Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.07.2021, Az. 5 AZR 110/21

5. Senat | REWIS RS 2021, 3927

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 2. Dezember 2020 - 13 [X.] 855/19 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Vergütung von Umkleide- und innerbetrieblichen Wegezeiten.

2

Der Kläger ist bei der [X.], die an mehreren Standorten in der [X.] Kraftfahrzeuge produziert, im [X.] zuletzt als Werkzeugmechaniker beschäftigt. Er ist Mitglied der [X.] [X.].

3

Der zwischen der [X.] und der [X.] Bezirksleitung [X.] und [X.] abgeschlossene Manteltarifvertrag vom 15. Dezember 2008 idF vom 5. März 2018 (iF [X.]) regelt [X.].:

        

§ 1   

        

Geltungsbereich

        

Dieser Tarifvertrag gilt:

        

1.1     

räumlich: für die Werke der [X.]

        

1.2     

persönlich: für alle Beschäftigten, die Mitglied der IG Metall sind, …

        

…       

        
        

2. Abschnitt: Arbeitszeit: Dauer und Flexibilität            

        

…       

        

§ 6     

        

Arbeitszeit

        

…       

                 
                 
        

6.3     

Arbeitszeitverteilung

                          
        

6.3.1 

…       

                 

Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage … werden mit dem Betriebsrat vereinbart.

                 

…       

        

§ 7     

        

Arbeitszeitflexibilität / Mehrarbeit

        

7.1     

Grundsätze

        

…       

        
        

7.1.2 

Mehrarbeit

        

7.1.2.1

Mehrarbeit liegt vor, wenn die im Rahmen der Verteilung der tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit jeweils festgelegte tägliche und wöchentliche Arbeitszeit überschritten wird. Mehrarbeit wird nur vergütet, wenn sie von der/dem zuständigen Vorgesetzten angeordnet ist.

                 

…       

                 

Grundsätzlich wird Mehrarbeit durch bezahlte Freistellung von der Arbeit ausgeglichen.

        

…       

        
        

7.2     

Individuelles Flexibilitätskonto

        

7.2.1 

Zusätzliche Arbeitszeitflexibilitätsmaßnahmen werden über das individuelle Flexibilitätskonto gesteuert. Zu diesem Zweck wird für jede/jeden Beschäftigten ein individuelles Flexibilitätskonto eingerichtet. …

                 

…       

        

3. Abschnitt: Besondere Entgeltregelungen            

        

§ 12   

        

Entgeltregelungen

        

12.1   

Grundsätze

        

12.1.1

Bezahlt wird geleistete Arbeit und Arbeitsbereitschaft, es sei denn, dass durch Tarifverträge andere Regelungen getroffen sind.

        

…       

        
        

5. Abschnitt: Sonstige Regelungen            

        

…       

        

§ 28   

        

Sonstiges

        

…       

        

28.2   

Beschäftigte, die besonders schmutzige Arbeiten verrichten, erhalten täglich eine bezahlte Waschzeit bis zu 20 Minuten, die innerhalb der täglichen Arbeitszeit liegt. In der Regel beträgt sie z. B. bei Härtern, [X.] und [X.] in der [X.] Minuten und bei Beschäftigten in der Gießerei 20 Minuten.

                 

Mit dem Betriebsrat kann vereinbart werden, dass … die festgelegte Waschzeit unmittelbar im [X.] an die tägliche Arbeitszeit gelegt wird. …

        

28.3   

Der nach § 28.2 in Frage kommende Personenkreis wird mit dem Betriebsrat festgelegt.

        

…       

        
        

§ 30   

        

Beilegung von Meinungsverschiedenheiten

        

30.1   

Rechtsstreitigkeiten

        

30.1.1

Bei Rechtsstreitigkeiten zwischen

                 

[X.] und Beschäftigten …,

                 

die sich aus Anwendung, Auslegung … der Tarifverträge ergeben, ist zwischen der vom Vorstand bestimmten Stelle und dem Betriebsrat oder Gesamtbetriebsrat eine Einigung zu versuchen.

                 

Kommt eine Einigung nicht zustande, so sollen die beiderseitigen Vertreter der Tarifvertragsparteien hinzugezogen werden. Wird auch hier keine Einigung erzielt, so steht der Rechtsweg offen.

