Hoheitsträger Gebrauch machen dürfe. Für eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit spreche ferner das [X.]riterium der [X.], da das Regressverhältnis zwischen dem Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und dem Unternehmer nach § 110 Abs. 1a [X.] entscheidend geprägt werde durch Normen des Sozialversicherungsrechts, nämlich durch die Melde-, Beitrags- oder Aufzeichnungspflichten als Unternehmer (§§ 28a, 28f [X.], §§ 150, 165 [X.]), deren Verletzung den Tatbestand der Schwarzarbeit erfülle (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 [X.]). Die öffentlich-rechtliche Einordnung werde auch durch eine vergleichende Betrachtung der Erwägungen bekräftigt, die den [X.] veranlasst hätten, den Rückgriffsanspruch aus § 640 RVO als der Vorgängernorm zu § 110 Abs. 1 [X.] dem Zivilrecht zu unterstellen.

6

Aus der systematischen Einordnung der Regelung in § 110 [X.] ergebe sich nichts anderes. Der Gesetzesbegründung lasse sich keine eindeutige Aussage zum Rechtsweg entnehmen. Abgesehen davon lasse sich der Anspruch aus § 110 Abs. 1a [X.] entgegen der Gesetzesbegründung nicht in geläufige Systeme einordnen, sondern stelle in § 110 [X.] eher einen Fremdkörper dar.

7

2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

8

a) Der Ersatzanspruch des [X.] nach § 110 Abs. 1a [X.] entsteht, wenn Unternehmer Schwarzarbeit nach § 1 des [X.] (Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz - [X.]) vom 23. Juli 2004 ([X.] I S. 1842) erbringen und dadurch bewirken, dass Beiträge nach dem 6. [X.]apitel des [X.] nicht, nicht in richtiger Höhe oder nicht rechtzeitig entrichtet werden. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 [X.] leistet Schwarzarbeit, wer Dienst- oder Werkleistungen erbringt oder ausführen lässt und dabei als Arbeitgeber, Unternehmer oder [X.] Selbständiger seine sich auf Grund der Dienst- oder Werkleistungen ergebenden sozialversicherungsrechtlichen Melde-, Beitrags- oder Aufzeichnungspflichten nicht erfüllt. Ob für die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs aus § 110 Abs. 1a [X.] der Rechtsweg zu den ordentlichen oder zu den Sozialgerichten gegeben ist, ist höchstrichterlich bislang nicht geklärt. Literatur und Instanzrechtsprechung beurteilen die Frage unterschiedlich.

9

aa) Nach einer Ansicht handelt es sich bei § 110 Abs. 1a [X.] um eine zivilrechtliche Anspruchsgrundlage, so dass der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet sein soll ([X.], [X.], 47, 48; [X.], Urteil vom 19. November 2008 - [X.], unveröffentlicht; [X.], [X.] 2006, 404, 407 f.; [X.]/[X.], [X.], § 110 [X.] Rn. 9 [Stand: Juni 2013]; [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 110 Rn. 26 [Stand: Dezember 2009]; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 51 Rn. [X.]; Erf[X.]/[X.], 15. Aufl., § 110 [X.] Rn. 4; [X.]/[X.], [X.], 16. Aufl., [X.]ap. 80 Rn. 376; [X.] in [X.], [X.] [X.] Sozialrecht, 4. Aufl., § 3 Rn. 15; v. [X.]oppenfels-Spies in [X.]reikebohm/Spellbrink/[X.], [X.]ommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl., § 110 [X.] Rn. 9; ferner [X.] in [X.]/[X.]/[X.]alb, Arbeitsrecht [X.]ommentar, 6. Aufl., § 110 [X.] Rn. 1, 8, 9; [X.]., Festschrift [X.], 2006, S. 831, 837, 841, der indessen einen Anspruch nur bejaht, wenn der Unternehmer ohne die §§ 104 ff. [X.] zivilrechtlich haften würde; jeweils ohne explizit auf Absatz 1a einzugehen auch [X.]/[X.], [X.], 26. Aufl., [X.]ap. 32 Rn. 1; [X.]/[X.], aaO, [X.]ap. 36 Rn. 15 f.; [X.], [X.], 4. Aufl., § 110 Rn. 4; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 4. Aufl., § 110 [X.] Rn. 1). Diese Auffassung stützt sich insbesondere auf die systematische Einordnung der Regelung in die Vorschrift des § 110 [X.], die in ihrem Absatz 1 anerkanntermaßen [X.]r Natur sei. Sie verweist dabei auch auf die Begründung des der Einführung von § 110 Abs. 1a [X.] zugrundeliegenden Gesetzentwurfs, wonach der negativen Entwicklung durch Schwarzarbeit "systemkonform" begegnet und der in § 110 Abs. 1 [X.] bereits geregelte Regress mit dem neuen Absatz 1a künftig auf Fälle der Schwarzarbeit "ausgedehnt" werden solle (BT-Drucks. 15/2573, [X.]). Darüber hinaus wird angeführt, nicht der Sanktionscharakter, sondern der [X.] Gedanke der Schadloshaltung stehe bei § 110 Abs. 1a [X.] im Vordergrund.

