Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.11.2012, Az. XI ZR 384/11

11. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 980

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BUNDESGERICHTSHOF (BGH) BANK- UND KAPITALMARKTRECHT BANKEN BANKENKRISE ANLAGEBERATUNG

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Gegenstand

Bankenhaftung bei Kapitalanlageberatung: Widerrufsrecht beim Erwerb von Zertifikaten im Fernabsatz


Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 17. Zivilsenats des [X.] vom 22. Juli 2011 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt die beklagte Bank aus eigenem und abgetretenem Recht auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Erwerb von Zertifikaten der inzwischen insolventen [X.] sowie auf Rückabwicklung nach Widerruf ihrer Vertragserklärung in Anspruch.

2

Die Klägerin, eine Grundschullehrerin, und ihr Ehemann, ein Polizeibeamter (nachfolgend: Zedent), unterhielten ein Wertpapierdepot bei der Rechtsvorgängerin der [X.] (nachfolgend: Beklagte), über das sie zahlreiche Wertpapiergeschäfte abwickelten. Unter anderem erwarben sie am 27. Oktober 2004 das D.                Zertifikat VII, das sie am 12. Oktober 2006 mit einer Rendite von rund 26% wieder verkauften. Am 16. Oktober 2006 zeichneten sie das D.                    Zertifikat [X.]. Außerdem investierten die Klägerin und ihr Ehemann in Aktien.

3

Aufgrund eines mit einem Mitarbeiter der [X.] geführten Beratungsgesprächs, dessen Ablauf im Einzelnen streitig ist, erteilten die Klägerin und der Zedent am 8. Februar 2007 den Auftrag zum Kauf von 16 Stück "G.          "-Zertifikate (            , künftig: Zertifikate) der [X.] (künftig: Emittentin), ab dem 6./7. Februar 2007 an die Entwicklung des [X.] EuroSTOXX 50, des Standard & Poor´s 500 sowie des [X.] gebundene aktienindexbasierte [X.]zertifikate, im Nennwert von 1.000 € zum Preis von je 1.004,35 €, für die die Beklagte von der Emittentin eine Vertriebsprovision von 3,5% erlöste. Die Beklagte führte das Geschäft zu einem Festpreis aus. Eine Widerrufsbelehrung erteilte sie nicht.

4

Die Zertifikate wurden ab dem 1. August 2007 an der Börse gehandelt. Am 13. Mai 2008 erhielten die Klägerin und der Zedent eine [X.]zahlung in Höhe von 1.400 €. Im September 2008 wurde die [X.] Konzernmutter der Emittentin, die für die Rückzahlung der Zertifikate die Garantie übernommen hatte, insolvent. Dies zog die Insolvenz der Emittentin nach sich, so dass die Anleihen weitgehend wertlos wurden. Mit Schreiben vom 9. Februar 2010 erklärten die Klägerin und der Zedent den Widerruf aller von ihnen im Zusammenhang mit dem Erwerb der Zertifikate abgegebenen Erklärungen.

5

Die auf Rückgewähr von 16.069,60 € abzüglich des am 13. Mai 2008 erhaltenen [X.] bzw. Schadensersatz in gleicher Höhe Zug um Zug gegen Rückübertragung der Zertifikate sowie Ersatz weiterer Schäden gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.

I.

7

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner in [X.], 419 ff. veröffentlichten Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

