Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.05.2014, Az. AnwZ (Brfg) 51/12

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2014, 5910

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
AnwZ ([X.]) 51/12

Verkündet am:

5. Mai 2014

Boppel

Justizamtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in der verwaltungsrechtlichen
Anwaltssache

wegen Erlaubnis zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung

-
2
-
Der [X.], [X.],
hat auf die mündliche [X.] vom 5. Mai 2014
durch [X.] [X.], die Richterinnen
Lohmann und
Dr. [X.], den Rechtsanwalt [X.] und
die Rechtsanwältin Schäfer

für Recht erkannt:

Auf die Berufung der [X.] wird das Urteil des II. Senats des [X.]s Berlin vom 27. April
2012 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Der Streitwert wird auf

Tatbestand:

Der Kläger ist
seit dem 30. August 1989
zur Rechtsanwaltschaft [X.]. Mit Schreiben vom 27. Juli 2006 beantragte
er bei der seinerzeit für ihn zuständigen [X.]

, ihm die Führung der
Be-zeichnung "Fachanwalt für Erbrecht"
zu gestatten.
Der gemeinsame Fachaus-schuss für Erbrecht der [X.]

, C.

und
O.

schlug vor, den Antrag abzulehnen, weil die besonderen praktischen Erfahrungen nicht nachgewiesen seien.
Der bereits vorbereitete ablehnende Bescheid wurde
nicht versandt, weil der Kläger seine
Kanzlei in den [X.]
-
3
-
keitsbereich der [X.] verlegt
hatte. Der zuständige Fachanwaltsaus-schuss der [X.] beschloss am 10. September 2008, den Antrag erneut sachlich zu prüfen.
Der Berichterstatter beanstandete die Fallliste
und forderte anonymisierte Arbeitsproben an. Als der Kläger dieser Aufforderung nicht nach-kam, setzte er eine Ausschlussfrist von einem Monat. Der Kläger ließ mitteilen, die Arbeitsproben könnten nicht vorgelegt werden, und
um Prüfung
bitten, ob die im Verfahren vor der [X.]

vorgelegten Ar-beitsproben ausreichten. Wegen einer Erkrankung des Klägers wurde auf des-sen Antrag vom 5. Januar 2009 hin das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Nach Wiederaufnahme erklärte der Kläger, nach mehreren [X.] sei die Vorlage weiterer Arbeitsproben nicht mehr möglich. Der Fachanwaltsaus-schuss beschloss daraufhin, die Zurückweisung des Antrags vorzuschlagen. Der Kläger erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit Bescheid vom 8. [X.] lehnte die Beklagte den Antrag ab.
Der Ausschuss halte 15 rechtsförmliche Verfahren und fünf Erbscheinsanträge (lfd. [X.]. 16, 17, 18, 20, 22) für anerkennungsfähig, nicht jedoch die außergerichtlichen Fälle.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Aufhebung des [X.] vom 8. Dezember 2010 zu gestatten, die Zusatzbezeichnung "Fachanwalt für Erbrecht"
zu führen.

Die Beklagte hat
beantragt,

die Klage abzuweisen.
-
4
-

Der [X.] hat
die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Berufung will die Beklagte weiterhin die Abwei-sung der Klage erreichen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung
führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Abweisung der Klage.

1. Dem Rechtsanwalt, der besondere Kenntnisse und Erfahrungen in einem Rechtsgebiet erworben hat, kann die Befugnis verliehen werden, eine Fachanwaltsbezeichnung zu führen

