Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.06.2021, Az. V R 10/21 (V R 58/17), V R 10/21, V R 58/17

5. Senat | REWIS RS 2021, 4765

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Änderungsbescheid während eines Vorabentscheidungsersuchens


Leitsatz

NV: Der BFH verweist die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung nach § 127 FGO zurück, wenn der Änderungsbescheid einen neuen Streitpunkt enthält.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 17.10.2017 - 15 K 3268/14 U aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, ist Gesamtrechtsnachfolgerin der [X.], die ihrerseits Gesamtrechtsnachfolgerin der [X.] war.

2

Die [X.] hatte in 2009 gemäß § 89 Abs. 2 der Abgabenordnung ([X.]) einen Antrag auf verbindliche Auskunft zur [X.] nach § 4 Nr. 11 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) von Leistungen bei der Vermittlung von Versicherungsschutz für besondere Risiken aufgrund von Straftaten Dritter (wie etwa bei Entführungen oder bei Piraterie) unter Vorlage eines Vertragsentwurfs gestellt. Nach dem Vertragsentwurf sollten

Versicherungen vermittelt,

     

eine Lizenz zur Bereitstellung eines Versicherungsprodukts gewährt und

     

weitere Leistungen zur Durchführung von Versicherungsverträgen (Leistungen zur Vertragsdurchführung einschließlich Schadensregulierung) erbracht werden.

3

Von diesen Leistungen sah der Beklagte und Revisionsbeklagte (das [X.]inanzamt --[X.]--) in seiner verbindlichen Auskunft vom 18.01.2010 nur die Vermittlung von Versicherungen als steuerfrei an. Demgegenüber ging das [X.] in Bezug auf

die Lizenzgewährung zur Bereitstellung eines Versicherungsprodukts und

  

die weiteren Leistungen zur Durchführung von Versicherungsverträgen wie Risikoeinwertung mittels eines Pricingtools, Vertragsverwaltung, Prämieninkasso, Schadensregulierung und allgemeine Unterstützung (Leistungen zur Vertragsdurchführung einschließlich Schadensregulierung)

  

von steuerpflichtigen Leistungen aus. Das [X.] verneinte eine einheitliche Leistung, da den einzelnen Leistungen eigenständiger Charakter zukomme.

4

Im Streitjahr 2011 entwickelte und vermarktete die [X.] als sog. [X.] insbesondere ein Versicherungsprodukt, mit dem Schiffe und deren Crews gegen Piraterie bei der Durchfahrt durch den Golf von [X.] versichert wurden.

5

Nach § 1 Abs. 1 des mit der [X.]-Versicherungs-AG ([X.]) geschlossenen [X.]vertrages vermittelte die [X.] für den Versicherer Versicherungsverträge, die zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer geschlossen wurden. Gegenstand dieser Versicherungsverträge war nach § 1 des [X.] ("Special Risks").

6

Nach § 1 Abs. 2 des Vertrages stellte die [X.] dem Versicherer die Versicherungsprodukte entsprechend dem als Anlage beiliegenden Wortlaut zur Policierung auf den Namen des Versicherers zur Ver[X.]dung bereit. Die Bereitstellung der Versicherungsprodukte erfolgte durch die Hingabe eines nicht ausschließlichen Nutzungsrechtes ("Lizenz").

7

Nach § 1 Abs. 3 des Vertrages hatte die [X.] Leistungen zur Vertragsdurchführung einschließlich Schadensregulierung wie etwa Anpassung des Versicherungsprodukts, Risikoeinwertung mittels eines Pricingtools, Vertragsverwaltung, Einrichtung einer Krisenhotline, Schadensmanagement, Vertriebsschulung und Krisenmanagerbereitstellung zu erbringen.

