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Zuständigkeit des Truppendienstgerichts; Mehrfachverteidigung; Tatidentität
Der Bestimmung des zuständigen Truppendienstgerichts nach § 70 Abs. 3 WDO steht nicht entgegen, dass die in den später zu verbindenden Verfahren Beschuldigten, denen gemeinsames Handeln bei einzelnen Pflichtverletzungen vorgeworfen wird, denselben Verteidiger gewählt haben.
Gegen den Soldaten war mit Verfügung des [X.]der Streitkräftebasis vom 15. April 2014, dem Soldaten ausgehändigt am 23. April 2014, ein gerichtliches Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Am 17. September 2014 ging beim [X.]Nord, 4. Kammer, die Anschuldigungsschrift der Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des Kommandos Streitkräftebasis vom 12. September 2014 ein, mit der dem Soldaten unter anderem vorgeworfen wurde, gemeinsam mit [X.]am 26. und 27. März 2013 in [X.]bzw. S. dem [X.]in Kenntnis der [X.]befohlen zu haben, sie und weitere Offiziere mit einem Dienstkraftfahrzeug von der Kaserne zur [X.]in [X.]und sodann zu einem Bordell in S. zu fahren sowie am folgenden Morgen von dort abzuholen und zur Kaserne zurückzufahren. [X.]wurde mit Anschuldigungsschrift der Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich der Division Schnelle Kräfte vom 28. Februar 2014 unter anderem wegen dieser Befehle beim [X.]Süd, 3. Kammer, angeschuldigt.
Mit Antrag vom 18. November 2014, beim [X.]eingegangen am 27. November 2014, hat der Vorsitzende der [X.]des [X.]in Absprache mit dem Vorsitzenden der [X.]des [X.]beantragt, für das Verfahren als zuständiges Gericht das [X.]Süd zu bestimmen.
Der Soldat, der denselben Verteidiger gewählt hat wie der gesondert angeschuldigte Hauptmann K., stimmt im Gegensatz zum Bundeswehrdisziplinaranwalt einer Verbindung der Verfahren wegen § 146 StPO nicht zu.
Auf den zulässigen Antrag wird das [X.]Süd als zuständiges Gericht bestimmt.
Nach § 70 Abs. 3 [X.]bestimmt das [X.]u.a. auf Antrag eines Truppendienstgerichts das zuständige Truppendienstgericht, wenn u.a. bei zusammenhängenden Dienstvergehen mehrerer Soldaten unterschiedliche Gerichtsstände bestehen. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
1. Für beide Soldaten sind unterschiedliche Truppendienstgerichte zuständig. Deren Zuständigkeit bestimmt sich nach § 70 Abs. 1 WDO. Danach ist das [X.]zuständig, das für den [X.]errichtet ist, zu dem der Truppenteil oder die Dienststelle des Soldaten bei Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens gehört.
[X.]ist zum 1. April 2013 von der 2./... in [X.]in [X.]versetzt worden. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 der Verordnung zur Regelung der Dienstbereiche der Truppendienstgerichte und zur Bildung von Truppendienstkammern vom 15. August 2012 (BGBl I 2012, S. 1714) erfasst der Dienstbereich des [X.]Dienststellen mit Sitz in Hamburg, während nach § 1 Abs. 2 Nr. 6 dieser Verordnung der Dienstbereich des [X.]Dienststellen mit Sitz im [X.]umfasst. Bei dem Wirksamwerden der Einleitungsverfügung durch Aushändigung an den Soldaten am 23. April 2014 war dieser mithin an eine Dienststelle im Zuständigkeitsbereich des [X.]versetzt, während [X.]zum Zeitpunkt der Aushändigung der Verfügung über die Einleitung des gegen ihn gerichteten Verfahrens am 5. September 2013 noch Angehöriger der 2./... in M. und von dort zum Stab ... in S. kommandiert war, mithin einer Dienststelle im Dienstbereich des [X.]angehörte.
