Bundessozialgericht, Urteil vom 23.08.2012, Az. B 4 AS 32/12 R

4. Senat | REWIS RS 2012, 3683

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

(Arbeitslosengeld II - Unterkunft und Heizung - Erhöhung der angemessenen Unterkunftskosten durch Abschluss einer Modernisierungsvereinbarung auf Veranlassung des Mieters - analoge Anwendung des § 22 Abs 1 S 2 SGB 2)


Leitsatz

Zu den in tatsächlicher Höhe zu tragenden Unterkunftskosten gehören auch die aus einer Modernisierungsvereinbarung nach Eintritt der Hilfebedürftigkeit folgenden angemessenen Kosten der Unterkunft, ohne dass dem Leistungsberechtigten eine fehlende Vorabklärung mit dem SGB II-Träger entgegengehalten werden kann.

Tenor

Das Urteil des [X.] vom 14. Dezember 2011 und das Urteil des [X.] vom 18. Februar 2010 werden aufgehoben.

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 12. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Januar 2009 und unter Abänderung der Bescheide vom 29. Mai 2008 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 13. Oktober 2008 sowie 8. Januar 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2009 verurteilt, den Klägerinnen für die [X.] vom 1. September 2008 bis 30. Juni 2009 jeweils Leistungen für Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung der Mieterhöhung von 29,27 Euro sowie eines geringeren Abschlags für die Kosten für Warmwasserbereitung für die Klägerin zu 2 zu leisten.

Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen in allen Rechtszügen.

Tatbestand

1

Streitig sind höhere Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) in der [X.] bis zum 30.6.2009.

2

Die 1973 geborene, erwerbsfähige Klägerin zu 1 ist die Mutter der 2004 geborenen Klägerin zu 2, die sie allein erzieht und für die sie das alleinige Sorgerecht hat. Für die Klägerin zu 1 ist seit November 2001 Frau [X.] als [X.]etreuerin mit dem Aufgabenbereich "Wahrnehmung der Vermögens-, [X.]ehörden-, Wohn-, [X.]esundheitsangelegenheiten, Aufenthaltsbestimmung für [X.]esundheitsangelegenheiten" bestellt.

3

Ab Dezember 2007 mietete die Klägerin zu 1 für sich und die Klägerin zu 2 eine 52,50 m² große Zwei-Zimmer-Wohnung in [X.] an, für die eine [X.]ruttowarmmiete in Höhe von 400 Euro (Nettokaltmiete 261 Euro, [X.]etriebskosten 92 Euro, Heizung und Warmwasser 47 Euro) zu zahlen war. Das fensterlose [X.]adezimmer der Wohnung mit Linoleumboden enthielt ein WC, ein Waschbecken sowie eine [X.]adewanne und war mit Raufaser tapeziert.

4

Der [X.]eklagte bewilligte den [X.] für die [X.]räume von Juli bis Dezember 2008 und Jan[X.]r bis Juni 2009 jeweils insgesamt 798,38 Euro/Monat ([X.]escheide vom [X.]). Für die Klägerin zu 1 wurden die Regelleistungen in Höhe von 477 Euro (351 Euro zzgl 126 Euro Mehrbedarf für Alleinerziehende) sowie KdU-Leistungen in Höhe von 194,69 Euro (400 Euro abzgl 10,62 Euro [X.] ./. zwei [X.]ewohner) bewilligt und für die Klägerin zu 2 KdU-Leistungen in Höhe von 126,69 Euro erbracht. [X.]ei ihr war neben dem Kindergeld in Höhe von 154 Euro ein Unterhaltsvorschuss von 125 Euro als Einkommen anzurechnen.

