Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.08.2023, Az. III ZR 52/22

3. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 6445

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Gegenstand

Gehörsverstoß bei unterbliebenem Hinweis auf widersprüchlichen Vortrag


Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] vom 22. Februar 2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als durch das angefochtene Urteil auf die Berufung der Beklagten das Urteil des [X.] vom 26. März 2020 abgeändert und neugefasst worden ist.

In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen eines fehlerhaften Verkehrswertgutachtens in Anspruch.

2

Die Beklagte erstattete als Sachverständige in einem Zwangsversteigerungsverfahren in Bezug auf ein Grundstück in [X.]       ein Verkehrswertgutachten, bei dem sie einen Altlastenverdacht unberücksichtigt ließ. Nachdem die Klägerin das Grundstück ersteigert hatte, stellte sich heraus, dass dort tatsächlich Altlasten vorhanden waren. Mit rechtskräftigem Urteil vom 8. November 2012 stellte das [X.] fest, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den gesamten materiellen Schaden zu ersetzen, der aus dem fehlerhaften Wertgutachten der Beklagten in dem Zwangsversteigerungsverfahren folgt.

3

Mit der vorliegenden Leistungsklage begehrt die Klägerin Schadensersatz. Den entstandenen Schaden hat sie anhand der Kosten beziffert, die sie für Maßnahmen der Altlastensanierung aufgewandt hat. Außerdem beansprucht sie die Erstattung von Rechtsverfolgungskosten, die ihr zur Führung eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht [X.]      entstanden waren, in dem sie sich gegen eine Ordnungsverfügung der Region [X.]      zur Wehr gesetzt hatte. Diese hatte ihr aufgegeben, die Sanierung des Grundstücks durch Bodenabtrag der oberen 35 cm vorzunehmen. Hiergegen war die Klägerin gerichtlich vorgegangen, weil sie eine Sanierung mit dem Ziel der kompletten [X.] anstrebt und nicht nur bis in eine Tiefe von 35 cm.

4

Die Klägerin hat zunächst eine Zwischenfeststellungsklage erhoben. Das [X.] hat hierauf mit Teilurteil vom 15. Dezember 2016 festgestellt, dass zu den von der Beklagten gemäß Urteil des [X.] vom 8. November 2012 zu ersetzenden Schäden nicht nur die Maßnahmen zählen, die von der öffentlichen Hand, insbesondere in der Sanierungsanordnung zur Gefahrenabwehr der Region [X.]     , für notwendig erachtet werden, sondern die Klägerin einen Anspruch auf Ausgleich derjenigen Sanierungskosten hat, die für die Herstellung eines von radiologischen und chemischen Altlasten freien Zustands des Grundstücks notwendig sind. Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] - unter teilweiser Abänderung und Neufassung des Urteils des [X.] - mit Urteil vom 8. August 2017 darüber hinaus festgestellt, dass der Beklagten aus der Tatsache, dass der Mitgesellschafter [X.]Mitglied der Erbengemeinschaft gewesen ist, die das Grundstück in dem Zwangsversteigerungsverfahren veräußert hat, kein Vorteilsausgleich gegen die Klägerin zusteht, der dazu berechtigt, die Sanierungskosten zur Herstellung der [X.] des Grundstücks zu kürzen.

5

Nach Erlass des [X.] standen erstinstanzlich noch die Durchführung einzelner Sanierungsarbeiten und ihre Erforderlichkeit im Streit sowie die Anwalts- und Gerichtskosten, die der Klägerin zur Führung des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht [X.]      gegen die Ordnungsverfügung der Region [X.]    entstanden waren. Die Beklagte hat im erstinstanzlichen Verfahren Teilzahlungen geleistet, in deren Höhe die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben.

