Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.03.2022, Az. XI R 39/19

11. Senat | REWIS RS 2022, 3484

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Gegenstand

Reichweite einer Erledigungserklärung; Teileinspruchsentscheidung


Leitsatz

1. Mit der Abgabe übereinstimmender Erledigungserklärungen im Finanzprozess wird das Verfahren abgeschlossen und erwächst der betreffende Steuerbescheid in Bestandskraft.

2. Das Revisionsgericht hat in eigener Zuständigkeit zu prüfen, welchen Inhalt ein Verwaltungsakt hat.

3. Die Teileinspruchsentscheidung erfordert einen Ausspruch darüber, hinsichtlich welcher Teile Bestandskraft nicht eintreten soll.

4. Ist der Einspruch insgesamt entscheidungsreif, ist der Erlass einer Teileinspruchsentscheidung nicht sachdienlich.

5. Ist ein Änderungsbescheid zum Gegenstand eines Einspruchsverfahrens geworden, besteht für einen Einspruch gegen den Änderungsbescheid kein Rechtsschutzbedürfnis.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 31.10.2019 - 15 K 1814/16 U aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist, ob die Umsatzsteuerfestsetzung für den Besteuerungszeitraum 2008 (Streitjahr) nach der Abgabe übereinstimmender Erledigungserklärungen in einem Klageverfahren noch geändert werden kann.

2

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein eingetragener Verein, erledigte für das [X.] nach § 5a des [X.] ([X.]).  Diese Umsätze meldete er mit seiner Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr als steuerpflichtig zum allgemeinen Steuersatz an. Der Steueranmeldung vom [X.] stimmte der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt --[X.]--) am 12.10.2009 zu. Am [X.] legte der Kläger Einspruch gegen diese Steuerfestsetzung mit der Begründung ein, die betreffenden Leistungen unterlägen nur dem ermäßigten Steuersatz. Auf Anregung des [X.] ordnete das [X.] im Hinblick auf das anhängige Revisionsverfahren beim [X.] ([X.]) V R 93/07 das Ruhen des Einspruchsverfahrens an.

3

[X.] fand beim Kläger eine Lohnsteuer-Außenprüfung statt, in deren Rahmen das [X.] die Beköstigung der Mitarbeiter durch den Kläger aufgriff und darin eine steuerpflichtige Leistung erkannte. Das [X.] erließ am 15.12.2010 einen entsprechenden [X.]. Gegen diesen [X.] legte der Kläger am 22.12.2010 Einspruch ein mit der Begründung, die Beköstigung des pädagogischen Personals sei steuerfrei.

4

Wegen einer versehentlich vorgenommenen Vorsteuerkürzung --anstelle einer Vorsteuererhöhung-- erließ das [X.] am 24.05.2012 einen Teilabhilfebescheid und wies den Einspruch des [X.] mit Einspruchsentscheidung vom 01.06.2012 als unbegründet zurück. Die Einspruchsentscheidung enthält im Rubrum als "Eingangsdatum des Einspruchs/der Einsprüche 22.12.2010", als "Datum des [X.]s/der [X.]e 15.12.2010, zuletzt geändert mit [X.] vom 24.05.2012" sowie als "Steuerart/Jahr/Streitgegenstand Umsatzsteuer 2008" und befasst sich in den Gründen ausschließlich mit der "umsatzsteuerliche[n] Behandlung von Umsätzen aus der Beköstigung von pädagogischem Personal".

5

Auf die Einspruchsentscheidung erhob der Kläger am 28.06.2012 vor dem [X.] ([X.]) Münster unter dem Aktenzeichen ([X.]) 15 K 2162/12 U Klage wegen Umsatzsteuer 2008. Während des Klageverfahrens erließ das [X.] am 03.07.2013 für das Streitjahr --weiterhin unter dem Vorbehalt der [X.] einen Änderungsbescheid über Umsatzsteuer, mit dem die Beköstigung des pädagogischen Personals steuerfrei gestellt wurde. Hierauf erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt; durch Beschluss des [X.] wurden die Kosten des Verfahrens dem [X.] auferlegt.