43c Abs.
1 Satz 1 [X.]). [X.] gibt es für das Verwaltungsrecht, das Steuerrecht, das Arbeits-recht und das Sozialrecht sowie für die Rechtsgebiete, die durch Satzung in einer Berufungsordnung nach §
59b Abs.
2 Nr.
2 lit. [X.] bestimmt sind. Über den Antrag des Rechtsanwalts auf Erteilung der Erlaubnis entscheidet der Vorstand der Rechtsanwaltskammer, nachdem ein Ausschuss der Kammer die von dem Rechtsanwalt vorzulegenden Nachweise über den Erwerb der beson-deren Kenntnisse und Erfahrungen geprüft hat. Die Voraussetzungen für die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung werden in der aufgrund §
59b Abs.
2 Nr.
2 lit. [X.] erlassenen Fachanwaltsordnung geregelt. Der Erwerb beson-derer praktischer Erfahrungen im
Erbrecht
setzt voraus, dass der Rechtsanwalt innerhalb der letzten drei Jahre vor der Antragstellung 80 Fälle, davon mindes-tens
20 rechtsförmliche Verfahren, davon höchstens zehn Verfahren der freiwil-ligen Gerichtsbarkeit, als Rechtsanwalt persönlich und weisungsfrei bearbeitet 2
3
4
-
5
-
hat.
Die Fälle müssen sich gemäß §
5
Satz
1
lit. m Satz 2 [X.] in der hier nach §
16 [X.] maßgeblichen Fassung vom 1.
Juli 2006 auf die in §
14f Nr. 1 bis 5 [X.] bestimmten Bereiche beziehen. Hierbei handelt es sich um die Bereiche materielles Erbrecht unter Einschluss erbrechtlicher Bezüge zum Familien-, Gesellschafts-, Stiftungs-
und Sozialrecht (Nr. 1), internationales Privatrecht im Erbrecht (Nr. 2), vorweggenommene Erbfolge, Vertrags-
und Testamentsgestal-tung ([X.]), Testamentsvollstreckung, Nachlassverwaltung, Nachlassinsolvenz und [X.] (Nr. 4) sowie steuerliche Bezüge zum Erbrecht (Nr. 5).

2. Die besonderen praktischen Erfahrungen hat der Kläger nicht nach-gewiesen.
Die zwingend vorgeschriebene Zahl von 20 rechtsförmlichen Verfah-ren ist nicht erreicht. Der Kläger hat eine
nicht untergliederte
Fallliste
vorgelegt, die 89 Fälle enthält. Die Fälle mit den laufenden Nummern
1 bis 24
sind mit ei-nem gerichtlichen Aktenzeichen versehen, sollen also rechtsförmliche Verfah-ren darstellen. Folgende Fälle können
jedoch
nicht anerkannt werden:

a) Der Fall 13 wird in der Liste wie folgt beschrieben: "Aus einem Erbver-trag/gemischter Schenkung mit [X.]nverpflichtung wird neben der Rück-forderung gem. § 531 II BGB hilfsweise Anspruch [X.], der fällig und teil-weise nicht preisindiziert, teilweise gar nicht mehr gezahlt wurde, verfolgt."
Für eine Anerkennung des Verfahrens als Erbrechtsfall müsste im Referenzzeit-raum eine Frage aus dem in § 14f [X.] a.F. näher beschriebenen Fachgebiet des Erbrechts
bearbeitet worden sein (vgl. [X.], Urteil vom 8.
April 2013 -
AnwZ ([X.]) 54/11,
[X.]Z 197, 118
Rn.
13). Das ist jedoch nicht der Fall. Ausweislich der vom Kläger als Arbeitsprobe vorgelegten Schriftsätze ging es ausschließlich um die Berechnung und die Zahlung einer [X.].
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6
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6
-

b) Der Fall 18 wird in der Liste wie folgt beschrieben: "Einwendungen gegen Erbschein, Testamentsanfechtung wegen nochmaliger Verfügung trotz vorheriger Bindung in [X.] mit ausgeschlossener Abänderungs-befugnis."
Nach den als Arbeitsprobe vorgelegten Schriftsätzen hat der Kläger
mit der Mandantschaft und mit dem Anwalt des Gegners korrespondiert, nicht jedoch die Mandantin in einem rechtsförmlichen Verfahren vertreten.

c) Der Fall 19 wird in der Liste wie folgt beschrieben: "Umfassende Bera-tung und Verhandlung mit Insolvenzverwalter und [X.] wegen Verbindlichkeiten, Aus-
und [X.] der Erben etc.". Hier ist der Kläger nicht im Nachlassinsolvenzverfahren
tätig geworden. Die als [X.] vorgelegte Korrespondenz mit der Zwangsversteigerungsabteilung eines Amtsgerichts befasst sich nicht mit erbrechtlichen Fragen. Es geht vielmehr nur um Fragen der allgemeinen Zwangsversteigerung eines Grundstücks.

d) Der Fall 21 wird in der Liste wie folgt beschrieben: "Seit 1943 [X.] musste für tot
erklärt werden, um die Erbfolge im Streit um Erbschein zwei-felsfrei klären zu können."
Das Verfahren, in dem eine vermisste Person für tot erklärt wird, hat keinen erbrechtlichen Bezug.
Dass der Kläger auch im [X.] tätig geworden ist, hat er nicht dargelegt.

e) Hinsichtlich des Falles 22, welcher der Beschreibung nach ein [X.] betraf, hat der Kläger (ebenso wie hinsichtlich des Falles 21) trotz Aufforderung des Berichterstatters in dem gemeinsamen Ausschuss für Erbrecht der [X.]