5

Mit Einverständnis ihrer [X.]etreuerin und ohne vorherige Einschaltung des [X.]eklagten schloss die die Klägerin zu 1 mit ihrer Vermieterin am 17.7.2008 eine "Vereinbarung über Modernisierung und damit verbundener Mieterhöhung", in der [X.] niedergelegt war:

6

"Zwischen der Vermieterin und dem Mieter besteht Einverständnis, dass das [X.]ad der o.g. Wohnung zwar voll gebrauchsfähig ist, aber den heutigen Wohnbedürfnissen und Anforderungen nicht mehr entsprechen. Deshalb wird vereinbart, dass folgende Modernisierungsarbeiten ausgeführt werden:
[X.]ad-Modernisierung komplett, inkl. Fliesung
Die Vermieterin führt diese Arbeiten im Leistungsumfang entsprechend der Anlage auf Wunsch des Mieters aus. …
Vereinbarung Mieterhöhung
Die Kosten entsprechend dem Leistungsumfang sind fest vereinbart und belaufen sich auf insgesamt 3192,59 [X.]…
Im [X.]egenzug verlangt die Vermieterin für diese wohnwerterhöhende Maßnahme einen monatlichen Mietzuschlag in Höhe von 29,27 [X.]. Dieser Zuschlag wurde in Anlehnung an § 3 [X.] ermittelt, wobei fällige Instandsetzungsarbeiten berücksichtigt wurden. …
Die neue Miete 429,27 [X.] ist ab dem 1. des auf die Fertigstellung folgenden Monats zu zahlen. Diese Vereinbarung und Mietenneuberechnung ändert Ihren bestehenden Mietvertrag insoweit ab. …"

7

Diese Vereinbarung übersandte die [X.]etreuerin der Klägerin zu 1 dem [X.]eklagten unter dem [X.] als Mieterhöhungsmitteilung für die [X.] ab dem 1.9.2008 - ab diesem [X.]punkt hatte sich nach durchgeführter [X.]admodernisierung die Miete auf insgesamt 429,27 Euro erhöht - mit der [X.]itte um Erlass eines entsprechenden Änderungsbescheides.

8

Der [X.]eklagte teilte der Klägerin zu 1 daraufhin mit, dem Antrag auf Übernahme der Unterkunftskosten, die infolge der [X.]admodernisierung zusätzlich entstanden seien, könne nicht entsprochen werden ([X.]escheid vom 12.8.2008; Widerspruchsbescheid vom 14.1.2009). Wegen einer [X.]etriebskostenabrechnung vom 26.9.2008 mit einem [X.]uthaben von 30,60 Euro hob der [X.]eklagte die den [X.] für November 2008 bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung jeweils in Höhe von 15,30 Euro auf ([X.]escheid vom 13.10.2008). Mit Änderungsbescheid vom [X.] wurden die Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Klägerin zu 2 für die [X.] ab Febr[X.]r 2009 um monatlich 2 Euro auf 124,69 Euro verringert, weil sich zum Jahresbeginn einerseits das Kindergeld um 10 Euro erhöht und andererseits der Unterhaltsvorschuss um 8 Euro verringert hatten. Der gegen diesen [X.]escheid wegen der fortdauernden Außerachtlassung der Mieterhöhung ab 1.9.2008 erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom [X.]).

9

Nach Verbindung der gegen beide Widerspruchsbescheide gerichteten Klagen, Anhörung der [X.]etreuerin der Klägerin zu 1 und Vernehmung einer Mitarbeiterin der Vermieterin als Zeugin, hat das S[X.] die Klage abgewiesen (Urteil vom [X.]). Zur [X.]egründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Sanierung des [X.]ades sei nach dem Einzug der [X.] allein auf deren Veranlassung erfolgt, ohne dass dies für einen bestimmungsgemäßen [X.]ebrauch der Wohnung notwendig gewesen sei. Die [X.]adsanierung sei keine Maßnahme der Erhaltung, sondern der Verbesserung eines ausreichenden Wohnstandards gewesen.