        

…“    

        

4

Die Unternehmensleitung und der Gesamtbetriebsrat der [X.] haben am 1. Dezember 2006 eine Betriebsvereinbarung Nr. 02/2007, Individuelles Flexibilitätskonto ([X.]) vereinbart, die [X.]. regelt:

       

2.    

Grundsätze des individuellen Flexibilitätskontos

        

•       

Es wird für jeden Beschäftigten ein individuelles Flexibilitätskonto eingerichtet.

        

…       

        
        

3.    

Einbringungen und Entnahmen

        

3.1     

Einbringungen

        

Der Aufbau von [X.]salden erfolgt ausschließlich durch tatsächlich geleistete Arbeitsstunden, die über die durch Schichtpläne oder Arbeitszeitmodelle gestaltete tarifliche regelmäßige Arbeitszeit hinausgehen. …

        

…       

        

3.3     

Sonderregelungen

        

3.3.1 

Bezahlung von Arbeitszeitflexibilitätsmaßnahmen (Mehrarbeit)

        

Für Arbeitszeitflexibilitätsmaßnahmen wird vereinbart, dass diese mit zunehmendem Stand des positiven [X.]saldos auf dem individuellen Flexibilitätskonto statt durch [X.]gutschrift gemäß Ziffer 3.1 in Geld vergütet werden.

        

Hierfür gilt folgende Staffelung:

        

- 0 bis 50 Stunden 25 % Bezahlung / 75 % [X.]gutschrift

        

- 51 bis 175 Stunden 50 % Bezahlung / 50 % [X.]gutschrift

        

- 176 bis 380 Stunden 75 % Bezahlung / 25 % [X.]gutschrift

        

- ab 381 Stunden 100 % Bezahlung

        

…“    

5

Der Kläger ist auf Anordnung der [X.] verpflichtet, vor Arbeitsaufnahme eine persönliche Schutzausrüstung (iF [X.]), bestehend aus feuerbeständiger Jacke mit [X.] und Namen des Beschäftigten, [X.], Sicherheitsschuhen, Handschuhen, Ärmelschonern und Schutzbrille als Arbeitskleidung anzulegen und sie während der Arbeit zu tragen. Zum An- und Ablegen der [X.] legt der Kläger innerbetriebliche Wege [X.]. zu den Spinden und den [X.] zurück. Umkleide- und Wegezeiten werden außerhalb der schichtplanmäßigen Arbeitszeit aufgewandt und von der [X.] nicht vergütet.

6

In einem vorangegangenen Rechtsstreit zwischen den Parteien begehrte der Kläger die Feststellung der Vergütungspflicht von Umkleide- und damit zusammenhängenden innerbetrieblichen Wegezeiten. Mit Urteil vom 8. August 2018 stellte das [X.] (- 8 [X.]/18 -) unter Abweisung der Klage im Übrigen fest, dass die vom Kläger für das An- und Ablegen der [X.] sowie für innerbetriebliche Wege von der Waschkaue zum Arbeitsplatz und zurück benötigte [X.] als Arbeitszeit zu vergüten sei. Auf die Berufung der [X.] wies das [X.] [X.] mit Urteil vom 15. August 2019 (- 6 [X.] 721/18 -) unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Feststellungsklage insgesamt ab.

7

Mit seiner Klage hat der Kläger Vergütung für Umkleide- und innerbetriebliche Wegezeiten für die [X.] vom 3. November 2017 bis zum 4. Oktober 2018 nebst Zinsen verlangt. Er hat gemeint, die [X.], die er außerhalb der schichtplanmäßigen Arbeitszeit für das An- und Ablegen der [X.] einschließlich dem Zurücklegen der damit verbundenen innerbetrieblichen Wege benötige, sei zu vergüten, hilfsweise sei er unter Fortzahlung der Vergütung freizustellen bzw. jedenfalls eine Kombination aus [X.]gutschrift und Vergütungsanspruch festzustellen.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.153,99 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2017 zu zahlen,

        

2.    

hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, den Kläger 38,28 Stunden unter Fortzahlung der Vergütung von der Erbringung der Arbeitsleistung freizustellen,

        

3.    

hilfsweise festzustellen, dass nach Ziff. 3.3.1 der GBV Flexibilitätskonto bei einem positiven [X.]saldo zwischen 51 und 175 Stunden dem Kläger 19,4 Stunden Arbeitszeit gutzuschreiben und 577,00 Euro auszuzahlen sind.

