Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.02.2018, Az. 7 AZR 696/16

7. Senat | REWIS RS 2018, 13575

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Gegenstand

Befristung - mittelbare Vertretung - Kausalzusammenhang


Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 19. Mai 2016 - 8 [X.]/16 - aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 17. November 2015 - 21 [X.] 161/15 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung am 15. Juli 2015 geendet hat.

2

Die Klägerin ist Theaterpädagogin. Die beklagte [X.] beschäftigte sie in den [X.]räumen vom 1. November 2010 bis zum 29. Juni 2011, vom 11. August 2011 bis zum 20. Juni 2012, vom 2. August 2012 bis zum 19. Juni 2013, vom 1. August 2013 bis zum 9. Juli 2014 und vom 19. August 2014 bis zum 15. Juli 2015 aufgrund von insgesamt zehn befristeten Arbeitsverträgen als Lehrkraft. In einem dieser zehn Verträge vereinbarten die Parteien bei Beibehaltung des bereits zuvor vereinbarten [X.] lediglich eine Reduzierung der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit. Die Klägerin war mit einem Arbeitszeitumfang zwischen 26,25 % und 62,5 % der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit einer vollzeitbeschäftigten Lehrkraft an der [X.] eingesetzt und unterrichtete dort das Fach „Darstellendes Spiel“. In dem zuletzt am 10. Juli 2014 für die [X.] vom 19. August 2014 bis zum 15. Juli 2015 geschlossenen Arbeitsvertrag vereinbarten die Parteien eine Tätigkeit im Umfang von 50 % der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit einer vollbeschäftigten Lehrkraft (20 Stunden).

3

Die bei der [X.] in Vollzeit beschäftigte und ebenfalls an der [X.] tätige Lehrkraft R war in der [X.] vom 1. August 2014 bis zum 31. Juli 2015 in einem sog. Sabbatjahr freigestellt.

4

[X.] unterrichtet Bildende Kunst und Mathematik. Während ihrer Abwesenheit wurde sie im Fach Bildende Kunst in einem Wahlpflichtkurs des Jahrgangs 8 von [X.] vertreten. Diese musste deshalb in einem Englischkurs (II B) im Umfang von sechs Wochenstunden von [X.] vertreten werden. Für [X.] übernahm die Klägerin im Umfang von sechs Wochenstunden zwei Theaterkurse in den Jahrgängen 12 und 13. Zwei weitere Kurse von [X.] im Fach Bildende Kunst in den Klassen 7sc und 5e übernahm [X.]s, die deshalb in einem Französischkurs im Jahrgang 9 im Umfang von 5,8 Wochenstunden von [X.] vertreten werden musste. Die Klägerin übernahm deshalb für [X.] einen Theaterkurs im Jahrgang 13 ([X.] 3) im gleichen Umfang. Drei weitere Kunstkurse von [X.] (7mab, 7ups und [X.] [X.] im Jahrgang 8) übernahm [X.], die deshalb in zwei [X.] in den Jahrgängen 8 und 9 im Umfang von 5,8 bzw. 1,4 Stunden von [X.]l vertreten werden musste. Die Klägerin vertrat dafür [X.]l in zwei Theaterkursen ([X.] 4 im Jahrgang 12 und [X.] im Jahrgang 11) in gleichem Umfang.

5

Mit der am 8. April 2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der [X.] am 20. April 2015 zugestellten Klage hat die Klägerin die Auffassung vertreten, die Befristung des letzten Arbeitsvertrags sei unwirksam. Die Befristung sei nicht nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 [X.] wegen der Vertretung der Stammkraft R sachlich gerechtfertigt. In der [X.] bestehe ein dauerhafter Bedarf im Unterrichtsfach „Darstellendes Spiel“. Dieser werde ua. belegt durch die Dauer ihrer Beschäftigung, die Anzahl der mit ihr abgeschlossenen befristeten Arbeitsverträge und die wiederholte Tätigkeit im gleichen Fach an der gleichen Schule. Die Beklagte habe die Gestaltungsmöglichkeiten des [X.] rechtsmissbräuchlich ausgenutzt.