Das LS[X.] hat die [X.]erufung zurückgewiesen (Urteil vom 14.12.2011). Zur [X.]egründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, zwar erfüllten die [X.] in dem streitigen [X.]raum die Voraussetzungen für die [X.]ewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem S[X.][X.] II, im Fall der Klägerin zu 1 in Form von [X.] und der Klägerin zu 2 von Sozialgeld. Die Klägerin zu 1 sei erwerbsfähig und habe im streitigen [X.]raum mit der noch nicht als erwerbsfähig geltenden Klägerin zu 2 in [X.]edarfsgemeinschaft gelebt. [X.]eide seien [X.] gewesen. Fehler bei der Anrechnung des der Klägerin zu 2 zurechenbaren Einkommens aus Kindergeld und Unterhaltsvorschusses seien nicht ersichtlich. Auch die nachträglichen teilweisen Aufhebungen der KdU-Leistungen für November 2008 aufgrund der [X.]etriebskostengutschrift (beide [X.] betreffend) und für die [X.] von Febr[X.]r bis Juni 2009 aufgrund der Kindergelderhöhung (nur die Klägerin zu 2 betreffend) seien nicht zu beanstanden. Allerdings ergebe sich bei korrektem Abzug der [X.] für den gesamten streitigen [X.]raum eine geringfügig höhere Leistung für die Klägerin zu 2, weil bei der [X.]erechnung der Leistungen für Unterkunft und Heizung von den einem Mitglied der [X.]edarfsgemeinschaft nach dem Kopfteilprinzip zurechenbaren Heizkosten eine Pauschale jeweils nur in der Höhe in Abzug zu bringen sei, in der die Kosten für die Warmwasserbereitung im jeweiligen Regelsatz enthalten sei. Aus der Mieterhöhung folge kein höherer Anspruch der [X.], weil die zusätzlichen Aufwendungen der [X.]admodernisierung in entsprechender Anwendung des § 22 Abs 1 S 2 S[X.][X.] II nicht zu leisten seien. Angesichts der erkennbaren Regelungsabsicht des [X.]esetzgebers sei § 22 S[X.][X.] II "planwidrig" unvollständig. Nach der [X.]esetzesbegründung zu § 22 Abs 1 S 2 S[X.][X.] II solle einer Kostensteigerung durch Ausschöpfung der jeweiligen örtlichen [X.] ohne Umzugsnotwendigkeit entgegengewirkt werden. Hierzu könne es auch kommen, wenn ein mit q[X.]litativ ausreichendem Wohnraum versorgter Leistungsberechtigter mit seinem Vermieter eine Modernisierungsvereinbarung schließe, aufgrund derer die Kosten (wie hier) in dem nach § 559 [X.][X.][X.] zulässigem Umfang auf den Mieter umgelegt würden. Dies habe die Folge, dass die Erhöhung zur vertraglich geschuldeten (Kalt-)Miete und damit zu den Zahlungsverpflichtungen aus dem Mietvertrag gehöre, für die gemäß § 22 Abs 1 S 1 S[X.][X.] II - bei Angemessenheit - Leistungen zu erbringen seien. Es sei kein [X.]rund ersichtlich, solche Sachverhalte anders als die vom [X.]esetzgeber allein in den [X.]lick genommenen "[X.]" zu behandeln. Die [X.] hätten bereits vor der Modernisierung über ein nach S[X.][X.] II-Maßstäben akzeptables [X.]ad verfügt. Insbesondere sei die Fliesung von Wand und [X.]oden eines [X.]adezimmers nicht zur bestimmungsgemäßen Nutzung - auch durch Kleinkinder - erforderlich. Dass es vor der [X.]admodernisierung bereits zu einer gesundheitsgefährdenden Schimmelbildung gekommen sei, hätten die [X.] nicht geltend gemacht. Auch stünden den [X.] durch den Mehrbedarfszuschlag für Alleinerziehende Mittel zur Deckung der Differenz zwischen den tatsächlichen und den vom [X.]eklagten bei der Leistungsberechnung zugrunde gelegten KdU zur Verfügung.

