Bundesfinanzhof, Beschluss vom 15.04.2016, Az. XI B 109/15

I. Die Beteiligten streiten im Verfahren der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision darüber, ob sich im Streitfall rechtsgrundsätzliche Fragen in Bezug auf das Vorliegen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen stellen.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, schloss am 18. Juni 2003 mit der B-GmbH einen Treuhandvertrag, nach dem die B-GmbH in eigenem Namen, aber auf Rechnung der Klägerin Verträge über den Erwerb und die anschließende Weiterveräußerung einer Anlage zur Produktion von [X.]teilen abschließen, durchführen und abwickeln sollte.

Die B-GmbH kaufte in Erfüllung des [X.] für Rechnung der Klägerin mit einem sog. "[X.]" vom 18. Juni 2003 von der [X.] Maschinen und Anlagen sowie Büroausstattung (nachfolgend: Inventar) gemäß einer sog. "Inventarliste" zum Preis von 3,3 Mio. € zuzüglich Umsatzsteuer. Die verkauften Maschinen hatte die [X.] --neben anderen Vermögensgegenständen wie Know-how, [X.], [X.] und sonstigen [X.] an die Y-GmbH verpachtet. Zwischen der [X.] und der Y-GmbH bestand bis einschließlich Mai 2003 eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft.

Das von der [X.] erworbene Inventar verkaufte die B-GmbH durch Kaufvertrag vom 18. Juni 2003 an die [X.] für 7,3 Mio. € zuzüglich Umsatzsteuer weiter. Die B-GmbH sicherte der [X.] zu, dass die veräußerten Gegenstände in ihrer Gesamtheit eine Einrichtung zur Herstellung und Verarbeitung von [X.]produkten darstellten und als solche zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses auch noch im Einsatz waren. Die veräußerten Anlagen und Maschinen würden aus laufender Produktion zur Verfügung gestellt und mit ihnen könnten in qualitativer wie quantitativer Hinsicht die gleichen Aufträge zu gleichen Preisen wie bisher bedient werden sowie die gleichen Zulieferer verwendet werden.

Bereits seit Mitte April 2003 hatten sowohl die Y-GmbH als auch die [X.] ihre Kunden darauf hingewiesen, dass die [X.] mit Wirkung vom 18. Juni 2003 sämtliche Lieferverträge übernehme. Die [X.] trete ab diesem Zeitpunkt in die Rechtsstellungen der Y-GmbH und der [X.] ein.

Im Jahr 2005 fiel die [X.] in Insolvenz. [X.] wurde der Antrag, über das Vermögen der [X.] das Insolvenzverfahren zu eröffnen, mangels Masse abgewiesen.

Das für die Besteuerung der B-GmbH zuständige Finanzamt F ([X.]) beurteilte die Lieferung des Inventars durch die B-GmbH an die [X.] nach Durchführung einer Außenprüfung als umsatzsteuerpflichtig. Der gegenüber der B-GmbH ergangene Umsatzsteuerbescheid für das [X.] (Streitjahr) ist bestandskräftig.

Die Klägerin behandelte in ihrer Umsatzsteuererklärung für das [X.] vom 28. Februar 2007 die Lieferung des Inventars als umsatzsteuerpflichtig und machte den Vorsteuerabzug geltend. [X.] erteilte die Klägerin der B-GmbH eine Rechnung über die Lieferung des Inventars und wies darin Umsatzsteuer offen aus, wobei eine Erläuterung darauf verwies, dass tatsächlich nur ein Betrag von 3 Mio. € gezahlt worden sei.

Im Mai 2008 reichte die Klägerin eine berichtigte Umsatzsteuererklärung ein, in der sie den Vorgang als nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen ansah. Sie, die Klägerin, habe einen Teilbetrieb in Gestalt einer Produktionsanlage veräußert, der ununterbrochen zur Fertigung von [X.]produkten bestimmt und genutzt worden sei. Auch der Kundenstamm sei mit übergegangen.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) lehnte die beantragte Änderung des [X.] unter dem 14. August 2008 ab. Es liege keine Geschäftsveräußerung im Ganzen vor, weil weder das Geschäftsgrundstück noch der Mietvertrag mit übertragen worden seien und die [X.] die Produktion an einem anderen Standort fortgesetzt habe. Der Einspruch, mit dem die Klägerin geltend machte, die Produktionsanlage sei an jedem Standort zu betreiben und das Grundstück sei austauschbar gewesen, blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 5. März 2009). Das [X.] führte zur Begründung aus, die Beurteilung des für die Besteuerung der B-GmbH zuständigen [X.] sei maßgeblich.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der die Klägerin geltend machte, sie habe ein zuvor auf mehrere Rechtsträger verteiltes Unternehmen zusammengeführt und an einen einzigen Erwerber, die [X.], übertragen, ab und ließ die Revision nicht zu. Es führte in seinem Urteil aus, die Klägerin sei zwar Unternehmerin, und das [X.] nicht an die umsatzsteuerrechtliche Würdigung bei der B-GmbH gebunden. Außerdem habe die [X.] die Produktion mit den erworbenen Mitteln in vergleichbarem Umfang fortgeführt. Auch schulde die Klägerin im Streitjahr keine Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG).