6

Die Klägerin hat beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der am 19. August 2014 vereinbarten Befristung am 15. Juli 2015 beendet wurde,

        

2.    

die Beklagte für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Lehrerin weiterzubeschäftigen.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die zuletzt vereinbarte Befristung sei durch den Sachgrund der Vertretung gerechtfertigt. Die Klägerin habe die vorübergehend abwesende Lehrkraft R mittelbar vertreten. Die Grundsätze des institutionellen Rechtsmissbrauchs stünden der Wirksamkeit der Befristung nicht entgegen.

8

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat die Berufung der [X.] zurückgewiesen. Mit der Revision beantragt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, zur Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und zur Abweisung der Klage. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die Klage ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der [X.]en hat aufgrund der im Arbeitsvertrag vom 10. Juli 2014 vereinbarten Befristung am 15. Juli 2015 geendet. Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem [X.] nicht zur Entscheidung an.

I. Der Befristungskontrollantrag ist nicht begründet. Die im Arbeitsvertrag vom 10. Juli 2014 vereinbarte Befristung zum 15. Juli 2015 ist wirksam. Sie ist durch den Sachgrund der Vertretung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 [X.] gerechtfertigt. Die Beklagte ist nicht nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) gehindert, sich auf den Sachgrund der Vertretung zu berufen.

1. Die Befristung zum 15. Juli 2015 gilt nicht bereits nach § 17 Satz 2 [X.] iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam. Mit der am 8. April 2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen, der Beklagten am 20. April 2015 zugestellten Klage hat die Klägerin die Frist des § 17 Satz 1 [X.] für die Geltendmachung der Unwirksamkeit der Befristung gewahrt. Die Klage kann schon vor dem Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit erhoben werden ([X.] 26. Oktober 2016 - 7 [X.] - Rn. 12, [X.]E 157, 125; 24. Februar 2016 - 7 [X.] - Rn. 24 mwN).

2. Die im Arbeitsvertrag vom 10. Juli 2014 vereinbarte Befristung ist entgegen der Auffassung des [X.] durch den Sachgrund der Vertretung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 [X.] gerechtfertigt.

a) Ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrags liegt nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 [X.] vor, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird.

aa) Der Grund für die Befristung liegt in [X.] darin, dass der Arbeitgeber bereits zu einem vorübergehend ausfallenden Mitarbeiter in einem Rechtsverhältnis steht und mit der Rückkehr dieses Mitarbeiters rechnet. Damit besteht für die Wahrnehmung der an sich dem ausfallenden Mitarbeiter obliegenden Arbeitsaufgaben durch eine Vertretungskraft von vornherein nur ein zeitlich begrenztes Bedürfnis (st. Rspr., vgl. etwa [X.] 12. April 2017 - 7 [X.] - Rn. 18; 26. Oktober 2016 - 7 [X.] - Rn. 14, [X.]E 157, 125; 24. August 2016 - 7 [X.] - Rn. 17; 16. Januar 2013 - 7 [X.] - Rn. 13, [X.]E 144, 193). Teil des [X.] ist eine Prognose des Arbeitgebers über den voraussichtlichen Wegfall des [X.] nach Rückkehr des zu vertretenden Mitarbeiters. Entsteht der Vertretungsbedarf für den Arbeitgeber „fremdbestimmt“, weil der Ausfall der Stammkraft - zB durch Krankheit, Urlaub oder Freistellung - nicht in erster Linie auf seiner Entscheidung beruht, kann der Arbeitgeber nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]s regelmäßig damit rechnen, dass der Vertretene seine arbeitsvertraglichen Pflichten wieder erfüllen wird. In einem solchen Fall sind besondere Ausführungen dazu, dass mit der Rückkehr des Vertretenen zu rechnen ist, regelmäßig nicht veranlasst (vgl. etwa [X.] 12. April 2017 - 7 [X.] - Rn. 19; 11. Februar 2015 - 7 [X.] - Rn. 16).

