Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.11.2014, Az. IX ZR 31/13

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 1158

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 31/13

vom

20. November 2014

in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.]
Dr.
Kayser, den Richter [X.], die Richterin [X.], den Richter Dr.
Pape und die Richterin Möhring

am 20. November 2014
beschlossen:

Auf die Beschwerde des [X.] wird die Revision gegen das Ur-teil des 6.
Zivilsenats des [X.] vom 24.
Januar 2013 zugelassen.
Auf die Revision des [X.] wird das vorbezeichnete Urteil auf-gehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Be-rufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 254.016

t-gesetzt.

Gründe:

I.

Der 1951 geborene Kläger nimmt die Beklagten als Gesellschafter einer Anwaltssozietät wegen fehlerhafter anwaltlicher Beratung
auf Schadensersatz in Anspruch. Er
macht dieser Sozietät (künftig: den Beklagten) zum Vorwurf, ihn bei dem Abschluss eines
sein
Dienstverhältnis betreffenden
Aufhebungsvertra-ges fehlerhaft beraten zu haben.
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Der Kläger
war seit dem 1.
April 2001 Mitglied des Vorstands
der

AG. In dem Anstellungsvertrag
vom 29.
Mai 2001 wurde ihm ein Ruhegehalt zugesichert. Anlässlich einer Umstrukturierung teilte
der Aufsichtsratsvorsitzen-de
dem Kläger
am 13.
Juli 2005 mit, dass er mit sofortiger Wirkung von allen dienstlichen Pflichten freigestellt sei. Letztlich schloss der Kläger, der insoweit von den Beklagten vertreten und anwaltlich
beraten wurde, mit der

AG einen Vertrag, durch den der Anstellungsvertrag mit Wirkung zum 31.
August 2005 gegen Zahlung einer Abfindung und Zusage von Ruhegeld
aufgehoben wurde. Eine vertragliche Absicherung des [X.] konnte er gegenüber der

AG
nicht durchsetzen. Über das Vermögen der

AG wurde am 1.
September 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger meldete
seine Ansprüche aus der Versorgungszusage zur Tabelle an; der [X.]
V.

lehnte eine Eintrittspflicht ab.

Das [X.] hat nach Anhörung von drei Zeugen festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, dem Kläger den aus [X.] Falschberatung
entstandenen Schaden zu ersetzen. Es hat [X.], der Kläger habe den ihm
obliegenden Beweis erbracht, dass die [X.] Rechtsanwälte ihn
im Zusammenhang mit dem Aufhebungsvertrag nicht ausreichend rechtlich beraten hätten. Sie hätten ihn pflichtwidrig nicht [X.] hingewiesen, dass die ihm zugesagte betriebliche Altersversorgung noch nicht nach §
1b Abs.
1 [X.] unverfallbar gewesen sei und deswegen in der Insolvenz des Arbeitsgebers keine Ansprüche gegen den [X.] nach §
7 [X.] bestünden.
Wenn er zutreffend beraten worden wäre, hätte er sich mit der

AG
auf eine spätere Aufhebung des [X.] geeinigt, wozu das Unternehmen bereit gewesen wäre. Das Berufungs-2
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gericht
hat nach Anhörung der Parteien ohne Wiederholung der Zeugenver-nehmung das erstinstanzliche Urteil auf die Berufung der [X.] und die Klage abgewiesen.
Die Revision hat es nicht zugelassen.

Hiergegen wendet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.], mit der er die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung erreichen will. Er rügt insbesondere die Verletzung rechtlichen Gehörs durch das Berufungs-gericht.

II.

Die Revision ist zuzulassen und begründet, weil das angegriffene Urteil den Anspruch des
[X.]
auf rechtliches Gehör aus Art.
103 Abs.
1 GG in ent-scheidungserheblicher Weise verletzt. Die Beschwerde führt gemäß §
544 Abs.
7 ZPO unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1.
Das Berufungsgericht hat eine Beweislastentscheidung zum Nachteil des [X.] getroffen, ohne die erstinstanzlich vernommene Zeugin K.