6

[X.] nahm das [X.] im Hinblick auf das [X.]-Urteil vom 23.07.2009 - V R 93/07 ([X.]E 226, 435, [X.], 735) die bis dahin ruhenden Einspruchsverfahren u.a. auch wegen Umsatzsteuer des Streitjahres wieder auf. Den Antrag des [X.] vom 15.12.2015, die Übernahme von Verwaltungsaufgaben nach § 5a [X.] nunmehr steuerfrei zu stellen, lehnte das [X.] hinsichtlich der Umsatzsteuerfestsetzung für das Streitjahr am 14.03.2016 unter Hinweis auf eine Bestandskraft des [X.]es über Umsatzsteuer vom 03.07.2013 ab. Den hiergegen erhobenen Einspruch wies das [X.] mit Einspruchsentscheidung vom 09.05.2016 als unbegründet zurück.

7

Das [X.] gab der hierauf erhobenen Klage mit seinem in Entscheidungen der [X.]e (E[X.]) 2020, 73 veröffentlichten Urteil vom 31.10.2019 statt. Der Umsatzsteuerbescheid vom 03.07.2013 sei noch änderbar, da es sich bei der Einspruchsentscheidung vom 01.06.2012 um eine Teileinspruchsentscheidung gehandelt habe, mit der nur über die Besteuerung der Beköstigung des pädagogischen Personals entschieden worden sei. Der Einspruch hinsichtlich der Besteuerung der Übernahme von Verwaltungsaufgaben nach § 5a [X.] sei noch nicht verbeschieden, der Vorbehalt der Nachprüfung nicht entfallen und Festsetzungsverjährung noch nicht eingetreten.

8

Mit der Revision rügt das [X.] die Verletzung materiellen Rechts, insbesondere eine unzutreffende Auslegung des § 367 der Abgabenordnung ([X.]) und der Regelungen zur Bestandskraft.

9

Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Das Urteil des [X.] ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zu Unrecht entschieden, dass die Umsatzsteuerfestsetzung für das Streitjahr noch geändert werden kann. Die Festsetzung ist vielmehr bestandskräftig und damit unabänderbar. Der Vorbehalt der Nachprüfung ist mit Ablauf der Festsetzungsfrist entfallen.

1. Der für das Streitjahr zuletzt ergangene Umsatzsteuerbescheid vom 03.07.2013 wurde gemäß § 68 [X.]O Gegenstand des im Zeitpunkt seiner Bekanntgabe beim [X.] anhängigen Klageverfahrens 15 K 2162/12 U wegen Umsatzsteuer 2008. Dieses Klageverfahren haben die Beteiligten übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Mit Eingang der zweiten Erledigungserklärung [X.]:) derjenigen des [X.] am 31.07.2013 fand das Klageverfahren 15 K 2162/12 U in der Hauptsache seinen Abschluss mit der Folge, dass die angefochtene Steuerfestsetzung unanfechtbar wurde (vgl. hierzu allgemein [X.]-Urteile vom 14.05.2003 - XI R 21/02, [X.], 228, [X.] 2003, 888, unter [X.]; vom 14.06.2017 - I R 38/15, [X.], 4, [X.] 2018, 2, Rz 17; jeweils m.w.N.) und eine Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist (§ 171 Abs. 3a [X.]) endete. Die Festsetzungsfrist endete mit Ablauf des 31.12.2013 (§§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.]).

2. Entgegen der Vorentscheidung bezieht sich die Bestandskraft nicht nur auf einzelne unselbständige Besteuerungsgrundlagen, die der Steuerfestsetzung vom 03.07.2013 zugrunde liegen, sondern auf die Steuerfestsetzung für das Streitjahr insgesamt.

a) Insbesondere handelt es sich bei der Einspruchsentscheidung des [X.], gegen die der Kläger unter dem [X.]. 15 K 2162/12 U Klage erhob, entgegen der Auffassung des [X.] nicht um eine Teileinspruchsentscheidung i.S. des § 367 Abs. 2a [X.].

aa) Nach § 367 Abs. 2 Satz 1 [X.] hat die Finanzbehörde auf den Einspruch des Steuerpflichtigen die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen und eine abschließende Einspruchsentscheidung zu erlassen (vgl. [X.]-Urteil vom 30.09.2010 - III R 39/08, [X.], 7, [X.] 2011, 11, Rz 53). Sie kann aber nach § 367 Abs. 2a Satz 1 [X.] vorab über Teile des Einspruchs entscheiden, wenn dies sachdienlich ist. In dieser Entscheidung hat sie zu bestimmen, hinsichtlich welcher Teile Bestandskraft nicht eintreten soll (§ 367 Abs. 2a Satz 2 [X.]).