Allerdings seien das an die [X.] veräußerte und das von der [X.] erworbene Unternehmen, das der B-GmbH nach dem Erwerb für eine logische Sekunde zugestanden habe, nicht identisch gewesen (S. 26 f. des Urteils, 1. [X.]). Dies zeige u.a. der wesentlich höhere Kaufpreis, den die [X.] gezahlt habe. Die von der [X.] an die B-GmbH gelieferten Gegenstände hätten keinen Teilbetrieb gebildet.

Außerdem habe die B-GmbH keine Verfügungsmacht über die von der [X.] erworbenen Maschinen und Anlagen gehabt (S. 27 f. des Urteils, 2. [X.]). Die Maschinen und Anlagen seien gleichsam im Wege des "[X.]" über die B-GmbH zur [X.] gelangt. Die B-GmbH habe letztlich nur Herausgabeansprüche abgetreten. Die B-GmbH habe nicht mehr erworben als die Rechtsstellung eines Verpächters. Die Kündigung des Pachtvertrages habe keine "Umwidmung" des bisherigen Verpachtungsunternehmens der [X.] in einen Produktionsbetrieb bewirken können, wohingegen die [X.] selbst die Produktion aufgenommen habe.

Überdies habe die B-GmbH niemals selbst einen Betrieb zur Produktion von [X.]teilen unterhalten; ihre wirtschaftliche Tätigkeit habe sich auf den Erwerb und die Weiterveräußerung der Maschinen und Anlagen beschränkt (S. 28 ff. des Urteils, 3. [X.]). Es liege kein "einfacher Durchgangserwerb" vor, bei dem nach Auffassung eines Teils der Literatur eine Geschäftsveräußerung im Ganzen vorliegen könne. Ein solcher "einfacher Durchgangserwerb" liege schon deshalb nicht vor, weil das erworbene und veräußerte Unternehmen unterschiedlich gewesen seien.

Mit ihrer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Klägerin hat nicht hinsichtlich aller Begründungsstränge des [X.] einen Zulassungsgrund dargelegt. Außerdem sind die von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen bereits teilweise geklärt.

1. Grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ([X.]) zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärbar sein (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 20. Februar 2014 XI B 85/13, [X.]/NV 2014, 828; vom 18. Juli 2014 XI B 37/14, [X.]/NV 2014, 1779). Hierzu ist schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen darzulegen, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.]-Beschlüsse vom 9. Januar 2014 XI B 11/13, [X.]/NV 2014, 915; vom 7. Oktober 2015 VI B 49/15, [X.]/NV 2016, 38). Ist das Urteil des [X.] kumulativ auf mehrere Begründungen gestützt, von denen jede für sich das Entscheidungsergebnis trägt, muss für jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 [X.]O schlüssig dargelegt werden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.]-Beschlüsse vom 5. Dezember 2013 XI B 17/13, [X.]/NV 2014, 548; vom 9. September 2014 V B 43/14, [X.]/NV 2015, 68, m.w.N.).

2. Gemessen daran ist die Revision nicht zuzulassen.

a) Die erste von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage ist durch die Rechtsprechung des [X.] inzwischen --im Sinne der Klägerin-- geklärt.

aa) Die Klägerin wirft zunächst die Rechtsfrage auf, "ob die Voraussetzungen von § 1 Abs. 1a UStG auch dann gegeben sind, wenn der Unternehmer das erworbene Unternehmen nur durchhandelt, ohne es selbst betrieben zu haben".

bb) Dazu hat der [X.] des [X.] in dem --noch innerhalb der verlängerten Beschwerdebegründungsfrist [X.] Urteil vom 25. November 2015 V R 66/14 ([X.]E 251, 526, [X.] Steuerrecht --DStR-- 2016, 311, Rz 29 f.) entschieden, die für die Geschäftsveräußerung notwendige Fortführung der Unternehmenstätigkeit müsse bei einer mehrfachen Übertragung nur dem Grunde nach, nicht aber auch höchstpersönlich beim jeweiligen Erwerber vorliegen.

