Bundesfinanzhof, Beschluss vom 22.07.2015, Az. X B 172/14

10. Senat | REWIS RS 2015, 7756

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Gegenstand

Besteuerung der Pensionszahlungen an ehemalige Mitarbeiter des Europäischen Raumfahrtkontrollzentrums (ESOC)


Leitsatz

NV: Die steuerliche Qualifikation der Pensionszahlungen für ehemalige Mitarbeiter der Koordinierten Organisationen, etwa dem Europäischen Raumfahrtkontrollzentrum (ESOC), einem Operationszentrum der Europäischen Weltraumorganisation (ESA), ist geklärt. Es handelt sich grundsätzlich um Ruhegelder nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG, da eigene Beiträge für die Zeit nach Einführung des einheitlichen Pensionssystems mit Wirkung ab dem 1. Juli 1974 nicht vorliegen .

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 30. Juni 2014  12 K 682/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wird im Streitjahr 1998 einzeln veranlagt. Er war vom … 1963 bis zu seiner Pensionierung am … 1996 Mitarbeiter beim [X.] ([X.]), einem der Operationszentren der [X.] ([X.]).

2

Grundlage der Pensionszahlung durch die [X.] ist die von der [X.] zum 1. Juli 1974 für neueintretende Bedienstete eingeführte Pensionsregelung. Hiernach werden die Ruhegelder aus dem laufenden Haushalt der [X.] gezahlt.

3

Für Bedienstete wie den Kläger, die vor diesem Stichtag bei der [X.] tätig waren, wurde eine Übergangsregelung getroffen. Sie konnten zur neuen Pensionsregelung optieren, falls sie ihr Guthaben beim [X.] der [X.] abtraten. Hierfür hatte sich der Kläger am 30. Juni 1978 entschieden, weshalb aus seinem Guthaben beim [X.] der Betrag von … DM übertragen wurde.

4

In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärte der Kläger seine Pensionszahlungen in Höhe von … DM als sonstige Einkünfte. Diese Zahlungen seien keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sondern hätten ihren Rechtsgrund in seiner früheren eigenen Beitragsleistung.

5

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) ordnete die Pensionszahlungen im Einkommensteuerbescheid den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu.

6

Im Einspruchsverfahren änderte das [X.] die Einkommensteuerfestsetzung. Soweit die Versorgungsbezüge Ertrag des übertragenen Guthabens aus dem [X.] sind, qualifizierte das [X.] diesen als wiederkehrende Bezüge nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG a.F.) in der für das Streitjahr geltenden Fassung. Im Übrigen ging es von Versorgungsbezügen nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG a.F. aus.

7

Im Klageverfahren verfolgte der Kläger sein Begehren fort, sämtliche Versorgungsbezüge als wiederkehrende Bezüge zu berücksichtigen. Das Finanzgericht ([X.]) wies die Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2014, 2025 abgedruckten Gründen ab.

8

Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O), der Erforderlichkeit einer Entscheidung des [X.] ([X.]) zur Fortbildung des Rechts nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 [X.]O, der Divergenz nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O und Verfahrensmängeln nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O.

9

Das [X.] tritt dem entgegen.

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache liegt angesichts des [X.] vom 22. November 2006 [X.] ([X.], 124, [X.], 402) nicht mehr vor.

Macht ein Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 [X.] [X.]O geltend, so hat er zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herauszustellen. Dafür ist erforderlich, dass er die entscheidungserhebliche Rechtsfrage hinreichend konkretisiert; nicht ausreichend ist eine Fragestellung, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Des Weiteren muss die Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen darlegen, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärungsfähig ist. Dazu muss ausgeführt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchem Grunde die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache reicht nicht der Hinweis darauf, die Revisionsentscheidung sei für eine größere Zahl von Fällen von Bedeutung; denn daraus ergibt sich nicht, dass die Rechtsfrage inhaltlich klärungsbedürftig ist (Senatsbeschluss vom 24. Juni 2014 [X.], [X.] 2014, 1888).

Allerdings kann auf eine ausführliche Darlegung der Klärungsbedürftigkeit verzichtet werden, wenn sie offenkundig ist und nähere Angaben unnötige [X.] wären (vgl. Senatsbeschluss vom 27. März 2014 [X.]75/13, [X.] 2014, 1073, m.w.N.).

