Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.01.2014, Az. XII ZB 372/13

12. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 8272

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Gegenstand

Vergütung für den Ergänzungsbetreuer: Nachträgliche rückwirkende Feststellung einer berufsmäßigen Betreuungsführung


Leitsatz

1. Die nachträgliche rückwirkende Feststellung, dass der Betreuer die Betreuung berufsmäßig führt, ist auch dann unzulässig, wenn bei der Bestellung des Betreuers die Feststellung versehentlich unterblieben ist (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 8. Januar 2014, XII ZB 354/13, juris).

2. Eine entsprechende mit Rückwirkung versehene Korrektur der Bestellungsentscheidung ist außer im Verfahren der Beschwerde gegen die Ausgangsentscheidung nur unter den Voraussetzungen der Beschlussberichtigung nach § 42 FamFG möglich.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 2 wird der Beschluss der 7. Zivilkammer des [X.] vom 13. Juni 2013 aufgehoben.

Auf die Beschwerde des weiteren Beteiligten zu 2 wird unter Abänderung des Beschlusses des [X.] vom 23. Januar 2013 der Antrag des weiteren Beteiligten zu 1 auf rückwirkende Feststellung der Berufsmäßigkeit der Führung der Ergänzungsbetreuung abgewiesen.

[X.]: bis 1.000 €

Gründe

I.

1

Gegenstand des Verfahrens ist die nachträgliche Feststellung der berufsmäßigen Führung einer Ergänzungsbetreuung.

2

Der Beteiligte zu 1 wurde mit Beschluss vom 16. Februar 2010 zum Ergänzungsbetreuer für den - am 29. Februar 2012 verstorbenen - Betroffenen bestellt. Mit weiterem Beschluss vom 13. Juli 2010 wurde der Umfang der Ergänzungsbetreuung erweitert. In beiden Entscheidungen stellte das Amtsgericht die Berufsmäßigkeit der Führung der Ergänzungsbetreuung nicht fest.

3

Auf Antrag des Beteiligten zu 1 vom 11. September 2012 hat das Amtsgericht mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Anordnung der Ergänzungsbetreuung festgestellt, dass die Betreuung berufsmäßig geführt worden ist.

4

Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Beteiligten zu 2, der Alleinerbe des Betroffenen ist, hat das [X.] zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte der Beteiligte zu 2 weiter die Aufhebung der amtsgerichtlichen Entscheidung erreichen.

II.

5

Die aufgrund der Zulassung nach § 70 Abs. 1 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2 ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und unter Abänderung der amtsgerichtlichen Entscheidung zur Abweisung des Antrags des Beteiligten zu 1, die Berufsmäßigkeit der Führung der Ergänzungsbetreuung rückwirkend festzustellen.

6

1. Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Feststellung einer berufsmäßigen Führung der Ergänzungsbetreuung könne auch außerhalb einer Beschwerde gegen den Bestellungsbeschluss und unabhängig von den Voraussetzungen einer Beschlussberichtigung nachträglich mit Rückwirkung auf den Bestellungszeitpunkt erfolgen. Aus § 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB lasse sich auch unter Heranziehung der Gesetzesmaterialien nicht entnehmen, dass ein Vergütungsanspruch des Betreuers bei unterbliebener Feststellung der Berufsmäßigkeit im Rahmen seiner Bestellung schlechthin ausgeschlossen sein solle. Der Gesichtspunkt einer frühestmöglichen Rechtsklarheit und Kalkulierbarkeit von Vergütungsansprüchen sei nach dem Gesetz nicht absolut. § 1836 Abs. 2 BGB zeige, dass sogar ohne Feststellung der Berufsmäßigkeit eine angemessene Vergütung bewilligt werden könne. Die Möglichkeit einer nachträglichen Feststellung der Berufsmäßigkeit ergebe sich auch aus dem Umstand, dass möglicherweise erst nach Bestellung des Betreuers die notwendigen Feststellungen bezüglich der Berufsmäßigkeit seiner Tätigkeit getroffen werden könnten. Eine unter Umständen dringliche Betreuerbestellung dürfe jedoch nicht durch die Aufklärung von Fragen der Vergütungsfähigkeit verzögert werden. Zudem entspreche es verfahrensökonomischen Gesichtspunkten, eine rückwirkende Nachholung der Feststellung auf Antrag zuzulassen, statt den Betreuer insoweit auf den [X.] zu verweisen. Die Beendigung der Betreuung durch den Tod des Betroffenen stehe einer rückwirkenden Feststellung der Berufsmäßigkeit ebenfalls nicht entgegen. Dass die Betreuung mit dem Tod des Betreuten grundsätzlich ende, bedeute nicht, dass danach keine Regelungen zu Vergütungsfragen mehr getroffen werden könnten.

7

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

8

a) Der [X.] hat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden, dass eine nachträgliche rückwirkende Feststellung der Berufsmäßigkeit unzulässig ist, weil die gesetzlichen Vorgaben dem entgegenstehen ([X.]sbeschluss vom 8. Januar 2014 - [X.] 354/13 - juris).

