Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.10.2012, Az. I ZR 81/11

1. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 1867

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Wettbewerbsverstoß: Automatische Aufnahme von Versicherungsleistungen in die Buchung einer Flugreise im Internet


Tenor

Die Beklagte wird darauf hingewiesen, dass der [X.] beabsichtigt, ihre Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 6. April 2011 gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Gründe

1

I. Die Beklagte vermittelt Reiseleistungen über das [X.]. Bei der Buchung von Flügen legt sie - nachdem der Kunde einen bestimmten Flug ausgewählt hat - unaufgefordert ein Versicherungspaket in den [X.], das der Kunde erst zu einem späteren Zeitpunkt des Buchungsvorgangs wieder entfernen kann. Die betreffende Rubrik enthält die voreingestellte Angabe

ELVIA Reiserücktritts-Vollschutz (für alle Reisenden im Preis inbegriffen).

2

Will der Kunde den Versicherungsschutz nicht in Anspruch nehmen, muss er die voreingestellte Auswahl ändern und die Option

Ich verzichte auf weiteren Versicherungsschutz (-16,00 € für alle Reisenden)

auswählen ("Opt-out"). Der Kläger, ein Verbraucherverband, sieht darin einen Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit Art. 23 Abs. 1 Satz 4 der Verordnung ([X.]) Nr. 1008/2008 des [X.] und des Rates vom 24. September 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von [X.] in der [X.] (ABl. [X.] Nr. L 293, [X.]). Er nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Zahlung von Abmahnkosten in Anspruch und hat unter anderem beantragt, der Beklagten zu untersagen,

gegenüber Verbrauchern auf der [X.]seite mit der Adresse [X.].  .de nach Auswahl einer gewünschten Flugverbindung eine zusätzliche Versicherungsleistung (hier: [X.]) in den virtuellen "[X.]" einzustellen, ohne dass der Verbraucher zuvor eine Erklärung über die Auswahl solch einer Versicherungsleistung abgegeben hat und dem Verbraucher lediglich die Möglichkeit zu eröffnen, die voreingestellte Auswahl einer Versicherungsleistung zu ändern, wie geschehen in dem Buchungssystem, von dem [ein] Ausdruck einer Bildschirmkopie als Anlage beigefügt ist.

3

Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

4

II. Der Senat beabsichtigt, die Revision durch Beschluss nach § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht (mehr) vorliegen (dazu 1) und das Rechtsmittel auch keine Aussicht auf Erfolg hat (dazu 2).

5

1. Die Revision ist zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO). Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision vorliegen, ist im Rahmen der Prüfung des § 552a ZPO der Zeitpunkt der Entscheidung des [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 20. Januar 2005 - I ZR 255/02, [X.], 448 = [X.], 508 - SIM-Lock II). Der [X.] hat nunmehr entschieden, dass Kosten für eine Reiserücktrittsversicherung, die bei der Buchung von Flugleistungen vom Reisevermittler angeboten und nicht vom Luftfahrtunternehmen selbst, sondern von einem unabhängigen [X.] erbracht wird, fakultative Zusatzkosten im Sinne des Art. 23 Abs. 1 Satz 4 der Verordnung 1008/2008 sind (Urteil vom 19. Juli 2012 - [X.]/11, [X.], 2867 Rn. 17 ff. - ebookers.com). Danach ist die im vorliegenden Fall maßgebliche Frage, ob das beanstandete Verhalten der Beklagten gegen §§ 5, 5a UWG verstößt, nicht mehr klärungsbedürftig.

6

2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

7

a) Ob das beanstandete Verhalten der Beklagten - wie vom Berufungsgericht angenommen und von der Revision als rechtsfehlerhaft gerügt - gegen § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 3 UWG und § 5a Abs. 2 und 3 Nr. 1, 3 UWG verstößt, kann vorliegend offenbleiben. Denn das angegriffene Urteil erweist sich jedenfalls aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO).

8

b) Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit Art. 23 Abs. 1 Satz 4 der Verordnung 1008/2008 zu.