6

Das [X.] hat - nach Beweiserhebung - die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 101.742,92 € nebst Zinsen zu zahlen abzüglich mehrerer Zahlungen von insgesamt 41.428,52 €. Darüber hinaus hat es die Beklagte verurteilt, an die Klägerin weitere 10.803,93 € nebst Zinsen zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat es das Urteil des [X.]s teilweise abgeändert und dahingehend neu gefasst, dass die Beklagte unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt wird, an die Klägerin 57.098,93 € abzüglich des vorgenannten gezahlten Gesamtbetrags sowie weitere 10.803,93 €, jeweils nebst Zinsen, zu zahlen.

7

Der Senat hat auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin die Revision gegen das Urteil des [X.]s zugelassen, soweit hierdurch auf die Berufung der Beklagten das Urteil des [X.]s abgeändert und neugefasst worden ist. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin die Aufhebung des angefochtenen Urteils im Umfang der Revisionszulassung und die Zurückweisung der Berufung der Beklagten.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision hat im Umfang ihrer Zulassung Erfolg. Sie führt insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

9

Das Berufungsgericht hat die Berufung der [X.], die die Änderung des erstinstanzlichen Urteils und Klageabweisung begehrt hat, soweit sie zur Zahlung von mehr als 26.474,33 € verurteilt worden ist, als begründet erachtet. Es hat ausgeführt, der Schaden der Klägerin sei nach der [X.] zu ermitteln. Er hänge von einem Vergleich der Vermögenslage, wie sie sich infolge der Ersteigerung des schadstoffbelasteten Grundstücks tatsächlich ergeben habe, mit derjenigen ab, wie sie sich bei einem Absehen von der Ersteigerung ergeben hätte. Zu der konkreten Berechnung des Schadens gehöre die Darlegung aller Vermögensveränderungen, die sich im Falle des [X.] von dem Grundstückserwerb ergeben hätten, sowie derjenigen, die sich infolge des [X.] tatsächlich bis zur letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz ergeben würden. Es sei unzureichend, lediglich einzelne Rechnungsposten herauszugreifen, ohne im Wege der Saldierung einen Gesamtvermögensvergleich vorzunehmen.

Diesen Anforderungen genüge die Klägerin mit ihrem auf den gerichtlichen Hinweis vom 21. Dezember 2020 erfolgten Vorbringen nicht. Sie habe dort vorgetragen, sie hätte bei Kenntnis des [X.] einen "[X.]", d.h. ein Objekt mit sämtlichen Eigenschaften des ersteigerten Gebäudes mit Ausnahme der Schadstoffbelastungen und des damit einhergehenden [X.], erworben. Ihr Vermögen hätte sich in diesem Fall identisch, wenn nicht sogar besser entwickelt. Da ihr die Sanierungskosten erspart geblieben wären, stellten diese sich als von der [X.] zu erstattende Vermögensschäden dar.

Das Berufungsgericht hat den Erwerb eines eigenschaftsidentischen "[X.]" zugunsten der Klägerin zu Argumentationszwecken unterstellt. Die Klägerin habe indes nicht schlüssig dargelegt, dass sie einen solchen "[X.]" zu denselben Konditionen hätte erwerben können und ihre Vermögenslage dieselbe, wenn nicht sogar noch eine positivere Entwicklung genommen hätte als tatsächlich. Ihre Ausführungen zu dem Wert und den Erwerbsbedingungen des [X.] stünden in Widerspruch zu ihrem bisherigen Vorbringen. Auf dessen Grundlage sei davon auszugehen, dass die Entwicklung einen von den - auf den Hinweis vom 21. Dezember 2020 hin erfolgten - Darlegungen der Klägerin erheblich abweichenden Verlauf genommen hätte, der gekennzeichnet gewesen wäre durch einen merklichen, für den ([X.] nicht fassbaren Vermögenszuwachs in Höhe der Differenz des Wertes der erworbenen Immobilie zu demjenigen eines altlastenverdachtsfreien "[X.]". [X.] seien erhöhte Aufwendungen für die anzunehmende Finanzierung des zum Erwerb des höherwertigen [X.] aufzuwendenden Kaufpreises.