2. Es handelt sich auch um zusammenhängende Dienstvergehen mehrerer Soldaten im Sinne des § 70 Abs. 3 WDO.
Die Wehrdisziplinarordnung enthält keine ausdrückliche Regelung darüber, unter welchen Voraussetzungen ein Zusammenhang zwischen mehreren Dienstvergehen besteht. Der Wortlaut besagt nur, dass persönliche oder sachliche Gründe eine Art Klammer zwischen den [X.]bilden müssen. Doch lässt sich dem Regelungszusammenhang, der Entstehungsgeschichte und dem daraus ableitbaren Zweck der Vorschrift entnehmen, dass ein Zusammenhang zwischen mehreren Dienstvergehen jedenfalls dann anzunehmen ist, wenn Gegenstand der unterschiedlichen Disziplinarverfahren eine einheitliche Straftat ist, bei der die betroffenen Soldaten als Mittäter oder Teilnehmer beteiligt waren und mehrere Verfahren zu diesem Zweck bei dem für zuständig erklärten Gericht zur gemeinsamen Verhandlung verbunden werden sollen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Juni 2010 - 2 [X.]2.10 - Rn. 7 m.w.N.).
Nichts anderes gilt, wenn - wie hier - die Pflichtverletzungen nicht den Tatbestand einer Norm des allgemeinen Strafrechts erfüllen oder ein sachgleiches Strafverfahren nicht durchgeführt worden ist. Ein Zusammenhang zwischen Dienstvergehen mehrerer Soldaten wird auch dadurch begründet, dass diesen - wie hier - vorgeworfen wird, gemeinsam dieselbe Dienstpflichtverletzung begangen zu haben.
3. Der Bestimmung des zuständigen Truppendienstgerichts nach § 70 Abs. 3 [X.]steht nicht entgegen, dass die Beschuldigten der später zu verbindenden Verfahren, denen gemeinsames Handeln bei einzelnen Pflichtverletzungen vorgeworfen wird, denselben Verteidiger gewählt haben.
Zwar gilt das Verbot der Mehrfachverteidigung im Sinne von § 146 StPO wegen § 91 Abs. 1 Satz 1 [X.]auch im gerichtlichen Disziplinarverfahren (BVerwG, Beschluss vom 10. August 1993 - 2 [X.]5, 6.93 - BVerwGE 93, 386). Die Bestimmung eines einheitlichen zuständigen Gerichts nach § 70 Abs. 3 [X.]kommt nur dann in Betracht, wenn die im Zusammenhang stehenden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung verbunden werden sollen (BVerwG, Beschluss vom 26. Februar 2009, 2 [X.]1.09 - [X.]450.2 § 70 [X.]2002 Nr. 2, Rn. 10). Wäre eine Verfahrensverbindung, nicht zulässig, kommt auch die Bestimmung eines einheitlich zuständigen Gerichts nach § 70 Abs. 3 [X.]nicht in Betracht.
Der für eine Verfahrensverbindung eröffnete richterliche Ermessensspielraum unterliegt verfassungsrechtlichen Grenzen, insbesondere dem Anspruch des Beschuldigten auf ein faires Verfahren, der auch das Recht umfasst, sich von einem gewählten Verteidiger seines Vertrauens verteidigen zu lassen (BVerfG, Beschluss der [X.]des Zweiten [X.]vom 12. August 2002 - 2 BvR 932/02 - juris Rn. 23, 26). Daher hat der [X.]bei seiner Entscheidung über die mögliche Verbindung zweier Verfahren auch zu erwägen, ob diese gerechtfertigt ist, obwohl sie wegen der durch sie begründeten Verfahrensidentität und des verfassungsrechtlich unbedenklichen Verbots der Mehrfachverteidigung zur Zurückweisung des vom Beschuldigten gewählten Verteidigers seines Vertrauens führt (BVerfG, Beschluss der [X.]des Zweiten [X.]vom 12. August 2002 - 2 BvR 932/02, juris Rn. 27 m.w.N.).