9

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, der [X.] schließe eine Vergütung aus.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Anträge auf Zahlung, hilfsweise bezahlte Freistellung, hilfsweise Feststellung weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung von Umkleide- und innerbetrieblichen Wegezeiten. Daher können auch die Hilfsanträge auf bezahlte Freistellung bzw. Feststellung keinen Erfolg haben.

I. Das Berufungsgericht hat dem [X.] des [X.] im Ergebnis zu Recht nicht stattgegeben. Ein Anspruch auf Vergütung von Umkleide- und innerbetrieblichen Wegezeiten ist durch Tarifvertrag ausgeschlossen.

1. Der Zulässigkeit der Klage steht weder die Regelung des § 30.1.1 [X.] noch die rechtskräftige Entscheidung des [X.] vom 15. August 2019 (- 6 [X.] 721/18 -) entgegen.

a) Ein innerbetriebliches Einigungsverfahren vor Klageerhebung war vom Kläger nicht durchzuführen.

aa) Die Regelungen des [X.] finden aufgrund beiderseitiger Tarifbindung nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 [X.]tz 1 TVG Anwendung. Die Beklagte ist als tarifvertragschließende Partei an den Haustarifvertrag gebunden. Der Kläger ist nach den bindenden Feststellungen des [X.] Mitglied der weiteren [X.], der [X.] [X.]. Räumlicher und persönlicher Geltungsbereich (§ 1.1, § 1.2 [X.]) sind eröffnet.

bb) Der Ausschluss des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten nach § 30.1.1 [X.] ist unwirksam, weil kein Fall des § 4 ArbGG vorliegt. Danach kann [X.]. in den Fällen des § 2 Abs. 1 ArbGG die Arbeitsgerichtsbarkeit nach Maßgabe der §§ 101 bis 110 ArbGG ausgeschlossen werden. Der Kläger zählt erkennbar zu keiner der in § 101 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG genannten Personengruppen.

b) Die Klage ist nicht aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung des [X.] vom 15. August 2019 (- 6 [X.] 721/18 -) wegen entgegenstehender Rechtskraft unzulässig.

aa) Die Rechtskraft eines früheren Urteils über denselben Streitgegenstand ist als negative Prozessvoraussetzung auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu beachten, weil die Rechtskraft ein unabdingbares, in jeder Verfahrenslage zu beachtendes [X.] für eine erneute gerichtliche Nachprüfung des schon beschiedenen Anspruchs schafft ([X.]Rspr., vgl. nur [X.] 16. Oktober 2020 - V ZR 98/19 - Rn. 18). Dies gilt auch, wenn eine im Vorprozess rechtskräftig entschiedene Rechtsfrage lediglich Vorfrage für die Entscheidung des nachfolgenden Rechtsstreits ist ([X.] 16. Jan[X.]r 2008 - [X.]/05 - Rn. 9 mwN). Dabei setzt jedoch die Bestimmung des § 322 Abs. 1 ZPO der Rechtskraft eines Urteils bewusst in der Weise enge Grenzen, dass diese sich auf den unmittelbaren Gegenstand des Urteils, dh. die Rechtsfolge beschränkt, die den Entscheidungssatz bildet, nicht aber auf einzelne Urteilselemente, tatsächliche Feststellungen und rechtliche Folgerungen, auf denen die betroffene Entscheidung aufbaut (vgl. [X.] 31. Mai 2012 - I ZR 45/11 - Rn. 36). Im Verhältnis eines vorausgegangenen Feststellungsurteils zu einer nachfolgenden Leistungsklage bedeutet dies, dass die Abweisung der auf Feststellung einer Forderung erhobenen Klage in der [X.]che insoweit Rechtskraft für eine später auf dieselbe Forderung gestützte Leistungsklage schafft, als das mit ihr erstrebte Prozessziel unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr aus demselben Lebenssachverhalt hergeleitet werden kann, der der Feststellungsklage zugrunde gelegen hat (vgl. [X.] 16. Jan[X.]r 2008 - [X.]/05 - Rn. 20; 14. Febr[X.]r 2006 - VI ZR 322/04 - Rn. 15).