Eine Schätzung der haftungsausfüllenden Kausalität nach § 287 ZPO sei weder zulässig noch möglich, da es an der schlüssigen Darlegung von Ausgangs- und Anknüpfungstatsachen fehle. Ein hilfsweiser Rückgriff auf den "gewöhnlichen Verlauf der Dinge" oder etwaige Durchschnittswerte komme nicht in Betracht. Bei [X.] könne nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass im Hinblick auf die tatsächliche Verfügbarkeit und die Wert- und Vermögensentwicklung das eine Haus gleichsam ohne Reibungsverluste durch das andere ersetzt werden könne. Auf die faktische Verfügbarkeit eines "[X.]" komme es daher nicht an.

Hätte sich danach die Vermögenslage der Klägerin im Falle des Erwerbs eines Ersatzobjekts - mit Ausnahme der Sanierungskosten - gerade nicht identisch entwickelt, so führte nach der anzustellenden Gesamtbetrachtung der aktuellen Vermögenslage jedenfalls die Kostenbelastung der Klägerin aus der in der Berufungsinstanz noch im Streit stehenden Rechnung der [X.] in Höhe von 44.644 € nicht zu einer auszugleichenden Belastung ihres Vermögens.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, indem es ihr Vorbringen zu dem Schaden, der ihr infolge des von der [X.] erstatteten Verkehrswertgutachtens entstanden ist, als unschlüssig behandelt und in der Folge den von der Klägerin angebotenen Beweis nicht erhoben hat.

1. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet ([X.] 50, 32, 36; Senat, Urteil vom 7. Februar 2019 - [X.], [X.], 448 Rn. 33). Das ist unter anderem dann der Fall, wenn die Nichtberücksichtigung des Beweisangebots darauf beruht, dass das Gericht verfahrensfehlerhaft überspannte Anforderungen an den Vortrag einer [X.] gestellt hat (Senat, Beschlüsse vom 15. Oktober 2020 - [X.], juris Rn. 11 und vom 7. Juni 2018 - [X.]/17, [X.], 1252 Rn. 4). Ein Sachvortrag zur Begründung eines Klageanspruchs ist dabei schlüssig und damit als Prozessstoff erheblich, wenn die [X.] Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Das Gericht muss anhand des [X.]vortrags beurteilen können, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolge erfüllt sind (Senat, Beschlüsse vom 15. Oktober 2020 aaO Rn. 13 und vom 7. Juni 2018 aaO). Widersprüche des zuletzt gehaltenen Vortrags zu früherem Vorbringen führen nicht zwingend zur Unschlüssigkeit. Eine [X.] ist nicht gehindert, ihr Vorbringen im Laufe des Rechtsstreits zu ändern, insbesondere zu präzisieren, zu ergänzen oder zu berichtigen ([X.], Beschlüsse vom 8. September 2021 - [X.]/20, BeckRS 2021, 29973 Rn. 23 und vom 16. April 2015 - [X.], NJW-RR 2015, 829 Rn. 16). Erachtet das Gericht Vorbringen als widersprüchlich, so ist es gemäß § 139 Abs. 1 und 2 ZPO verpflichtet, eine [X.] auf die Widersprüchlichkeit ihres Vorbringens oder zumindest auf die beabsichtigte Interpretation hinzuweisen (vgl. Senat, Urteil vom 23. November 2006 - [X.], NJW-RR 2007, 357 Rn. 11; [X.], Urteil vom 11. September 2003 - [X.], NJW-RR 2003, 1718, 1719).