Mit ihren Revisionen rügen die [X.], eine analoge Anwendung des § 22 Abs 1 S 2 S[X.][X.] II sei ausgeschlossen. Eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage lägen nicht vor. Dem [X.]eklagten bleibe nur die Möglichkeit der Kostensenkung nach § 22 Abs 1 S 3 S[X.][X.] II, wenn durch umgelegte Modernisierungskosten die [X.] der Unterkunftskosten überschritten würden. Unabhängig hiervon habe der Vermieter mit Schreiben vom 7.11.2008 bestätigt, dass das [X.]ad nicht mehr dem heutigen Standard entspreche. Die ärztlich bescheinigte [X.]esundheitsgefährdung der Klägerin zu 2 sei nicht ausreichend berücksichtigt worden.

Die [X.] beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts [X.]erlin-[X.]randenburg vom 14. Dezember 2011 und das Urteil des Sozialgerichts [X.]erlin vom 18. Febr[X.]r 2010 aufzuheben und den [X.]eklagten unter Aufhebung des [X.]escheides vom 12. August 2008 in der [X.]estalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Jan[X.]r 2009 und unter Abänderung der [X.]escheide vom 29. Mai 2008 in der [X.]estalt der Änderungsbescheide vom 13.Oktober 2008 sowie 8. Jan[X.]r 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2009 zu verurteilen, den [X.] für die [X.] vom 1. September 2008 bis 30. Juni 2009 jeweils Leistungen für Unterkunft und Heizung unter [X.]erücksichtigung der Mieterhöhung von 29,27 Euro sowie eines geringeren Abzugs für die Kosten für die Warmwasserbereitung für die Klägerin zu 2 zu leisten.

Der [X.]eklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Er bezieht sich auf das Urteil des LS[X.].

Entscheidungsgründe

Die zulässigen Revisionen der [X.] sind begründet.

1. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens sind der Bescheid vom 12.8.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.1.2009, mit dem es der Beklagte abgelehnt hat, die aufgrund der Modernisierung ab September 2008 erhöhten Unterkunftskosten - im Wege der Korrektur der Bewilligungsbescheide vom [X.] nach § 48 SGB X - zu übernehmen, der Bescheid vom 13.10.2008, mit dem für November 2008 die Leistungen für Unterkunft und Heizung für beide [X.] aufgrund einer Betriebskostengutschrift teilweise aufgehoben wurden, und schließlich der Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [X.], mit dem die Leistungen für Unterkunft und Heizung nur für die Klägerin zu 2 für die Zeit von Febr[X.]r bis Juni 2009 in geringfügigem Umfang (in Höhe von 2 Euro) wegen höheren Einkommens aufgehoben wurden. Sämtliche Bescheide betreffen den streitigen Zeitraum und sind nach § 86 SGG zum Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden, in dem die [X.] ihr Begehren auf höhere Leistungen unter Berücksichtigung der Mieterhöhung wegen des [X.] zum Ausdruck gebracht haben.

2. Die materielle Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Bescheide beurteilt sich nach § 40 Abs 1 [X.] iVm § 48 Abs 1 S 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt - dies betrifft hier die Bewilligungsbescheide vom [X.] - mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs 1 S 2 [X.]). Wegen § 40 Abs 1 S 2 [X.] iVm § 330 Abs 3 [X.] ist diese Rechtsfolge zwingend.

Eine wesentliche Änderung gegenüber den bei Erlass der Bewilligungsbescheide vom [X.] bestehenden Verhältnissen liegt auch unter Berücksichtigung der in [X.] Umfang einbezogenen Änderungen in der Leistungshöhe durch die mit den Bescheiden vom 13.10.2008 und 9.1.2009 berücksichtigte Betriebskostenrückzahlung, Kindergelderhöhung und Verringerung des Unterhaltsvorschusses vor, weil die [X.] in dem streitigen Zeitraum vom 1.9.2008 bis 30.6.2009 die Übernahme ihrer tatsächlichen Mietkosten in Höhe von 429,27 Euro mit der Folge jeweils höherer Leistungen beanspruchen können. Wie das [X.] bereits ausgeführt hat, ergeben sich geringfügig höhere Leistungen für die Klägerin zu 2 auch aus einem von dem Beklagten zu korrigierenden Abzug der WW-Pauschale.