8

Die Klägerin könne die Rückgewähr erbrachter Leistungen Zug um Zug gegen Rückübertragung der Zertifikate nicht verlangen, da ein Widerrufsrecht nicht bestanden und der von der Klägerin und ihrem Ehemann erklärte Widerruf mithin ins Leere gegangen sei. Zugunsten der Klägerin unterstellt, die Regelungen über Fernabsatzverträge fänden Anwendung, greife die Ausnahmeregel des § 312d Abs. 4 Nr. 6 [X.], der zufolge das Widerrufsrecht ausgeschlossen sei, sofern der Preis des Vertragsgegenstands auf dem Finanzmarkt Schwankungen unterliege, auf die der Unternehmer - hier: die Beklagte - keinen Einfluss habe und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten könnten. Sinn und Zweck dieser Regelung sei es auszuschließen, dass der Verbraucher risikolos auf Kosten des Unternehmers spekuliere, indem er während der Widerrufsfrist die Entwicklung des erworbenen Finanzprodukts beobachte und bei Ablauf der Widerrufsfrist entweder eine bis dahin eingetretene Kurssteigerung in einen Spekulationsgewinn umsetze oder bei für ihn ungünstiger Entwicklung einen Verlust durch Widerruf vermeide. Die Vorschrift sei anwendbar, obwohl die Zertifikate erst ab dem 1. August 2007 an der Börse gehandelt worden seien. Ihr Preis habe ab dem 6. Februar 2007 auf der Entwicklung der Indizes beruht, weshalb sie ab dem 7. Februar 2007 ihren Wert hätten verändern können. Entsprechend hätten die Klägerin und ihr Ehemann am 8. Februar 2007 nicht mehr den Nominalwert von 1.000 €, sondern einen um 4,35 € höheren Preis pro Stück gezahlt.

9

Schadensersatz wegen einer [X.] stehe der Klägerin nicht zu. Die Beklagte habe nicht über die Höhe ihrer Gewinnmarge aufklären müssen. Es fehlten Anhaltspunkte dafür, dass mit einem Totalverlust bei einer Anlage in eine Inhaberschuldverschreibung der Emittentin im Februar 2007 zu rechnen gewesen sei. Im Übrigen habe die Beklagte zwar auf die kumulierten Risiken des an die Entwicklung dreier Indizes geknüpften und seiner Funktionsweise nach schwer verständlichen Produkts hinweisen müssen. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme sei aber davon auszugehen, dass die Klägerin und ihr Ehemann "zertifikaterfahren und renditeorientiert" bzw. "chancenorientiert" gewesen seien, und der Klägerin der Nachweis einer unzureichenden Aufklärung nicht gelungen sei. Dieser Nachweis habe ihr ohne Rücksicht darauf oblegen, dass die Beklagte den Verlauf des dem Verkauf vorausgegangenen Beratungsgesprächs nicht dokumentiert habe, weil im Zeitpunkt des [X.] eine Pflicht zur schriftlichen Dokumentation des Beratungsverlaufs noch nicht bestanden habe.

II.

Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Die Klägerin kann aus eigenem und abgetretenem Recht weder die Rückabwicklung des [X.] noch Schadensersatz verlangen.