8

Nach § 2 Abs. 1 des Vertrages hatte der Versicherer zur Deckung laufender betrieblicher Tätigkeiten über einen Zeitraum von 24 Monaten ab dem 01.01.2010 eine monatliche [X.]vorauszahlung in Höhe von 30.000 € zu zahlen. Darüber hinaus war eine [X.] in Höhe von 22,5 % des [X.] für jede von dem Versicherer abgeschlossene Special-Risks-Versicherung zu zahlen. Die Verpflichtung zur Zahlung der [X.] galt unabhängig davon, ob der Abschluss des Versicherungsvertrages durch den [X.], den Versicherer oder durch einen Dritten zustande kam. Nach § 2 Abs. 5 des Vertrages waren die [X.]ansprüche bis zur Höhe der seitens des Versicherers gezahlten Vorauszahlung auf diese anzurechnen. Am Ende der Vertragslaufzeit bestand eine Verpflichtung zur Rückzahlung eines etwaigen Unterdeckungsbetrages, wobei die Rückzahlungsverpflichtung auf 240.000 € begrenzt wurde. In einem Nachtrag zum Vertrag hatte der Versicherer zur Deckung laufender betrieblicher Kosten für den Zeitraum Juni 2011 bis Dezember 2012 eine monatliche [X.]vorauszahlung in Höhe von 7.500 € zu zahlen.

9

Am 27.08.2012 reichte die [X.] die Umsatzsteuererklärung 2011 ein, mit der sie geltend machte, dass ihre Leistungen insgesamt nach § 4 Nr. 11 UStG steuerfrei seien. In einem Begleitschreiben wies sie auf die hiervon abweichende verbindliche Auskunft vom 18.01.2010 hin.

Im [X.] an eine [X.] ging das [X.] entsprechend der verbindlichen Auskunft vom 18.01.2010 davon aus, dass keine einheitliche Leistung vorliege und nur die unmittelbare Tätigkeit der Versicherungsvermittlung nach § 4 Nr. 11 UStG steuerfrei sei. Die Lizenzüberlassung unterliege dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG, während auf die weiteren Leistungen zur Vertragsdurchführung einschließlich Schadensregulierung der Regelsteuersatz anzu[X.]den sei. Die Gesamtvergütung sah das [X.] als Versicherungsvermittlung zu 67 % als steuerfrei, als Lizenzgewährung zu 25 % als dem ermäßigten Steuersatz unterliegend und als verwaltungsbezogene Leistung zu 8 % als dem Regelsteuersatz unterliegend an. Grundlage für die Aufteilung war eine Schätzung unter Berücksichtigung der Arbeitszeiterfassung des Personals. Vorsteuerbeträge fanden Berücksichtigung. Der Einspruch gegen den Umsatzsteuerbescheid vom 04.11.2013 und die nachfolgende Klage zum [X.]inanzgericht ([X.]G) hatten keinen Erfolg.

Während des finanzgerichtlichen Verfahrens schieden die Kommanditisten aus der [X.] aus, so dass deren Anteile im Wege der [X.] auf die Klägerin als Komplementärin der [X.] übergegangen sind.

