Bundessozialgericht, Beschluss vom 14.06.2018, Az. B 9 SB 92/17 B

9. Senat | REWIS RS 2018, 7805

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - sozialgerichtliches Verfahren - Verfahrensfehler - rechtliches Gehör - Entscheidung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung - vorherige Anhörung - Stellungnahme eines Beteiligten - keine weitere Rückmeldung des Gerichts erforderlich


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des [X.] vom 17. Mai 2017 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Die Klägerin begehrt in der Hauptsache die Feststellung eines höheren [X.]rades der Behinderung ([X.]dB) als 40 sowie die Zuerkennung der Merkzeichen "[X.]" und "[X.]" rückwirkend ab 1989.

2

Das LS[X.] hat mit Beschluss vom 17.5.2017 die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des S[X.] vom 4.4.2012 zurückgewiesen. Sofern die Klägerin erstmals im Berufungsverfahren einen höheren [X.]dB auch für die [X.] von Januar 2007 bis einschließlich Januar 2003 und hilfsweise für die [X.] vor Januar 2007 bis einschließlich Februar 1989 begehre, sei die Klage unzulässig, da es insoweit an einer gerichtlich überprüfbaren Verwaltungsentscheidung fehle. Der Beklagte habe im angefochtenen Bescheid vom 18.6.2007 in [X.]estalt des Widerspruchsbescheids vom 20.12.2007 gestützt auf § 48 S[X.]B X für die [X.] ab Antragstellung am [X.] den [X.]dB neu festgestellt, eine Entscheidung für die [X.] vor Februar 2007 sei nicht getroffen worden. Eine solche Entscheidung sei von dem Beklagten nachzuholen. Ein besonderes Interesse für eine rückwirkende [X.]dB-Feststellung durch die Klägerin sei nicht glaubhaft gemacht. Auch das Begehren der Klägerin für die [X.] ab Januar 2007 einen [X.]dB von nicht unter 40 festzustellen, sei mangels Rechtsschutzinteresse unzulässig, denn der Beklagte habe mit bestandskräftigem Ausführungsbescheid vom [X.] für die [X.] von Februar 2007 bis Februar 2009 den [X.]dB auf 40 festgesetzt. Soweit die Klägerin für die [X.] ab März 2009 einen höheren [X.]dB als 50 und die Zuerkennung der Merkzeichen "[X.]" und "[X.]" begehre, sei die Berufung unbegründet, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorlägen. Der [X.] nehme insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die eingehenden und zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung des S[X.] nach § 153 Abs 2 S[X.][X.] Bezug. Auch im Berufungsverfahren habe die Klägerin keinerlei medizinische Befunde vorgelegt, die Veranlassung für eine abweichende Bewertung gäben. Für weitere Ermittlungen von Amts wegen bestehe keine Veranlassung.

3

Der [X.] hat der Klägerin antragsgemäß mit am 5.12.2017 zugestelltem Beschluss vom 22.11.2017 Prozesskostenhilfe (PKH) bewilligt und Rechtsanwalt [X.] aus [X.] beigeordnet ([X.] SB 3/17 BH). Dieser hat mit Schreiben vom 27.12.2017 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und diese nach Akteneinsicht und Verlängerung der Begründungsfrist bis zum [X.] am 2.3.2018 begründet. Danach rügt die Klägerin die Verletzung ihres rechtlichen [X.]ehörs nach § 62 S[X.][X.] iVm Art 103 Abs 1 [X.][X.]. Das LS[X.] habe die Berufung mit Beschluss vom 17.5.2017 nach § 153 Abs 4 S 1 S[X.][X.] ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen, ohne die Beteiligten iS von Satz 2 der Vorschrift zuvor hierüber anzuhören. Im Terminprotokoll der mündlichen Verhandlung vom 26.4.2017 habe das LS[X.] die Klägerin lediglich darauf hingewiesen, dass der Sachverhalt [X.] sei und der Rechtsstreit nach dem bisherigen Sach- und Rechtsstand keine Aussicht auf Erfolg habe. Des Weiteren werde der [X.] beraten, ob eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 153 Abs 4 S[X.][X.] ergehe. Hierüber sollten die Beteiligten unverzüglich eine Mitteilung erhalten. Dem habe die Klägerin mit Schriftsätzen vom 13. und 15.5.2017 widersprochen und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung begehrt. Eine Mitteilung darüber, dass der [X.] beabsichtige, gemäß § 153 Abs 4 S[X.][X.] zu entscheiden, sei ausweislich der [X.]erichtsakte nicht erfolgt. Erst nach der [X.]ewährung rechtlichen [X.]ehörs hätte ggf die Entscheidung gemäß § 153 Abs 4 S[X.][X.] ergehen dürfen, sodass das LS[X.] erneut Termin zur mündlichen Verhandlung unter Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten hätte bestimmen müssen.

