Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.03.2015, Az. IX ZB 27/14

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 14461

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 27/14

vom

5. März 2015

in dem Verbraucherinsolvenzverfahren

-

2

-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] Dr.
Kayser, [X.] Dr. Gehrlein, [X.], die Richterin [X.] und [X.] Fischer

am
5. März 2015
beschlossen:

Die
Rechtsbeschwerde
gegen den
Beschluss der Zivilkammer 51 des [X.]s [X.]
vom 20.
Mai
2014
wird auf Kosten der weiteren Beteiligten
zu 1 als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf

festgesetzt.

Gründe:

I.

Auf Eigenantrag
eröffnete das
[X.]
am 14. April 2009 ein Verbraucherinsolvenzverfahren
über das Vermögen des Schuldners und bestellte die weitere Beteiligte
zu 1 zur Treuhänderin. Eine Gläubigerin des Schuldners beantragte, das Verfahren
in ein Regelinsolvenzverfahren überzu-leiten und es an das für Regelinsolvenzverfahren zuständige Amtsgericht Char-lottenburg
zu verweisen. Das [X.] wies diesen Antrag zurück.
Auf die
hiergegen gerichtete
sofortige Beschwerde der Gläubigerin
gab das 1
-

3

-
[X.] dem Antrag statt.
Gegen diese Entscheidung erhob der Schuldner Rechtsbeschwerde. Während des laufenden Rechtsbeschwerdeverfahrens wurde das Insolvenzverfahren als Regelverfahren beim Amtsgericht Charlot-tenburg
geführt. Dieses Gericht entließ mit Beschluss vom
5. August 2010 die weitere Beteiligte aus dem Amt, weil die Bestellung einer Treuhänderin im Re-gelinsolvenzverfahren nicht statthaft sei. Am selben
Tag
bestellte es den weite-ren Beteiligten
zu 2
zum Insolvenzverwalter, der anschließend
tätig wurde. Mit Beschluss vom
25. April 2013
(IX [X.], [X.], 1036) hob der Senat
die Beschwerdeentscheidung auf und verwarf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin
als unzulässig.

Am
8. Oktober 2013 hat die Rechtspflegerin des nunmehr erneut mit dem Verfahren befassten Amtsgerichts [X.] "klarstellend"
beschlossen, der weitere Beteiligte
sei
"auch Treuhänder dieses Verfahrens". Dagegen
hat die weitere Beteiligte
sofortige Beschwerde erhoben und
die Ansicht
vertreten, nach wie vor sei sie
die wirksam bestellte Treuhänderin. Das [X.] hat die Beschwerde als unzulässig verworfen. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die weitere Beteiligte
ihr Begehren weiter.

II.

Die Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg; sie ist nicht
statthaft.

1. Die
Rechtsbeschwerde ist nur eröffnet, wenn zuvor die sofortige Be-schwerde statthaft war. Ist dies nicht der Fall, ist eine gegen die Beschwerde-entscheidung eingelegte Rechtsbeschwerde selbst dann unstatthaft, wenn das Beschwerdegericht sie zugelassen hat.
War die sofortige Beschwerde unstatt-2
3
4
-

4

-
haft, weil die angefochtene Entscheidung unanfechtbar war, fehlt es für das Verfahren vor dem Rechtsbeschwerdegericht an einer Grundlage.
Ein für den Beschwerdeführer vom Gesetz nicht vorgesehener Rechtsmittelzug kann auch durch eine Fehlentscheidung des ersten Rechtsmittelgerichts nicht eröffnet werden. Die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde hat das [X.] wegen zu prüfen ([X.], Beschluss vom 25.
Juni 2009 -
IX
ZB 161/08, [X.], 1582 Rn. 5 ff mwN).

2. Die sofortige Beschwerde der weiteren Beteiligten
war
nicht statthaft.

a) Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen die [X.] die sofortige Beschwerde vorsieht (§ 6 Abs. 1 Satz 1 [X.]).
Vorgesehen ist in § 59 Abs. 2 Satz 1 [X.] die sofortige Beschwerde des Verwalters gegen seine Entlassung. Nach § 313
Abs.
1 Satz 3 [X.] aF gilt die Vorschrift für den Treuhänder im vereinfachten Insolvenzverfahren entsprechend. Die Entlassung des
Insolvenzverwalters
oder Treuhänders
muss nicht ausdrücklich ausgesprochen werden. Da nicht zwei Verwalter
oder Treuhänder
mit denselben Aufgaben betraut sein können, liegt
in der Bestellung eines neuen Verwalters oder Treuhänders zugleich die [X.] Voraussetzung ist allerdings, dass die Bestellung des vorma-ligen Verwalters fortbesteht
([X.], Beschluss vom 15. November 2007 -
IX ZB 8/07, [X.] Rn. 2; vom 15. November 2007 -
IX ZB 237/06, [X.], 35 Rn.
5; vgl. auch [X.], Beschluss vom 23. September 2010 -
IX [X.] 21/10, [X.], 2089 Rn. 2).