bb) Nach der Gegenansicht handelt es sich bei § 110 Abs. 1a [X.] um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch, der vor den Sozialgerichten zu verfolgen ist (Lehmacher, [X.] 2005, 408, 409; Anw[X.]-ArbR/dies./Mülheims, 2. Aufl., § 110 [X.] Rn. 41; [X.], [X.] 2006, 79, 80; [X.]. in [X.]/[X.], [X.], § 110 Rn. 9; [X.] in [X.]/Fichte, [X.], 2. Aufl., § 51 Rn. 71; [X.]/Dahm, Unfallversicherung, [X.], 4. Aufl., § 110 Rn. 22 [Stand: Juni 2013]; [X.]., [X.], 403; [X.], [X.] des § 110 [X.] unter besonderer Betrachtung des neu eingeführten Absatzes 1a, [X.] ff.; [X.], [X.], 49; [X.] in [X.]/Radtke-Schwenzer, [X.], 2. Aufl., [X.]ap. 8 Rn. 43; Grüner in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 4. Aufl., § 110 Rn. 24; BeckO[X.] Sozialrecht/Stelljes, § 110 [X.] Rn. 36 [Stand: 1. Dezember 2014]; offen gelassen von [X.] in [X.]asseler [X.]ommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 110 [X.] Rn. 11 [Stand: Dezember 2014]; [X.]rasney in [X.]/[X.]/[X.]rasney/[X.]ruschinsky, [X.], § 110 [X.] Rn. 18b [Stand: Juni 2013]; jurisP[X.]-[X.]/Hillmann, 2. Aufl., § 110 Rn. 24). Diese Auffassung stützt sich insbesondere auf die Annahme, der Anspruch sei als Sanktion für die verletzte öffentlich-rechtliche Pflicht der Beitragszahlung ausgestaltet, anstatt, wie der Anspruch aus § 110 Abs. 1 [X.], an eine bürgerlich-rechtlich zu beurteilende Unfallverursachung und Verantwortlichkeit anzuknüpfen. Er trete auch nicht wie § 110 Abs. 1 [X.] an die Stelle eines ohne die Privilegierung der §§ 104 ff. [X.] über § 116 [X.] auf den Versicherungsträger übergehenden zivilrechtlichen Anspruchs. Deshalb sei der Anspruch gerade unabhängig von einer privatrechtlichen Rechtsgrundlage. Die systematische Einordnung der Regelung in § 110 [X.] stehe ihrer öffentlich-rechtlichen Qualifizierung nicht entgegen, da die Einordnung systemwidrig sei. An[X.] als in Absatz 1 sei nach Abs. 1a nur der Unfallversicherungsträger gegenüber Unternehmern als seinen [X.]ern anspruchsberechtigt, so dass ein Sonderrecht für Unfallversicherungsträger im Rahmen eines Über-/Unterordnungsverhältnisses bestehe.

b) Die zuletzt genannte Ansicht trifft zu. An[X.] als beim Streit über Ansprüche aus § 110 Abs. 1 [X.] und dessen Vorgängernormen (Senat, Urteile vom 27. November 1956 - [X.], NJW 1957, 384, 385 - zu §§ 903 ff. RVO; vom 7. November 1967 - [X.], [X.], 64 f.; vom 9. Januar 1968 - [X.], [X.], 373, 374 f.; vom 28. September 1971 - [X.], [X.]HZ 57, 96, 100 f. - jeweils zu § 640 RVO; vgl. auch Senat, Urteil vom 11. Februar 2003 - [X.], [X.]HZ 154, 11, 18) handelt es sich beim Streit um die Frage, ob dem Träger der gesetzlichen Unfallversicherung gemäß § 110 Abs. 1a [X.] ein Regressanspruch gegen einen Unternehmer zusteht, um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 3 [X.], für die der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet ist.