1. Das Berufungsgericht ist mit der obergerichtlichen Rechtsprechung und der mehrheitlich in der Literatur vertretenen Auffassung ([X.], [X.], 213, 215 f.; 1860, 1861 ff.; [X.], [X.], 1893; Beschluss vom 26. Mai 2011 - 19 U 51/10, juris Rn. 1 ff.; [X.], Urteil vom 15. Februar 2012 - 13 U 124/11 n.v.; [X.], [X.], 1412, 1413; [X.], Beschluss vom 27. Januar 2012 - 5 U 70/11, juris Rn. 39 f.; [X.], [X.] § 312d [X.] 2.11; Kropf, [X.], 1268, 1270 f.; [X.]/[X.], [X.], 41, 45 [zu [X.]]; [X.]/[X.], [X.], 71. Aufl., § 312d Rn. 14; [X.], [X.], 37, 38; [X.] in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 3. Aufl., § 10 Rn. 83; [X.], EWiR 2011, 801, 802; [X.]/[X.], [X.], Neubearbeitung 2013, § 312d Rn. 76; dagegen [X.], AG 2011, [X.], [X.]; [X.], EWiR 2012, 9, 10; [X.], [X.], 321, 325 ff.; [X.], [X.], 32, 35 f.; wohl auch [X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., § 312d Rn. 27; MünchKomm[X.]/[X.], 6. Aufl., § 312d Rn. 46; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 312d Rn. 57) zu Recht davon ausgegangen, der Klägerin und ihrem Ehemann habe nach § 312d Abs. 1 Satz 1, §  355 [X.] ein Recht zum Widerruf der auf Abschluss des Kaufvertrages als möglichem Fernabsatzvertrag gerichteten Willenserklärung jedenfalls deshalb nicht zugestanden, weil Gegenstand des Vertrages die Verschaffung von Finanzdienstleistungen gewesen sei, deren "Preis" innerhalb der Widerrufsfrist - dem Einfluss der Beklagten entzogen - Schwankungen unterlegen habe. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Zertifikate erst ab dem 1. August 2007 an der Börse notierten. Ausreichend war nach der Systematik, dem Sinn und Zweck und der Gesetzgebungsgeschichte des § 312d Abs. 4 Nr. 6 [X.], dass sie den Anspruch des Inhabers gegen den Emittenten auf Zahlung eines vom Stand der zugrundeliegenden Basiswerte (oder Underlyings) abhängigen Geldbetrages verbrieften (vgl. Senatsurteil vom 27. September 2011 - [X.], [X.], 119 Rn. 26 [X.]) und ihre Werthaltigkeit bereits am 8. Februar 2007 an die Entwicklung der in Bezug genommenen Indizes geknüpft war.

a) "Preis" im Sinne des § 312d Abs. 4 Nr. 6 [X.] ist nicht nur das Entgelt für ein Finanzprodukt, sondern auch ein wertbestimmendes Underlying.

aa) Dass mit dem Begriff des "Preises" in § 312d Abs. 4 Nr. 6 [X.] nicht (nur) ein unmittelbar auf dem Finanzmarkt gebildeter Börsenpreis, sondern auch ein den Marktpreis mittelbar beeinflussender Basiswert gemeint ist, der seinerseits Schwankungen auf dem Finanzmarkt unterliegt, ergibt sich systematisch und historisch aus der Aufnahme von "Derivaten" in den Regelbeispielskatalog des § 312d Abs. 4 Nr. 6 [X.]. Dieser Begriff fasst nach dem Willen des Gesetzgebers die in Art. 6 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2002/65/[X.] und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der [X.] und 98/27/[X.] ([X.]. [X.] 2002 Nr. L 271, [X.], künftig: [X.]) genannten ([X.]) "Swaps, Futures und Optionen" zusammen (BT-Drucks. 15/2946, S. 23; vgl. auch Siedler, Fernabsatzgesetz Finanzdienstleistungen, 2. Aufl., Rn. 198). Insbesondere Equity Swaps nehmen - anders als etwa Credit Default Swaps, die in Art. 6 Abs. 2 Buchst. a [X.] nicht erwähnt sind und als deren Referenzwerte vertraglich festgelegte, nicht marktbeeinflusste Kreditereignisse wie Insolvenz, Aufsage oder Verzug des Referenzschuldners fungieren (Jahn in Schimansky/Bunte/[X.], [X.], 4. Aufl., § 114 Rn. 25; [X.] in [X.]/[X.], Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., Rn. 19.232; [X.] in [X.]/[X.], Strafrechtliche Nebengesetze, 188. Ergänzungslieferung, § 30j WpHG Rn. 2) - auf marktbestimmte Basiswerte Bezug, nach denen sich ausweislich der jeweiligen von den Beteiligten vereinbarten Tauschbedingungen die Zahlungspflichten bemessen, ohne selbst einem Börsenhandel zu unterliegen.

