Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 09.01.2024, Az. 2 B 34/23

2. Senat | REWIS RS 2024, 550

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Leitsatz

Die Frist zur vollständigen Abfassung eines am Ende des Sitzungstages verkündeten Urteils bestimmt sich auch im Disziplinarklageverfahren nach § 117 Abs. 4 VwGO. § 275 Abs. 1 StPO findet keine Anwendung.

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 22. März 2023 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1

[X.]er Rechtsstreit betrifft ein beamtenrechtliches [X.].

2

1. [X.]er 1987 geborene [X.] steht als Polizeiobermeister im [X.]ienst des [X.]. [X.]as Amtsgericht verurteilte den [X.]n im Januar 2019 wegen [X.] im besonders schweren Fall in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten, die es zur [X.]ewährung aussetzte. Rechtsmittel hiergegen blieben ohne Erfolg.

3

Nach den strafgerichtlichen Feststellungen nahm der [X.] im Januar 2018 im Rahmen eines polizeilichen Einsatzes in der Wohnung eines Verstorbenen dessen EC-Karte und eine Visitenkarte an sich, auf der mehrere [X.] notiert waren. Aufgrund erheblicher finanzieller Probleme entschloss sich der [X.], die EC-Karte zur Abhebung von [X.]argeldbeträgen vom Konto des Verstorbenen zu nutzen. Seinem Tatplan entsprechend hob er an den nachfolgenden Tagen insgesamt 1 990 € ab, die er für sich behielt.

4

In dem im Juni 2018 eingeleiteten und wegen des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens vorübergehend ausgesetzten [X.]isziplinarverfahren hat der Kläger im Juli 2020 [X.]isziplinarklage erhoben. [X.]as [X.] hat den [X.]n aus dem [X.]eamtenverhältnis entfernt.

5

[X.]ie hiergegen eingelegte [X.]erufung des [X.]n ist ohne Erfolg geblieben. Ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung in der [X.]erufungsinstanz am 22. März 2023 hat der Vorsitzende die Entscheidung verkündet, dass "[d]ie [X.]erufung des [X.]n gegen das Urteil des [X.] vom 02. Juli 2021 [...] zurückgenommen" wird. In der am 22. März 2023 auf der Geschäftsstelle eingegangenen schriftlich niedergelegten Urteilsformel lautet der Tenor: "[X.]ie [X.]erufung des [X.]n gegen das Urteil des [X.] vom 02. Juli 2021 wird zurückgewiesen."

6

Nach Hinweis des [X.] und Anhörung der [X.]eteiligten haben der Vorsitzende und die Urkundsbeamtin am 17. Juli 2023 das Protokoll entsprechend der schriftlich niedergelegten Urteilsformel unter Hinweis auf ein Schreibversehen berichtigt.

7

[X.]as Urteil vom 23. März 2023 ist der Geschäftsstelle spätestens am 21. Juli 2023 übergeben worden. Zur [X.]egründung hat das [X.]erufungsgericht unter [X.]ezugnahme auf die erstinstanzliche Entscheidung ausgeführt, der [X.] habe ein schweres innerdienstliches [X.]ienstvergehen begangen. Seine Entfernung aus dem [X.]ienst stelle die angemessene [X.]isziplinarmaßnahme dar. [X.]ei deren [X.]emessung müsse eine Wertung aller im Einzelfall erkennbaren be- und entlastenden Umstände erfolgen. Entgegen der Auffassung des [X.]n könne dabei aus einer (vermeintlichen) Verwaltungspraxis des [X.] nichts abgeleitet werden.

8

2. [X.]ie auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache (§ 69 [X.] M-V i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der [X.]ivergenz (§ 69 [X.] M-V i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützte [X.]eschwerde hat keinen Erfolg.

9

a) Eine grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache [X.] § 69 [X.] M-V i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.