3. Die [X.] haben (anteiligen) Anspruch auf Übernahme des von ihnen ab 1.9.2008 zu zahlenden [X.] in Höhe von 29,27 Euro.

Nach § 22 Abs 1 S 1 [X.] werden die Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen übernommen, soweit diese angemessen sind. Von § 22 Abs 1 S 1 [X.] erfasst sind sämtliche Zahlungsverpflichtungen, die sich aus dem Mietvertrag bzw einer mit dem Vermieter getroffenen Vereinbarung für die Unterkunft ergeben und tatsächlich gezahlt werden ([X.]-4200 § 22 [X.] Rd[X.]9 ff zum Nutzungsentgelt für die Küchenmöblierung; [X.], 274 = [X.]-4200 § 22 [X.], Rd[X.]5 ff zu den Kosten eines Kabelanschlusses). [X.] wird an die rechtliche und tatsächliche Verpflichtung zur Mietzinszahlung im Rahmen des Mietverhältnisses. Ausreichend ist, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige einer ernsthaften Mietzinsforderung ausgesetzt ist ([X.]-4200 § 22 [X.] Rd[X.]6 ff; [X.], 179 = [X.]-4200 § 22 [X.], Rd[X.]6). Auch soweit der Vermieter - wie hier - die Kosten einer Modernisierungsmaßnahme nach § 559 BGB auf den Mieter abwälzt, gehören diese Kosten, auch wenn sie weiterhin gesondert ausgewiesen sind, zur vertraglich geschuldeten (Kalt-)Miete (so ausdrücklich [X.] vom 19.10.2010 - [X.] [X.]/10 R - juris Rd[X.]5 zu einem vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit vereinbarten Modernisierungszuschlag).

§ 22 Abs 1 S 1 [X.] enthält auch keine Beschränkung der zu übernehmenden tatsächlichen Unterkunftskosten auf solche Kosten, die bereits bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit nach dem [X.] zu zahlen waren. Entsprechend ist der Senat davon ausgegangen, dass die Verpflichtung des [X.]-Trägers zur Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen nicht dadurch begrenzt wird, dass eine mit einer Erhöhung der laufenden Aufwendungen für Kosten der Unterkunft während des Leistungsbezugs nach dem [X.] verbundene [X.] vorliegt, die möglicherweise zivilrechtlich unwirksam war ([X.], 179 = [X.]-4200 § 22 [X.], Rd[X.]6 ff). Insofern hat es der Senat nur nach einem Kostensenkungsverfahren nach § 22 Abs 1 S 3 [X.], das mit einem Informationsschreiben zum Rechtsstandpunkt des [X.] und dem befürworteten Vorgehen gegenüber dem Vermieter verbunden sein muss, für möglich gehalten, die Kosten für Unterkunft und Heizung zu beschränken ([X.]). Unabhängig davon, dass Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit der Umlage der Modernisierungskosten auf die laufenden Mietzahlungen der [X.] nicht gegeben sind, liegt auch ein solches Informationsschreiben des Beklagten bzw eine Kostensenkungsaufforderung hier nicht vor.

4. a) Die vom [X.] befürwortete analoge Anwendung des § 22 Abs 1 S 2 [X.] idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom [X.] ([X.] 1706) mit einer Begrenzung der Übernahme der tatsächlichen Unterkunftsaufwendungen auf die bis zum 31.8.2008 durch den Beklagten zu tragenden Aufwendungen ist nicht möglich.

Nach § 22 Abs 1 S 2 [X.] wird nur der bisherige Bedarf an Unterkunftskosten anerkannt bzw werden die KdU-Leistungen "weiterhin nur in Höhe der bis dahin zu tragenden angemessenen Aufwendungen erbracht", wenn sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung erhöhen. Fraglich ist schon, ob das vom [X.] festgestellte Verhalten der [X.] die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Regelung erfüllt. Als einen Umzug rechtfertigende Umstände sind auch objektiv bestehende sachliche Gründe jenseits einer zwingenden Notwendigkeit eines Umzugs - hier übertragen auf die Vereinbarung einer Modernisierung - zu beachten und von den Leistungsberechtigten nur maßvolle Beschränkungen ihrer Gestaltungsmöglichkeiten zu fordern ([X.] vom 24.11.2011 - [X.] [X.]/10 R - [X.]-4200 § 22 [X.] Rd[X.]7). Ausreichend ist, dass ein plausibler, nachvollziehbarer und verständlicher Grund für den Wohnungswechsel vorgelegen hat, von dem sich auch ein [X.] leiten lassen würde ([X.]).