2. Danach wäre das Berufungsgericht verpflichtet gewesen, die Klägerin auf bestehende Schlüssigkeitsbedenken, die sich aus seiner Interpretation ihres Vorbringens ergaben, hinzuweisen.

a) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der auf den gerichtlichen Hinweis vom 21. Dezember 2020 mit Schriftsatz vom 5. Februar 2021 erfolgte Vortrag der Klägerin, sie hätte, wenn sie von dem Altlastenverdacht gewusst hätte, in ein anderes, mit Ausnahme des [X.] infolge der Schadstoffbelastungen eigenschaftsidentisches Objekt investiert, so dass sich ihr Vermögen grundsätzlich identisch entwickelt hätte, ihr die Sanierungskosten jedoch erspart geblieben wären, sei nicht schlüssig, da er in Widerspruch zu ihrem bisherigen Vorbringen stehe (Berufungsurteil S. 12 f). Die Berechnungen der Klägerin basierten auf der Annahme, dass sie mit einem Betrag von insgesamt 535.000 € den "[X.]" erworben hätte. Hiervon sei aber nach ihrem eigenen Vorbringen nicht auszugehen. Vielmehr sei ihrem Vortrag zu entnehmen, dass ihre hypothetische Vermögensentwicklung sowohl durch einen erhöhten Vermögenszuwachs als auch einen korrespondierenden erhöhten [X.] gekennzeichnet worden wäre als von ihr angenommen, da sie, hätte sie von einem Gebot auf das Objekt abgesehen, auf ein höherwertiges Ersatzobjekt hätte ausweichen müssen, für welches sie einen nicht unerheblich höheren Kaufpreis hätte aufwenden und diesen mit einem entsprechend höheren Aufwand hätte finanzieren müssen.

b) Ob das frühere Vorbringen der Klägerin in diesem Sinne auszulegen ist, kann im Ergebnis dahinstehen. Denn das Berufungsgericht wäre nach den vorstehenden Grundsätzen jedenfalls gehalten gewesen, auf sein Verständnis des früheren Klägervortrags hinzuweisen, da dem neueren Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz vom 5. Februar 2021 und in der mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 2022 zu entnehmen war, dass dieses Verständnis des Berufungsgerichts nicht dem zuvor gehaltenen Vortrag der Klägerin entsprach. Das gilt umso mehr, als das Berufungsgericht selbst in seinem Hinweisbeschluss vom 21. Dezember 2020 den (bisherigen) Vortrag der Klägerin als unstreitig bezeichnet hatte, dass der tatsächliche Verkehrswert des erworbenen Grundstücks, wäre er zutreffend - d.h. unter Berücksichtigung des [X.] - ermittelt worden, von dem auf 535.000 € festgesetzten Verkehrswert zum [X.] vom 13. Mai 2003 vermutlich kaum abgewichen wäre. Wenn das Berufungsgericht später den vor seinem Hinweis erfolgten Vortrag der Klägerin anders und im Widerspruch zu deren nach dem Hinweis gehaltenen Vortrag in dem Sinne deuten wollte, dass die hypothetische Vermögensentwicklung der Klägerin sowohl durch einen erhöhten Vermögenszuwachs als auch einen korrespondierenden erhöhten [X.] gekennzeichnet worden wäre, hätte es die Klägerin auf sein abweichendes Verständnis ihres bisherigen Vortrags hinweisen und ihr Gelegenheit zur Klarstellung geben müssen.

Zudem unterliegt das Berufungsgericht bei der Annahme eines höheren Wertes eines von vorneherein altlastenfreien "[X.]" (Berufungsurteil S. 14 f) einem Denkfehler. Denn die Klägerin hatte auch das Grundstück in [X.]     - aufgrund des unrichtigen Verkehrswertgutachtens - ohne Berücksichtigung eines [X.] als wertbildenden Faktor erworben. Für einen höheren als den von ihr hierfür geleisteten [X.] sind daher bei einem tatsächlich altlastenfreien "[X.]" - vorbehaltlich der Feststellungen in dem neuen Berufungsverfahren - keine Anhaltspunkte erkennbar.