Daraus folgt, dass über die Einordnung in § 312d Abs. 4 Nr. 6 [X.] nicht (nur) die Mechanismen entscheiden, die unmittelbar zur Bildung eines Handelsentgelts führen, sondern auch die sonstigen maßgeblich wertbestimmenden Faktoren ([X.], [X.], 213, 216; 1860, 1862 f.). Entsprechend kommt es für die Subsumtion unter die Ausnahme des § 312d Abs. 4 Nr. 6 [X.] nicht darauf an, ob Zertifikate der hier maßgeblichen Art bzw. eines in solche Zertifikate und Aktien investierenden Fonds (schon oder überhaupt) an einer Börse gehandelt werden und in welchem Umfang der Emittent - oder die Bank im Zuge eines Festpreisgeschäfts - Gewinnmargen in den Verkaufspreis einrechnen.

bb) Nur ein weites Verständnis des "Preises" im Sinne des § 312d Abs. 4 Nr. 6 [X.] wird Sinn und Zweck der Regelung gerecht ([X.], [X.], 213, 216; 1860, 1862; [X.], Beschluss vom 27. Januar 2012 - 5 U 70/11, juris Rn. 40; Kropf, [X.], 1268, 1271; [X.], [X.], 37, 38; [X.], EWiR 2011, 801, 802; a.A. [X.], [X.], 32, 35 f.; [X.], [X.], 321, 327). Dieser besteht darin, das Risiko eines wenigstens mittelbar finanzmarktbezogen spekulativen Geschäfts mit seinem Abschluss in gleicher Weise auf beide Parteien zu verteilen ([X.], [X.] § 312d [X.] 2.11; [X.], Die Umsetzung der [X.] im [X.] und [X.] Recht, 2006, [X.]; [X.], [X.], 2004, Rn. 134; Kropf, [X.], 1268, 1270 f.; [X.], Die Fernabsatz-Richtlinie für Finanzdienstleistungen an Verbraucher, 2003, [X.]; [X.], [X.], 2009, [X.]; [X.], [X.], 2006, [X.]; [X.], [X.] 2005, 53, 59 f.; vgl. außerdem die Begründung der [X.] zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des [X.] und des Rates über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der [X.] und 98/27/[X.], [X.]) 468 endg., [X.]). Definierte man "Preis" eng (nur) als Kauf- oder Handelspreis, verschöbe sich das Risiko einer negativen Wertentwicklung einseitig zulasten des Unternehmers, da der Verbraucher einen drohenden Verlust aufgrund fallender Basiswerte innerhalb der Widerrufsfrist durch Ausübung des Widerrufsrechts auf den Unternehmer abwälzen könnte.

Von Fällen, in denen Vertragsgegenstand die Lieferung von Waren ist, deren Wert mittelbar von Preisschwankungen auf Rohstoffmärkten abhängt, etwa der Wert eines Goldrings von der Entwicklung des Goldpreises (vgl. [X.], EWiR 2012, 9, 10; [X.], [X.], 321, 326; [X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., § 312d Rn. 27; MünchKomm[X.]/[X.], 6. Aufl., § 312d Rn. 46), und die ersichtlich nicht von § 312d Abs. 4 Nr. 6 [X.] erfasst sind, unterscheidet sich der Handel mit basiswertabhängigen Finanzinstrumenten entscheidend dadurch, dass der spekulative Charakter [X.] des Geschäfts ausmacht und individuelle wertbildende Faktoren, etwa die Qualität der Verarbeitung, für die Preisbildung keine Rolle spielen.

cc) Das Gebot, § 312d Abs. 4 Nr. 6 [X.] im Einklang mit dem durch die Bestimmung umgesetzten [X.] Sekundärrecht zu interpretieren, steht der Gleichsetzung des "Preises" mit dem Basiswert nicht entgegen (vgl. [X.], [X.] § 312d [X.] 2.11; Kropf, [X.], 1268, 1271). Im Gegenteil lässt sich Art. 6 Abs. 2 Buchst. a [X.] dieser Gleichlauf ohne weiteres entnehmen, ohne dass für den Senat - wie in der [X.] gefordert - Anlass bestünde, dem [X.] die Frage nach der Reichweite dieser Bestimmung zu unterbreiten.