b) Mit dem angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts [X.] vom 8.
Oktober 2013 ist die weitere Beteiligte
nicht ausdrücklich aus dem Amt als Treuhänderin entlassen worden. Es ist auch kein neuer Treuhänder bestellt 5
6
7
-

5

-
worden. Nach dem
Regelungsgehalt des Beschlusses ist
lediglich klargestellt
worden, dass der
weitere Beteiligte weiterhin (nur) Treuhänder ist. Sollte dieser zuvor nicht wirksam als solcher bestellt worden sein, ginge der angefochtene Beschluss ins Leere.
Deshalb stellt er für die weitere Beteiligte keine beschwer-defähige Entscheidung dar.

3. Überdies ist die weitere Beteiligte
schon mit Beschluss des [X.] vom 5. August 2010
aus dem Amt entlassen worden. Die-ser
Beschluss ist wirksam.

a) Aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit ist es geboten, einen im Insolvenzverfahren ergangenen Beschluss nur ganz ausnahmsweise als unwirksam zu behandeln (vgl. [X.], Urteil vom 22. Januar 1998 -
IX ZR 99/97, [X.]Z 138, 40, 44).
Das entspricht dem allgemeinen Grundsatz, wonach ein Hoheitsakt nur in dem dafür vorgesehenen Verfahren beseitigt werden kann
und wirksam ist, solange
dies nicht geschehen ist
([X.], Urteil vom 14. Januar 1991 -
II ZR 112/90, [X.]Z 113, 216, 218). [X.]keit kommt ausnahms-weise
dann in Betracht, wenn ein Mangel vorliegt, der dem Akt schon äußerlich den Charakter einer richterlichen Entscheidung nimmt (vgl. [X.], Urteil vom 23.
Oktober 1997 -
IX ZR 249/96, [X.]Z 137, 49, 51 f).

b) An einem solchen Mangel leidet der
Beschluss über die Entlassung der weiteren Beteiligten vom 5. August 2010 nicht.

aa) Selbst wenn
unterstellt
wird,
die Beschwerdeentscheidung des Land-gerichts über die Fortführung des Verfahrens als Regelinsolvenzverfahren sei unwirksam
gewesen und die Verweisung habe keine
Bindungswirkung entfaltet, wäre
das
Amtsgericht
Charlottenburg
innerhalb des richtigen Rechtswegs ledig-8
9
10
11
-

6

-
lich unzuständig
gewesen
(§ 2 [X.] iVm § 8 der Verordnung über die Zuwei-sung amtsgerichtlicher Zuständigkeiten vom 8. Mai 2008; GVBl. 2008 S. 116).

Nach dem Wortlaut des § 571 Abs. 2 Satz 2
ZPO (iVm § 4 [X.])
begrün-dete
die Unzuständigkeit des [X.] nicht einmal die [X.]
(vgl. [X.], Beschluss vom 9. Dezember 2004 -
IX ZB 24/04, [X.], 184)
und hinderte
erst Recht nicht ihre Wirksamkeit. Die Regelung soll vermeiden, dass die vom Ausgangsgericht geleistete Sach-arbeit wegen fehlender Zuständigkeit hinfällig wird (BT-Drucks. 14/4722 S.
113). Dieses gesetzgeberische Ziel würde verfehlt, wenn von der [X.] der Entscheidung auszugehen wäre. Ob
die Unzuständigkeit aus-nahmsweise geltend gemacht werden
kann, wenn der Erstrichter seine Zustän-digkeit unter Verletzung rechtlichen Gehörs (vgl. MünchKomm-[X.]/Ganter/
[X.], 3. Aufl., § 3 Rn. 32) oder willkürlich (MünchKomm-ZPO/[X.], 4. Aufl., §
571 Rn. 10; aA Hk-ZPO/[X.], 5. Aufl., § 513 Rn. 3; [X.]/[X.], ZPO, 30.
Aufl., § 513 Rn. 10) angenommen hat, kann offenbleiben. Die Wirksamkeit der
Entscheidung wird dadurch ebenfalls nicht in Frage gestellt.

bb) Unabhängig von der Wirksamkeit der Beschwerdeentscheidung war
der Beschluss über die Entlassung der weiteren Beteiligten
deshalb rechtswid-rig, weil die
zuvor erfolgte
Überleitung in das Regelinsolvenzverfahren ausge-schlossen war (vgl. [X.], Beschluss vom 25. April 2013 -
IX [X.], [X.], 1036 Rn. 12). [X.] ist er
auch
aus diesem Grund
nicht. Der weite-ren Beteiligten
hätte insoweit das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde ge-mäß § 313 Abs. 1 Satz 3, § 59 Abs. 2 Satz 1 [X.] zugestanden.
In der [X.] auf die
sofortige Beschwerde der weiteren Beteiligten wäre zugleich die Aufhebung der Bestellung und damit die Entlas-sung des weiteren Beteiligten zu sehen gewesen ([X.], Beschluss vom 12
13
-