3. Die in dem unterlassenen Hinweis auf die nach Auffassung des Berufungsgerichts gegebene Widersprüchlichkeit und die daraus folgende Unschlüssigkeit des Vortrags der Klägerin liegende Gehörsverletzung ist entscheidungserheblich.

Die Klägerin legt dar, sie hätte auf einen solchen Hinweis ihren bisherigen Vortrag zu dem Wert eines vergleichbaren "[X.]" klarstellen und präzisieren sowie aufzeigen können, dass ihrem früheren Vortrag nicht zu entnehmen sei, dass der Erwerb eines "[X.]" ohne Altlastenverdacht mit einem höheren Finanzbedarf verbunden gewesen wäre. In Anbetracht des Umstandes, dass die Klägerin seinerzeit das Grundstück - aufgrund des unrichtigen Verkehrswertgutachtens - ohne Berücksichtigung eines [X.] als wertbildenden Faktor erworben hatte (s.o.), erscheint es möglich, dass sie auf den gebotenen Hinweis des Berufungsgerichts schlüssig hätte vortragen können, dass der Erwerb eines "[X.]" ohne Altlastenverdacht nicht mit einem höheren Finanzbedarf verbunden gewesen wäre.

Das Berufungsgericht hätte in diesem Fall weitere Feststellungen treffen müssen. Es hat angenommen, aufgrund seines Urteils vom 8. August 2017 sei rechtskräftig festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet sei, die Klägerin so zu stellen, als hätte sie das Grundstück nicht ersteigert. Der Schaden sei anhand der [X.] zu ermitteln. Dabei hat es die Behauptung der Klägerin unterstellt, sie hätte, wenn sie das Grundstück nicht ersteigert hätte, einen eigenschaftsidentischen "[X.]" ersteigert. Das Berufungsgericht hat dementsprechend keine Feststellungen dazu getroffen, ob ein "[X.]" tatsächlich verfügbar gewesen wäre und die Klägerin ihn erworben hätte sowie zu welchen Bedingungen. Entsprechende Feststellungen wären bei schlüssigem Vortrag der Klägerin indes zu treffen gewesen, zumal die Klägerin zum Erwerb des "[X.]" und dessen Bedingungen Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens angeboten hat. Es erscheint auch nicht ausgeschlossen, dass es dem Berufungsgericht nach einer Beweisaufnahme möglich gewesen wäre, den Schaden der Klägerin zumindest zu schätzen (§ 287 ZPO).

III.

1. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif ist, ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO). Dieses wird in dem neuen Berufungsverfahren auch Gelegenheit haben, sich mit den weiteren [X.] der Revision zu befassen, auf die einzugehen der Senat im vorliegenden Verfahrensstadium keine Veranlassung hat.

2. Der Senat vermag der Revision allerdings nicht zu folgen, soweit sie geltend macht, durch das rechtskräftige Urteil des Berufungsgerichts vom 8. August 2017 sei über das "Ob" der [X.] für die Beseitigung der Altlasten rechtskräftig entschieden worden und das Berufungsgericht habe die Grenzen der Rechtskraft dieses Urteils missachtet, indem es die [X.] von einer Schadensermittlung nach der [X.] abhängig mache.

Zwar ist der Tenor des Urteils vom 8. August 2017 insofern nicht ganz eindeutig, als dort festgestellt wird, dass die Klägerin "einen Anspruch auf Ausgleich derjenigen Sanierungskosten hat, die für die Herstellung eines von [X.] notwendig sind". Diese Formulierung könnte auf eine Verpflichtung zur Erstattung der genannten Sanierungskosten unabhängig von einer Gesamtsaldierung schadensrechtlicher Positionen (nach der [X.]) deuten.