9

aa) Nach § 1908 i Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1836 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB ist grundsätzlich bei der Bestellung eines Betreuers darüber zu befinden, ob dieser die Betreuung berufsmäßig führt. Dadurch soll verhindert werden, dass das Verfahren über die Festsetzung der Vergütung (§ 168 FamFG) mit einem Streit über die Berufsmäßigkeit der Betreuung belastet wird. Zugleich soll im Interesse der Rechtssicherheit und -klarheit für alle Beteiligten rechtzeitig feststehen, ob und welche Ansprüche dem Betreuer aus der Betreuung erwachsen und welche Lasten mit der Bestellung dieses Betreuers für den Betroffenen oder die Staatskasse verbunden sind ([X.]sbeschlüsse vom 8. Januar 2014 - [X.] 354/13 - juris und vom 9. November 2005 - [X.] 49/01 - [X.], 111, 114; vgl. auch BT-Drucks. 13/10331 S. 27).

bb) Mit der Regelung in § 286 Abs. 1 Nr. 4 FamFG, der die Bezeichnung des Berufsbetreuers als solchen in der [X.] anordnet, wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass das Gericht die Feststellung der Berufsmäßigkeit bereits bei der Bestellung trifft (BT-Drucks. 16/6308 S. 268).

cc) Da die Anordnung einer Betreuung nach § 1896 BGB mit der Bestellung des Betreuers einhergeht (st. Rspr. des [X.]s, vgl. z.B. [X.]sbeschlüsse vom 19. Dezember 2012 - [X.] 557/12 - FamRZ 2013, 369 Rn. 2 und vom 20. Juli 2011 - [X.] 445/10 - FamRZ 2011, 1728 Rn. 9; vgl. auch BT-Drucks. 11/4528 S. 91), ist auch bereits in diesem Zeitpunkt über die Person des Betreuers zu befinden. Der Gesetzgeber hat in § 1897 Abs. 6 Satz 1 BGB eine Rangfolge bei der [X.] vorgegeben (vgl. BT-Drucks. 13/7158 [X.]), so dass die Entscheidung darüber, wer als Betreuer einzusetzen ist, maßgeblich auch davon beeinflusst wird, welche der in Frage kommenden Personen die Betreuung ehrenamtlich oder berufsmäßig führen würden (vgl. [X.], 867, 868; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] Betreuungsrecht 5. Aufl. § 1836 BGB Rn. 20). Eine mit Rückwirkung erfolgende nachträgliche Änderung des dem Betreuer zuerkannten Status von ehrenamtlich in berufsmäßig hätte daher zur Folge, dass diejenigen Umstände, die der im Rahmen der ursprünglichen Entscheidung vorgenommenen Betreuerbestellung zugrunde lagen, im Nachhinein überholt wären. Damit könnte, entgegen dem Gesetzeswortlaut und der gesetzgeberischen Intention durch die Entscheidung auch hinsichtlich der Betreuervergütung Rechtssicherheit und -klarheit zu gewährleisten, ohne zeitliche Schranke in den vom Betreuungsgericht durch den Beschluss nach § 1896 BGB geschaffenen [X.] mit Wirkung für die Vergangenheit eingegriffen werden ([X.]sbeschluss vom 8. Januar 2014 - [X.] 354/13 - juris).

dd) Schließlich besteht für eine nachträgliche mit Rückwirkung verbundene Feststellung der Berufsmäßigkeit auch kein rechtlich anzuerkennendes Bedürfnis. Der Betreuer, der sich gegen das Unterbleiben der konstitutiven Feststellung einer berufsmäßigen Führung der Betreuung wenden will, kann die befristete Beschwerde gemäß §§ 58 ff. FamFG gegen die [X.] erheben. Diese ermöglicht eine Überprüfung im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem ursprünglichen Beschluss und eine Rückwirkung auf den Bestellungszeitpunkt ([X.]sbeschluss vom 9. November 2005 - [X.] 49/01 - [X.], 111, 114). Soweit in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertreten wurde, eine nachträgliche Feststellung sei jederzeit möglich (vgl. [X.], 1252, 1253; 2009, 370; [X.] [X.] 2009, 132, 133; [X.] 2010, 139), lagen dem [X.] zugrunde, die noch mit der unbefristet möglichen Beschwerde nach § 19 [X.] angegriffen werden konnten.

b) Diese Erwägungen stehen einer nachträglichen rückwirkenden Feststellung der Berufsmäßigkeit auch dann entgegen, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Feststellung der Berufsmäßigkeit bei der Bestellung des Betreuers versehentlich unterblieben ist. Der mit der Regelung in § 1908 i Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1836 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB verfolgte Gesetzeszweck, im Interesse der Rechtssicherheit und -klarheit bereits bei der Bestellung des Betreuers erkennbar zu machen, ob und welche Ansprüche aus der Betreuung erwachsen und welche Lasten mit der Bestellung dieses Betreuers für den Betroffenen oder die Staatskasse verbunden sind, wäre auch dann nicht gewahrt, wenn in diesem Fall die Entscheidung zeitlich unbefristet nachgeholt werden könnte.

