Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.11.2012, Az. II ZR 111/12

II. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 1692

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
II ZR 111/12
vom
6. November 2012
in dem Rechtsstreit

-
2
-

Der II. Zivilsenat des [X.] hat am 6. November 2012 durch [X.]
Dr.
Bergmann, die Richterin [X.] sowie die Richter Dr.
Drescher, [X.] und Sunder

beschlossen:

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 20.
Zivilsenats des [X.] vom 29.
Februar 2012 wird zurückgewiesen, weil keiner der im Gesetz (§
543
Abs.
2
ZPO) vorgesehenen Gründe vorliegt, nach denen der Senat die Revision zulassen darf. Der Rechtsstreit der Parteien hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert er eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Der Senat hat die Verfahrensrügen geprüft und für nicht durchgreifend erachtet.
Das Berufungsgericht hat
festgestellt, dass Prof. Dr.
P.

als Aufsichtsrat der Beklagten entweder die Risiken der [X.], die der Vorstand der Beklagten eingegangen war, nicht selbständig abgeschätzt hat oder er -
wenn er die Risiken der Derivategeschäfte abgeschätzt hat
-
in der Öffentlichkeit Kritik an der Geschäftspolitik des Vorstands dahin geäußert hat, dass die Derivategeschäfte mit Risiken verbunden seien, die von nieman-dem abgeschätzt werden könnten, weil sie objektiv unabschätz-bar seien, und diese Äußerungen die Kreditwürdigkeit der [X.] gefährdeten,
sowie dass dies für die Aktionäre der [X.] erkennbar war. Bei diesen tatrichterlichen Feststellun--
3
-

gen, die unter anderem auf Äußerungen von Prof. Dr.
P.

in der Öffentlichkeit beruhen, sind dem Berufungsgericht keine zu-lassungsrelevanten Verfahrensfehler unterlaufen.
Auch soweit das Berufungsgericht auf der
Grundlage
dieser von ihm festgestellten Tatsachen den Beschluss der Hauptversamm-lung der Beklagten über die Entlastung der Mitglieder des [X.] nichtig erklärt
hat, besteht kein Zulassungsgrund.
In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass die Entlas-tungsentscheidung der Hauptversammlung wegen eines Geset-zesverstoßes anfechtbar ist, wenn damit ein tatsächliches [X.] gebilligt wird, das einen schwerwiegenden und eindeuti-gen Gesetzes-
oder Satzungsverstoß darstellt (vgl. [X.], Urteil vom 25. November 2002 -
II ZR 133/01, [X.]Z 153, 47, 51; Urteil vom 18. Oktober 2004 -
II ZR 250/02, [X.]Z 160, 385, 388; Be-schluss vom 9. November 2009 -
II ZR 154/08, [X.], 2436; Urteil vom 10. Juli 2012 -
II ZR 48/11, [X.], 1807 Rn.
9 -
Fresenius). Ob Entlastungsbeschlüsse
dann nicht anfechtbar sind, wenn für die Hauptversammlung das tatsächliche Verhalten
nicht erkennbar war, das den
Gesetzes-
oder Satzungsverstoß
darstellt, ist in dem vorliegenden Verfahren nicht klärungsfähig, weil das Berufungsgericht von der Erkennbarkeit ausgegangen ist. Wann der Hauptversammlung ein tatsächliches Verhalten ei-nes Vorstands oder Aufsichtsrats erkennbar ist, ist vom Einzelfall abhängig und weder grundsätzlich klärungsbedürftig noch -fähig.
Das Berufungsgericht weicht
mit dem Befund eines eindeutigen und schwerwiegenden Gesetzesverstoßes auch nicht von der -
4
-

Rechtsprechung des [X.]
oder anderer Oberlan-desgerichte ab und hat sie nicht in verallgemeinerungsfähiger Weise grundsätzlich missverstanden oder einen unrichtigen Obersatz gebildet. Ein Aufsichtsrat handelt pflicht-
und damit ge-setzeswidrig (§ 116 Satz 1 AktG i.V.m. § 93 AktG), wenn er [X.] nicht genügt. Zu der Überwachungs-pflicht des Aufsichtsrats gehört es, dass er sich über erhebliche Risiken, die der Vorstand mit Geschäften eingeht, kundig macht und ihr Ausmaß unabhängig vom Vorstand selbständig ab-schätzt. Unterschiedliche Rechtsmeinungen, die einem Geset-zesverstoß die Eindeutigkeit nehmen könnten (wie im Fall [X.], Urteil vom 10. Juli 2012 -
II ZR 48/11, [X.], 1807 Rn.
23 -
Fresenius),
werden dazu
nicht vertreten. Gleiches gilt, soweit das Berufungsgericht eine eindeutige Pflichtverletzung in der die Kreditwürdigkeit der Beklagten gefährdenden Äußerung des Auf-sichtsrats Prof. Dr.
P.

gesehen hat, die Derivategeschäfte seien mit Risiken verbunden, die von niemandem abgeschätzt werden könnten, weil sie objektiv unabschätzbar seien. Auch vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich geschützten Rechts eines Aktionärs, an der [X.] zu üben, kann es die gesteigerte Treuepflicht eines Aktionärs, der gleichzeitig Auf-sichtsrat ist, gebieten, bei
Kritik am Vorstand -
soweit sie über-haupt in die Öffentlichkeit getragen werden darf
-
die Kreditwür-digkeit der Gesellschaft nicht zu gefährden.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß §
544 Abs.
4 Satz
2, 2.
Halbsatz ZPO abgesehen.
-
5
-

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§
97
ZPO).

Bergmann
[X.]
Drescher

[X.]
Sunder

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 17.05.2011 -
31 O 30/10 KfH -

O[X.], Entscheidung vom 29.02.2012 -
20 U 3/11 -

Meta

II ZR 111/12

06.11.2012

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.11.2012, Az. II ZR 111/12 (REWIS RS 2012, 1692)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1692

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II ZR 111/12

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