Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 21.12.2010, Az. 3 B 65/10

3. Senat | REWIS RS 2010, 113

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Gegenstand

Gebührenerhebung für Hygieneuntersuchungen von Frischfleisch aufgrund Kostenkalkulation


Gründe

1

Die [X.]eschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO liegen nicht vor.

2

1. Der Rechtssache kommt auf der Grundlage der Darlegungen der Klägerin keine grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. Die Klägerin möchte - zusammengefasst - geklärt wissen, unter welchen Voraussetzungen eine Gebührenerhebung nach Anhang [X.]. I Nr. 4 [X.]uchstabe b der Richtlinie 85/73/[X.] i.d.F. der [X.]/[X.] zulässig ist. Sie vertritt die These, dass der [X.] in seinen Entscheidungen vom 19. März 2009 ([X.]/07 und [X.]/07) ein "Realkostengebot und Pauschalierungsverbot" angenommen habe, dem eine Gebührenerhebung nach Anhang [X.]. I Nr. 4 [X.]uchstabe b der Richtlinie nur dann gerecht werde, wenn zunächst allenfalls vorläufige [X.]escheide über Vorauszahlungen ergingen und nach Ablauf des Rechnungsjahres ein endgültiger [X.]escheid mit einer "betriebsbezogenen Einzelabrechnung" der tatsächlich angefallenen Kosten erlassen werde; eine Gebührenerhebung auf der Grundlage im Vorhinein kalkulierter Kosten sei generell unzulässig. Diese Auffassung kleidet sie in verschiedene Fragen.

3

Die These der Klägerin trifft indes nicht zu. Der [X.] hat in den besagten Entscheidungen (noch einmal) betont, dass die Erhebung einer die Pauschalgebühr übersteigenden spezifischen Gebühr nach Anhang [X.]. I Nr. 4 [X.]uchstabe b der Richtlinie unter der einzigen Voraussetzung steht, dass die Gebühr die tatsächlichen Kosten nicht überschreitet ([X.]/07 Rn. 20); sie darf ferner nicht die Form eines Pauschalbetrages annehmen ([X.]/07 Rn. 21 und [X.]/07 Rn. 30 ff.). Das letztgenannte Kriterium, auf das sich die Klägerin maßgeblich stützt, diente dem [X.] ersichtlich nur zur Abgrenzung der spezifischen Gebühr von den [X.]-Pauschalbeträgen sowie von einer durch Anhebung der Pauschalbeträge gebildeten Gebühr nach Anhang [X.]. I Nr. 4 [X.]uchstabe a der Richtlinie. Er sah sich zu dieser Klarstellung durch Ausführungen der [X.] veranlasst, die seiner Rechtsprechung meinte entnehmen zu können, dass eine Gebühr nach Anhang [X.]. I Nr. 4 [X.]uchstabe b der Richtlinie die Form eines Pauschalbetrages annehmen müsse. Dem ist der [X.] mit den erwähnten Ausführungen entgegengetreten. Vor dem Hintergrund des Streitgegenstandes jener Verfahren, der jeweils den Ansatz für Kosten bestimmter Fleischuntersuchungen betraf, ist damit ersichtlich nur gemeint, dass eine solche Gebühr nicht wie die [X.]-Pauschalbeträge unbeschadet des konkreten Untersuchungsumfangs (also pauschal) erhoben werden darf, sondern Kostenanteile für bestimmte Fleischuntersuchungen nur dann in die Gebühr einfließen dürfen, wenn sie tatsächlich angefallen sind.

4

Diese [X.]e Vorgabe ändert indes nichts daran, dass es sich um eine "Gebühr" handelt, deren Höhe auf der Grundlage einer Kostenkalkulation ermittelt wird und nicht etwa durch eine nachträgliche Kostenabrechnung jedes Einzelfalls. Die Vorstellungen der Klägerin sind mit der [X.] und [X.] vorgesehenen Möglichkeit der Kostendeckung im Wege der Gebührenerhebung nicht vereinbar; sie laufen darauf hinaus, eine Erhebung von Gebühren oberhalb der [X.]-Pauschalbeträge praktisch unmöglich zu machen.

5

Die These der Klägerin wird auch nicht durch die von ihr angeführte Rechtsprechung des [X.] für das [X.] gestützt, das - in Übereinstimmung mit dem [X.]erufungsurteil - eine Gebührenerhebung auf der Grundlage prognostischer Werte ausdrücklich für zulässig erachtet (vgl. nur [X.], Urteil vom 30. September 2009 - 17 A 2609/03 - juris Rn. 92 ff.). Soweit das Oberverwaltungsgericht für das [X.] bei der Überprüfung einer konkreten Gebührenkalkulation für den Sonderfall einer nachträglichen Neuberechnung von Gebühren für abgelaufene Zeiträume nicht die durch Zeitablauf obsolet gewordenen Prognosewerte der ursprünglichen Kalkulation, sondern die bereits feststehenden tatsächlich angefallenen Kosten für maßgeblich gehalten hat (Urteil vom 27. Januar 2010 - 17 A 2509/03 - juris Rn. 66), ergibt sich keine Abweichung zu dem [X.]erufungsurteil, die eine Zulassung wegen grundsätzlicher [X.]edeutung der Rechtssache begründen könnte. Ob prognostische Werte überholt sind und deshalb einer Kalkulation, die sich an den tatsächlichen Kosten orientieren muss, nicht mehr zugrunde gelegt werden dürfen, ist keine verallgemeinerungsfähige Rechtsfrage, sondern eine Frage der Tatsachenwürdigung. Hier hat das [X.]erufungsgericht ausgeführt, dass eine verbotene Kostenüberdeckung weder vorgetragen noch ersichtlich sei. Das wirft keine fallübergreifende Rechtsfrage auf.