Der Senat kann dennoch entscheiden, weil eine analoge Anwendung des § 22 Abs 1 S 2 [X.] auf die Fallgestaltung einer Modernisierungsvereinbarung aus grundsätzlichen Erwägungen ausscheidet. Zwar steht dem nicht schon entgegen, dass es sich um die analoge Anwendung einer Ausnahmevorschrift zum Nachteil der Leistungsberechtigten handeln würde. Auch diese ist - allerdings nur in engen Grenzen - möglich (BSG [X.] 3-4100 § 59e [X.]; [X.]-1300 § 44 [X.] RdNr 23). Es fehlt aber an der vom [X.] angenommenen planwidrigen Regelungslücke. Die eine analoge Anwendung einer Vorschrift rechtfertigende planwidrige Lücke innerhalb des Regelungszusammenhangs eines Gesetzes setzt das Fehlen rechtlicher [X.] dort voraus, wo sie für bestimmte Sachverhalte erwartet werden und bestimmt sich ausgehend von der gesetzlichen Regelung selbst, den ihr zugrunde liegenden [X.], den verfolgten Zwecken und Wertungen, auch gemessen am Maßstab der gesamten Rechtsordnung (vgl zB [X.], 217 = [X.]-4200 § 26 [X.], Rd[X.] mwN). Unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der Norm, den Gesetzesmaterialien sowie des systematischen Zusammenhangs des § 22 Abs 1 S 2 [X.] mit den weiteren Kürzungsregelungen des § 22 [X.] kann der Senat eine solche planwidrige Regelungslücke nicht erkennen.

b) § 22 Abs 1 S 2 [X.] wurde erst durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom [X.] ([X.] 1706) mit Wirkung zum 1.8.2006 als Ausnahmeregelung zu § 22 Abs 1 S 1 [X.] eingefügt. In den [X.] wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass mit der Regelung einer Kostensteigerung durch Ausschöpfung der jeweiligen örtlichen [X.] ohne Umzugsnotwendigkeit entgegengewirkt werden solle (BT-Drucks 16/1410 [X.]). Sowohl im Wortlaut der Regelung als auch in der Gesetzesbegründung wird insofern deutlich zum Ausdruck gebracht, dass von dem Grundsatz der Übernahme der mietvertraglich vereinbarten tatsächlichen Kosten innerhalb der kommunalen [X.] nur bei einem von dem Hilfebedürftigen eigenständig betriebenen Umzug, nicht jedoch allgemein bei Mieterhöhungen aus sonstigen Gründen abgewichen werden sollte.