4

II. 1. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist zulässig. Der von der Klägerin ausschließlich gerügte Verfahrensmangel einer Verletzung des § 153 Abs 4 S[X.][X.] durch das LS[X.] ist iS des § 160a Abs 2 [X.] S[X.][X.] hinreichend bezeichnet. Sie legt die Tatsachen dergestalt dar, dass sich danach der Verfahrensmangel einer Verletzung des rechtlichen [X.]ehörs ergibt. Die Beschwerdebegründung enthält hinreichende Ausführungen dazu, dass das LS[X.] die Klägerin vor der Beschlussfassung am 17.5.2017 über die Berufung nicht in der gesetzlich gebotenen Weise angehört hat. Insoweit bedarf es keinen Darlegungen dazu, ob die Entscheidung des LS[X.] auf diesem Verfahrensfehler beruhen kann, da die Verletzung von § 153 Abs 4 S[X.][X.] zu einer nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des [X.]erichts ohne [X.] führt und es sich um einen absoluten Revisionsgrund gemäß § 202 S[X.][X.] iVm § 547 [X.] ZPO handelt (vgl BS[X.] Beschluss vom 14.11.2013 - [X.] S[X.]/13 B - Juris RdNr 7 mwN).

5

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist jedoch nicht begründet. Der gerügte Verfahrensmangel liegt nicht vor. Das LS[X.] hat unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falles ausweislich der [X.]erichtsakte von der sich aus § 153 Abs 4 S[X.][X.] ergebenden Befugnis, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen, in verfahrensrechtlich nicht zu beanstandender Weise [X.]ebrauch gemacht.

6

Nach § 153 Abs 4 S 1 S[X.][X.] kann das LS[X.], außer in den Fällen, in denen das S[X.] durch [X.]erichtsbescheid (§ 105 Abs 2 S 1 S[X.][X.]) entschieden hat, die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Nach § 153 Abs 4 [X.] S[X.][X.] sind die Beteiligten vorher zu hören. Ändert sich nach einer solchen Anhörung die Prozesslage wesentlich, etwa durch eine entsprechende Äußerung des betroffenen Beteiligten, so hat eine erneute Anhörung zu erfolgen (BS[X.] Beschluss vom 14.11.2013 - [X.] S[X.]/13 B - Juris RdNr 4 mwN). Diese [X.]rundsätze hat das LS[X.] hier hinreichend beachtet.

7

Ausweislich der [X.]erichtsakte des LS[X.] (dort Seite 751), die dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zur Einsicht vorgelegen hat, hat das LS[X.] nach Durchführung der mündlichen Verhandlung vom 26.4.2017 mit Schreiben vom [X.] die Beteiligten darüber in Kenntnis gesetzt, dass der "[X.] beabsichtigt eine Entscheidung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung gemäß § 153 Abs. 4 S. 1 Sozialgerichtsgesetz" zu treffen und [X.]elegenheit zur Stellungnahme bis zum 15.5.2017 gegeben. Dieses Schreiben ist der Klägerin laut Postzustellungsurkunde am 3.5.2017 zugestellt worden, sodass entgegen der Darstellung in der Beschwerdebegründung eine ordnungsgemäße Anhörung iS von § 153 Abs 4 [X.] S[X.][X.] vorgelegen hat. Darüber hinaus ist von der Beschwerde weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, dass durch die Schreiben der Klägerin vom 13. und 15.5.2017 eine neue prozessuale Lage eingetreten wäre, die eine erneute Anhörung erforderlich machen würde. Das Berufungsgericht ist nicht in jedem Fall zu einer weiteren Anhörungsmitteilung verpflichtet, wenn ein Beteiligter von der [X.]elegenheit zur Äußerung [X.]ebrauch macht (vgl BS[X.] Beschluss vom 10.10.2017 - [X.] KR 37/17 B - Juris RdNr 9). Vorliegend hat sich durch die Mitteilungen der Klägerin in den Schreiben vom 13. und 15.5.2017 die [X.] nicht entscheidungserheblich verändert. Dies wird von ihr auch nicht behauptet.

8

Die nach § 153 Abs 4 [X.] S[X.][X.] durchgeführte Anhörung, verbunden mit dem Hinweis, dass der [X.] beabsichtige durch Beschluss zu entscheiden, war folglich weder zu wiederholen noch zu ergänzen. Der weitere Vortrag der Klägerin nach dem ihr gegebenen Hinweis ist kein [X.]rund, dieser etwa mitzuteilen, dass dieser Vortrag das [X.]ericht nicht veranlasst habe, die Absicht aufzugeben, durch Beschluss zu entscheiden. Das [X.]ericht musste den Vortrag zur Kenntnis nehmen, woran kein Zweifel besteht; es musste aber vor dem angekündigten Beschluss nicht mitteilen, wie es den Vortrag gewürdigt hat.

9

3. [X.] beruht auf § 193 S[X.][X.].

Meta

B 9 SB 92/17 B

14.06.2018

Bundessozialgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SB

vorgehend SG Koblenz, 4. April 2012, Az: S 9 SB 20/08, Urteil

§ 160a SGG, § 153 Abs 4 S 2 SGG, § 153 Abs 4 S 1 SGG, § 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG, § 547 Nr 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 14.06.2018, Az. B 9 SB 92/17 B (REWIS RS 2018, 7805)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 7805

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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