Diese Fallkonstellation liegt hier aber nicht vor, weil nicht erst die vom [X.]Süd in Aussicht genommene Verfahrensverbindung wegen § 146 Satz 2 StPO i.V.m. § 91 Abs. 1 Satz 1 [X.]die Frage nach einer Zurückweisung des Verteidigers des Soldaten aufwirft. Vielmehr greift schon wegen der [X.]nach § 146 Satz 1 StPO i.V.m. § 91 Abs. 1 Satz 1 [X.]das Verbot der Mehrfachverteidigung ein. Bei einer [X.]ist eine Mehrfachverteidigung selbst dann unzulässig, wenn gegen mehrere Beschuldigte getrennte Verfahren geführt werden und der Verteidiger in jedem dieser Verfahren einen von ihnen verteidigen will (Meyer-Goßner/Schmitt, [X.]57. Auflage 2014, § 146 Rn. 16 mit Nachweisen zur Rechtsprechung). [X.]liegt vor, wenn dieselbe prozessuale Tat im Sinne des § 264 StPO in Rede steht. Da dem Soldaten und [X.]teilweise ein gemeinsames Handeln vorgeworfen wird, steht ein nach natürlicher Auffassung einheitlicher Lebensvorgang und damit dieselbe Tat im prozessualen Sinne in Rede (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 264 Rn. 2 m.w.N. zur Rspr des BGH). Ob die jeweiligen Punkte 3 und 4 der [X.]den beiden Hauptleuten „in der Ausführung verschiedene Dienstpflichtverletzungen“ vorwerfen, wie der Verteidiger im Schriftsatz vom 21. Januar 2015 ausführt, ist ebenso unerheblich, wie die Frage, ob die Hauptleute mittäterschaftlich oder in einer anderen Beteiligungsform handelten. Denn dieser Umstand ändert nichts daran, dass ein einheitlicher geschichtlicher Vorgang Gegenstand der Anschuldigungen ist. Mithin ist die Mehrfachverteidigung auch ohne Verfahrensverbindung unzulässig. Daher steht der Verfahrensverbindung nicht entgegen, dass sie das Recht des Beschuldigten auf ein faires Verfahren und die Wahl eines Verteidigers seines Vertrauens unzumutbar beeinträchtigen würde.
4. Als zuständiges Gericht war das [X.]Süd zu bestimmen, weil die Tatorte der nach den Anschuldigungen gemeinsam begangenen Taten ebenso wie diejenigen der weiteren Vorwürfe, die den Rahmen des hier in Rede stehenden gerichtlichen Disziplinarverfahrens bilden, im Zuständigkeitsbereich des [X.]gelegen sind. Es kommt hinzu, dass die erste die gemeinschaftlichen Pflichtverletzungen betreffende Anschuldigungsschrift beim [X.]Süd eingegangen ist. Die Beteiligten sind übereinstimmend der Auffassung, dass für eine Verhandlung vor dem [X.]Süd die Prozessökonomie spricht.
Die Bestimmung der zuständigen Kammer innerhalb des [X.]gehört nach dem Wortlaut des § 70 Abs. 3 [X.]nicht zur Aufgabe des [X.]im Rahmen der Zuständigkeitsbestimmung; sie richtet sich vielmehr nach dem Geschäftsverteilungsplan des [X.]und müsste gegebenenfalls durch das Präsidium des [X.]erfolgen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. August 2006 - 2 [X.]2.06 - [X.]450.2 § 70 [X.]2002 Nr. 1 Rn. 18 m.w.N.).
Meta
23.01.2015
Bundesverwaltungsgericht 2. Wehrdienstsenat
Beschluss
Sachgebiet: WDB
vorgehend Truppendienstgericht Nord, kein Datum verfügbar, Az: N 4 VL 37/14
§ 70 Abs 3 WDO, § 91 Abs 1 S 1 WDO, § 146 S 2 StPO
Zitiervorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 23.01.2015, Az. 2 WDB 2/14 (REWIS RS 2015, 16650)
Papierfundstellen: REWIS RS 2015, 16650
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
2 WDB 3/17 (Bundesverwaltungsgericht)
Bestimmung des zuständigen Truppendienstgerichts
2 WDB 1/17 (Bundesverwaltungsgericht)
Bestimmung des zuständigen Truppendienstgerichts; Bindungswirkung einer Verweisungsentscheidung
2 WDB 6/21 (Bundesverwaltungsgericht)
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