Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.07.2014, Az. III ZR 102/12

III. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 3779

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
[X.]
vom

24. Juli 2014

in dem Rechtsstreit

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Der III.
Zivilsenat des [X.] hat am
24. Juli 2014
durch den Vize-präsidenten
Schlick
und
die Richter Dr. [X.], [X.], [X.] und
Reiter

beschlossen:

Die Erinnerung der Klägerin gegen die Kostenrechnung der
Rechnungsstelle des [X.] vom 4. September 2013
-
Kassenzeichen 780013135239 -
wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Klägerin macht gegen die beklagte [X.] ei-nen unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch geltend. Das [X.] hat die Klage in einem ersten Berufungsverfahren dem Grunde nach für ge-rechtfertigt erklärt. Der [X.] hat nach einer Vorlage der Sache an den Ge-richtshof der [X.] das Berufungsurteil mit seinem Urteil vom 4.
Juni 2009 ([X.], [X.], 199) aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], zurückverwiesen. Mit seinem zweiten Urteil hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen und der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits, einschließlich derjenigen des vorangegangenen [X.],
auferlegt. Daraufhin hat die Rechnungsstelle des [X.] der Klägerin gemäß § 29 Nr. 1 GKG eine Kostenrechnung für dieses Verfahren er-teilt, die auch beglichen wurde.
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Gegen das zweite Berufungsurteil hat
die Klägerin eine vom [X.] zuge-lassene Revision
eingelegt. Der [X.] hat durch sein zweites Urteil vom 12.
Dezember 2013 ([X.], juris) die angefochtene Entscheidung [X.] und
die Sache abermals
zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.],
an die Vorinstanz zurückver-wiesen.

Die Rechnungsstelle des [X.] hat die Klägerin als [X.] gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG zu den Kosten für das zweite [X.] herangezogen und die mit der vorliegenden Erinnerung ange-griffene Kostenrechnung erstellt.

Die Klägerin ist der Ansicht, ihre
Belastung mit den Kosten beider [X.] und die Kostenbefreiung der [X.] gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GKG stellten
einen unverhältnismäßigen Eingriff in den freien Warenverkehr und in das daraus folgende Recht
auf Schadensersatz dar.
Dieser Eingriff sei offenkundig nicht durch zwingende Erfordernisse des Gemeinwohls gerechtfer-tigt. Die nationalen Vorschriften des Gerichtskostengesetzes dürften wegen des Vorrangs des Unionsrechts im vorliegenden Fall nicht angewendet werden.

II.

Die gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1
GKG statthafte und auch im Übrigen zu-lässige Erinnerung ist unbegründet.

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1.
Die Klägerin schuldet gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG als Revisionsklä-gerin die mit der angegriffenen Kostenrechnung angesetzten Gerichtskosten für das zweite Revisionsverfahren. Dass sie zuvor bereits für die Kosten des ersten Revisionsverfahrens
gemäß § 29 Nr. 1 GKG als diejenige [X.], der diese durch das zweite Berufungsurteil auferlegt wurden, herangezogen wurde, [X.] hieran nichts, da es sich um kostenrechtlich zwei getrennte Rechtsmittel-verfahren handelte. Diese nach den
nationalen Bestimmungen
bestehende Rechtslage zieht
die Klägerin auch nicht in Zweifel.

2.
Entgegen der Ansicht der Klägerin steht die Rechtslage nicht in [X.] zum Recht der [X.] mit der Folge, dass
§ 22 Abs. 1 Satz 1 GKG vorliegend unanwendbar wäre. Nach ständiger Rechtsprechung ist es mangels einer europarechtlichen Regelung des unionsrechtlichen Staatshaf-tungsanspruchs Sache der nationalen
Rechtsordnungen
der einzelnen Mit-gliedstaaten, die zuständigen Gerichte zu bestimmen und das Verfahren für die Klagen auszugestalten, die den vollen Schutz der dem Einzelnen aus dem [X.] erwachsenden Rechte gewährleisten sollen. Daher hat der Staat die Folgen des entstandenen Schadens im Rahmen des nationalen Haftungsrechts zu beheben, wobei die im Schadensersatzrecht der einzelnen Mitgliedstaaten festgelegten materiellen und formellen Voraussetzungen nicht ungünstiger sein dürfen als bei ähnlichen Klagen, die nur nationales Recht betreffen (Grundsatz der Gleichwertigkeit), und nicht so ausgestaltet sein dürfen, dass sie es prak-tisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren, die Entschädigung zu erlangen (Grundsatz der Effektivität)
(z.[X.], Urteil vom 24. März 2009
-
Danske Slagterier -
Slg. [X.] = NVwZ 2009, 771 Rn. 31;
[X.]surteil vom 4.
Juni 2009 -
[X.], [X.], 199 Rn. 39 jew. mwN).