(1) Zwar ist der Senat gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV als innerstaatlich letztinstanzlich entscheidendes Gericht grundsätzlich verpflichtet, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs einzuholen, wenn [X.]srecht auszulegen ist. Die Vorlagepflicht letztinstanzlicher Gerichte der Mitgliedstaaten entfällt jedoch, wenn die richtige Anwendung des [X.]srechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum mehr bleibt ([X.], [X.]. 1982, 3415 Rn. 16; [X.]. 2005, [X.] Rn. 33).

Das innerstaatliche Gericht darf nur dann davon ausgehen, dass ein solcher Fall vorliegt, wenn es davon überzeugt ist, dass auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und den Gerichtshof die gleiche Gewissheit bestünde ([X.], [X.]. 1982, 3415 Rn. 16). Bei der Beurteilung dieser Frage sind die Eigenheiten des [X.]srechts, die besonderen Schwierigkeiten seiner Auslegung und die Gefahr abweichender Gerichtsentscheidungen innerhalb der [X.] zu berücksichtigen ([X.], [X.]. 2005, [X.] Rn. 33). Dabei ist auch den gleichermaßen verbindlichen verschiedenen Sprachen der anzuwendenden gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift Rechnung zu tragen ([X.], [X.]. 1982, 3415 Rn. 18; [X.]. 1996, [X.] Rn. 28), wobei allerdings die maßgebliche Bestimmung nicht in jeder der offiziellen Sprachen der [X.] zu prüfen ist. Weiterhin ist die gemeinschaftsrechtliche Vorschrift in ihrem Zusammenhang zu sehen und im Lichte des gesamten [X.]srechts, seiner Ziele und seines Entwicklungsstandes zur Zeit der Anwendung auszulegen ([X.], Beschluss vom 26. November 2007 - [X.] 23/07, [X.]Z 174, 273 Rn. 34).

Ob nach Maßgabe dieser Kriterien die richtige Anwendung des [X.]srechts derart offenkundig ist und keinem vernünftigen Zweifel unterliegt, dass eine Vorlage an den Gerichtshof verzichtbar ist, bleibt allerdings allein der Beurteilung des nationalen Gerichts überlassen ([X.], [X.]. 2005, [X.] Rn. 37; vgl. auch [X.], 256, 261 f.).

(2) Bei Anlegung dieses Maßstabs ist es zur Überzeugung des Senats offenkundig und unterliegt keinem vernünftigen Zweifel, dass Art. 6 Abs. 2 Buchst. a [X.] unter "Preis" auch den Basiswert fasst. Das ergibt sich unmissverständlich aus dem Umstand, dass dort als "Finanzdienstleistungen, deren Preis auf dem Finanzmarkt Schwankungen unterliegt", unter anderem "Zins- und Devisenswaps sowie Swaps auf Aktien- oder Aktienindexbasis ('equity swaps')" definiert sind. Darin unterscheidet sich die [X.] nicht von anderen Sprachfassungen des Art. 6 Abs. 2 Buchst. a [X.] (englisch: "financial services whose price depends on fluctuations in the financial market […] as services related to: […] interest rate, currency and equity swaps", französisch: "aux services financiers dont le prix dépend de fluctuations du marché financier […] par exemple les services liés aux: […] contrats d’échange [swaps] sur taux d’intérêt ou sur devises ou contrats d’échange sur des [X.] [equity swaps]"). Der gemeinschaftsrechtliche Begriff des "Preises" schließt mithin unzweideutig den Basiswert ein.