bb) [X.] der Vertretung setzt einen Kausalzusammenhang zwischen dem zeitweiligen Ausfall des Vertretenen und der Einstellung der Vertretungskraft voraus. Es muss sichergestellt sein, dass die Vertretungskraft gerade wegen des durch den zeitweiligen Ausfall des zu vertretenden Mitarbeiters entstandenen vorübergehenden Beschäftigungsbedarfs eingestellt worden ist. Es ist deshalb aufgrund der Umstände bei Vertragsschluss zu beurteilen, ob der Bedarf für die Beschäftigung des Vertreters auf die Abwesenheit des zeitweilig ausgefallenen Arbeitnehmers zurückzuführen ist. Die Anforderungen an die Darlegung des Kausalzusammenhangs durch den Arbeitgeber richten sich dabei nach der Form der Vertretung ([X.] 12. April 2017 - 7 [X.] - Rn. 20; 26. Oktober 2016 - 7 [X.] - Rn. 15, [X.]E 157, 125; 24. August 2016 - 7 [X.] - Rn. 19; 11. Februar 2015 - 7 [X.] - Rn. 17; 10. Oktober 2012 - 7 [X.] - Rn. 16; 6. Oktober 2010 - 7 [X.] - Rn. 20 mwN, [X.]E 136, 17; 10. März 2004 - 7 [X.] - zu III der Gründe, [X.]E 110, 38). Der Kausalzusammenhang besteht nicht nur, wenn der befristet zur Vertretung eingestellte Mitarbeiter die vorübergehend ausfallende Stammkraft unmittelbar vertritt und die von ihr bislang ausgeübten Tätigkeiten erledigt (unmittelbare Vertretung). Der Kausalzusammenhang kann auch gegeben sein, wenn der Vertreter nicht unmittelbar die Aufgaben des vertretenen Mitarbeiters übernimmt. Die befristete Beschäftigung zur Vertretung lässt die Versetzungs- und Umsetzungsbefugnisse des Arbeitgebers unberührt. Wird die Tätigkeit des zeitweise ausgefallenen Mitarbeiters nicht von dem Vertreter, sondern von einem anderen Arbeitnehmer oder von mehreren anderen Arbeitnehmern ausgeübt und deren Tätigkeit dem Vertreter übertragen (mittelbare Vertretung), hat der Arbeitgeber zur Darstellung des Kausalzusammenhangs grundsätzlich die Vertretungskette zwischen dem Vertretenen und dem Vertreter darzulegen ([X.] 12. April 2017 - 7 [X.] - Rn. 20; 26. Oktober 2016 - 7 [X.] - Rn. 15, aaO; 24. August 2016 - 7 [X.] - Rn. 20; 11. Februar 2015 - 7 [X.] - Rn. 19 mwN). Werden dem befristet beschäftigten Arbeitnehmer Aufgaben übertragen, die der vertretene Mitarbeiter nie ausgeübt hat, besteht der erforderliche Kausalzusammenhang nicht nur, wenn eine mittelbare Vertretung erfolgt, sondern auch dann, wenn der Arbeitgeber rechtlich und tatsächlich in der Lage wäre, dem vorübergehend abwesenden Arbeitnehmer im Falle seiner Anwesenheit die dem Vertreter zugewiesenen Aufgaben zu übertragen. In diesem Fall ist allerdings zur Gewährleistung des Kausalzusammenhangs zwischen der zeitweiligen Arbeitsverhinderung der Stammkraft und der Einstellung der Vertretungskraft erforderlich, dass der Arbeitgeber bei Vertragsschluss mit dem Vertreter dessen Aufgaben einem oder mehreren vorübergehend abwesenden Beschäftigten nach außen erkennbar gedanklich zuordnet. Dies kann insbesondere durch eine entsprechende Angabe im Arbeitsvertrag mit der Vertretungskraft geschehen. Nur dann ist gewährleistet, dass die Einstellung des Vertreters auf der Abwesenheit des zu vertretenden Arbeitnehmers beruht ([X.] 12. April 2017 - 7 [X.] - Rn. 20; 24. August 2016 - 7 [X.] - Rn. 21; 11. Februar 2015 - 7 [X.] - Rn. 20 mwN).

b) Nach diesen Grundsätzen hat das [X.] zu Unrecht angenommen, die im Arbeitsvertrag vom 10. Juli 2014 vereinbarte Befristung zum 15. Juli 2015 sei nicht durch den Sachgrund der Vertretung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 [X.] gerechtfertigt.