-

, wie
es
nach §
529 Abs.
1 Nr.
1, §
398 Abs.
1 ZPO erforderlich
war, erneut zu vernehmen. Es hat die vom [X.] fehlerhaft unterlassene [X.] zu den Gesprächen zwischen dem Kläger und den [X.], an denen Dritte nicht teilgenommen haben, nachgeholt
und sich danach
-
abweichend vom [X.]
-
auch unter Berücksichtigung der protokollierten Aussage der Ehefrau des [X.] nicht davon überzeugen können, dass die anwaltliche Beratung fehlerhaft
war. Die Nichtzulassungsbeschwerde sieht da-rin mit Recht eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Sinne 4
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des Art.
103 Abs.
1 GG. Das Berufungsgericht durfte ohne erneute Verneh-mung dieser Zeugin deren Aussage nicht anders würdigen als das [X.]
(vgl. [X.], Beschluss vom 15.
Januar 2013 -
XI
ZR 8/12, BKR
2013, 203 Rn.
12
f; vom 17.
September 2013 -
XI
ZR 394/12, NZG
2013, 1436 Rn.
9
ff; vom 1.
April 2014 -
XI
ZR 171/12, BKR
2014, 295 Rn.
18
f).

a)
Grundsätzlich steht es im Ermessen des Berufungsgerichts, ob es Zeugen, die in der Vorinstanz bereits vernommen worden sind, nach §
398 Abs.
1 ZPO erneut vernimmt. Das Berufungsgericht ist zur nochmaligen [X.] jedoch verpflichtet, wenn es die Glaubwürdigkeit der Zeugen anders beurteilen will als das Erstgericht ([X.], Urteil vom 12.
März 2004 -
V
ZR 257/03, [X.]Z
158, 269, 274
f; Beschluss vom 15.
Februar 2011 -
VI
ZR 190/10, VersR
2011, 817 Rn.
6); Gleiches
gilt dann, wenn das Berufungsgericht die protokollierte Aussage eines Zeugen anders verstehen will als der Richter der Vorinstanz ([X.], Urteil vom 14.
Oktober 1981
-
IVa ZR
152/80, NJW
1982, 1052, 1053; vom 3.
April 1984 -
VI
ZR 195/82, NJW
1984, 2629
f) oder wenn es die Aussage eines Zeugen für zu vage und für präzisierungsbedürftig hält ([X.], Urteil vom 14. Oktober 1981,
aaO; vom 17.
Juli 2002 -
VIII
ZR 151/01, NJW-RR
2002, 1649, 1650)
oder wenn es der Aussage auch nur ein anderes Gewicht, eine andere Tragweite oder ein vom Wortsinn abweichende Ausle-gung geben will ([X.], Urteil vom 30.
September 2014 -
VI
ZR 443/13, [X.] Rn.
23). In all diesen Fällen kann die nochmalige Vernehmung eines Zeugen nur unterbleiben, wenn sich das Rechtsmittelgericht auf Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitsliebe des Zeugen noch die Vollständigkeit oder Widerspruchsfreiheit seiner Aussage
betreffen ([X.], Urteil vom 29.
September 2011 -
VII
ZR
87/11, NJW
2011, 3780 Rn.
16;
Beschluss vom 4.
Juli 2013 -
VII
ZR 165/12, BauR
2013, 1726 Rn.
12).
7
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6

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b)
Das Berufungsgericht hat
die protokollierte Aussage der als Zeugin vernommenen Ehefrau des [X.] anders gewertet als das [X.]. Ihre Aussage sei entgegen der Meinung des [X.]s nicht eindeutig. Sie habe zwar bekundet, dass über eine "Insolvenzsicherung gesetzlicher Ansprüche"
niemals gesprochen worden sei, wohl aber über eine "Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersvorsorge".
Ferner habe sie deutlich gemacht, die
Insolvenz-sicherung sei für sie kein "wirkliches Thema"
in den Verhandlungen gewesen, weil sie damals
nicht
geglaubt habe, dass die