Indes sind, wenn - wie hier - die Urteilsformel allein nicht ausreicht, um den Rechtskraftgehalt der Entscheidung eindeutig zu erfassen, Tatbestand und Entscheidungsgründe, erforderlichenfalls auch das [X.]vorbringen, ergänzend heranzuziehen (Senat, Urteile vom 24. Juni 1993 - [X.], NJW 1993, 3204, 3205 und vom 17. Februar 1983 - [X.], NJW 1983, 2032 mwN; [X.], Urteil vom 1. Juli 1986 - [X.], NJW 1987, 371 mwN). Danach ergibt sich vorliegend nicht die Feststellung eines von einer Gesamtsaldierung unabhängigen Anspruchs auf Erstattung der Sanierungskosten durch das Urteil vom 8. August 2017. Die [X.]en haben im Zwischenfeststellungverfahren vor allem über die notwendige Sanierungstiefe des Grundstücks gestritten. Ob und in welchem Umfang Vorteile bei der Schadensberechnung zu berücksichtigen sein würden, ist lediglich im Zusammenhang mit etwaigen Vorteilen der Erbengemeinschaft, zu deren Auseinandersetzung die Versteigerung erfolgt war und mit der eine teilweise Personenidentität der Klägerin bestand, thematisiert worden. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, ein Schaden könne erst dann bejaht werden, wenn sich die Vermögenslage "unter dem Strich" schlechter darstelle, als sie es sein würde, wenn die Maßnahme beziehungsweise [X.] unterblieben wäre (Urteil vom 8. August 2017, [X.]). Es ist mithin von einer Gesamtsaldierung bei der Schadensermittlung ausgegangen. Ob und in welchem Umfang der Klägerin aus dem Grundstückserwerb Vorteile erwachsen sind, ist jedoch nicht Gegenstand des Urteils gewesen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Entscheidungsgründen des Urteils, soweit das Berufungsgericht dort seine Auffassung dargelegt hat, die Klägerin habe einen Anspruch auf Herstellung des Zustands, wie er sich "durch das Gutachten darstellte" ([X.] des Urteils vom 8. August 2017). Diese Ausführungen sind nicht im Sinne des Ersatzes des positiven Interesses (Herstellung eines Grundstückszustands ohne Altlastenverdacht) und damit einer isolierten Erstattungsfähigkeit der Sanierungskosten zu verstehen. Denn das Berufungsgericht zieht in dem Urteil zuvor die höchstrichterlichen Grundsätze heran, nach denen der Schadensersatz entweder dahin gehen kann, dass der Geschädigte so gestellt wird, als hätte er das Objekt nicht ersteigert, oder darauf gestützt werden kann, dass der Geschädigte bei korrekter Wertfestsetzung das Grundstück zu einem niedrigeren [X.] hätte ersteigern können (S. 9 des Urteils vom 8. August 2017). Anhaltspunkte dafür, dass es hiervon hat abweichen und eine Pflicht der [X.] zur Erstattung der Sanierungskosten unabhängig von der weiteren Vermögensentwicklung der Klägerin und einer Gesamtsaldierung aller schadensrechtlichen Positionen hat feststellen wollen, ergeben sich aus der vorgenannten Formulierung nicht.

Gleiches gilt für die von der Revision herangezogene Textstelle in dem Urteil vom 8. August 2017 ([X.]), es sei in dem Zwischenstreit nicht zu klären, ob die von der Klägerin aufgewandten Kosten notwendig gewesen seien. Hieraus lässt sich keine Aussage des Berufungsgerichts zu einer in jedem Fall gegebenen Erstattungsfähigkeit der Sanierungskosten ableiten.

Letztlich hat auch die Klägerin im Berufungsverfahren die Anwendung der [X.] akzeptiert (Schriftsatz vom 5. Februar 2021, [X.] ff).

Herrmann     

  

Remmert     

  

Arend

  

Böttcher     

  

Kessen     

  

Meta

III ZR 52/22

10.08.2023

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Celle, 22. Februar 2022, Az: 4 U 64/20

Art 103 Abs 1 GG, § 139 Abs 1 S 1 ZPO, § 139 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.08.2023, Az. III ZR 52/22 (REWIS RS 2023, 6445)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 6445

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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