Nach dem in Entscheidungen der [X.]inanzgerichte 2017, 1989 veröffentlichten Urteil des [X.]G, das in seinem Rubrum die [X.] als Klägerin bezeichnete, steht die im Steuerbescheid vom 04.11.2013 angenommene Steuerpflicht im Einklang mit § 4 Nr. 11 UStG, der entsprechend Art. 135 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/[X.] über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) und des [X.] (B[X.]H) auszulegen sei. Die Klägerin habe in erheblichem Umfang Dienstleistungen erbracht, die nicht zu den wesentlichen Tätigkeiten eines [X.] oder -maklers gehörten, und die --entgegen der Auffassung des [X.]-- Teil einer einheitlichen Leistung seien. Diese Leistung sei --ebenfalls entgegen der Auffassung des [X.]-- insgesamt steuerpflichtig. Der Schwerpunkt und damit das für die gesamte Leistung prägende Hauptelement habe darin bestanden, neue Versicherungsprodukte zu entwickeln, um so die Möglichkeit zum Versicherungsvertrieb zu schaffen. Es seien die Bedingungen für Versicherungsprodukte unter Berücksichtigung von Regulierungsvorgaben entwickelt worden. Dies entspreche im [X.] der Tätigkeit eines Versicherers, allerdings ohne die Gewährung von Versicherungsschutz, so dass keine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 10 UStG vorliege. [X.]ür den Vergütungsanspruch sei es nicht darauf angekommen, wer jeweils einen Vertragsabschluss vermittelt habe. Demgegenüber komme eine Vergütung für eine Versicherungsvermittlertätigkeit bei Verträgen, die der Versicherer ohne Vermittler oder durch Vermittlung Dritter abgeschlossen habe, nicht in Betracht. Aus der Art der Vergütung ergäbe sich, dass es dem Versicherer darum gegangen sei, die Nutzungsmöglichkeit an einem Versicherungsprodukt zu erhalten, um dieses durch [X.] auch immer vertreiben zu können. Hierfür spreche auch die Hingabe eines nicht ausschließlichen Nutzungsrechtes ("Lizenz"). Zudem sei durch die auf 240.000 € begrenzte Rückzahlungspflicht ein Mindestpreis von 480.000 € für die Entwicklung und die Gewährung der Nutzungsmöglichkeit der [X.] vereinbart worden. Ein derart hoher Mindestpreis sei nicht allein für die Zusage eines Vermittlers erteilt worden, Versicherungen zu vermitteln. Damit sei von einer weitergehenden Steuerpflicht als vom [X.] angenommen auszugehen. Im Klageverfahren sei aber das Verböserungsverbot (Verbot der reformatio in peius) zu beachten.

Nach der Zustellung des Urteils des [X.]G erließ das [X.] am 17.11.2017 einen verbösernden [X.] für 2011 gegenüber der [X.], mit dem es die im Streitjahr erbrachten Leistungen nunmehr als im vollen Umfang steuerpflichtig ansah, obwohl bereits eine Gesamtrechtsnachfolge durch [X.] auf die Klägerin eingetreten war.

Mit ihrer Revision [X.]det sich die Klägerin gegen das Urteil des [X.]G. Das [X.]G habe nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens nach § 96 der [X.]inanzgerichtsordnung ([X.]GO) berücksichtigt, da es die verbindliche Auskunft nicht beachtet habe. Damit seien feststehende Tatsachen unberücksichtigt geblieben. Auch die Tätigkeit der T-GmbH sei unberücksichtigt geblieben. Nicht die Klägerin, sondern die T-GmbH habe die präventive Beratung und das Krisenmanagement übernommen. Das [X.]G habe mit dem Übergehen von [X.] die Sachverhaltsaufklärungspflicht verletzt. Dem Urteil sei nicht zu entnehmen, weshalb das [X.]G davon ausgegangen sei, dass die Klägerin Kontakte zwischen Versicherern hergestellt habe. Die angenommene Einheitlichkeit der Leistung und das Entgelt für eine Leistungsbereitschaft habe das [X.]G nicht begründet. Das Urteil verstoße auch gegen § 4 Nr. 11 UStG, da das [X.]G die Aufbereitung der Versicherungsbedingungen und die Suche nach Mitversicherern als Teil der Vermittlungstätigkeit angesehen habe. [X.] handele es sich um zu den [X.] dazugehörige Dienstleistungen. Die Klägerin sei als Versicherungsmakler oder -vertreter tätig geworden und habe dem wesentlichen Aspekt der Vermittlungstätigkeit entsprochen. Das Urteil verstoße gegen die Denkgesetze, da es einen Mindestpreis als Vergütung für die Entwicklung eines Versicherungsprodukts angesehen habe. Dritte hätten die Versicherungen nicht vermitteln können. Die Abrufbarkeit von Leistungen sei nicht gesondert vergütet worden. Auch der Änderungsbescheid sei rechtswidrig. Hilfsweise komme es auf eine Vorlage an den [X.] an.