AG in Insolvenz gehen werde. Dies alles lasse die Deutung zu, dass sie wegen der aus ihrer Sicht feh-lenden Bedeutung des Themas entweder den Unterschieden zwischen einer versicherungstechnischen und gesetzlichen Insolvenzsicherung der betriebli-chen Altersversorgung des [X.] schon damals keine Beachtung geschenkt oder diese Unterschiede bei ihrer Vernehmung wegen der
vergangenen langen Zeit nicht mehr erinnert oder der Kläger ihr diese Unterschiede bei seinen Be-richten von den Gesprächen mit den Beklagten gar nicht auseinandergesetzt habe, weil auch er die Einschätzung seiner Ehefrau geteilt habe, dass eine In-solvenz der

AG
damals kein aktuelles Thema gewesen sei.

Mit dieser Würdigung der Zeugenaussage weicht das Berufungsgericht jedoch, wie es selber erkannt hat, von der Bewertung durch das [X.] ab. Dieses hat sich aufgrund der Aussage der Ehefrau
davon überzeugt, dass die Beklagten den Kläger nicht auf §§
1b, 7 [X.] hingewiesen haben. Die vom [X.] zitierte Aussage der Zeugin hat das [X.] in dem Sinn verstanden, dass die Eheleute nur über die vertragliche Absicherung der [X.] und nicht über eine Insolvenzsicherung nach dem Betriebsrenten-gesetz gesprochen haben und die Insolvenzsicherung nach dem [X.] nicht Gegenstand der von der Zeugin einseitig mitgehörten Telefona-8
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te
war. Das [X.] hat die Aussage der Ehefrau in diesem Sinne für ein-deutig und präzise
gehalten.

Das Berufungsgericht durfte nicht davon ausgehen, dass eine erneute Vernehmung der Zeugin nicht zu einer auch für das Berufungsgericht eindeuti-gen Aussage führen könne. Es kann sein, dass die Zeugin vor dem [X.] nur deshalb keine eindeutigen Angaben in diesem Sinne gemacht hat, weil das [X.] ihre Aussage für eindeutig ansah und daher nicht nachfragte. Es ist auch möglich, dass die Zeugin sich eindeutig im Sinne des Verständnisses des [X.]s geäußert hat, dies aber im Protokoll nicht in dieser Eindeutigkeit festgehalten worden ist.
Unter diesen
Umständen hätte das Berufungsgericht die Ehefrau des [X.] erneut als Zeugin vernehmen und auf eine eindeutige Aussage hinwirken müssen. Diese war zwar nur Zeugin vom [X.], das ändert jedoch nichts daran, dass das Berufungsgericht ihre protokollierte [X.] nicht ohne erneute Vernehmung anders verstehen durfte als das [X.]. Das andere Verständnis betraf gerade die
Urteilsfähigkeit und das Erinne-rungsvermögen der Zeugin, aber auch die Vollständigkeit ihrer Aussage.

2.
Das angefochtene Urteil beruht auf der
Gehörsverletzung. Dies ist be-reits dann der Fall, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gericht bei [X.] Vorgehen anders entschieden hätte ([X.], [X.] vom 3.
Juli 2014
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IX
ZR 285/13, ZInsO
2014, 1679 Rn.
15). So verhält es sich im Streitfall.
Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht bei Wiederholung der Vernehmung
der Zeugin K.

sich von einer

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-
Pflichtwidrigkeit der Beklagten überzeugt hätte.
Gegebenenfalls wird das [X.] die weiteren Voraussetzungen des [X.] zu prüfen haben.

Kayser
[X.]
[X.]

Pape
Möhring

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 17.04.2012 -
7 O 256/10 -

O[X.], Entscheidung vom 24.01.2013 -
I-6 [X.] -

Meta

IX ZR 31/13

20.11.2014

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.11.2014, Az. IX ZR 31/13 (REWIS RS 2014, 1158)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1158

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