9

aa) Die Vorschrift des Art. 23 Abs. 1 Satz 4 der Verordnung 1008/2008 ist eine Marktverhaltensregel im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG. Nach ihr müssen beim Angebot von innergemeinschaftlichen Flugdiensten fakultative Zusatzkosten zum einen auf klare, transparente und eindeutige Art und Weise am Beginn jedes Buchungsvorgangs mitgeteilt werden. Zum anderen darf die Annahme dieser fakultativen Zusatzkosten durch den Kunden nur auf Grundlage eines "Opt-in"-Verfahrens erfolgen.

cc) Die von der Beklagten angebotene Versicherungsleistung, die von einem mit dem Luftfahrtunternehmen nicht verbundenen [X.] erbracht wird, stellt eine solche fakultative Zusatzleistung im Sinne des Art. 23 Abs. 1 Satz 4 der Verordnung 1008/2008 dar. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] erfasst die Vorschrift die im Rahmen von Flugbuchungen angebotenen Zusatzleistungen - entgegen der Auffassung der Revision - auch dann, wenn sie von einem Reisevermittler und nicht vom Luftfahrtunternehmen selbst angeboten werden. Zudem ist der Anwendungsbereich der Vorschrift - ebenfalls entgegen der Ansicht der Revision - nicht nur auf die Fälle beschränkt, in denen die Zusatzleistung vom Luftfahrtunternehmen selbst oder von einem von ihm abhängigen Unternehmen erbracht wird. Vielmehr erfasst Art. 23 Abs. 1 Satz 4 der Verordnung 1008/2008 auch solche Vertragsgestaltungen, in denen die Zusatzleistung von einem mit dem Luftfahrtunternehmen nicht verbundenen [X.] erbracht wird, die Kosten dafür aber in einem Gesamtpreis mit den Kosten für die Flugleistung erhoben werden ([X.], [X.], 2867 Rn. 17 ff. - ebookers.com).

bb) Das Buchungsverfahren der Beklagten entspricht nicht den Anforderungen des Art. 23 Abs. 1 Satz 4 der Verordnung 1008/2008. Danach muss sich der Verbraucher aktiv für den Einschluss der zusätzlich angebotenen Leistung in den Vertrag entscheiden können ("Opt-in"-Verfahren). Beim Buchungsverfahren der Beklagten wird die zusätzlich angebotene Reiserücktrittsversicherung jedoch automatisch zum [X.] des Kunden hinzugefügt, so dass dieser - will er diese Leistung nicht in Anspruch nehmen - sich aktiv gegen deren voreingestellten Einschluss entscheiden und die Option "Ich verzichte auf weiteren Versicherungsschutz (-16,00 € für alle Reisenden)" auswählen muss. Erst dann wird die Versicherungsleistung aus dem [X.] entfernt ("Opt-out"-Verfahren).

c) Der Zahlungsanspruch ergibt sich nach [X.] aus § 5 UKlaG in Verbindung mit § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG.

III. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von vier Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

IV. Streitwert für die Revision: 15.000 €.

Bornkamm                            Pokrant                              [X.]

                         Koch                                Löffler

Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.

Meta

I ZR 81/11

25.10.2012

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend Thüringer Oberlandesgericht, 6. April 2011, Az: 2 U 783/10, Urteil

§ 3 UWG, § 4 Nr 11 UWG, Art 23 Abs 1 S 4 EGV 1008/2008

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.10.2012, Az. I ZR 81/11 (REWIS RS 2012, 1867)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1867

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

I ZR 81/11 (Bundesgerichtshof)


X ZR 23/20 (Bundesgerichtshof)

Flugbuchung im Internet: Erhebung eines zusätzlichen Entgelts für die Nutzung eines bestimmten Zahlungsmittels; Ausweisung einer …


I ZR 160/15 (Bundesgerichtshof)

Gestaltung des Buchungsvorgangs für Flugdienste im Internet: Intransparente Mitteilung über fakultative Zusatzkosten; Pflicht zur Einrechnung …


I ZR 160/15 (Bundesgerichtshof)


I ZR 29/12 (Bundesgerichtshof)

Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof zur Auslegung der Verordnung über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung …


Referenzen
Wird zitiert von

I ZR 160/15

I ZR 160/15

I ZR 29/12

I ZR 81/11

X ZR 23/20

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.