7

-
23.
September 2010 -
IX [X.] 21/10, [X.], 2089 Rn. 2).
Diesen Weg hat die weitere Beteiligte nicht beschritten.

c) Ob ein im Insolvenzverfahren ergangener Beschluss, wie die Rechts-beschwerde meint,
unwirksam sein kann, wenn er auf einer vorangegangenen, ihrerseits wirkungslosen Entscheidung beruht, ist noch nicht abschließend [X.]. [X.] hat der Senat die Frage, ob schon die Aufhebung eines Verweisungsbeschlusses dem nach Verweisung ergangenen Eröffnungsbe-schluss die rechtliche Grundlage entzieht ([X.], Urteil vom 22. Januar 1998
-
IX
ZR 99/97, [X.]Z 138, 40, 46). Im Schrifttum
wird vertreten, dass mit rechtskräftiger Aufhebung des [X.] das [X.] er-lischt ([X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., § 34 Rn. 33; MünchKomm-[X.]/
[X.], 3. Aufl., § 34 Rn.
90).

aa) Auszugehen ist auch hier von dem
Grundsatz, dass ein Hoheitsakt wirksam ist, bis er in dem dafür vorgesehenen Verfahren beseitigt ist. Das er-fordern Rechtssicherheit und -klarheit sogar in besonderem Maße, weil die Un-wirksamkeit
nicht dem Hoheitsakt selbst zu entnehmen ist, sondern vorange-gangene Entscheidungen in die Würdigung einzubeziehen
sind. Eine [X.] des Hoheitsakts aufgrund der Wirkungslosigkeit vorangegangener Ent-scheidungen ist demzufolge nur unter
engen Voraussetzungen anzunehmen. Sie kann vorliegen, wenn die spätere Entscheidung die Wirksamkeit der [X.] in zulässiger Weise zur Bedingung macht,
oder sie kann aus der Natur der Sache folgen. Letzteres ist regelmäßig nicht schon dann der Fall, wenn die spä-tere Entscheidung auf der früheren beruht. Voraussetzung ist vielmehr, dass die Wirkungslosigkeit der früheren Entscheidung der späteren jeglichen Rege-lungszweck nimmt.
Dies wird etwa für spätere Entscheidungen des Insolvenz-gerichts anzunehmen sein, wenn der Eröffnungsbeschluss wirkungslos ist.
14
15
-

8

-

bb) Danach führt die
-
hier unterstellte
-
Wirkungslosigkeit der
Entschei-dung des
[X.]s über die
Fortführung des Verfahrens als Regelinsol-venzverfahren
und die Verweisung an das
Amtsgericht
Charlottenburg nicht zur [X.]keit der Entlassungsentscheidung vom 5. August 2010. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hat die Insolvenzrichterin des [X.] die Wirksamkeit der vorangegangenen Beschwerdeentschei-dung nicht zur Bedingung für die Wirksamkeit der Entlassungsentscheidung erhoben, sondern in dem aus ihrer Sicht
vorliegenden Regelinsolvenzverfahren entschieden. Die [X.]keit folgt auch nicht aus der Natur der Sache. Das (Verbraucher-)Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners dauerte

16
-

9

-
fort. Es bedurfte daher weiterhin einer Verwaltung der Insolvenzmasse und [X.] rechtssicheren Entscheidung darüber, wer diese vorzunehmen hat. In die-sem Zusammenhang erfolgte die Entlassung der weiteren Beteiligten.

Kayser
Gehrlein
[X.]

[X.]
Fischer

Vorinstanzen:
AG [X.]-[X.], Entscheidung vom 08.10.2013 -
38 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 20.05.2014 -
51 [X.] -

Meta

IX ZB 27/14

05.03.2015

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.03.2015, Az. IX ZB 27/14 (REWIS RS 2015, 14461)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 14461

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX ZB 27/14 (Bundesgerichtshof)

Verbraucherinsolvenzverfahren: Überleitung in Regelinsolvenzverfahren; Wirksamkeit der Entlassung des Treuhänders bei Unwirksamkeit des Verweisungsbeschlusses


IX ZR 158/15 (Bundesgerichtshof)

Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters: Wirksamkeit der Bestellung eines Insolvenzverwalters bei rechtswidriger Überleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens in ein …


IX ZR 158/15 (Bundesgerichtshof)


IX ZB 179/10 (Bundesgerichtshof)

Insolvenzrecht: Sofortige Beschwerde gegen die Überleitung des auf Eigenantrag eröffneten Verbraucherinsolvenzverfahrens in ein Regelinsolvenzverfahren; Beschwerderecht …


IX ZB 179/10 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

IX ZB 27/14

IX ZB 179/10

IX ZA 21/10

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.