aa) Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlicher oder [X.]r Art ist, bestimmt sich, wenn - wie hier - eine ausdrückliche gesetzliche Regelung dieser Frage fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der [X.]lageanspruch hergeleitet wird (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des [X.], Beschlüsse vom 4. Juni 1974 - GmS-OG[X.]/73, [X.], 292; vom 10. April 1986 - GmS-OGB 1/85, [X.]HZ 97, 312, 313 f.; vom 29. Oktober 1987 - GmS-OGB 1/86, [X.]HZ 102, 280, 283; vom 10. Juli 1989 - GmS-OGB 1/88, [X.]HZ 108, 284, 286 mwN; Senat, Urteil vom 10. Januar 1984 - [X.], [X.]HZ 89, 250, 251; Beschluss vom 24. Juli 2001 - [X.], [X.]HZ 148, 307, 308; [X.]H, Beschluss vom 29. April 2008 - [X.], [X.]HZ 176, 222 Rn. 8; BSG, Beschluss vom 21. Juli 2014 - [X.] SF 1/14 R, [X.] 2014, 918 Rn. 8). Dabei kommt es nicht auf die Bewertung durch die klagende Partei, sondern darauf an, ob sich das [X.]lagebegehren nach den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen bei objektiver Würdigung aus einem Sachverhalt herleitet, der von Rechtssätzen des Zivil- oder des öffentlichen Rechts geprägt wird (Senat, Urteil vom 23. Februar 1988 - [X.], [X.]HZ 103, 255, 257; Beschluss vom 30. Mai 2000 - [X.], [X.], 1390 f.; [X.]H, Urteile vom 1. Dezember 1988 - [X.], [X.]HZ 106, 134, 135; vom 28. Februar 1991 - [X.], [X.]HZ 114, 1, 5; Beschlüsse vom 29. April 2008 - [X.], [X.]HZ 176, 222 Rn. 8; vom 30. Januar 1997 - [X.], [X.], 1552, 1553; vom 17. Dezember 2009 - [X.], [X.], 90 Rn. 7). Die in dieser Weise vorzunehmende Abgrenzung weist das [X.] in diejenige Verfahrensordnung, die ihm nach der gesetzgeberischen Wertung in der Sache am besten entspricht, und bewirkt zugleich, dass regelmäßig diejenigen Gerichte anzurufen sind, die durch ihre Sachkunde und [X.] zur Entscheidung über den in Frage stehenden Anspruch beson[X.] geeignet sind (Senat, Urteile vom 10. Januar 1984 - [X.], [X.]HZ 89, 250, 252; vom 23. Februar 1988 - [X.], [X.]HZ 103, 255, 257; BSG, Beschlüsse vom 1. April 2009 - [X.] SF 1/08 R, [X.] 4-1500 § 51 Nr. 6 Rn. 9; vom 3. August 2011 - [X.] SF 1/10 R, [X.] 2012, 402 Rn. 20; vgl. auch Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des [X.], Beschluss vom 4. Juni 1974 - GmS-OG[X.]/73, [X.], 292, 296; [X.]H, Großer Senat für Zivilsachen, Beschluss vom 22. März 1976 - [X.], [X.]HZ 67, 81, 87).