bb) Nach den Feststellungen des [X.] hat das Berufungsgericht im Vorprozess, der zwischen den Parteien geführt worden ist, die Feststellungsanträge, die sich auf die Vergütungspflicht von Umkleide- und innerbetrieblichen Wegezeiten bezogen, abgewiesen. Dieses Urteil ist in Rechtskraft erwachsen.

cc) Im Streitfall ist die Leistungsklage dennoch nicht unzulässig, auch wenn sie sich ebenso wie die Feststellungsklage im Vorprozess auf die (Vor-)Frage der Vergütungspflicht von Umkleide- und innerbetrieblichen Wegezeiten bezieht. Die materielle Rechtskraft eines Urteils in einem späteren Rechtsstreit führt nur dann zur Unzulässigkeit der neuen Klage und deshalb zur Prozessabweisung, wenn die Streitgegenstände beider Prozesse identisch sind oder im zweiten Prozess das kontradiktorische Gegenteil der im ersten Prozess ausgesprochenen Rechtsfolge begehrt wird. Das ist vorliegend nicht der Fall, weil das Urteil im Vorprozess einen Feststellungsanspruch betrifft, während hier ein Leistungsanspruch geltend gemacht wird. Damit liegen unterschiedliche Streitgegenstände vor (vgl. [X.] 16. Jan[X.]r 2008 - [X.]/05 - Rn. 22 mwN).

2. Die auch im Übrigen zulässige Zahlungsklage ist unbegründet. Es besteht kein Vergütungsanspruch für die streitgegenständlichen Umkleide- und damit verbundenen innerbetrieblichen Wegezeiten. Zwar handelt es sich hierbei grundsätzlich um vergütungspflichtige Arbeitszeit, jedoch beinhaltet § 12.1.1 [X.] iVm. § 28.2 [X.] eine gesonderte Vergütungsregelung, welche die erhobenen Ansprüche ausschließt.

a) Ob die Klage schon deshalb unbegründet ist, weil bereits im Vorprozess zwischen den Parteien rechtskräftig über das Nichtbestehen der Vergütungspflicht von Umkleide- und Wegezeiten entschieden worden ist (vgl. [X.] 16. Jan[X.]r 2008 - [X.]/05 - Rn. 23), bedarf keiner Entscheidung. Denn die Klage ist bereits aus anderen materiell-rechtlichen Gründen unbegründet.

b) Bei den Zeiten zum An- und Ablegen der [X.] im Betrieb und den damit verbundenen innerbetrieblichen Wegezeiten handelt es sich um vergütungspflichtige Arbeitszeit nach § 611a Abs. 2 BGB (vgl. zu den Grundsätzen der Bewertung von [X.] als vergütungspflichtige Arbeitszeit zuletzt [X.] 25. April 2018 - 5 [X.] - Rn. 22 bis 24 mwN).

aa) Der Kläger ist nach den nicht angegriffenen und deshalb bindenden Feststellungen des [X.] auf Weisung der [X.] zum Tragen der [X.] während der Arbeit verpflichtet und es handelt sich um besonders auffällige Schutzkleidung. Dabei bedarf es keiner ausdrücklichen Anordnung zum Umkleiden im Betrieb, denn eine ausschließlich fremdnützige Tätigkeit liegt auch vor, wenn der Arbeitnehmer die vom Arbeitgeber dafür eingerichteten Umkleidemöglichkeiten für das von diesem angewiesene Anlegen seiner besonders auffälligen Dienstkleidung nutzt und sich anschließend zu seinem Arbeitsplatz begibt (vgl. [X.] 12. Dezember 2018 - 5 [X.] - Rn. 17; 6. September 2017 - 5 [X.] - Rn. 21, [X.]E 160, 167).

bb) Bei den mit dem An- und Ablegen der [X.] verbundenen Tätigkeiten sowie den erforderlichen innerbetrieblichen Wegezeiten zwischen Spind, Umkleideraum und eigentlichem Arbeitsplatz handelt es sich um vergütungspflichtige Arbeitszeiten. Diese [X.] bilden mit dem geschuldeten Arbeitsinhalt eine Einheit. Sie stellen insgesamt die vergütungspflichtige Dienstleistung nach § 611a Abs. 1 BGB dar, denn die Notwendigkeit des An- und Ablegens der [X.] und der damit verbundene Zeitaufwand des Arbeitnehmers - auch zum Aufsuchen der Umkleideräume - beruhen auf der Anweisung des Arbeitgebers zum Tragen der [X.] während der Arbeitszeit (vgl. [X.] 6. September 2017 - 5 [X.] - Rn. 13, [X.]E 160, 167).

