Bundessozialgericht, Beschluss vom 04.06.2014, Az. B 14 AS 335/13 B

14. Senat | REWIS RS 2014, 5096

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung - Wegfall der Klärungsbedürftigkeit durch zwischenzeitliche Entscheidung des BSG - Grundsicherung für Arbeitsuchende - Antrag auf Überprüfung sämtlicher Bescheide der letzten Jahre auf ihre Rechtmäßigkeit ohne Darlegung von Gründen - keine Verpflichtung des Grundsicherungsträgers zur inhaltlichen Prüfung


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 17. Juni 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Umstritten ist die Überprüfung von Bescheiden nach § 44 [X.] ([X.]). Der seit dem 1.1.2005 im laufenden Leistungsbezug des beklagten Jobcenters stehende Kläger beantragte am 22.10.2010 die "Überprüfung sämtlicher bestandskräftiger Bescheide über Grundsicherung", ohne dies näher zu begründen. Der Beklagte lehnte den Antrag ohne Sachprüfung ab (Bescheid vom 28.10.2010, Widerspruchsbescheid vom 27.1.2011). Das Sozialgericht ([X.]) wies die Klage ab (Gerichtsbescheid vom 13.6.2012), Berufung wurde keine eingelegt. Den während des Laufs dieses Gerichtsverfahrens am [X.] gestellten, nicht begründeten Antrag des [X.] auf Überprüfung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 27.12.2006 lehnte der Beklagte ab, weil eine Überprüfung nur für einen Zeitraum bis zu einem Jahr vor der Rücknahme erfolgen könne (Bescheid vom 9.5.2011, Widerspruchsbescheid vom 22.6.2011). Das [X.] hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 31.8.2012), das [X.] (L[X.]) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom [X.]), weil die Ablehnung einer Sachprüfung durch den Beklagten im Ergebnis nicht zu beanstanden sei.

2

In der gegen die Nichtzulassung der Revision in der Entscheidung des L[X.] gerichteten Beschwerde rügt der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aufgrund der Rechtsfrage:

"Sind Verwaltung und Gerichte im Rahmen eines Überprüfungsantrages nach § 44 [X.] verpflichtet, auch ohne neues tatsächliches Vorbringen der Beteiligten, die Rechtmäßigkeit des zur Überprüfung gestellten Bescheides anhand der zwischenzeitlich ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu überprüfen?"

Zur Begründung hat der Kläger ua auf die zu dieser Rechtsfrage schon anhängigen Revisionsverfahren vor dem [X.] (B[X.]) verwiesen.

3

Nachdem der 4. Senat durch Urteil vom 13.2.2014 - B 4 AS 22/13 R -, in dem dieselbe Rechtsfrage gestellt, derselbe Beklagte und auf [X.]eite derselbe Prozessbevollmächtigte beteiligt waren, die Revision des dortigen [X.] zurückgewiesen hatte und in dem hiesigen Verfahren angefragt worden ist, ob die Nichtzulassungsbeschwerde aufrechterhalten bleibe, hat der Kläger mitgeteilt, dass an der Nichtzulassungsbeschwerde festgehalten werde, da die Rechtsauffassung des zuständigen 1[X.] noch nicht bekannt sei.

4

II. Die gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des L[X.] gerichtete Beschwerde des [X.] ist zurückzuweisen, weil sie unbegründet ist. Die Voraussetzungen des vom Kläger allein geltend gemachten Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 160 Abs 2 [X.] [X.]G sind nicht erfüllt.

5

Voraussetzungen für die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage sind über die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage hinaus deren über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung, deren Klärungsbedürftigkeit sowie Klärungsfähigkeit und Entscheidungserheblichkeit im konkreten Rechtsstreit (vgl [X.]/[X.], Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, [X.], RdNr 60 ff).