[X.]ie Revision ist wegen grundsätzlicher [X.]edeutung der Rechtssache zuzulassen, wenn die [X.]eschwerde eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender [X.]edeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln auch ohne [X.]urchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (vgl. etwa [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 9. April 2014 - 2 [X.] 107.13 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9 m. w. N., vom 15. Januar 2020 - 2 [X.] 38.19 - [X.] 11 Art. 33 Abs. 2 [X.] Nr. 99 Rn. 6 und vom 14. Februar 2023 - 2 [X.] 3.22 - juris Rn. 7). [X.]ie Prüfung des [X.] ist dabei auf die mit der [X.]eschwerde dargelegten Rechtsfragen beschränkt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

[X.]ie von der [X.]eschwerde bezeichneten Fragen,

"ob in der hier angegriffenen Entscheidung keine Verbindlichkeit trotz Vergleichbarkeit besteht, widrigenfalls es sich um Willkürlichkeit handelt,"

und

"welche typisierbaren Gründe prinzipiell zu einer Mindergewichtung strafrechtlicher und somit auch disziplinarrechtlicher Vorwürfe führen müssen",

entziehen sich einer rechtsgrundsätzlichen Klärung. Sie zielen in der Sache auf die inhaltliche Richtigkeit der Erwägungen des [X.]erufungsgerichts im Rahmen seiner [X.]emessungsentscheidung (§ 15 [X.] M-V). [X.]ie [X.]emessung der [X.]isziplinarmaßnahme ist jedoch stets eine Frage der Würdigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls (stRspr, [X.]VerwG, Urteil vom 16. Juni 2020 - 2 C 12.19 - [X.]VerwGE 168, 254 Rn. 39; [X.]eschlüsse vom 26. Oktober 2021 - 2 [X.] 12.21 - [X.] 235.2 L[X.]isziplinarG Nr. 88 Rn. 8, vom 30. März 2022 - 2 [X.] 46.21 - [X.] 235.1 § 13 [X.] Nr. 55 Rn. 9 und vom 23. Juni 2022 - 2 [X.] 53.21 - juris Rn. 8) und originäre Aufgabe des [X.]isziplinargerichts (§ 60 Abs. 3 [X.] M-V). Auf eine etwaige "Verwaltungspraxis" des [X.] käme es mithin nicht an.

[X.]er Verweis auf die "typisierbaren Gründe" für eine "Mindergewichtung" rechtfertigt die Zulassung der Revision ebenfalls nicht. [X.]ie Anforderungen an die "anerkannten" Milderungsgründe sind - soweit dies in verallgemeinerungsfähiger Form möglich ist - in der Rechtsprechung des Senats geklärt. Soweit bei der Maßnahmebemessung darüber hinaus auch alle sonstigen be- und entlastenden Umstände zu ermitteln und zu berücksichtigen sind, bedarf es einer einzelfallbezogenen Würdigung, die eine rechtsgrundsätzliche Klärung nicht zulässt.

Abgesehen davon stellt die [X.]eschwerde eine rechtliche Verknüpfung zwischen dem Straf- und dem [X.]isziplinarrecht her ("Mindergewichtung strafrechtlicher und somit auch disziplinarrechtlicher Vorwürfe"), die wegen der unterschiedlichen Zwecke der beiden Rechtsmaterien nicht besteht. [X.]enn während das Strafrecht vom Vergeltungsprinzip mit dem Ziel der individuellen Sühne durch ein Unwerturteil über gemeinschaftswidriges Verhalten und strafrechtliche Sanktionen geprägt ist, ist Zweck des [X.]isziplinarverfahrens, das Vertrauen in die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit der [X.]eamten und damit die Funktionsfähigkeit des öffentlichen [X.]ienstes sicherzustellen (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 15. [X.]ezember 2021 - 2 C 9.21 - [X.]VerwGE 174, 273 Rn. 65; [X.]eschlüsse vom 20. [X.]ezember 2018 - 2 [X.] 33.18 - juris Rn. 6 und vom 26. April 2023 - 2 [X.] 41.22 - juris Rn. 15). [X.]emnach trifft das [X.]isziplinargericht, wie bereits ausgeführt, eine an den Umständen des Einzelfalls und von der strafgerichtlichen Strafzumessung unabhängige [X.]emessungsentscheidung.

b) [X.]ie Revision ist auch nicht wegen eines [X.], auf dem die Entscheidung beruhen kann, zuzulassen (§ 69 [X.] M-V i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

aa) [X.]er geltend gemachte Verstoß gegen § 117 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 VwGO wegen verspäteter Absetzung des Urteils liegt nicht vor.