[X.] Natur sind Rechtsbeziehungen, wenn ein Träger öffentlicher Verwaltung aufgrund besonderer, speziell ihn berechtigender oder verpflichtender Rechtsvorschriften beteiligt ist und er daher nicht den für jedermann geltenden zivilrechtlichen Regelungen unterliegt (BSG, Urteile vom 12. Februar 1980 - 7 [X.], [X.], 291, 293 mwN; vom 27. Juni 1990 - 5 RJ 39/89, [X.], 100, 101; vom 30. März 1993 - 3 R[X.] 1/93, [X.], 148, 151 mwN). Das ist hier der Fall: § 110 Abs. 1a [X.] berechtigt einzig den öffentlich-rechtlich verfassten Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, unter den dort genannten Voraussetzungen Erstattung von Aufwendungen zu verlangen. § 110 Abs. 1a [X.] ist mithin, worauf das Beschwerdegericht zu Recht hinweist, Sonderrecht für die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ([X.] in [X.]/Fichte, [X.], 2. Aufl., § 51 Rn. 71; [X.], [X.] des § 110 [X.] unter besonderer Betrachtung des neu eingeführten Absatzes 1a, [X.]). Der Anspruch besteht zudem allein gegenüber Unternehmern. Dass zwischen dem Unfallversicherungsträger und dem Unternehmer als beitragspflichtigem [X.] ein - für den Bereich des öffentlichen Rechts typisches - Über-/Unterordnungsverhältnis besteht, ist in der Rechtsprechung des [X.]sozialgerichts seit jeher anerkannt (BSG, Urteil vom 27. Mai 2008 - [X.] U 11/07 R, [X.], 243 Rn. 13 mwN).

bb) Dass die Vorschrift des § 110 Abs. 1 [X.] und ihre Vorgängernormen wie § 640 [X.] bzw. §§ 903 ff. [X.] demgegenüber als [X.] Regelungen verstanden werden bzw. wurden, steht der öffentlich-rechtlichen Qualifizierung von § 110 Abs. 1a [X.] nicht entgegen. Die maßgeblichen Gründe für die Einordnung des Anspruchs aus § 110 Abs. 1 [X.] und seiner Vorgängernormen in das bürgerliche Recht greifen beim Anspruch aus § 110 Abs. 1a [X.] nämlich gerade nicht.

(1) Beim Anspruch aus § 110 Abs. 1 [X.] besteht kein Über-/Unterordnungsverhältnis öffentlich-rechtlicher Art. Denn zum einen richtet sich der Anspruch aus § 110 Abs. 1 [X.] auch gegen Dritte, die zum Unfallversicherungsträger nicht wie der Unternehmer in einem öffentlich-rechtlichen [X.] stehen, so dass es sich ihnen gegenüber nur um einen originär [X.]n Anspruch besonderer Art auf Ersatz des mittelbaren Schadens handeln kann (Senat, Urteile vom 27. November 1956 - [X.], NJW 1957, 384, 385; vom 7. November 1967 - [X.], [X.], 64, 65). Zum anderen gewährt § 110 Abs. 1 [X.] nicht nur dem Unfallversicherungsträger einen Regressanspruch, sondern jedem Sozialversicherungsträger, dem infolge des Versicherungsfalls Aufwendungen entstanden sind; auch insoweit kommt es nicht darauf an, ob der jeweilige Sozialversicherungsträger in einer öffentlich-rechtlichen Beziehung zum Verpflichteten steht (vgl. Senat, Urteile vom 27. November 1956 - [X.], aaO; vom 7. November 1967 - [X.], aaO; vom 9. Januar 1968 - [X.], [X.], 373, 374).

(2) Da § 110 Abs. 1a [X.] kein historisches Vorbild hat, besteht an[X.] als bei den Vorgängernormen zu § 110 Abs. 1 [X.] (vgl. Senat, Urteile vom 7. November 1967 - [X.], [X.], 64, 65; vom 9. Januar 1968 - [X.], [X.], 373, 374) auch keine Tradition, dass die Zivilgerichte über den Anspruch entscheiden.

(3) Vor allem aber tritt der Anspruch aus § 110 Abs. 1a [X.] an[X.] als derjenige aus § 110 Abs. 1 [X.], durch den der Schädiger so gestellt wird, wie er ohne die Privilegierung nach den §§ 104 ff. [X.] stünde (Senat, Urteile vom 27. Juni 2006 - [X.], [X.]HZ 168, 161 Rn. 15, 18; vom 29. Januar 2008 - [X.], [X.]HZ 175, 152 Rn. 13), nicht an die Stelle eines ohne diese Privilegierung auf den Sozialversicherungsträger kraft Gesetzes gemäß § 116 [X.] übergeleiteten Schadensersatzanspruchs (zu § 640 RVO Senat, Urteile vom 7. November 1967 - [X.], [X.], 64 f.; vom 9. Januar 1968 - [X.], [X.], 373, 374 f.). Denn der Anspruch aus § 110 Abs. 1a [X.] setzt keinen (fiktiven) Schadensersatzanspruch des Versicherten voraus. Dementsprechend ist eine nach bürgerlichem Recht zu beurteilende Unfallverursachung und Verantwortlichkeit des Verpflichteten nur für § 110 Abs. 1 [X.] Anspruchsvoraussetzung (vgl. zu § 640 RVO Senat, Urteil vom 9. Januar 1968 - [X.], [X.], 373, 375), nicht aber für § 110 Abs. 1a [X.]. Damit fehlt dem Anspruch aus § 110 Abs. 1a [X.] die Anbindung an [X.] Normen, die maßgebend dafür ist, den Anspruch aus § 110 Abs. 1 [X.] als bürgerlich-rechtlich zu qualifizieren.