bb) Die nach Maßgabe des § 367 Abs. 2a [X.] zulässige Teileinspruchsentscheidung stellt einen teilweisen Abschluss des [X.] dar und setzt eine (nur) teilweise Entscheidungsreife voraus. Soweit ein Einspruch insgesamt entscheidungsreif ist, sollte über ihn abschließend entschieden werden, da andernfalls insoweit eine Verfahrensverzögerung einträte, die ihrerseits eines sachlichen Grundes bedürfte. Bei teilweiser Entscheidungsreife eines Einspruchs ist der Erlass einer Teileinspruchsentscheidung im Allgemeinen sachdienlich, soweit dem keine besonderen Umstände entgegenstehen (vgl. [X.]-Urteil vom 14.03.2012 - X R 50/09, [X.], 14, [X.] 2012, 536, Rz 36).

cc) Ob es sich um eine endgültige Einspruchsentscheidung oder lediglich um eine Teileinspruchsentscheidung handelt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Hierfür gelten die Grundsätze für die Auslegung von Verwaltungsakten, da eine Einspruchsentscheidung ihrerseits Verwaltungsakt i.S. des § 118 [X.] ist (vgl. nur [X.] in Tipke/[X.], § 366 [X.] Rz 1). Deren Inhalt ist über den bloßen Wortlaut hinaus im Wege der Auslegung zu ermitteln, wobei die §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auch für öffentlich-rechtliche Willensbekundungen geltende Auslegungsregeln enthalten (vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 10.05.2012 - IV R 34/09, [X.], 485, [X.] 2013, 471, Rz 36).

Entscheidend ist danach, wie der Betroffene nach den ihm bekannten Umständen --seinem "objektiven [X.]" (vgl. [X.]-Urteil vom 08.11.1995 - V R 64/94, [X.], 211, [X.] 1996, 256)-- den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte (vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 13.09.2001 - IX R 62/98, [X.], 550, [X.] 2003, 912, unter [X.]b bb; vom 11.07.2006 - VIII R 10/05, [X.], 18, [X.] 2007, 96, unter [X.] aa).

Bei der Auslegung eines Verwaltungsakts kommt es weder darauf an, was die Finanzbehörde mit ihrer Erklärung gewollt hat ([X.]-Urteil vom 11.05.1999 - IX R 72/96, [X.] 1999, 1446), noch darauf, wie ein außenstehender Dritter die Erklärung der Behörde auffassen konnte bzw. musste ([X.]-Urteil vom 30.09.1988 - III R 218/84, [X.] 1989, 749). Da der Verwaltungsakt nur mit dem bekannt gegebenen Inhalt wirksam wird (§ 124 Abs. 1 Satz 2 [X.]), muss aber die Auslegung zumindest einen Anhalt in der bekannt gegebenen Regelung haben; im Zweifel ist das den Betroffenen weniger belastende Auslegungsergebnis vorzuziehen, da er als Empfänger einer auslegungsbedürftigen Willenserklärung der Verwaltung durch etwaige Unklarheiten aus deren Sphäre nicht benachteiligt werden darf (vgl. z.B. [X.]-Urteil in [X.], 18, [X.] 2007, 96, unter [X.] aa, m.w.N.).

dd) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das [X.] die Einspruchsentscheidung vom 01.06.2012 zu Unrecht als Teileinspruchsentscheidung gemäß § 367 Abs. 2a [X.] beurteilt.

Dabei ist der Senat nicht gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O an die Auslegung des Verwaltungsakts durch das [X.] gebunden; vielmehr hat das Revisionsgericht in eigener Zuständigkeit zu beantworten, welchen Inhalt ein Verwaltungsakt hat (vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 24.03.1998 - I R 83/97, [X.], 67, [X.] 1998, 601, unter [X.]b; vom 04.06.2008 - I R 72/07, [X.] 2008, 1977, unter [X.]; vom 18.07.2013 - III R 59/11, [X.], 228, [X.] 2014, 843, Rz 47; vom 01.10.2015 - X R 32/13, [X.], 298, [X.] 2016, 139, Rz 33; Lange in [X.]/[X.]/[X.], § 118 [X.]O Rz 210; Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 118 Rz 25).

(1) Die Entscheidung des [X.] über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ist mit "Einspruchsentscheidung" und nicht mit "Teileinspruchsentscheidung" überschrieben.