, C.

und O.

vom 3.
November 2006, dessen erneuter Aufforderung gemäß Schreiben vom 3.
August 2007, auf welche der Kläger nicht geantwortet hat,
und der Aufforde-7
8
9
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7
-
rung des Berichterstatters des
Fachanwaltsausschusses Erbrecht der Beklag-ten keine Arbeitsproben vorgelegt, so dass eine Überprüfung nicht möglich ist.

f) [X.] wird in der Liste wie folgt beschrieben: "[X.] mit fehlender Todeserklärung des [X.], welche zur Anfechtung der Annahmeerklärung führte. Die Annahmeerklärung wurde aufgrund irrtümli-cher Nichtbeachtung der Frist angefochten." Auch hier ist der Kläger nicht in einem rechtsförmlichen Verfahren tätig geworden. Als Arbeitsprobe hat der Klä-ger hier einen an das zuständige Nachlassgericht gerichteten Schriftsatz [X.], in welchem es heißt, der Mandant werde die Erbschaft ausschlagen und die entsprechende Erklärung selbst gegenüber dem Nachlassgericht abgeben. Das Schreiben selbst verhält sich über eine Anwaltsrechnung, vermutlich die Vergütung eines Betreuers oder Nachlasspflegers. Die weiter vorgelegten Schreiben an das Hauptzollamt, an die Strafabteilung eines Amtsgerichts, an die Zwangsvollstreckungsabteilung eines anderen Amtsgerichts sowie an ein Sachverständigenbüro betreffen kein rechtförmliches Verfahren.

g)
Die danach anzuerkennenden Fälle sind jeweils mit dem
Faktor 1,0 zu gewichten (vgl. [X.], Urteil vom 8.
April 2013 -
AnwZ
([X.]) 54/11, aaO Rn.
35). Anhaltspunkte für eine Höhergewichtung (§
5 Satz
3 [X.] a.F.) sind nicht [X.] und aus der Akte nicht ersichtlich.

3. Auf die vom [X.] in den Vordergrund gerückte Frage nach der Zulässigkeit der Anforderung weiterer Arbeitsproben durch den Be-richterstatter des Fachanwaltsausschusses Erbrecht der [X.] gemäß Schreiben vom 26. September 2008 kommt es nicht an. Dem Berichterstatter ist ein Fehler unterlaufen, weil er die bereits vorgelegten Arbeitsproben übersehen hat. Die Auswertung der Fallliste und der Arbeitsproben ergibt
jedoch, dass die 11
12
13
-
8
-
notwendige Anzahl von 20 Fällen in einem rechtsförmlichen Verfahren nicht erreicht ist. Darauf, dass der [X.] allenfalls ein Bescheidungsur-teil, nicht aber ein Verpflichtungsurteil hätte erlassen dürfen, kommt es nicht an.

4. Die ungewöhnlich lange Dauer des Verwaltungsverfahrens führt nicht dazu, dass der Kläger die Fachanwaltsbezeichnung führen darf, obwohl er den Erwerb besonderer praktischer Erfahrungen nicht nachgewiesen hat.
Überdies haben weder die [X.]

noch die Beklagte
das Verfahren in unzumutbarer Weise
verzögert und dem Kläger dadurch den Nachweis der praktischen Erfahrung erschwert.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf
§
112c Abs.
1 Satz 1 [X.] i.V.m. §
154 Abs.
1
VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf §
194 Abs.
1 [X.], §
52 Abs.
1 [X.]. In Verfahren, welche das Führen von [X.]. [X.], Urteil vom 26.
November 2012 -
AnwZ ([X.]) 56/11, [X.], 175

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-
9
-
Rn.
13; vom 8.
April 2013 -
AnwZ ([X.])
16/12, [X.], 2364 Rn. 17). Um-stände, die im vorliegenden
Fall ein Abweichen von dieser Praxis erfordern könnten, sind nicht ersichtlich.

Kayser
Lohmann
[X.]

Braeuer
Schäfer

Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 27.04.2012 -
II AGH 2/11 -

Meta

AnwZ (Brfg) 51/12

05.05.2014

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.05.2014, Az. AnwZ (Brfg) 51/12 (REWIS RS 2014, 5910)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5910

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