Im Revisionsverfahren hat der erkennende Senat aufgrund mündlicher Verhandlung vom 05.09.2019 mit Beschluss vom selben Tag (B[X.]HE 266, 441) das Verfahren nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 74 [X.]GO ausgesetzt und den [X.] um Vorabentscheidung zur Klärung folgender [X.]rage ersucht:

  

Liegt eine zu den zu Versicherungs- und Rückversicherungsumsätzen dazugehörige Dienstleistung vor, die von Versicherungsmaklern und -vertretern [X.]. 135 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL steuerfrei erbracht wird, [X.]n ein Steuerpflichtiger, der für eine Versicherungsgesellschaft eine Vermittlungstätigkeit ausübt, dieser Versicherungsgesellschaft zusätzlich auch das vermittelte Versicherungsprodukt zur Verfügung stellt?

Hierzu hat der [X.] mit seinem Urteil [X.] vom 25.03.2021 - [X.]/19 ([X.]:C:2021:237) wie folgt geantwortet:

  

Art. 135 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL ist dahin auszulegen, "dass die darin vorgesehene Befreiung von der Mehrwertsteuer auf die von einem Steuerpflichtigen erbrachten Dienstleistungen in [X.]orm der Bereitstellung eines Versicherungsprodukts an eine Versicherungsgesellschaft und, als Nebenleistung, der Vermittlung dieses Produkts für Rechnung dieser Gesellschaft sowie der Verwaltung der geschlossenen Versicherungsverträge keine An[X.]dung findet, sofern das vorlegende Gericht diese Leistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer als einheitliche Leistung einstuft".

Während des beim [X.] anhängigen Verfahrens erließ das [X.] am 05.11.2019 einen weiteren Änderungsbescheid, diesmal gegenüber der Klägerin, mit dem das [X.] den am 17.11.2017 gegenüber der [X.] ergangenen Steuerbescheid inhaltlich wiederholte und von einer vollumfänglichen Steuerpflicht ausging. In den Erläuterungen zu dem Änderungsbescheid verwies das [X.] auf § 164 Abs. 4 [X.] und § 171 Abs. 3a [X.] sowie auf die Möglichkeit zur Anfechtung durch Einspruch, den die Klägerin mit Schreiben vom [X.] einlegte. Dabei [X.]dete sie sich auch gegen die Zinsfestsetzung.

Die Klägerin weist hierzu und zum [X.]-Urteil darauf hin, dass der Änderungsbescheid vom 05.11.2019 aufzuheben sei. Die [X.] seien verletzt worden. Es sei kein Ausnahmefall nach § 91 Abs. 2 [X.] gegeben, weshalb eine Anhörung nach § 91 Abs. 1 Satz 1 [X.] erforderlich gewesen sei. Eine Nachholung sei nach § 126 Abs. 1 Nr. 3 [X.] nicht möglich. Zudem liege nach dem im Streitfall ergangenen [X.]-Urteil Rz 24 keine einheitliche Leistung vor.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des [X.]G aufzuheben und unter Änderung des [X.] 2011 vom 04.11.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.09.2014, zuletzt geändert durch den Bescheid vom 05.11.2019, die Umsatzsteuer auf 0 € festzusetzen.

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Es bestehe keine Bindung an die verbindliche Auskunft, da der Sachverhalt dort anders geschildert worden sei. Die Bereitstellung von Versicherungsprodukten gehöre nicht zu den Aufgaben eines [X.]. Hierfür sei die Klägerin entlohnt worden. Zudem weist das [X.] darauf hin, dass sich der [X.] zur Einheitlichkeit "auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage geäußert habe, da der Vorlagebeschluss den hierfür maßgeblichen Sachverhalt nur verkürzt dargestellt habe".

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Klägerin ist begründet. Die Vorentscheidung ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]O). Der [X.] verweist den Rechtsstreit nach § 127 [X.]O zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurück.