b) Das Berufungsgericht ist im Übrigen zutreffend davon ausgegangen, der Preis der Zertifikate sei von Schwankungen auf dem Finanzmarkt abhängig gewesen, die außerhalb der Herrschaftssphäre der Beklagten gelegen hätten und die innerhalb der Widerrufsfrist hätten auftreten können. Die Bindung an die in Bezug genommenen Underlyings bestand schon innerhalb der ersten beiden Wochen nach Abschluss des Geschäfts, da Ertrag und Rückzahlungsverpflichtung der Emittentin ab dem 6./7. Februar 2007 von der Entwicklung des [X.] EuroSTOXX 50, des Standard & Poor´s 500 sowie des [X.] abhingen. Dass die Beklagte die Entwicklung dieser Aktienindizes in ihrem Sinne habe beeinflussen können, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision weiter gegen die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht aufgrund der zutreffenden Annahme, zwischen der Klägerin, ihrem Ehemann und der Beklagten sei ein Beratungsvertrag zustande gekommen, die Verletzung [X.] Aufklärungspflichten - Anhaltspunkte für eine unzureichend anlegergerechte Beratung zeigt die Revision nicht auf - verneint hat.

a) Die beratende Bank ist zu einer anleger- und objektgerechten Beratung verpflichtet (st. Rspr., vgl. Senatsurteil vom 6. Juli 1993 - [X.], [X.]Z 123, 126, 128 f.). Inhalt und Umfang der Beratungspflichten hängen von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich sind einerseits der Wissensstand, die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden und andererseits die allgemeinen und speziellen Risiken, die sich aus den Besonderheiten des [X.] ergeben. Die Beratung hat sich auf diejenigen Eigenschaften des [X.] zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Während die Bank über diese Umstände richtig, sorgfältig, zeitnah, vollständig und für den Kunden verständlich zu unterrichten hat, muss die Bewertung und Empfehlung des [X.] unter Berücksichtigung der genannten Gegebenheiten lediglich ex ante betrachtet vertretbar sein. Das Risiko, dass eine aufgrund anleger- und objektgerechter Beratung getroffene Anlageentscheidung sich im Nachhinein als falsch erweist, trägt der Anleger (vgl. zusammenfassend Senatsurteile vom 27. September 2011 - [X.], [X.], 119 Rn. 22 und - [X.], [X.], 2261 Rn. 23 [X.]).

b) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, der Klägerin sei der Nachweis einer nicht objektgerechten Beratung misslungen.

aa) Soweit das Berufungsgericht eine Pflicht zur Aufklärung über die im Kaufpreis enthaltene Gewinnmarge bei [X.] verneint hat, steht dies im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsurteil vom 26. Juni 2012 - [X.], [X.], 1520 Rn. 18 ff. [X.]). Denn für den Kunden ist bei der gebotenen normativ-objektiven Betrachtungsweise beim Eigengeschäft (§ 2 Abs. 3 Satz 2 WpHG, dazu Senatsurteil vom 26. Juni 2012 aaO Rn. 19, 22 [X.]) wie beim Eigenhandel (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 WpHG, dazu Senatsurteil vom 27. September 2011 - [X.], [X.], 119 Rn. 37) offensichtlich, dass die Bank eigene (Gewinn-)Interessen verfolgt, so dass darauf nicht gesondert hingewiesen werden muss. Auch aus der Rechtsprechung des [X.] zur Offenlegung versteckter Innenprovisionen und zur [X.] von Rückvergütungen ergibt sich nichts anderes (Senatsurteile vom 26. Juni 2012 aaO Rn. 23, 37, 48 und vom 16. Oktober 2012 - [X.], juris Rn. 33 ff. sowie - [X.], juris Rn. 23 [X.]).