cc) Die Gründe, die von der Gegenansicht für die [X.] Qualifizierung des Anspruchs aus § 110 Abs. 1a [X.] angeführt werden, greifen nicht durch.

Insbesondere kann aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber die Ergänzung des § 110 [X.] um Abs. 1a als "systemkonform" bezeichnet und den bereits in Abs. 1 enthaltenen Regress ausdrücklich "auf Fälle der Schwarzarbeit ausgedehnt" hat (BT-Drucks. 15/2573, [X.]), nicht ohne Weiteres auf eine privatrechtliche Natur des Anspruchs aus § 110 Abs. 1a [X.] geschlossen werden (ebenso [X.] in [X.]/Fichte, [X.], 2. Aufl., § 51 Rn. 71). Der Gesetzgeber hat erkennbar auf das Ziel abgestellt, den Unfallversicherungsträger wie in § 110 Abs. 1 [X.] zu entlasten. Die systematische Einordnung des [X.] im Falle der Schwarzarbeit in § 110 [X.] hat er damit begründet, dass die Vorschrift bereits bisher Unternehmer von der Haftungsfreistellung ausnehme, wenn es angesichts eines für den Eintritt eines Versicherungsfalls ursächlichen Verhaltens des Unternehmers nicht mehr gerechtfertigt sei, die finanziellen Folgen auf die in dem jeweiligen Unfallversicherungsträger zusammengeschlossene Unternehmerschaft abzuwälzen (BT-Drucks. 15/2573, [X.]). Auf die Rechtsnatur des Anspruchs oder auf die [X.] wird in der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs hingegen nicht abgehoben.

Ob, wie die Rechtsbeschwerde meint, der Gedanke der Schadloshaltung im Vordergrund steht, kann dahinstehen, da er dem öffentlichen Recht ebenfalls geläufig ist, so dass er nicht als originär bürgerlich-rechtlich bezeichnet werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 12. Februar 1980 - 7 [X.], [X.], 291, 293).

dd) Gehört - wie hier - ein Rechtsverhältnis, aus dem der [X.]lageanspruch abgeleitet wird, seinem Inhalt nach nicht dem bürgerlichen, sondern dem öffentlichen Recht an, so ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben, wenn es seine materiell-rechtliche Grundlage im Sozialversicherungsrecht hat (BSG, Urteil vom 23. November 1971 - 7/2 [X.], [X.], 209, 210 f. mwN). Auch davon ist im Streitfall auszugehen, denn die zentralen Anspruchsvoraussetzungen des § 110 Abs. 1a [X.] sind ausschließlich anhand sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften zu beurteilen. Mit der Zuständigkeit der Sozialgerichte für Streitigkeiten über den Regress nach § 110 Abs. 1a [X.] ist deshalb zugleich gewährleistet, dass auch in diesen Fällen regelmäßig die Gerichte zur Entscheidung über den in Frage stehenden Anspruch berufen sind, die durch ihre Sachkunde und [X.] hierzu beson[X.] geeignet sind.

[X.]                        [X.]

            Offenloch                             [X.]

Meta

VI ZB 50/14

14.04.2015

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Dresden, 11. August 2014, Az: 10 W 1210/13

§ 110 Abs 1a SGB 7, § 51 Abs 1 Nr 3 SGG, § 1 Abs 2 Nr 1 SchwarzArbG, §§ 1ff SchwarzArbG, § 13 GVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.04.2015, Az. VI ZB 50/14 (REWIS RS 2015, 12760)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 3718 REWIS RS 2015, 12760

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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