cc) Allerdings verhilft dies der Beschwerde selbst in Bezug auf den dritten Begründungsstrang des [X.] unter dem Gesichtspunkt der "nachträglichen Divergenz" (vgl. dazu [X.]-Beschlüsse vom 19. September 2007 XI B 52/06, [X.]/NV 2008, 63, unter 2.b, Rz 18; vom 5. März 2014 V B 14/13, [X.]/NV 2014, 918, Rz 11) nicht zum Erfolg, weil das [X.] in seinem Urteil seine Auffassung, es liege keine Geschäftsveräußerung im Ganzen vor, nicht damit begründet hat, bei einem "Durchgangserwerb" scheide eine Geschäftsveräußerung im Ganzen aus, sondern den Streitfall dahin gehend tatsächlich gewürdigt hat, das Unternehmen, das die B-GmbH von der [X.] erworben habe, und das Unternehmen, das die B-GmbH an die [X.] veräußert habe, seien unterschiedlich gewesen. Ob eine Geschäftsveräußerung im Ganzen bei einem "Durchgangserwerb" möglich ist, konnte das [X.] daher offen lassen. Dem Urteil des [X.] und dem [X.]-Urteil in [X.]E 251, 526, [X.], 311 liegen danach keine abweichenden abstrakten Rechtssätze, sondern unterschiedliche Sachverhalte zugrunde, was eine nachträgliche Divergenz ausschließt (vgl. [X.]-Beschluss in [X.]/NV 2008, 63, unter 2.b, Rz 18, sowie allgemein zum Erfordernis des vergleichbaren Sachverhalts [X.]-Beschlüsse vom 22. Juli 2014 XI B 29/14, [X.]/NV 2014, 1780, Rz 10; vom 22. Oktober 2014 I B 169/13, [X.]/NV 2015, 234).

dd) Soweit die Klägerin in ihrer Beschwerde --im Stile einer Revisionsbegründung-- die Auffassung vertritt, die tatsächliche Würdigung des [X.] sei unzutreffend, berücksichtigt sie nicht, dass der Senat nach § 118 Abs. 2 [X.]O an die --soweit ersichtlich-- verfahrensfehlerfrei zustande gekommene, nicht gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstoßende und mögliche Würdigung in dem angestrebten Revisionsverfahren gebunden wäre (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 11. November 2013 XI B 99/12, [X.]/NV 2014, 366, Rz 13; vom 23. September 2014 V B 37/14, [X.]/NV 2015, 67, Rz 8).

b) Auch hinsichtlich der zweiten Rechtsfrage kommt keine Zulassung der Revision in Betracht.

aa) Die Klägerin wirft ferner die Rechtsfrage auf, "ob die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1a UStG für mehrere Lieferungen auch dann gegeben sind, wenn ein Teil des Unternehmens direkt an den fortführenden Erwerber und der andere Teil des Unternehmens über einen Dritten an den fortführenden Erwerber geliefert wird und dieser das Unternehmen sodann fortführt".

bb) Insoweit hat die Klägerin nicht dargelegt, dass die Rechtsfrage klärungsbedürftig ist. Insbesondere fehlt jegliche Auseinandersetzung mit bereits vorhandener Rechtsprechung. Dazu hätte Anlass bestanden, weil nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] (Urteil [X.] vom 30. Mai 2013 [X.]/11, [X.]:C:2013:346, [X.] 2013, 582, Rz 45 bis 47) und des [X.] (Urteil vom 4. Februar 2015 XI R 14/14, [X.]E 250, 240, [X.], 908, Rz 29) bei Prüfung der Voraussetzungen der Geschäftsveräußerung im Ganzen "jeder Vorgang einzeln und selbständig zu beurteilen" ist. Damit setzt sich die Klägerin nicht auseinander.

c) Ohnehin hat aber die Klägerin hinsichtlich des zweiten Begründungsstrangs des [X.], der das Urteil ebenfalls trägt, keinen Zulassungsgrund geltend gemacht.

aa) Das [X.] hat auf S. 27 f. seines Urteils sinngemäß ausgeführt, dass die [X.] ein Verpachtungsunternehmen betrieben habe, das die [X.] nicht fortgeführt habe. Die [X.] habe stattdessen ein Produktionsunternehmen betrieben. Diese beiden Unternehmen seien sich nicht hinreichend ähnlich.

bb) Diese tatsächliche Würdigung des [X.] steht hinsichtlich der ihr zugrunde liegenden Annahme, ein Verpachtungsunternehmen und ein Produktionsunternehmen seien sich nicht hinreichend ähnlich, in Einklang mit der Rechtsprechung des [X.] (vgl. Urteile vom 6. Mai 2010 V R 26/09, [X.]E 230, 256, [X.], 1114, Rz 32; vom 21. Oktober 2015 XI R 40/13, [X.]E 251, 474, [X.], 50, Rz 63, dort jeweils zu Fällen der Organschaft). [X.] hat die Klägerin diesbezüglich nicht hinreichend dargelegt.

3. Mit ihrer Beschwerde macht die Klägerin im Wesentlichen lediglich eine ihrer Auffassung nach unzutreffende Rechtsanwendung durch das [X.] geltend. Dies vermag die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht zu rechtfertigen (z.B. [X.]-Beschlüsse vom 16. August 2013 III B 144/12, [X.]/NV 2013, 1816; vom 22. Juli 2014 XI B 103/13, [X.]/NV 2014, 1761).

4. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]O).

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O.