Nach § 117 Abs. 4 Satz 1 VwGO ist ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefasst war, vor Ablauf von zwei Wochen, vom [X.] an gerechnet, vollständig abgefasst der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln (§ 117 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 VwGO). [X.]iesen Anforderungen hat das [X.]erufungsgericht durch die noch am [X.] erfolgte Übermittlung der schriftlich niedergelegten Urteilsformel an die Geschäftsstelle entsprochen. [X.]abei kommt dem Umstand, dass die im Protokoll zunächst festgehaltene von der verkündeten Urteilsformel abgewichen ist, keine rechtliche [X.]edeutung zu. Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit der Verkündung wegen Verstoßes gegen wesentliche Formerfordernisse sind nicht ersichtlich und werden auch von der [X.]eschwerde nicht geltend gemacht. [X.]ie Unrichtigkeit des Protokolls war daher - wie geschehen - nach § 105 VwGO i. V. m. § 164 ZPO zu berichtigen.

[X.]as [X.]erufungsgericht hat das vollständig abgefasste Urteil auch alsbald [X.] § 117 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 VwGO nachträglich niedergelegt und an die Geschäftsstelle übermittelt.

Nach ständiger Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass ein bei seiner Verkündung noch nicht vollständig abgefasstes Urteil (erst) als nicht mit Gründen versehen gilt, wenn Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht binnen fünf Monaten nach Verkündung schriftlich niedergelegt, von den Richtern besonders unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden sind. [X.]iese Fünf-Monats-Frist stellt zur Vermeidung von Fehlerinnerungen und zur Sicherung der [X.]eurkundungsfunktion des Urteils die äußerste zeitliche Grenze für die Übergabe des vollständigen Urteils an die Geschäftsstelle dar. [X.]ei ihrer Überschreitung greift die Kausalitätsvermutung des § 138 Nr. 6 VwGO ein (vgl. GmS-OG[X.], [X.]eschluss vom 27. April 1993 - GmS-OG[X.] 1/92 - [X.]VerwGE 92, 367; [X.]VerwG, Urteil vom 10. November 1999 - 6 C 30.98 - [X.]VerwGE 110, 40 <47>; [X.]eschlüsse vom 3. Mai 2004 - 7 [X.] 60.04 - juris Rn. 4 und vom 29. September 2015 - 7 [X.] 22.15 - juris Rn. 4).

[X.]as vollständig abgefasste Urteil ist der Geschäftsstelle nach Aktenlage spätestens am 21. Juli 2023 und damit deutlich vor Ablauf der Fünf-Monats-Frist übermittelt worden. Entgegen der Auffassung der [X.]eschwerde gelten in Anlehnung an § 275 Abs. 1 StPO auch in [X.] keine kürzeren Fristen.

Nach § 275 Abs. 1 Satz 1 StPO ist das Urteil unverzüglich zu den Akten zu bringen, wenn es mit den Gründen nicht bereits vollständig in das Protokoll aufgenommen worden ist. [X.]ies muss nach § 275 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 StPO spätestens fünf Wochen nach der Verkündung geschehen. Aufgrund des in § 25 Satz 1 [X.][X.]O enthaltenen allgemeinen Verweises auf die Strafprozessordnung galt § 275 StPO für Form und Frist der [X.] in Verfahren nach der [X.]undesdisziplinarordnung entsprechend (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 21. Februar 1996 - 1 [X.] 59.95 - [X.] 235 § 78 [X.][X.]O Nr. 1 S. 2; zur Fortgeltung in Verfahren nach der Wehrdisziplinarordnung vgl. § 91 Abs. 1 Satz 1 W[X.]O sowie [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 28. August 2015 - 2 W[X.] 10.15 - [X.] 450.2 § 91 W[X.]O 2002 Nr. 7 Rn. 6).

Mit dem Inkrafttreten des [X.]undesdisziplinargesetzes hat der Gesetzgeber jedoch einen Paradigmenwechsel vollzogen, denn er hat das [X.]isziplinarrecht verfahrensrechtlich von der [X.]indung an das Strafprozessrecht gelöst und stattdessen eng an das [X.] und Verwaltungsprozessrecht angelehnt ([X.]T-[X.]rs. 14/4659 S. 33). [X.] wird dies durch die Streichung des § 25 [X.][X.]O und die zeitgleiche Einfügung der Verweisung in § 3 [X.] auf die ergänzend anzuwendenden [X.]estimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes und der Verwaltungsgerichtsordnung. Auf Regelungen der Strafprozessordnung wird nur noch punktuell in den Fällen verwiesen, in denen auf sie nicht verzichtet werden kann ([X.]T-[X.]rs. 14/4659 S. 34 f.; vgl. auch [X.]VerwG, Urteile vom 24. September 2009 - 2 C 80.08 - [X.]VerwGE 135, 24 Rn. 15 und vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - [X.]VerwGE 147, 229 Rn. 34). [X.]iese Änderung hat auch der Landesgesetzgeber nachvollzogen (vgl. § 27 Satz 1 L[X.]O M-V und § 3 [X.] M-V). Für eine (analoge) Anwendbarkeit des § 275 StPO ist folglich kein Raum.