c) Dass der Sachverhalt einer Mieterhöhung innerhalb der [X.] des § 22 Abs 1 S 1 [X.] durch einen Umzug nicht mit einer nach bürgerlich-rechtlichen Vorschriften zulässigen Erhöhung der Miete aufgrund einer Modernisierungsvereinbarung zwischen Vermieter und Mieter gleichgestellt werden kann, ergibt auch der systematische Zusammenhang des § 22 Abs 1 S 2 [X.] mit § 22 Abs 2 S 1 [X.] (jetzt § 22 Abs 4 S 1 [X.]), auf den der Senat bereits in anderem Zusammenhang verwiesen hat ([X.] vom [X.] AS 10/10 R - [X.], 283 = [X.]-4200 § 22 [X.], Rd[X.]7 ff). Nach § 22 Abs 2 S 1 [X.] soll der erwerbsfähige Hilfebedürftige vor Abschluss eines Vertrags über eine neue Unterkunft die Zusicherung des für die Leistungserbringung bisher örtlich zuständigen kommunalen Trägers zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung nur verpflichtet, wenn der Umzug erforderlich ist und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind (§ 22 Abs 2 S 2 [X.]). Nur für den besonderen Fall einer Mieterhöhung durch einen Umzug ist somit eine Vorabklärungsmöglichkeit gleichermaßen für den Leistungsberechtigten und den [X.]-Träger gesetzlich vorgesehen, die [X.] mit dem Schutz des Leistungsberechtigten vor den weitreichenden Konsequenzen des § 22 Abs 1 S 2 [X.] verbunden ist, die in der dauerhaften, nur gekürzten Übernahme der tatsächlich angemessenen KdU, zudem ohne die Übergangsfrist des § 22 Abs 1 S 3 [X.], besteht (vgl [X.] vom [X.] AS 10/10 R - [X.], 283 = [X.]-4200 § 22 [X.], Rd[X.]7). Für Mieterhöhungen aus sonstigen Gründen besteht ein solches förmliches Vorabklärungsverfahren nicht.

d) Auch der Zusammenhang des § 22 Abs 1 S 2 [X.] mit § 22 Abs 1 S 3 [X.] ergibt, dass § 22 Abs 1 S 2 [X.] auf die ausdrücklich genannte Fallgestaltung eines Umzugs begrenzt ist. Sowohl nach § 22 Abs 1 S 2 [X.] als auch nach § 22 Abs 1 S 3 [X.] übernimmt der Grundsicherungsträger die tatsächlichen Aufwendungen für KdU nur eingeschränkt. Allerdings regelt § 22 Abs 1 S 3 [X.] mit seiner ihm innewohnenden Schutzfunktion die Tragung der die angemessenen Aufwendungen übersteigenden KdU im Sinne eines flexiblen, von [X.] abhängigen (Kostensenkungs-)Verfahrens, während § 22 Abs 1 S 2 [X.] - obwohl es sich um eine Kostensteigerung sogar nur innerhalb der kommunalen [X.] handelt - keinen solchen befristeten und differenzierten Bestandsschutz beinhaltet (vgl im Einzelnen [X.], 283 = [X.]-4200 § 22 [X.], Rd[X.]). Die gravierende Konsequenz einer auf unbegrenzte Zeit nur gedeckelten Kostenübernahme, also einer Leistungserbringung ggf unterhalb des Existenzminimums im Bereich des Wohnens, kann vor diesem Hintergrund nur auf die ausdrücklich gesetzlich erfassten Fallgestaltungen eines eigenmächtigen, nicht genehmigten Umzugs beschränkt sein.

Die in § 22 [X.] nicht geregelte Rechtsfolge einer Modernisierung mit einer Mietkostensteigerung innerhalb der kommunalen [X.] kann daher nicht - anstelle des dafür zuständigen Gesetzgebers - durch wertende Rechtsanwendung in analoger Anlehnung an § 22 Abs 1 S 2 [X.] festgelegt werden. In gleicher Weise kann die vom [X.] vorgenommene Heranziehung des der Klägerin zu 1 rechtmäßig bewilligten Mehrbedarfs für Alleinerziehende zur Deckung der erhöhten Unterkunftskosten nicht zur Rechtfertigung von gekürzten Leistungen herangezogen werden, weil dieser pauschalierte Mehrbedarf der Deckung anderer Bedarfe dient (vgl hierzu Urteil des Senats vom [X.] AS 167/11 R).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Meta

B 4 AS 32/12 R

23.08.2012

Bundessozialgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Berlin, 18. Februar 2010, Az: S 116 AS 4146/09, Urteil

§ 22 Abs 1 S 1 SGB 2 vom 20.07.2006, § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 vom 20.07.2006, § 22 Abs 2 S 2 SGB 2 vom 20.07.2006, § 559 BGB

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 23.08.2012, Az. B 4 AS 32/12 R (REWIS RS 2012, 3683)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3683

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