c) Die amtsgerichtliche Entscheidung kann auch nicht als bloße Berichtigung des [X.] gemäß § 42 FamFG verstanden werden.

aa) Zwar kann grundsätzlich auch ein Beschluss, der eine Betreuerbestellung zum Inhalt hat, im Verfahren nach § 42 FamFG berichtigt werden ([X.]sbeschluss vom 8. Januar 2014 - [X.] 354/13 - juris, vgl. dazu auch [X.] BtPrax 2008, 136, 137; [X.] Betreuungsrecht [Stand: 1. Dezember 2011] § 1836 BGB Rn. 17). Diese - zeitlich unbegrenzte - Korrekturmöglichkeit ist jedoch nur eröffnet, wenn sich die versehentlich unterbliebene Feststellung der Berufsmäßigkeit als eine offenbare Unrichtigkeit i.[X.]. § 42 Abs. 1 FamFG darstellt. Eine solche liegt indes nur vor, wenn sich die Unrichtigkeit aus dem Zusammenhang des Beschlusses selbst oder aus den Vorgängen bei seiner Verkündung bzw. Bekanntgabe ergibt und wenn sie ohne weiteres erkennbar ist ([X.] Beschluss vom 12. Dezember 2006 - [X.]/06 - NJW 2007, 518 Rn. 12 mwN zu § 319 ZPO; [X.]/[X.] FamFG 18. Aufl. § 42 Rn. 8). Die Unrichtigkeit darf also nicht gerichtsintern bleiben, sondern muss auch für Dritte erkennbar sein (st. Rspr., vgl. zuletzt [X.] Beschluss vom 29. April 2013 - [X.]/11 - NJW 2013, 2124 Rn. 10 mwN). Für die Berichtigung einer Entscheidungsformel folgt daraus, dass eine offensichtliche Unrichtigkeit i.[X.]. § 42 Abs. 1 FamFG nur vorliegt, wenn sich zweifelsfrei feststellen lässt, dass der Ausspruch den tatsächlichen Entscheidungswillen des Gerichts unvollkommen wiedergibt. Lässt sich ein solcher Widerspruch zwischen dem Tenor und den Gründen des Beschlusses nicht feststellen, scheidet eine Beschlussberichtigung nach § 42 FamFG aus ([X.]/[X.] FamFG 18. Aufl. § 42 Rn. 21).

bb) Gemessen an diesen Grundsätzen kann die amtsgerichtliche Entscheidung nicht als Berichtigungsbeschluss angesehen werden. Eine offensichtliche Unrichtigkeit i.[X.]. § 42 Abs. 1 FamFG liegt nicht vor.

Die amtsgerichtliche Entscheidung verhält sich weder in der [X.] noch in den Gründen zu der Frage der Berufsmäßigkeit der Führung der Ergänzungsbetreuung durch den Beteiligten zu 1. Allein aus dem Umstand, dass der Beteiligte zu 1 ehemals als Notar und Rechtsanwalt tätig war und in keiner persönlichen Beziehung zu dem Betroffenen stand, kann auf die Berufsmäßigkeit der Führung der Betreuung nicht geschlossen werden. Zwar kann für die Feststellung der berufsmäßigen Führung einer Betreuung auch entscheidend sein, dass der Betreuer über eine besondere, für die übertragenen Aufgaben relevante berufliche Qualifikation verfügt ([X.]/[X.]. § 1 [X.] Rn. 4 mwN). Erforderlich ist jedoch stets eine Gesamtbetrachtung der maßgeblichen Umstände unter Berücksichtigung der in § 1 Abs. 1 Satz 2 und 3 [X.] enthaltenen Vorgaben. Die danach bei der [X.] vorzunehmende Prüfung im Rahmen des § 1908 i Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB schließt es aus, eine unterbliebene Entscheidung zur Berufsmäßigkeit als offensichtliche Unrichtigkeit i.[X.]. § 24 Abs. 1 FamFG anzusehen, wenn in den Beschlussgründen keine Ausführungen hierzu enthalten sind.

3. Die Entscheidung ist daher aufzuheben. Der [X.] kann in der Sache selbst entscheiden, weil sie zur Endentscheidung reif ist (§ 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG).

Dose                     [X.]                        Günter

             Botur                               [X.]

Meta

XII ZB 372/13

29.01.2014

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Bochum, 13. Juni 2013, Az: I-7 T 84/13

§ 1836 Abs 1 BGB, § 24 FamFG, § 42 FamFG, § 286 Abs 1 Nr 4 FamFG, § 1 Abs 1 VBVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.01.2014, Az. XII ZB 372/13 (REWIS RS 2014, 8272)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8272

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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