1. Das Urteil des [X.] ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Das [X.] hat nach Ergehen dieses Urteils den Umsatzsteuerbescheid für 2011 vom 04.11.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.09.2014, der Gegenstand des Urteils war, geändert. Der [X.] hat dabei nicht zu entscheiden, ob der zuerst gegenüber der [X.] ergangene Änderungsbescheid vom 17.11.2017 als Bescheid, der an einen nicht mehr existenten Rechtsvorgänger gerichtet war, nichtig ist und verweist hierfür auf die Erörterung in der mündlichen Verhandlung. Auf den insoweit bestehenden Rechtsfehler kommt es im Hinblick auf den weiteren Änderungsbescheid vom [X.] nicht an.

Dieser Änderungsbescheid ist nach § 68 Satz 1, § 121 Satz 1 [X.]O Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden. Da dem Urteil des [X.] somit ein nicht mehr existierender Bescheid zugrunde liegt, kann es keinen Bestand haben (vgl. [X.]-Urteile vom 14.12.2011 - XI R 33/10, [X.], 1009; vom 24.04.2013 - XI R 3/11, [X.], 410, [X.], 86). Der von der Klägerin eingelegte Einspruch ist nach § 68 Satz 2 [X.]O insoweit bedeutungslos.

2. Ist während des Revisionsverfahrens ein neuer oder geänderter Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens geworden, so kann der [X.] das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverweisen. Ob von dieser Möglichkeit ("kann") Gebrauch gemacht wird, hängt im Wesentlichen von prozessökonomischen Erwägungen ab ([X.]-Urteil vom 21.01.2015 - XI R 12/14, [X.]/NV 2015, 957).

a) Der [X.] entscheidet in derartigen Fällen regelmäßig in der Sache selbst, [X.]n diese spruchreif ist (z.B. [X.]-Urteile in [X.], 410, [X.], 86; vom 05.06.2014 - XI R 25/12, [X.]E 245, 465, [X.], 806, Rz 29).

b) Dagegen verfährt der [X.] regelmäßig nach § 127 [X.]O, [X.]n der Änderungsbescheid einen neuen Streitpunkt enthält (vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 02.03.2004 - IX R 17/03, [X.]/NV 2004, 953; vom 06.10.2009 - IX R 5/09, [X.]/NV 2010, 654) und hinsichtlich der Änderung zwischen den Beteiligten kein Einvernehmen besteht oder sich aufgrund des Änderungsbescheids tatsächliche Fragen stellen, die bisher noch nicht geklärt sind (vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 02.03.2011 - II R 5/09, [X.]/NV 2011, 1147; vom 18.12.2013 - III R 52/11, [X.]/NV 2014, 851, Rz 33, und in [X.]/NV 2015, 957).

So verhält es sich auch im Streitfall, in dem die Klägerin geltend macht, dass durch den Änderungsbescheid vom [X.] ihre Rechte aus § 91 AO verletzt worden seien. Auf die Frage, ob sich die Klägerin im Revisionsverfahren wie bei ihrem Einspruch gegen den Änderungsbescheid gegen die [X.] [X.]det, kommt es nicht an.

3. Auf die von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensfehler kommt es aufgrund der Zurückverweisung nicht an. Eine Berichtigung des Rubrums des finanzgerichtlichen Urteils ist entbehrlich, da der [X.] die Vorentscheidung insgesamt aufhebt ([X.]-Urteil vom [X.], [X.]/NV 2004, 1389).

4. Vorsorglich weist der [X.] zur materiell-rechtlichen Beurteilung im zweiten Rechtsgang auf Folgendes hin.

Bei seiner Entscheidung, ob und inwieweit die Klägerin eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 11 UStG unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Grundlage in Art. 135 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL in Anspruch nehmen kann, hat das [X.] das im vorliegenden Verfahren ergangene [X.]-Urteil zu berücksichtigen, nach dem die Bereitstellung eines Versicherungsprodukts an eine Versicherungsgesellschaft und (als Nebenleistung) die Vermittlung dieses Produkts für Rechnung dieser Gesellschaft sowie die Verwaltung der geschlossenen Versicherungsverträge nicht steuerfrei sind, [X.]n es sich um eine einheitliche Leistung handelt.