c) Durch § 12.1.1 iVm. § 28.2 [X.] ist eine gesonderte Vergütung der Umkleide- und Wegezeiten ausgeschlossen.

aa) Mit der Einordnung der Umkleide- und Wegezeiten als Teil der nach § 611a Abs. 1 [X.]tz 1 BGB zu leistenden Arbeit ist noch nicht geklärt, wie diese Zeiten zu vergüten sind. Durch Arbeits- oder Tarifvertrag kann eine gesonderte Vergütungsregelung für eine andere als die eigentliche Tätigkeit und damit auch für Umkleide- und Wegezeiten getroffen werden (vgl. [X.] 12. Dezember 2018 - 5 [X.] - Rn. 19; 25. April 2018 - 5 [X.] - Rn. 31 mwN).

bb) Die Vergütungspflicht der Umkleide- und Wegezeiten ist aufgrund der Regelung des § 12.1.1 iVm. § 28.2 [X.] ausgeschlossen. Dies ergibt die Auslegung des Tarifvertrags (zu den nach [X.]Rspr. anzuwendenden allgemeinen Auslegungsgrundsätzen vgl. [X.] 26. Oktober 2016 - 5 [X.] - Rn. 25 mwN).

(1) Nach der Entgeltregelung in § 12.1.1 [X.] wird geleistete Arbeit und Arbeitsbereitschaft bezahlt, es sei denn, dass durch Tarifverträge andere Regelungen getroffen sind. Was geleistete Arbeit ist, definieren die Tarifvertragsparteien weder dort noch an anderer Stelle des Tarifvertrags. Auch den Regelungen der Arbeitszeit in § 6 [X.] lässt sich dies nicht entnehmen, denn sie betreffen lediglich die Arbeitszeitdauer, -gestaltung und -verteilung. Damit ist zwar der Wortlaut des § 12.1.1 [X.] hinsichtlich des [X.] der Vergütung nicht hinreichend eindeutig, doch legt er mit dem Begriff „geleistete Arbeit“ bereits nahe, dass dieser bezogen auf die konkrete Tätigkeit des jeweiligen Arbeitnehmers - im Streitfall eines [X.] - eingeschränkt zu verstehen ist.

(2) Aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang folgt sodann, dass die Tarifvertragsparteien eine Vergütungspflicht für [X.] wie Umkleiden und Zurücklegen von innerbetrieblichen Wegen nicht unter den Begriff der geleisteten Arbeit in § 12.1.1 [X.] fassen, mithin eine Vergütung hierfür ausschließen wollten. Dies zeigt die Bestimmung des § 28.2 [X.].

(a) Nach § 28.2 [X.] erhalten Beschäftigte, die besonders schmutzige Arbeiten verrichten, täglich eine bezahlte Waschzeit bis zu 20 Minuten, die innerhalb der täglichen Arbeitszeit liegt. Daneben wird in Abhängigkeit von der Tätigkeit der in der Regel zu gewährende Umfang der Waschzeit näher definiert. Der für den Anspruch auf bezahlte Waschzeit in Frage kommende Personenkreis wird nach § 28.3 [X.] mit dem Betriebsrat festgelegt.

(b) In § 28.2 [X.] wird nur eine bestimmte nicht wertschöpfende Arbeit der Vergütungspflicht unterworfen. Das Waschen stellt jedoch für den nach § 28.3 [X.] festgelegten Personenkreis gleichermaßen wie das Umkleiden und Zurücklegen von innerbetrieblichen Wegen eine Zusammenhangstätigkeit mit den eigentlichen Arbeitsaufgaben dar. Einer Regelung wie in § 28.2 [X.] hätte es daher nicht bedurft, wenn die Zusammenhangstätigkeit Waschen bereits unter den Begriff der geleisteten Arbeit iSd. § 12.1.1 [X.] zu fassen wäre. Auch die detaillierte Ausgestaltung des § 28.2 [X.] in Bezug auf die Regelbeispiele und die Differenzierung im Umfang der bezahlten Waschzeit zeigt, dass die Tarifvertragsparteien insoweit einen eigenständigen Vergütungsanspruch schaffen wollten. [X.] ein Tarifvertrag in zwei Bestimmungen einen Vergütungsanspruch für geleistete Arbeit und einen Vergütungsanspruch ausdrücklich für eine konkret benannte Zusammenhangstätigkeit, spricht dies mit hinreichender Klarheit (zur Erforderlichkeit dieser vgl. [X.] 25. April 2018 - 5 [X.] - Rn. 35) dafür, dass die Tarifvertragsparteien damit zugleich bestimmt haben, dass ein Vergütungsanspruch nur für die genannte Zusammenhangstätigkeit bestehen soll, nicht jedoch für weitere damit verbundene. [X.], die nicht die eigentliche arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit darstellen, sollen nach dem Willen der Tarifvertragsparteien nur in den ausdrücklich geregelten Fällen - hier allein im Fall des Waschens - vergütungspflichtig sein.