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Zu dem
der Ausgestaltung durch die Mitgliedstaaten überlassenen [X.] gehört auch die Regelung der Gerichtskosten. Die von der Klägerin im vorliegenden Zusammenhang beanstandeten Bestimmungen des Gerichtskos-tengesetzes gelten für Amtshaftungsklagen auf der (nationalen) Grundlage von § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m.
Art. 34 Satz 1 GG ebenfalls, so dass der Grundsatz der Gleichwertigkeit gewahrt ist. Entgegen der Ansicht der Klägerin wird durch die Anwendung von § 2 Abs. 1
Satz 1, § 22 Abs. 1 Satz 1 und § 29 Nr. 1 GKG auf die beiden Revisionsverfahren auch nicht die Effektivität des gel-tend gemachten unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs beeinträchtigt.

a) Dass die Beklagte gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GKG von den Gerichts-kosten befreit ist, schränkt die Effektivität des Anspruchs nicht ein.

Die Bestimmung beruht darauf, dass [X.] und Länder als Träger der [X.] den Aufwand für die Errichtung und Unterhaltung der [X.] zu tragen haben ([X.], Beschluss vom 27. Oktober 1981 -
VI [X.], [X.], 145). Hätte die Beklagte Gerichtskosten für das Revisi-onsverfahren
zu entrichten, würde dies lediglich zu einer Zahlung innerhalb des [X.]eshaushalts führen.
Für die Kostenbefreiung besteht damit ein sachlicher Grund.

Überdies
hat sich die Befreiung der [X.] von den Gerichtskosten im vorliegenden Verfahren im Ergebnis
nicht zum Nachteil der Klägerin ausgewirkt, da sie auch ohne das Fiskusprivileg mit den Kosten beider Revisionsverfahren belastet worden wäre.
Zwar hätte
die Beklagte ohne § 2 Abs. 1 Satz 1 GKG im ersten Revisionsverfahren zunächst gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG die Ge-richtsgebühren und -auslagen geschuldet. Aufgrund der Kostenentscheidung im
zweiten Berufungsurteil war die Klägerin gemäß § 29 Nr. 1 GKG jedoch weitere 8
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[X.]. Nach § 31 Abs. 2 Satz 1 GKG ist derjenige, dem die Kosten gemäß § 29 Nr. 1 GKG auferlegt sind, [X.], der gegenüber anderen Kostenschuldnern vorrangig heranzuziehen
ist, insbesondere auch gegenüber demjenigen, der nach § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG haftet. Das bedeutet, dass die Klägerin aufgrund der Kostengrundentscheidung im zweiten Berufungsurteil auch ohne Anwendung von § 2 Abs. 1 Satz 1 GKG von der Rechnungsstelle des [X.] für die Gerichtskosten des ersten Revisionsverfahrens herangezogen worden wäre. Falls die Beklagte aufgrund ihrer -
unterstellten -
Kostenhaftung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG diese Kosten bereits zuvor begli-chen hätte, hätte sie gegen die Klägerin
einen Erstattungsanspruch nach § 91 Abs. 1 ZPO gehabt.

Für das von ihr betriebene zweite Revisionsverfahren ist unabhängig von § 2 Abs. 1 Satz 1 GKG bislang allein
die Klägerin [X.] (§ 22 Abs.
1 Satz 1 GKG). Eine Entscheidung nach § 29 Nr. 1 GKG ist noch nicht ergangen.

b) Auch der Umstand, dass die Klägerin (vorläufig, siehe sogleich) für die Kosten beider Revisionsverfahren haftet, bedeutet nicht, dass die Durchsetzung ihres etwaigen unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs übermäßig er-schwert wird. Da
in dem Rechtsstreit um diesen Anspruch die Revisionsinstanz zweimal in Anspruch genommen wurde, ist es nur folgerichtig, dass für die staatliche Leistung auch zweimal Gebühren anfallen. Im Übrigen ist darauf [X.], dass, soweit die Kostenlast die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der [X.] überfordert, unter den weiteren Voraussetzungen von §
114 und gegebenenfalls § 116 ZPO Prozesskostenhilfe gewährt wird, mit der Folge, dass die [X.]es-
oder Landeskasse die Gerichtskosten nicht mehr oder nur in Raten geltend machen kann. Darüber hinaus kann nach § 59 Abs. 1 [X.] 12
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in Härtefällen von der Einziehung der Kosten vorübergehend oder endgültig abgesehen werden.