Im Übrigen liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Entscheidung trotz Wahrung der Fünf-Monats-Frist gleichwohl als nicht mit Gründen versehen zu gelten hat (vgl. § 138 Nr. 6 VwGO), weil im vorliegenden Einzelfall besondere Umstände hinzukommen, die wegen des Zeitablaufs bereits bestehende Zweifel zu der Annahme verdichten, dass der gesetzlich geforderte Zusammenhang zwischen der Fällung des Urteils und den schriftlich niedergelegten Gründen nicht mehr gewahrt ist (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 30. Mai 2012 - 9 C 5.11 - [X.] 406.11 § 246a [X.]auG[X.] Nr. 1 Rn. 24; [X.]eschlüsse vom 29. September 2015 - 7 [X.] 22.15 - juris Rn. 5 und vom 14. August 2019 - 9 [X.] 24.19 - juris Rn. 28).

Allein der Zeitablauf von fast vier Monaten zwischen mündlicher Verhandlung und Übergabe des vollständigen Urteils an die Geschäftsstelle weckt hier keine Zweifel am Vorliegen des erforderlichen Zusammenhangs zwischen dem Ergehen des Urteils und der Wiedergabe des [X.]eratungsergebnisses. Es ist offensichtlich, dass nach Hinweis der Klägerin im Mai 2023 auf die Unrichtigkeit des Protokolls erst dessen [X.]erichtigung abgewartet werden sollte. [X.]enn die Übergabe des Urteils an die Geschäftsstelle schloss sich der [X.]erichtigung zeitlich unmittelbar an. Gegenteiliges zeigt auch die [X.]eschwerde nicht auf. Sie leitet Zweifel lediglich daraus her, dass das [X.]erufungsgericht bei der [X.]ewertung des Vorliegens von Milderungsgründen nicht der Argumentation des [X.]n gefolgt ist und sich nicht mit jedem Aspekt seines Vortrags auseinandergesetzt hat.

bb) Sofern die [X.]eschwerde der Sache nach (auch) eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 [X.], § 108 Abs. 2 VwGO) rügt, bleibt sie ebenfalls ohne Erfolg. Ein Gehörsverstoß liegt nicht vor.

[X.]er Anspruch eines Prozessbeteiligten auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht, seine Ausführungen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. [X.]ie Gerichte sind jedoch nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen eines [X.]eteiligten in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen (vgl. [X.]VerfG, [X.]eschlüsse vom 5. Oktober 1976 - 2 [X.]vR 558/75 - [X.]VerfGE 42, 364 <367 f.> und vom 19. Mai 1992 - 1 [X.]vR 986/91 - [X.]VerfGE 86, 133 <145 f.> und Kammerbeschluss vom 28. August 2014 - 2 [X.]vR 2639/09 - NVwZ 2015, 52 Rn. 47; [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 22. Juni 2015 - 2 [X.] 54.14 - juris Rn. 13). [X.]agegen vermitteln Art. 103 Abs. 1 [X.] und § 108 Abs. 2 VwGO keinen Schutz davor, dass ein Gericht aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts auf Vorbringen eines [X.]eteiligten nicht weiter eingeht (vgl. [X.]VerfG, [X.]eschluss vom 21. April 1982 - 2 [X.]vR 810/81 - [X.]VerfGE 60, 305 <310>, Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 [X.]vR 1621/94 - [X.]VerfGE 96, 205 <216 f.> m. w. N.; [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 20. Juli 2020 - 2 [X.] 33.20 - [X.] 303 § 404a ZPO Nr. 2 Rn. 5 m. w. N., vom 13. Januar 2021 - 2 [X.] 21.20 - [X.] 232.0 § 21 [X.][X.]G 2009 Nr. 11 Rn. 24 und vom 1. März 2023 - 2 [X.] 33.22 - juris Rn. 9). [X.]ie Verfahrensgarantie des rechtlichen Gehörs gebietet dem Gericht zudem nicht, bei der Würdigung der Sach- und Rechtslage den Ansichten der [X.]eteiligten zu folgen (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 3. März 2010 - 2 [X.] 12.10 - juris Rn. 2, vom 23. Februar 2017 - 2 [X.] 10.16 - [X.] 11 Art. 143b [X.] Nr. 14 Rn. 16 und vom 4. Juli 2022 - 2 [X.] 5.22 - [X.] 232.01 § 23 [X.]eamtStG Nr. 4 Rn. 15). [X.]ei alledem kommt es maßgeblich auf die Rechtsauffassung des [X.]erufungsgerichts an; andernfalls kann die Entscheidung nicht auf dem vermeintlichen Verfahrensfehler [X.] § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO "beruhen". An der [X.]arlegung des [X.]eruhens fehlt es, wenn die [X.]eschwerde sich im Wesentlichen nicht mit dem [X.]erufungsurteil auseinandersetzt, sondern an ihm vorbei argumentiert (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 1. März 2012 - 2 [X.] 120.11 - juris Rn. 6, vom 14. Oktober 2015 - 2 [X.] 62.14 - juris Rn. 5 und vom 6. Oktober 2016 - 2 [X.] 80.15 - juris Rn. 12).