d) Der tarifvertragliche Vergütungsausschluss ist nicht wegen eines Verstoßes gegen § 3 Abs. 3 [X.] unwirksam.

aa) Nach § 3 Abs. 1 [X.]tz 1 [X.] ist der Arbeitgeber verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Maßnahmen des Arbeitsschutzes sind gemäß § 2 Abs. 1 [X.] Maßnahmen zur Verhütung von Unfällen bei der Arbeit und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren einschließlich Maßnahmen der menschengerechten Gestaltung der Arbeit. Gemäß § 3 Abs. 3 [X.] darf der Arbeitgeber Kosten für Maßnahmen nach dem [X.] nicht den Beschäftigten auferlegen.

bb) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 [X.] liegen im Streitfall nicht vor. Zugunsten des [X.] unterstellt, bei dem An- und Ablegen der [X.] und den damit verbundenen Wegezeiten handele es sich um Maßnahmen des Arbeitsschutzes, werden den Arbeitnehmern hierdurch keine Kosten auferlegt. Unter dem Begriff der Kosten werden Aufwendungen des Arbeitgebers für [X.]chmittel verstanden (vgl. Gesetzesbegründung [X.]. 13/3540 S. 16), nicht hingegen zeitliche Dispositionen des Arbeitnehmers (vgl. [X.] 13. Dezember 2016 - 9 [X.] - Rn. 30; so auch [X.]/[X.] NZA 2016, 149,151 f.; [X.] [X.] 8. Aufl. § 3 Rn. 14d; ebenso [X.]/[X.]/[X.]/[X.] [X.] 4. Aufl. § 3 Rn. 92, allerdings ohne nähere Begründung).

cc) Das Unionsrecht verlangt insoweit kein anderes Verständnis. Durch die Regelung des § 3 Abs. 3 [X.] wird Art. 6 Abs. 5 Richtlinie 89/391/[X.] umgesetzt, wonach die Kosten [X.]. für Sicherheitsmaßnahmen auf keinen Fall zu Lasten der Arbeitnehmer gehen dürfen. Dieser Kostenbegriff erfasst nicht die Vergütung von Arbeitszeiten, die erforderlich sind, die entsprechenden Mittel anzuwenden. Dies zeigt der [X.] mit Art. 12 Abs. 4 Sätze 2 und 3 Richtlinie 89/391/[X.] (in nationales Recht umgesetzt durch § 12 Abs. 1 [X.]tz 1 [X.]), worin bestimmt ist, dass Unterweisungen über Sicherheit und Gesundheitsschutz während der Arbeitszeit erfolgen müssen, sowie mit Art. 11 Abs. 5 Richtlinie 89/391/[X.], der Entgeltfortzahlungspflichten gegenüber Arbeitnehmervertretern mit besonderen Funktionen bei der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz vorsieht. Dagegen sind bei allen anderen [X.], die nach Art. 13 Richtlinie 89/391/[X.] die Arbeitnehmer im Rahmen des Arbeitsschutzes treffen, solche Entgeltzahlungspflichten des Arbeitgebers nicht vorgesehen (vgl. [X.]/[X.] NZA 2016, 149,152). Im Hinblick auf die klaren Regelungen der Richtlinie 89/391/[X.] bedarf es keines Vorlageverfahrens an den Gerichtshof nach Art. 267 AEUV (vgl. zu den [X.] [X.] 6. Oktober 1982 - [X.]/81 - [C.I.L.F.I.T.]).

e) Da ein Vergütungsanspruch bereits durch Tarifvertrag ausgeschlossen ist, kann dahinstehen, ob sich aus den Regelungen im Arbeitsvertrag und den geltenden Betriebsvereinbarungen ebenfalls ein Anspruchsausschluss ergibt.