Weiterhin ist anzumerken, dass die Pflicht der Klägerin, derzeit die Kos-ten beider Revisionsverfahren
zu tragen, nicht die endgültige Belastung hiermit bedeutet. Wenn und soweit die Klägerin obsiegt und ihrem Gegner die Kosten (auch) der
Revisionsrechtszüge
auferlegt werden, hat sie einen Rückzahlungs-anspruch gegen die Gerichtskasse gemäß § 2 Abs. 5 Satz 1, Halbsatz 2
GKG (vgl. [X.], Beschluss vom 18. Dezember 2002 -
VIII ZB 97/02, NJW 2003, 1322, 1324; KG, [X.], 643 f; [X.],
[X.], 762, 763).

Der
weitere Hinweis
der Klägerin, sie habe "ihrem Schädiger"
bereits Gerichts-
und Anwaltskosten in Höhe mehrerer Millionen Euro gezahlt, ist eine reine Billigkeitserwägung,
die rechtlich ohne Substanz bleibt
und zudem auf der
Prämisse beruht, dass ihr Schadensersatzanspruch begründet ist. Dies steht jedoch im vorliegenden Verfahrensstadium noch nicht fest.

3.
Die Heranziehung der Klägerin zu den Kosten beider Revisionsverfahren
und das Fiskusprivileg des § 2 Abs. 1 Satz 1 GKG stellen, anders als die Kläge-rin geltend macht,
aus den vorstehenden Gründen auch keine unverhältnismä-ßige und damit unzulässige Beschränkung des freien Warenverkehrs (Art. 28 ff AEUV) dar.
Durch die Erhebung von Gerichtskosten für Staatshaftungsklagen
wegen der Verletzung dieser Grundfreiheit ist deren Schutzbereich selbst nicht betroffen.

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4.
Entgegen der Ansicht der Klägerin ist auch
eine Vorlage an den Ge-richtshof der [X.] gemäß Art. 267 AEUV
entbehrlich. Es steht mit der nach den Maßstäben der acte-clair-Doktrin erforderlichen Gewissheit (vgl. z.B.: [X.], Urteile 15. September 2005 -
C-495/03 -
Intermodal [X.], Slg. 2005, [X.] Rn. 33 und vom 6. Oktober 1982 -
283/81 -
CILFIT, Slg. 1982, 3415 Rn. 16; [X.], Beschluss vom 26. November 2007 -
NotZ 23/07, [X.]Z 174, 273 Rn. 34) fest, dass der Vorrang des Unionsrechts nicht gebietet, von der Erhebung der mit der angegriffenen Rechnung festgesetzten
Kosten abzusehen. Dass sich das gerichtliche Verfahren zur Geltendmachung eines unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs grundsätzlich nach den nationalen Vorschriften richtet, entspricht der oben mit einem
Beispiel
zitierten ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.]. Die Wahrung der Grundsätze der Gleichwertigkeit und Effektivität durch die einschlägigen [X.] liegt nach den vorstehenden [X.] ebenso auf der Hand
wie das Fehlen eines mit Art. 28 ff AEUV unvereinba-ren Eingriffs in den freien Warenverkehr.

Die von der Klägerin zum Beleg für ihre Ansicht, der [X.] müsse ge-mäß Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs einholen, zitierte Entscheidung des [X.]s Naumburg vom 1. September 2008 (6 [X.], juris) ist nicht einschlägig. Der Vorlagebeschluss dieses Gerichts bezog sich auf die Fragen, ob es mit Art. 86 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 EGV (= Art. 106 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 AEUV) vereinbar sei, dass die vom [X.] errichtete Investitionsbank von Gerichtskosten befreit sei, und gegebenenfalls ob dies nur für die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben gelte. Nicht -
wie
vorliegend -
die Vereinbarkeit der Kostenfreiheit gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GKG mit dem Unionsrecht als solche stand in Frage, sondern lediglich, ob die Aus-dehnung der Kostenfreiheit der
Investitionsbank mit
Art. 86 Abs. 1 und Abs. 2 17
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Satz
1 EGV unvereinbare Wettbewerbsvorteile
gegenüber anderen Kreditinsti-tuten
verschaffe
(siehe aaO Rn. 54 f).

Schlick
[X.]

[X.]

[X.]
Reiter

Meta

III ZR 102/12

24.07.2014

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.07.2014, Az. III ZR 102/12 (REWIS RS 2014, 3779)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3779

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III ZR 102/12

7 U 29/04

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