aa) Nach den Feststellungen des [X.] beruht die im Arbeitsvertrag vom 10. Juli 2014 vereinbarte Befristung auf der mittelbaren Vertretung der in Vollzeit beschäftigten Lehrerin R, die sich während der Dauer dieses Arbeitsvertrags bis zum 31. Juli 2015 in der Freistellungsphase eines Sabbatjahres befand. Die Beklagte musste angesichts der zeitlich begrenzten Abwesenheit mit der Rückkehr von [X.] an ihren Arbeitsplatz rechnen. Sie konnte deshalb davon ausgehen, dass der durch die Abwesenheit von [X.] entstehende Vertretungsbedarf zeitlich begrenzt war. Der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen dem zeitweiligen Ausfall von [X.] und der Einstellung der Klägerin liegt ebenfalls vor. Die Klägerin hat [X.] mittelbar vertreten. Das [X.] hat eine geschlossene Vertretungskette bei der Aufgabenübertragung im Fach Bildende Kunst zwischen der Stammkraft [X.] und der Klägerin im Einzelnen festgestellt. Die Klägerin hat gegen diese Feststellungen des [X.] keine Gegenrügen erhoben (vgl. dazu [X.] 26. Oktober 2016 - 7 [X.] - Rn. 21, [X.]E 157, 125; 23. März 2016 - 5 [X.] - Rn. 38 f., [X.]E 154, 337; 19. November 2015 - 6 [X.] - Rn. 20; [X.] 6. Oktober 2015 - [X.] - Rn. 39). Sie sind daher für den [X.] bindend. Damit ergibt sich bedingt durch die vorübergehende Abwesenheit der [X.] ein dargelegter Vertretungsbedarf von 19 Wochenstunden, der ([X.] einer Funktionsstunde pro Woche) mittelbar von der mit 20 Wochenstunden tätigen Klägerin abgedeckt wurde. Der erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen dem zeitweiligen Ausfall der Lehrkraft R und der befristeten Einstellung der Klägerin ist daher gegeben.

bb) Dem Vorliegen des [X.] nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 [X.] steht nicht entgegen, dass danach nicht ersichtlich ist, dass der durch die vorübergehende Abwesenheit der in Vollzeit beschäftigten Lehrkraft R entstandene Vertretungsbedarf in vollem Umfang durch die Klägerin und/oder andere Vertretungskräfte abgedeckt wurde. Dem Arbeitgeber ist es unbenommen, zu entscheiden, ob er den vorübergehenden Ausfall eines Arbeitnehmers überhaupt durch Einstellung einer Vertretungskraft überbrückt. Er kann sich daher auch darauf beschränken, nur Teile des [X.] abzudecken ([X.] 6. November 2013 - 7 [X.]/12 - Rn. 31).

cc) Unerheblich ist auch, dass die voraussichtliche Abwesenheit von [X.] bis zum 31. Juli 2015 etwas länger dauerte als die bis zum 15. Juli 2015 vereinbarte Befristung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin. Der Arbeitgeber muss die Vertretungskraft nicht für den gesamten Zeitraum der prognostizierten Abwesenheit der Stammkraft einstellen, sondern kann die Vertretung auch nur für einen kürzeren Zeitraum regeln (vgl. etwa [X.] 6. November 2013 - 7 [X.]/12 - Rn. 31). Der [X.] kommt nur insoweit Bedeutung zu, als sie - neben anderen Umständen - darauf hinweisen kann, dass die Befristung nicht auf dem vom Arbeitgeber in Anspruch genommenen Sachgrund beruht und in diesem Sinne nur vorgeschoben ist (vgl. [X.] 25. März 2009 - 7 [X.] - Rn. 26). Dafür gibt es im Streitfall keine Anhaltspunkte.

dd) Der von der Klägerin erhobene Einwand, in der [X.] bestehe ein dauerhafter Bedarf im Unterrichtsfach „Darstellendes Spiel“, steht dem Vorliegen des [X.] der Vertretung nicht entgegen. Für den Sachgrund der Vertretung ist es unerheblich, ob die Beklagte über ausreichendes Personal verfügt, um die ihr obliegenden Daueraufgaben zu erledigen. Anders als beim Sachgrund des nur vorübergehenden betrieblichen Bedarfs an der Arbeitsleistung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] muss im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht mit hinreichender Sicherheit zu erwarten sein, dass nach dem vorgesehenen Vertragsende für die Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers kein dauerhafter betrieblicher Bedarf mehr besteht. Für den Sachgrund der Vertretung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 [X.] kommt es nur auf den Wegfall des durch die Abwesenheit der Stammkraft verursachten vorübergehenden Beschäftigungsbedarfs an (vgl. [X.] 24. August 2016 - 7 [X.] - Rn. 26).

ee) Das [X.] hat zu Unrecht angenommen, der Sachgrund der Vertretung sei gleichwohl nicht gegeben, weil die Beklagte bei Vereinbarung der streitigen Befristung die Vertretungskette nicht schriftlich dokumentiert habe. Dies ist bei der mittelbaren Vertretung zur Gewährleistung des Kausalzusammenhangs zwischen der zeitweiligen Arbeitsverhinderung der Stammkraft und der Einstellung der Vertretungskraft nicht erforderlich.