II. Der für den Fall des Unterliegens mit dem Hauptantrag gestellte Hilfsantrag auf bezahlte Freistellung fällt dem Senat zur Entscheidung an. Dieser Antrag ist in der gebotenen Auslegung zulässig, jedoch wegen des Ausschlusses eines Vergütungsanspruchs für Umkleide- und innerbetriebliche Wegezeiten unbegründet.

1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (vgl. zu den Anforderungen an einen Antrag auf künftige Gewährung einer Freistellung von der Arbeitspflicht [X.] 15. Juli 2009 - 5 [X.] - Rn. 10, [X.]E 131, 215).

2. Der Hilfsantrag auf bezahlte Freistellung ist unbegründet. Das bei der [X.] als Flexibilitätskonto bezeichnete Arbeitszeitkonto hält fest, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht nach § 611a Abs. 1 [X.]tz 1 BGB erbracht hat oder aufgrund eines [X.] nicht erbringen musste. Es drückt damit - in anderer Form - seinen Vergütungsanspruch aus (vgl. [X.] 23. September 2020 - 5 [X.] - Rn. 21 mwN). Dies kommt hinreichend deutlich in Ziff. 3.1 Abs. 1 [X.]tz 1 [X.] zum Ausdruck, wonach der Aufbau von Zeitsalden ausschließlich durch tatsächlich geleistete Arbeitsstunden erfolgt, die über die [X.]. durch [X.] gestaltete tarifliche regelmäßige Arbeitszeit hinausgehen. Nach dem Klagebegehren handelt es sich um einen nach § 7.1.2.1 Abs. 1 [X.]tz 1, § 7.1.2.5.1 [X.] iVm. Ziff. 3.3.1 [X.] in Freizeitausgleich umgewandelten Vergütungsanspruch aufgrund von Umkleide- und innerbetrieblichen Wegezeiten. Da die [X.] des [X.] und [X.] innerbetrieblicher Wege keine zu vergütende Arbeitszeit darstellen, besteht auch kein Anspruch auf bezahlte Freistellung.

III. Der Hilfsantrag auf Feststellung fällt dem Senat zur Entscheidung an. Es kann dahinstehen, ob ein Feststellungsinteresse des [X.] nach § 256 ZPO gegeben ist, denn dieses ist Prozessvoraussetzung nur für das stattgebende Urteil. Deshalb ist das Revisionsgericht auch bei Fehlen des Feststellungsinteresses jedenfalls dann zu einer [X.]chentscheidung befugt, wenn gewichtige prozessökonomische Gründe gegen eine Prozessabweisung sprechen, etwa wenn die Klage eindeutig und unzweifelhaft abweisungsreif ist (vgl. [X.] 16. Dezember 2015 - 5 [X.] - Rn. 39 mwN, [X.]E 154, 8). Dies ist hier der Fall wegen des Ausschlusses der Vergütungspflicht von Umkleide- und innerbetrieblichen Wegezeiten.

IV. [X.] folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    [X.]    

        

    [X.]    

        

    Volk    

        

        

        

    Mandrossa    

        

    Störring    

                 

Meta

5 AZR 110/21

21.07.2021

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Hannover, 11. Oktober 2019, Az: 8 Ca 61/19, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.07.2021, Az. 5 AZR 110/21 (REWIS RS 2021, 3927)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 3927

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

5 AZR 572/20 (Bundesarbeitsgericht)

Berücksichtigung von Umkleide- und innerbetrieblichen Wegezeiten als vergütungspflichtige Arbeitszeit


9 AZR 574/15 (Bundesarbeitsgericht)

Umkleidezeiten als Arbeitszeit - Schätzung des Umfangs geleisteter Überstunden


5 AZR 137/21 (Bundesarbeitsgericht)

Auslegung TV-L (Vergütung von Wegezeiten sowie von im häuslichen Bereich vorgenommenen Umkleide- und Rüstzeiten)


7 Ca 1349/17 (Arbeitsgericht Düsseldorf)


4 Sa 449/17 (Landesarbeitsgericht Düsseldorf)


Referenzen
Wird zitiert von

7 Sa 275/22

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.