(2) Der Tenor der Entscheidung lautet "Der Einspruch wird als unbegründet zurückgewiesen" und nicht etwa "Der Einspruch wird, soweit hierdurch über ihn entschieden wird, als unbegründet zurückgewiesen. Über folgenden Teil des Einspruchs wird nicht entschieden: ..." (vgl. hierzu [X.]-Urteile in [X.], 7, [X.] 2011, 11, Rz 8; in [X.], 14, [X.] 2012, 536, Rz 5). Damit enthält der Tenor entgegen dem [X.] des § 367 Abs. 2a Satz 2 [X.] für Teileinspruchsentscheidungen keinen Ausspruch darüber, hinsichtlich welcher Teile Bestandskraft nicht eintreten soll (vgl. hierzu [X.]. 6.3 des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung zu § 367 [X.] --Stand 01.01.2012; nunmehr [X.]. 6.4--).

(3) Entgegen der Auffassung des [X.] kann aus der "ausschließlichen Bezugnahme" im Rubrum der Einspruchsentscheidung auf das "Eingangsdatum des Einspruchs/der Einsprüche 22.12.2010" nicht geschlossen werden, die Einspruchsentscheidung vom 01.06.2012 beziehe sich nur "auf diesen Einspruch und damit auf den Streit über die Umsatzbesteuerung der entgeltlichen Beköstigungsleistungen an das pädagogische Personal".

Denn der Einspruch des [X.] vom 22.12.2010 --den das [X.] richtigerweise als unzulässig hätte verwerfen müssen (vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 29.05.2001 - VIII R 10/00, [X.], 486, [X.] 2001, 747, unter 2.; vom 17.12.2008 - IV R 77/06, [X.], 233, [X.] 2009, 791, unter [X.])-- bezog sich gemäß §§ 157 Abs. 2, 367 Abs. 2 Satz 1 [X.] unabhängig von seiner Begründung auf den gesamten Bescheid (vgl. z.B. [X.]-Urteil in [X.], 14, [X.] 2012, 536, Rz 22), vorliegend zunächst auf den Änderungsbescheid vom 15.12.2010 und sodann auf den Änderungsbescheid vom 24.05.2012, die jeweils den [X.] der vorangegangenen --in ihrer Wirkung suspendierten-- Bescheide über Umsatzsteuer 2008 in sich aufgenommen hatten (vgl. allgemein Beschluss des Großen Senats des [X.] vom 25.10.1972 - GrS 1/72, [X.]E 108, 1, [X.] 1973, 231, unter 3.; [X.]-Beschluss vom [X.] - X B 89/08, [X.] 2010, 173, Rz 3).

(4) Die in der Einspruchsentscheidung vom 01.06.2012 unterbliebene Auseinandersetzung des [X.] mit dem Streitpunkt "Besteuerung der Übernahme von Verwaltungsaufgaben nach § 5a [X.]" hat nicht den Erklärungswert, dass die Einspruchsentscheidung auf den Punkt "entgeltliche Beköstigungsleistungen an das pädagogische Personal" beschränkt worden sei. Es offenbart lediglich ein teilweises Fehlen der nach § 366 Satz 1 [X.] erforderlichen Begründung der Einspruchsentscheidung. Das teilweise Fehlen einer Begründung vermag das Fehlen einer Bestimmung nach § 367 Abs. 2a Satz 2 [X.], hinsichtlich welcher Teile Bestandskraft nicht eintreten soll, nicht zu ersetzen.

(5) Das [X.] hat ferner nicht beachtet, dass im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung vom 01.06.2012 der Einspruch des [X.] insgesamt entscheidungsreif war. Der Erlass einer Teileinspruchsentscheidung war danach nicht i.S. des § 367 Abs. 2a Satz 1 [X.] sachdienlich (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 14, [X.] 2012, 536, Rz 36).

Denn spätestens mit Veröffentlichung des [X.]-Urteils in [X.]E 226, 435, [X.] 2015, 735 in der amtlichen Entscheidungssammlung des [X.] waren die Voraussetzungen für eine Zwangsruhe des [X.] (§ 363 Abs. 2 Satz 2 [X.]) entfallen. Das [X.] hätte entweder dem [X.]-Urteil entsprechen und dem Einspruch des [X.] diesbezüglich abhelfen oder --soweit die Finanzverwaltung das [X.]-Urteil in [X.]E 226, 435, [X.] 2015, 735 nicht über den Einzelfall hinaus anzuwenden gedachte-- den Einspruch insgesamt zurückweisen können. Daher gab es am 01.06.2012 für den Erlass einer Teileinspruchsentscheidung keinen Anlass (mehr).