6

Die von der Klägerin weiter angesprochene "einzelbetriebliche Abrechnung" wirft ebenfalls keine grundsätzlich bedeutsame Frage auf. In der Rechtsprechung des [X.]s ist geklärt, dass nach Anhang [X.]. I Nr. 4 [X.]uchstabe b der Richtlinie eine Gebühr erhoben werden kann, die nach der Größe des [X.]etriebs und der Zahl der geschlachteten Tiere unterscheidet, wenn feststeht, dass diese Faktoren sich auf die Kosten auswirken (Urteil vom 19. März 2009 - [X.]/07 - Rn. 22). Wenn der [X.] eine "einzelbetriebliche Abrechnung" nach den Vorstellungen der Klägerin für erforderlich gehalten hätte, hätte er nicht eine solche Gebührenstaffelung ausdrücklich gebilligt.

7

All dies ergibt sich hinreichend eindeutig aus der Rechtsprechung des [X.]s. Der [X.] sieht deshalb keinen Anlass, das Verfahren nach § 94 VwGO auszusetzen, um abzuwarten, bis der Antrag der Klägerin nach Art. 102 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs auf Auslegung des Urteils vom 19. März 2009 ([X.]/07) beschieden worden ist.

8

Aus der von der Klägerin problematisierten "rückwirkenden Richtlinienumsetzung" ergibt sich ebenfalls keine grundsätzlich klärungsbedürftige Frage. In der Rechtsprechung des [X.]s ist hinlänglich geklärt, dass europäisches Gemeinschaftsrecht nicht daran hindert, eine erforderliche Umsetzung rückwirkend vorzunehmen (vgl. nur [X.]eschluss vom 10. Juli 2008 - [X.]VerwG 3 [X.] 30.08 - juris Rn. 8 m.w.N.; s. auch [X.]VerfG, [X.]eschluss vom 11. Dezember 2007 - 1 [X.]vR 1792/06 - juris Rn. 15). Neue Aspekte, die etwa eine Vorlage an den [X.] rechtfertigen könnten, zeigt die Klägerin nicht auf.

9

2. Das [X.]erufungsurteil leidet an keinem Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

Der gerügte absolute Revisionsgrund der nicht mit Gründen versehenen Entscheidung (§ 138 Nr. 6 VwGO) liegt nicht vor. Die Klägerin hält die [X.]egründung des [X.]erufungsurteils für unzureichend und unverständlich, soweit es die Folgerungen aus der Rechtsprechung des [X.]s betrifft. Im [X.] kreisen auch diese Ausführungen der Klägerin um die von ihr vertretenen Thesen zur Erhebung einer spezifischen Gebühr, die sie in dem [X.]erufungsurteil nicht richtig gewürdigt sieht. Damit lässt sich der geltend gemachte Revisionsgrund nicht belegen. Es steht im Übrigen außer Frage, dass sich das [X.]erufungsgericht in seinem Urteil mit der besagten Rechtsprechung des [X.]s befasst hat.

Schließlich rügt die Klägerin als Verfahrensfehler einen Verstoß des [X.]erufungsgerichts gegen den Überzeugungsgrundsatz nach § 108 Abs. 1 VwGO, gegen die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts nach § 86 Abs. 1 VwGO sowie gegen die Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs. All diese [X.] beruhen auf der Prämisse der Klägerin, dass das [X.]erufungsgericht sich nicht mit den [X.] der [X.]eklagten hätte begnügen dürfen, sondern - im Sinne ihrer Thesen - eine nachträgliche einzelbetriebliche Abrechnung der tatsächlich angefallenen Kosten der jeweiligen Amtshandlungen hätte anfordern müssen. Maßgeblich für die Frage, ob das [X.]erufungsgericht einen Verfahrensfehler begangen hat, ist jedoch dessen materiell-rechtlicher Standpunkt. Davon ausgehend hat das [X.]erufungsgericht sich mit den [X.] in den Entscheidungsgründen zwar nicht im Einzelnen befasst, sondern mit dem Hinweis begnügt, dass eine verbotene Kostenüberdeckung weder vorgetragen noch sonst ersichtlich sei. Dagegen ist indes nichts zu erinnern; das [X.] muss nicht - gleichsam ungefragt - auf Umstände eingehen, deren Prüfung sich ihm nicht aufdrängt und auch nicht durch entsprechende Einwände eines [X.]eteiligten veranlasst ist. Dass ihr solche Einwände nicht ermöglicht worden seien, indem das [X.]erufungsgericht es unterlassen habe, die Kalkulationen überhaupt anzufordern, behauptet die Klägerin zwar mit der [X.]eschwerde. Diese [X.]ehauptung geht aber an der Sache vorbei; denn die Kalkulationen der [X.]eklagten sind bereits im ersten Rechtszug in das Verfahren eingeführt worden.

Meta

3 B 65/10

21.12.2010

Bundesverwaltungsgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 29. April 2010, Az: 4 BV 07.2285, Urteil

Anh A Kap I Nr 4 Buchst b EWGRL 73/85, Anh A Kap I Nr 4 Buchst a EWGRL 73/85, EGRL 43/96

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 21.12.2010, Az. 3 B 65/10 (REWIS RS 2010, 113)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 113

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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