Hierzu hat der [X.] in Rz 22 seines Urteils nach Bezugnahme auf seine ständige Rechtsprechung zur Mehr- und Einheit von Leistungen darauf hingewiesen, dass die Lizenz zur Ver[X.]dung des Versicherungsprodukts es einem Versicherer ermöglicht, dieses Produkt potenziellen Kunden anzubieten und er zu diesem Zweck berechtigt, aber keineswegs verpflichtet sei, die von der Klägerin bereitgestellten Vermittlungsleistungen in Anspruch zu nehmen. Nach dem Urteil des [X.] scheinen die von der Klägerin bereitgestellten Vermittlungsleistungen für den Vertrieb des Versicherungsprodukts an die zukünftigen Versicherten nicht unerlässlich zu sein, sondern eine eigenständige und selbständige Tätigkeit darzustellen, was vom nationalen Gericht zu prüfen sei.

Ohne Bindungswirkung für das weitere Verfahren im zweiten Rechtsgang nach § 126 Abs. 5 [X.]O weist der [X.] darauf hin, dass er hierin keinen Widerspruch zu der im ersten Rechtsgang vorgenommenen Beurteilung durch das [X.] sieht, bei der das [X.] ausgehend von der ständigen [X.]-Rechtsprechung zur Mehr- und Einheit von Leistungen von einer einheitlichen Leistung ausgegangen ist und dies ohne Rechtsverstoß insbesondere damit begründet hat, dass es für den Vergütungsanspruch nicht darauf angekommen sei, wer einen Vertragsabschluss vermittelt habe, sich aus der Art der Vergütung vielmehr ergebe, dass es dem Versicherer darum gegangen sei, die Nutzungsmöglichkeit an einem Versicherungsprodukt zu erhalten, um dieses durch [X.] auch immer vertreiben zu können, und eine hohe Mindestvergütung vereinbart worden sei. Dies entspricht der Beurteilung des [X.]s in seinem Vorlagebeschluss in [X.]E 266, 441, Rz 20. Im Übrigen hatte die Klägerin im Verfahren vor dem [X.] mit ihrer Klagebegründung selbst noch geltend gemacht, dass eine einheitliche Leistung vorliege, die sie aber im Hinblick auf die Steuerfreiheit dieser Leistung unzutreffend eingeordnet habe.

5. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

V R 10/21 (V R 58/17), V R 10/21, V R 58/17

22.06.2021

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 17. Oktober 2017, Az: 15 K 3268/14 U, Urteil

§ 127 FGO, § 4 Nr 11 UStG 2005, Art 135 Abs 1 Buchst a EGRL 112/2006, § 126 Abs 3 S 1 Nr 2 FGO, § 91 AO, UStG VZ 2011

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.06.2021, Az. V R 10/21 (V R 58/17), V R 10/21, V R 58/17 (REWIS RS 2021, 4765)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 4765

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

V R 58/17 (Bundesfinanzhof)

EuGH-Vorlage zur Entwicklung und Vermittlung von Versicherungsprodukten


XI R 35/18 (Bundesfinanzhof)

Tätigkeiten einer gemeinnützigen GmbH zugunsten ihrer Mitglieder: Steuerbarkeit; Steuerbefreiung aufgrund Unionsrechts (Rechtslage vor dem 01.01.2020)


XI R 16/17 (Bundesfinanzhof)

Garantiezusage eines Kfz-Händlers als Versicherungsleistung


XI R 3/17 (Bundesfinanzhof)

Übertragung des Betriebsgrundstücks auf die bisherige Organgesellschaft im Rahmen der Beendigung der Organschaft als Geschäftsveräußerung


XI B 13/19 (Bundesfinanzhof)

(AdV; Leistungsbeschreibung bei Waren im Niedrigpreissegment; kein Vorsteuerabzug aus Scheinlieferung; kein Vorsteuerabzug bei Beteiligung an …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.