b) Ein Anspruch des [X.] darauf, dass der Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr vom 03.07.2013 noch zu seinen Gunsten geändert wird, ergibt sich auch nicht daraus, dass sein Einspruch vom [X.] bislang unbeschieden geblieben wäre.

aa) In der rechtsfehlerhaften Annahme des Vorliegens einer Teileinspruchsentscheidung hat das [X.] die --von ihm in der Vorentscheidung aufgeworfene-- Rechtsfrage offen gelassen, ob im Streitfall von einem einzigen einheitlichen Einspruchsverfahren auszugehen ist oder ob vielmehr infolge der Einsprüche des [X.] vom [X.] gegen seine Steueranmeldung sowie vom 22.12.2010 gegen den Steuerbescheid vom 15.12.2010 zwei nebeneinander laufende Einspruchsverfahren wegen Umsatzsteuer 2008 vorlagen, von denen durch Einspruchsentscheidung vom 01.06.2012 bisher lediglich über den Einspruch vom 22.12.2010 entschieden worden sei.

bb) Es liegt ein einheitliches Einspruchsverfahren vor.

Aus der Verpflichtung der Finanzbehörde zur vollständigen Überprüfung der Sache nach § 367 Abs. 2 Satz 1 [X.] folgt, dass sich ein Einspruch grundsätzlich unabhängig von seiner Begründung auf den gesamten Bescheid bezieht; dieser ist auch im Hinblick auf Besteuerungsgrundlagen zu prüfen, die nicht ausdrücklich mit dem Einspruch benannt wurden (vgl. z.B. [X.]-Urteil in [X.], 14, [X.] 2012, 536, Rz 22). Wird der angefochtene Verwaltungsakt geändert oder ersetzt, wird der neue Verwaltungsakt nach § 365 Abs. 3 Satz 1 [X.] Gegenstand des [X.]. Der Eröffnung eines weiteren [X.] durch erneuten Einspruch, der die Überprüfung desselben ([X.] im selben Umfang zum Gegenstand hätte, fehlt das für einen jeden Rechtsbehelf erforderliche Rechtsschutzbedürfnis (vgl. z.B. [X.]-Urteile in [X.], 486, [X.] 2001, 747, unter II.2.; in [X.], 233, [X.] 2009, 791, unter [X.]).

cc) Aus dem [X.]-Urteil vom 29.11.2005 - IX R 54/04 ([X.] 2006, 1241) ergibt sich nichts Anderes.

Durch den Einspruch gegen einen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen wird gemäß § 367 Abs. 2 Satz 1 [X.] das Rechtsbehelfsverfahren bezüglich aller in dem Feststellungsbescheid enthaltenen Regelungen eröffnet; diese Regelungen bilden jeweils für sich einen Streitgegenstand und sind eines rechtlich selbständigen Schicksals fähig (vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 10.02.1988 - VIII R 352/82, [X.]E 152, 414, [X.] 1988, 544, unter I.2.; vom 04.11.2003 - VIII R 38/01, [X.] 2004, 1372, unter II.B.1.a).

Danach kann eine Einspruchsentscheidung, die --wie in dem vom [X.] in [X.] 2006, 1241 entschiedenen [X.] ausdrücklich nur die jeweiligen Sonderwerbungskosten zweier Gesellschafter als Streitgegenstand behandelt, das hiervon zu unterscheidende Einspruchsverfahren wegen der Höhe der der Gesellschaft zuzurechnenden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht beenden.

3. Die Sache ist spruchreif.

Das [X.] hatte unter Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung zwar keinen Anlass zur Prüfung der vom Kläger gestellten Hilfsanträge. Einer Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur Nachholung dieser Prüfung erübrigt sich aber, da dem Erfolg eines jeden der Hilfsanträge die Bestandskraft des Umsatzsteuerbescheides vom 03.07.2013 entgegensteht.

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

XI R 39/19

17.03.2022

Bundesfinanzhof 11. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 31. Oktober 2019, Az: 15 K 1814/16 U, Urteil

§ 365 Abs 3 S 1 AO, § 367 Abs 2 S 1 AO, § 367 Abs 2a AO, § 133 BGB, § 157 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.03.2022, Az. XI R 39/19 (REWIS RS 2022, 3484)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 3484

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