[X.]iese Grundsätze hat das [X.]erufungsgericht nicht verletzt. Eine Auseinandersetzung mit dem Einwand des [X.]n, wonach seine Handlungen die Aufdeckung der Taten geradezu garantiert hätten, weil er die [X.]ank jeweils mit offenem Gesicht in einer markanten Kleidung betreten habe, sodass das sofortige Wiedererkennen durch seine eigenen Kollegen absolut sicher gewesen sei, musste sich dem [X.]erufungsgericht nicht aufdrängen. Es steht bereits im Widerspruch zu dessen tatsächlichen Feststellungen, wonach erst eine Anzeige der Tochter des Verstorbenen Ende März 2018 und die daraufhin veranlassten polizeilichen Ermittlungen zu einem Anfangsverdacht gegen den [X.]n führten. Von einer "Entdeckungsgarantie" und einem sofortigen Wiedererkennen durch Kollegen kann folglich keine Rede sein.

Ungeachtet dessen musste sich dem [X.]erufungsgericht eine [X.]efassung mit dem Einwand des [X.]n auch im Übrigen nicht aufdrängen. Selbst wenn man die Art und Weise der wiederholten Tatbegehung mit der [X.]eschwerde als "außergewöhnlich" bezeichnen wollte, erschließt sich nicht, inwiefern hierin ein Umstand liegt, der zugunsten des [X.]n in die [X.]emessungsentscheidung einzustellen gewesen wäre. Zuletzt wird mit der [X.]eschwerde auch ein "[X.]eruhen" nicht dargetan (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). [X.]er Vortrag "[X.]as ist nicht Nichts!" reicht hierfür ebenso wenig aus wie die Auffassung, eine [X.]erücksichtigung der hierin zum Ausdruck kommenden persönlichen Krisensituation hätte maßgeblichen Einfluss auf die Urteilsfindung gehabt.

3. [X.]ie Kostenentscheidung folgt aus § 78 Abs. 1 Satz 1 [X.] M-V. Einer Festsetzung des Streitwerts bedarf es nicht, weil für das [X.]eschwerdeverfahren nach § 77 Abs. 1 Satz 1 [X.] M-V Festgebühren erhoben werden.

Meta

2 B 34/23

09.01.2024

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern, 22. März 2023, Az: 10 LB 567/21 OVG, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 09.01.2024, Az. 2 B 34/23 (REWIS RS 2024, 550)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 550

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 B 3/23 (Bundesverwaltungsgericht)

Dienstentfernung wegen Bestechlichkeit


2 B 14/23 (Bundesverwaltungsgericht)

Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 130a VwGO


2 B 15/19 (Bundesverwaltungsgericht)

Verfahrensfehlerhafte Wahrunterstellung einer Beweistatsache


2 B 7/21 (Bundesverwaltungsgericht)

Disziplinare Entfernung eines Polizeibeamten aus dem Dienst wegen Unterschlagung von ca. 140 €; Vertretungsfall bei …


2 B 41/22 (Bundesverwaltungsgericht)

Ausdehnung des behördlichen Disziplinarverfahrens durch den Ermittlungsführer; nachträgliche Genehmigung des Dienstvorgesetzten; Aktenkundigkeit des Ausdehnungs- und …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

1 BvR 1621/94

2 BvR 2639/09

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.