(1) Nach der Rechtsprechung des [X.]s ist in Fällen, in denen der Vertretungskraft ohne tatsächliche Umverteilung der Arbeitsaufgaben Tätigkeiten übertragen werden, die die Stammkraft nie ausgeübt hat, die nach außen erkennbar dokumentierte gedankliche Zuordnung der Tätigkeit der Vertretungskraft zu einer vorübergehend abwesenden Stammkraft erforderlich, um die Kausalität zwischen der vorübergehenden Abwesenheit der Stammkraft und der Einstellung der Vertretungskraft zu begründen. Die nach außen erkennbar dokumentierte gedankliche Zuordnung gewährleistet, dass die Einstellung des Vertreters auf der Abwesenheit des zu vertretenden Arbeitnehmers beruht (vgl. [X.] 11. Februar 2015 - 7 [X.] - Rn. 20; 18. Juli 2012 - 7 [X.]/09 - Rn. 17, [X.]E 142, 308; 14. April 2010 - 7 [X.] - Rn. 16; 25. März 2009 - 7 [X.] - Rn. 15; 15. Februar 2006 - 7 [X.] - Rn. 15 ff., [X.]E 117, 104). Ohne eine nach außen erkennbare Festlegung des Arbeitgebers könnte in Fällen der sog. „gedanklichen Zuordnung“ nicht beurteilt werden, ob der Kausalzusammenhang zwischen der vorübergehenden Abwesenheit der Stammkraft und der befristeten Einstellung der Vertretungskraft vorliegt, weil dieser Vertretungsform keine tatsächlichen, sondern lediglich gedankliche Vorgänge zu Grunde liegen. Demgegenüber ist die mittelbare Vertretung dadurch gekennzeichnet, dass der Arbeitgeber den vorübergehenden Ausfall der Stammkraft zum Anlass nimmt, die Arbeitsaufgaben tatsächlich umzuverteilen. Einer gedanklichen Zuordnung der Tätigkeit der Vertretungskraft zu der Stammkraft bedarf es dabei nicht, da durch die Umverteilung der Arbeitsaufgaben - vermittelt durch eine Vertretungskette - eine tatsächliche Zuordnung der Vertretungskraft zu der Stammkraft erfolgt.

(2) Eine Dokumentation der Vertretungskette ist entgegen der Ansicht des [X.] auch nicht deshalb erforderlich, weil der mittelbaren Vertretung eine den Fällen der gedanklichen Zuordnung ähnliche Missbrauchsgefahr innewohnt. Eine solche Missbrauchsgefahr besteht in Fällen der mittelbaren Vertretung nicht in vergleichbarem Maß wie bei der Vertretung im Wege gedanklicher Zuordnung, da spätestens zu Beginn der mit der Vertretungskraft vereinbarten Vertragslaufzeit Tätigkeitszuweisungen auf andere Arbeitnehmer und die Vertretungskraft zu erfolgen haben, was auf das Vorliegen entsprechender Planungen des Arbeitgebers im Zeitpunkt des Abschlusses des befristeten Arbeitsvertrags schließen lässt. Dies ist einer Überprüfung im Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Befristung zugänglich.

3. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung des [X.]. Die angefochtene Entscheidung über den Befristungskontrollantrag stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Beklagte ist nicht nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) gehindert, sich auf den Sachgrund der Vertretung zu berufen. Dies kann der [X.] selbst entscheiden, da die hierfür maßgeblichen Tatsachen feststehen (§ 563 Abs. 3 ZPO).

a) Die Gerichte dürfen sich bei der [X.] nicht auf die Prüfung des geltend gemachten [X.] beschränken. Sie sind vielmehr aus unionsrechtlichen Gründen verpflichtet, durch Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auszuschließen, dass Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgreifen ([X.] 26. Januar 2012 - [X.]/10 - [[X.]] Rn. 40). Diese zusätzliche Prüfung ist im [X.] Recht nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) vorzunehmen (grundlegend [X.] 18. Juli 2012 - 7 [X.]/09 - Rn. 38, [X.]E 142, 308 und - 7 [X.] - Rn. 33). Die Prüfung, ob der Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgegriffen hat, verlangt eine Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls (vgl. [X.] 26. Januar 2012 - [X.]/10 - [[X.]] Rn. 40, 43, 51, 55; [X.] 18. Juli 2012 - 7 [X.]/09 - Rn. 40, aaO). Von besonderer Bedeutung sind - neben anderen Umständen - die Gesamtdauer der befristeten Verträge sowie die Anzahl der Vertragsverlängerungen ([X.] 9. September 2015 - 7 [X.] - Rn. 46, [X.]E 152, 273).

Zur Bestimmung der Schwelle einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung von [X.] hat der [X.] an die gesetzlichen Wertungen in § 14 Abs. 2 Satz 1 [X.] angeknüpft. Die Vorschrift macht eine Ausnahme von dem Erfordernis der Sachgrundbefristung und erleichtert damit den Abschluss von befristeten Verträgen bis zu der festgelegten Höchstdauer von zwei Jahren bei maximal dreimaliger Verlängerungsmöglichkeit. Sie kennzeichnet den nach Auffassung des Gesetzgebers unter allen Umständen unproblematischen Bereich. Ist ein Sachgrund nach § 14 Abs. 1 [X.] gegeben, lässt erst das erhebliche Überschreiten dieser Grenzwerte den Schluss auf eine missbräuchliche Gestaltung zu. Bei Vorliegen eines die Befristung an sich rechtfertigenden [X.] besteht kein gesteigerter Anlass zur Missbrauchskontrolle, wenn die in § 14 Abs. 2 Satz 1 [X.] für die sachgrundlose Befristung bezeichneten Grenzen nicht um ein Mehrfaches überschritten sind (vgl. hierzu etwa [X.] 24. August 2016 - 7 [X.] - Rn. 31 f.; 11. Februar 2015 - 7 [X.] - Rn. 31; 11. Februar 2015 - 7 [X.] - Rn. 46, [X.]E 150, 366). Davon ist auszugehen, wenn nicht mindestens das Vierfache eines der in § 14 Abs. 2 Satz 1 [X.] bestimmten Werte oder das Dreifache beider Werte überschritten ist. Liegt ein Sachgrund vor, kann also von der Befristung des Arbeitsverhältnisses Gebrauch gemacht werden, solange das Arbeitsverhältnis nicht die Gesamtdauer von sechs Jahren überschreitet und zudem nicht mehr als neun Vertragsverlängerungen vereinbart wurden, es sei denn, die Gesamtdauer übersteigt bereits acht Jahre oder es wurden mehr als zwölf Vertragsverlängerungen vereinbart ([X.] 26. Oktober 2016 - 7 [X.] - Rn. 26, [X.]E 157, 125).

b) Danach besteht in Bezug auf die Befristung zum 15. Juli 2015, die in der achten Vertragsverlängerung vereinbart und mit der die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses - auch unter Einbeziehung der (offenbar schulferienbedingten) [X.] - auf vier Jahre und ca. achteinhalb Monate festgelegt wurde, kein Anlass zur Missbrauchskontrolle.

II. Der Antrag zu 2., mit dem die Klägerin ihre vorläufige Weiterbeschäftigung verlangt, fällt dem [X.] nicht zur Entscheidung an. Der Antrag steht unter der innerprozessualen Bedingung des Obsiegens mit dem Befristungskontrollantrag. Diese Bedingung ist nicht eingetreten.

III. Die Klägerin hat als unterlegene [X.] gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

        

    Gräfl    

        

    [X.]    

        

    Waskow    

        

        

        

    Deinert    

        

    Meißner    

                 

Meta

7 AZR 696/16

21.02.2018

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Hamburg, 17. November 2015, Az: 21 Ca 161/15, Urteil

§ 14 Abs 1 S 2 Nr 3 TzBfG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.02.2018, Az. 7 AZR 696/16 (REWIS RS 2018, 13575)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 13575

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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