An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es insbesondere auch dann, wenn die Rechtsfrage anhand der gesetzlichen Grundlagen und der bereits vorliegenden Rechtsprechung beantwortet werden kann und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung der Rechtsfrage durch den [X.] geboten erscheinen lassen (Senatsbeschluss vom 21. Januar 2014 [X.]181/13, [X.] 2014, 523, m.w.N.).

a) Es reicht also nicht aus, dass die Pensionsleistungen der [X.] im Vergleich zu dem vom Senat im Urteil in [X.], 124, [X.], 402 entschiedenen Fall der Ruhegehaltszahlungen an ehemalige Bedienstete der [X.] ([X.]) einzelne Besonderheiten aufweisen und eine Vielzahl von offenen Einspruchsverfahren existiert.

b) Es fehlen außerdem abstrakte Gründe für die Klärungsbedürftigkeit der Frage nach der steuerlichen Qualifikation der Pensionszahlungen der [X.].

Grundsätzlich handelt es sich bei der [X.] wie der [X.] um Koordinierte Organisationen, die jeweils rückwirkend für die [X.] ab 1. Juli 1974 ein einheitliches Pensionssystem für ihre in den Ruhestand tretenden Bediensteten einführten. Nach diesem System werden die Ruhegehälter bei allen koordinierten Organisationen ([X.], [X.], [X.], [X.] --OECD--, [X.] und [X.] für mittelfristige Wettervorhersage) aus dem laufenden Haushalt der einzelnen Organisation gezahlt. Die bisherige Finanzierung der Ruhegehälter aus einem Versorgungsfonds ([X.]) wurde übergeleitet (vgl. nur Schreiben des [X.] --BMF-- vom 16. August 1977 IV C 6-S 1311-25/77 II, [X.] 1977, 436, unter [X.]. 1). Dieses Pensionssystem gilt auch für die [X.] (vgl. BMF-Schreiben vom 3. August 1998 IV C 6-S 1311-97/98, [X.] 1998, 1042, [X.]. 1).

c) Es bedarf vorliegend auch keiner neuen Entscheidung des [X.] aufgrund des [X.]. Alle wesentlichen Argumente hat der Senat im Urteil in [X.], 124, [X.], 402 berücksichtigt und erwogen, ist ihnen aber nicht gefolgt. Vor diesem Hintergrund ist die Thematik in einem Revisionsverfahren nicht erneut klärungsbedürftig.

aa) Soweit der Kläger auf das unterschiedliche System zur Ermittlung des jeweiligen Grundgehalts verweist, von dem die Beiträge zu den Altersversorgungssystemen der [X.] und der [X.] berechnet und einbehalten werden, ist diese Frage nicht entscheidungserheblich. Entscheidend ist vielmehr, ob aufgrund der Einbehalte bereits steuerpflichtiger Lohn zugeflossen ist. Dies hat der Senat im Einklang mit der Rechtsprechung des [X.]. Senats in seinem Urteil in [X.], 124, [X.], 402 hinsichtlich der Berechnung der Gehälter der [X.] verneint. Er hat ausdrücklich ausgeführt, dass es für diese Frage allein auf einkommensteuerrechtliche Grundsätze ankomme. Unerheblich sei, wie die Höhe der Gehälter zustande gekommen sei (unter II.3.d).

Insoweit unterscheiden sich die Berechnung der Gehälter der [X.] und der [X.] nicht. Auch im Fall der Berechnung der Gehälter der [X.] erfolgt lediglich ein Abzug eines Rechenpostens analog zu der für die Besteuerung der [X.]-Bezüge zu ermittelnden Rechengröße. Steuereinnahmen verzeichnet weder die [X.] noch eine andere Finanzverwaltung.

bb) Inländische Steuereinnahmen aufgrund der [X.]-Bezüge liegen auch nicht deshalb vor, weil die übrigen Einkünfte des [X.]-Bediensteten während seiner aktiven Dienstzeit unter Anwendung des [X.] nach § 32b EStG besteuert werden. Insoweit fehlt es bereits an der sich hieraus für das Gehalt des [X.]-Bediensteten ergebenen Steuer. Die mittelbare Wirkung auf andere Einkünfte reicht nicht aus.

cc) Wie im Fall der [X.]-Bediensteten werden die Ruhegehaltszahlungen der [X.]-Bediensteten folglich nicht aus versteuerten Beiträgen derselben finanziert. Es liegen (lediglich) Gehaltskürzungen vor. Das sich hieraus ergebende Innehaben von Ansprüchen gegenüber der [X.] als Arbeitgeberin führt auch nicht zu dem Zufluss von Einnahmen und damit noch nicht zu steuerpflichtigem Arbeitslohn (so auch weiterhin die aktuelle Rechtsprechung des [X.]. Senats des [X.] in seinen Urteilen vom 15. September 2011 [X.] R 36/09, [X.] 2012, 201, und vom 5. Juli 2012 [X.] R 11/11, [X.]E 238, 408, [X.]I 2013, 190), gleichgültig wie der Arbeitgeber dies intern kassentechnisch organisiert (Senatsurteil in [X.], 124, [X.], 402, unter II.2.c).

2. Eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 [X.]O setzt voraus, dass über bisher ungeklärte Rechtsfragen "zur Fortbildung des Rechts" zu entscheiden ist. Dieser Zulassungsgrund konkretisiert den der [X.] (Senatsbeschluss vom 21. August 2014 [X.]159/13, [X.] 2014, 1743). Er liegt aus den unter [X.] genannten Gründen nicht vor.

3. Eine Zulassung der Revision wegen Divergenz nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O ist nicht geboten.

a) So ist bereits nicht erkennbar, inwieweit eine solche Divergenz des [X.]-Urteils zur [X.]-Rechtsprechung vorliegen soll. Der Kläger rügt lediglich einen aus seiner Sicht gegebenen Widerspruch zur geltenden Gesetzeslage selbst.

b) Im Übrigen ist auch kein qualifizierter Rechtsanwendungsfehler des [X.] erkennbar, der die Zulassung der Revision nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ausnahmsweise bei "greifbarer Gesetzwidrigkeit" der angefochtenen Entscheidung gestatten würde (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 4. Juni 2014 [X.]95/13, [X.] 2014, 1355, unter 2.a, m.w.N.). Ein derartiger Fall liegt bereits aus dem unter [X.]c Gesagten hier nicht vor.

4. Schließlich liegt auch der vom Kläger beanstandete Verfahrensmangel nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O nicht vor. Vorliegend hat das [X.] seine Sachaufklärungspflicht nach § 76 Abs. 1 Satz 1 [X.]O nicht verletzt.

Gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 [X.]O erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen (Amtsermittlungsgrundsatz). Danach ist es grundsätzlich Aufgabe des Gerichts, die tatsächlichen Grundlagen der zu treffenden Entscheidung zu ermitteln (z.B. [X.]-Beschluss vom 17. September 2003 I B 18/03, [X.] 2004, 207). Diese Verpflichtung des [X.] zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen bedeutet nicht, dass jeder fernliegenden Erwägung nachzugehen ist. Wohl aber muss das [X.] die sich im Einzelfall aufdrängenden Überlegungen auch ohne ausdrücklichen Hinweis der Beteiligten anstellen und entsprechende Beweise erheben. Die Sachaufklärungspflicht des [X.] kann allerdings nicht losgelöst von den Mitwirkungspflichten der Beteiligten (§ 76 Abs. 1 Satz 2 [X.]O) gesehen werden (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. nur Senatsbeschluss vom 20. November 2013 [X.]164/13, [X.] 2014, 374, m.w.N.). Vielmehr begrenzt die Mitwirkungspflicht der Beteiligten die Amtsermittlungspflicht.

Vorliegend ist schon nicht erkennbar, inwieweit das [X.] den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht vollumfänglich erforscht haben soll. Vielmehr hat es alle entscheidungserheblichen Gesichtspunkte bei seiner Urteilsfindung berücksichtigt.

5. Im [X.] wendet sich der Kläger mit seinem gesamten Vorbringen gegen die --seiner Meinung nach fehlerhafte-- Beweis- und Sachverhaltswürdigung des [X.]. Dies wäre indes ein materiell-rechtlicher Fehler, der eine Revisionszulassung grundsätzlich nicht rechtfertigen kann (ständige [X.]-Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 8. April 2014 [X.]70/13, [X.] 2014, 1043).

6. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

7. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 [X.]O ab.

Meta

X B 172/14

22.07.2015

Bundesfinanzhof 10. Senat

Beschluss

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 30. Juni 2014, Az: 12 K 682/14, Urteil

§ 115 Abs 1 Nr 1 FGO, § 19 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 1997, § 22 Nr 1 S 3 Buchst a EStG 1997

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 22.07.2015, Az. X B 172/14 (REWIS RS 2015, 7756)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 7756

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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(Besteuerung von Ruhestandszahlungen des Europäischen Patentamts)


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14 ZB 14.604

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