6

Die Klärungsbedürftigkeit ist zu verneinen, wenn die Rechtsfrage bereits höchstrichterlich beantwortet ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der zuvor aufgezeigten Voraussetzungen ist der Zeitpunkt der Entscheidung des B[X.] über die Nichtzulassungsbeschwerde. Dies bedeutet, dass die Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage, die zum Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde gegeben war, durch zwischenzeitliche Entscheidungen des B[X.] über diese Rechtsfrage bis zur Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde wegfallen kann (B[X.] SozR 1500 § 160 [X.]; B[X.] SozR 1500 § 160a [X.]; [X.]/[X.], Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, [X.], RdNr 71).

7

Die vom Kläger formulierte Rechtsfrage ist aufgrund des genannten Urteils des [X.] vom 13.2.2014 - B 4 AS 22/13 R - nicht mehr klärungsbedürftig. In diesem Urteil hat der 4. Senat in Rd[X.]3 ausgeführt und den folgenden RdNr näher begründet:

"Nach § 40 Abs 1 S 1 [X.]B II iVm § 44 Abs 1 S 1 [X.] ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Erfolgt die Überprüfung aufgrund eines Antrags des Leistungsberechtigten, löst dieser Antrag zwar grundsätzlich eine Prüfpflicht des Leistungsträgers aus. Der Antrag bestimmt jedoch zugleich auch den Umfang des Prüfauftrags der Verwaltung im Hinblick darauf, ob bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden ist. Aufgrund oder aus Anlass des Antrags muss sich der Verwaltung im Einzelfall objektiv erschließen, aus welchem Grund - Rechtsfehler und/oder falsche Sachverhaltsgrundlage - nach Auffassung des Leistungsberechtigten eine Überprüfung erfolgen soll. Dazu muss der Antrag konkretisierbar sein, dh entweder aus dem Antrag selbst - ggf nach Auslegung - oder aus einer Antwort des Leistungsberechtigten aufgrund konkreter Nachfrage des Sozialleistungsträgers muss der Umfang des Prüfauftrags für die Verwaltung bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens erkennbar werden. Ist dies nicht der Fall, ist der Sozialleistungsträger berechtigt, von einer inhaltlichen Prüfung dieses Antrags abzusehen. Diese Begrenzung des Prüfauftrags der Verwaltung wird durch den Wortlaut, die Gesetzesbegründung sowie den Sinn und Zweck des § 44 [X.] gestützt."

8

Dem schließt sich der 14. Senat an. Angesichts dessen ist kein Grund zu erkennen oder vom Kläger vorgebracht worden, wieso noch eine Entscheidung des erkennenden Senats im Rahmen eines Revisionsverfahrens über die vom Kläger formulierte Frage notwendig ist.

9

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 [X.]G.

Meta

B 14 AS 335/13 B

04.06.2014

Bundessozialgericht 14. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Cottbus, 12. September 2012, Az: S 32 AS 2402/11, Gerichtsbescheid

§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 40 Abs 1 S 1 SGB 2, § 44 Abs 1 S 1 SGB 10, § 20 SGB 10, § 21 Abs 2 S 1 SGB 10

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 04.06.2014, Az. B 14 AS 335/13 B (REWIS RS 2014, 5096)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5096

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 6 KA 37/13 B (Bundessozialgericht)

Vertragsärztliche Versorgung - einheitlicher Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen - Überprüfung der Kombination einer Gesprächsleistung und …


L 2 KR 88/11 (Landessozialgericht für das Saarland)


B 13 R 140/10 B (Bundessozialgericht)

sozialrechtliches Verwaltungsverfahren - Anhörungsfehler - Maßgeblichkeit der materiell-rechtlichen Rechtsansicht der Verwaltungsbehörde


S 13 VJ 2/16 (Sozialgericht Regensburg)


B 5 RS 10/15 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtsverfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Divergenz - Abweichungen von Entscheidungen eines anderen obersten Gerichtshofes des Bundes


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.