bb) Das Berufungsgericht hat weiter zutreffend erkannt, dass die Beklagte verpflichtet war, die Klägerin und ihren Ehemann über die mit dem konkreten Produkt verbundenen Risiken aufzuklären (vgl. Senatsurteile vom 27. September 2011 - [X.], [X.], 119 Rn. 53 ff. und - [X.], [X.], 2261 Rn. 56 ff.). Es hat unter Bezugnahme auf die erstinstanzlich durchgeführte Beweisaufnahme festgestellt, die Klägerin sei hinsichtlich des erforderlichen und angeblich unterbliebenen Hinweises auf ein aus der Struktur des Produkts resultierendes besonderes Risiko beweisfällig geblieben. Dagegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern, zumal sich eine Beweislastumkehr oder Beweiserleichterungen nicht aus einer Verletzung von [X.] ergaben, die bei Abschluss des Geschäfts im Februar 2007 nicht bestanden (Senatsurteil vom 24. Januar 2006 - [X.], [X.]Z 166, 56 Rn. 17 ff.).

cc) Nicht zu beanstanden ist ferner die Auffassung des Berufungsgerichts, zum Zeitpunkt des Erwerbs der Zertifikate am 8. Februar 2007 sei ein Hinweis auf das konkrete Emittentenrisiko entbehrlich gewesen. Zwar musste die Beklagte die Finanzprodukte, die sie in ihr Anlageprogramm aufgenommen und empfohlen hatte, mit banküblichem kritischen Sachverstand überprüfen. Das galt auch hinsichtlich der Bonität der konkreten Emittentin bzw. Garantiegeberin, die für die Risikobeurteilung eines Zertifikats von maßgeblicher Bedeutung ist (vgl. Senatsurteile vom 27. September 2011 - [X.], [X.], 119 Rn. 24 und - [X.], [X.], 2261 Rn. 25 [X.]). Allerdings waren nach den [X.] Feststellungen des Berufungsgerichts die Bonitätsbewertungen der für diese Abschätzung maßgeblichen Konzerngesellschaft seinerzeit weiterhin so positiv, dass von einer Investitionswürdigkeit auszugehen war. Die von der Klägerin vermissten Erläuterungen waren mithin entbehrlich.

dd) Ohne Erfolg wendet die Revision schließlich ein, das Berufungsgericht habe eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht an eine unzureichende Aufklärung über das allgemeine Emittentenrisiko geknüpft.

Zwar trifft es im Ausgangspunkt zu, dass bei der Empfehlung von Anlagen wie der von der Klägerin und ihrem Ehemann getätigten auf dieses Risiko hingewiesen werden muss (vgl. Senatsurteile vom 27. September 2011 - [X.], [X.], 119 Rn. 25 ff. und - [X.], [X.], 2261 Rn. 26 ff. [X.]). Eine dahingehende Aufklärungspflicht entfällt aber, wenn der konkrete Anleger das generelle Gegenparteirisiko bei Zertifikaten - [X.] aus seinem bisherigen Anlageverhalten - kennt oder er sich insoweit als erfahren geriert (Senatsurteile vom 27. September 2011 - [X.] aaO Rn. 30 und - [X.] aaO Rn. 33 [X.]).

Das Berufungsgericht ist aufgrund einer vertretbaren tatrichterlichen Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gelangt, die Klägerin und ihr Ehemann seien "zertifikaterfahren" gewesen. Damit und mit seinem Verweis auf die landgerichtlichen Feststellungen zu den Vorerwerbungen seit dem [X.] hat es konkludent zum Ausdruck gebracht, die Klägerin und ihr Ehemann hätten im Februar 2007 einer Aufklärung über das allgemeine Emittentenrisiko nicht bedurft. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Eine Inbezugnahme der - hier unzutreffenden - Rechtsauffassung des [X.], auf ein "Totalausfallrisiko" müsse (generell) nicht gesondert hingewiesen werden, enthält das Berufungsurteil entgegen der Revision nicht.

[X.]                               Joeres                                 Ellenberger

                    [X.]

Meta

XI ZR 384/11

27.11.2012

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Düsseldorf, 22. Juli 2011, Az: I-17 U 117/10, Urteil

§ 312d Abs 4 Nr 6 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.11.2012, Az. XI ZR 384/11 (REWIS RS 2012, 980)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 980

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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