Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 27.04.2017, Az. 2 WDB 1/17

2. Wehrdienstsenat | REWIS RS 2017, 11776

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Bestimmung des zuständigen Truppendienstgerichts; Bindungswirkung einer Verweisungsentscheidung


Tatbestand

1

1. Vor dem [X.] Süd ist gegen den früheren Soldaten ein disziplinargerichtliches Verfahren anhängig. Ihm wird vorgeworfen, im Dezember 2014 zusammen mit dem [X.] [X.] einen Kameraden körperlich misshandelt zu haben. Der frühere Soldat war zum Zeitpunkt des angeschuldigten Dienstvergehens als [X.] [X.], [X.] ([X.]) eingesetzt.

2

2. Gegen den zu diesem Zeitpunkt in [X.] ([X.]) wohnhaften früheren Soldaten ist mit Verfügung des [X.] der [X.] vom 27. Mai 2015 das gerichtliche Disziplinarverfahren eingeleitet worden, nachdem der Generalinspekteur der [X.] als gemeinsame höhere Einleitungsbehörde den Inspekteur der [X.] als zuständige Einleitungsbehörde für die gegen den früheren Soldaten und gegen den [X.] [X.] gerichteten Disziplinarverfahren bestimmt hatte.

3

3. Die streitgegenständliche, unter dem 24. Oktober 2016 vor dem [X.] Nord angeschuldigte und dort seit dem 27. Oktober 2016 anhängige Sache, wurde von dort mit Beschluss vom 28. November 2016 an das [X.] Süd mit der Begründung verwiesen, jenes sei wegen des zum Zeitpunkt der Einleitung des disziplinargerichtlichen Verfahrens bestehenden Wohnsitzes des früheren Soldaten zuständig.

4

Das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen [X.] [X.] ist seit dem 6. Oktober 2016 beim [X.] Nord anhängig. Zum Zeitpunkt der unter dem 27. Mai 2015 verfügten Einleitung gehörte jener dem [X.] in [X.] ([X.]) an.

5

Das gegen beide Soldaten vor dem Amtsgericht [X.] sachgleich wegen gemeinschaftlich begangener gefährlicher Körperverletzung gemeinsam verhandelte Strafverfahren wurde durch Beschluss des Amtsgerichts [X.] vom 20. Juli 2016 gem. § 153a Abs. 2 i.V.m. § 153a Abs. 1 Nr. 2 StPO vorläufig eingestellt.

6

4. Unter dem 1. Februar 2017 hat der Vorsitzende der [X.] des [X.]s Süd beim [X.] beantragt, das [X.] Nord als zuständiges Gericht für das Verfahren des früheren Soldaten zu bestimmen. Die für das Verfahren des früheren Soldaten und des [X.]s [X.] als zuständig bestimmte Einleitungsbehörde sowie die sie im gerichtlichen Disziplinarverfahren vertretende [X.] hätten ihren Dienstsitz im Zuständigkeitsbereich des [X.]s Nord. Dasselbe gelte für die Dienststellen sämtlicher in der [X.] gegen den früheren Soldaten benannten Tat- und Leumundszeugen. Auch der Tatort der angeschuldigten Handlung liege im Zuständigkeitsbereich des [X.]s Nord. Hinzu komme, dass die erste die gemeinschaftlichen Pflichtverletzungen betreffende [X.] beim [X.] Nord eingegangen sei, weil die [X.] angenommen habe, bereits mit der Bestimmung der gemeinsamen Einleitungsbehörde sei die Zuständigkeit dieses Gerichts für beide Verfahren begründet worden.

7

5. Ausweislich des Vermerks des Vorsitzenden [X.] der [X.] des [X.]s Süd vom 31. Januar 2017 hat sich der Vorsitzende der [X.] des [X.]s Nord zur Übernahme des Verfahrens zwecks späterer Verbindung zur gemeinsamen Verhandlung mit dem Verfahren gegen [X.] [X.] bereit erklärt.

8

6. Der frühere Soldat und der [X.]disziplinaranwalt hatten Gelegenheit, sich zu dem Antrag zu äußern. Der [X.]disziplinaranwalt hat erklärt, ihn zu unterstützen.

Entscheidungsgründe

9

Auf Antrag des [X.]s Süd wird das [X.] als zuständiges Gericht bestimmt.

1. Nach § 70 Abs. 3 [X.] bestimmt das [X.] auf Antrag das zuständige [X.], wenn bei zusammenhängenden Dienstvergehen mehrerer Soldaten unterschiedliche Gerichtsstände bestehen. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Zulässigkeit eines Antrages nach § 70 Abs. 3 [X.] die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses aus § 17a Abs. 2 Satz 3 [X.] entgegenstehen kann. Der Verweisungsbeschluss entfaltet zwar in entsprechender Anwendung des § 17a Abs. 2 Satz 3 [X.] Bindungswirkung, weil das [X.] wegen des Fehlens einer den § 48 ArbGG, § 83 VwGO, § 202 SGG, § 155 FGO vergleichbaren Regelung in der [X.] § 17a Abs. 2 [X.] analog anwendet (vgl. [X.], Beschluss vom 16. Juli 2014 - 2 [X.] 5.13 - [X.]E 150, 162) und die dafür tragende Begründung der [X.] auch Satz 3 des § 17a Abs. 2 [X.] einschließt. Zwar darf das [X.] den Antrag nach § 70 Abs. 3 [X.] nicht rechtsmissbräuchlich instrumentalisieren, um seine Bindung aus § 17a Abs. 2 Satz 3 [X.] zu unterlaufen. Hier ist die Antragstellung aber ersichtlich nicht missbräuchlich, diente der Verweisungsbeschluss des [X.]s Nord auch dem Zweck, die Voraussetzungen für die prozessual ordnungsgemäße Herbeiführung des gemeinsamen Gerichtsstandes zu schaffen. Denn der Verweisungsbeschluss des [X.]s Nord war ausschließlich auf das Verhalten der [X.] zurückzuführen, das beim [X.] die gegen den früheren Soldaten gerichtete [X.] unter Verkennung der Regelungssystematik von § 94 Abs. 5 und § 70 Abs. 3 [X.] deshalb eingereicht hat, weil dort bereits seit dem 6. Oktober 2016 das gegen den [X.] ... gerichtete gerichtliche Disziplinarverfahren anhängig war. Korrekterweise hätte die [X.] die [X.] - aus noch [X.] Gründen - sogleich beim [X.] Süd als dem Gericht einreichen müssen, an das das [X.] die Sache sodann auch verwiesen hat. Unter diesen Voraussetzungen besteht vorliegend keine Gefahr, dass durch eine Gerichtsbestimmung nach § 70 Abs. 3 [X.] ein Wertungswiderspruch zu den von einem Verweisungsbeschluss etwaig ausgehenden Bindungswirkungen entsteht.

2. Für den früheren Soldaten und den [X.] ... sind unterschiedliche [X.]e zuständig.

a) Soweit es den früheren Soldaten betrifft, folgt die Zuständigkeit des [X.]s Süd aus § 70 Abs. 2 Satz 1 [X.]. Danach bestimmt sich die gerichtliche Zuständigkeit bei früheren Soldaten nach dem Wehrbereich, in dem sich die zuständige Wehrersatzbehörde befindet, oder, soweit der frühere Soldat nicht mehr der Wehrüberwachung unterliegt, nach dessen Wohnsitz. Da der Soldat früherer Soldat ist und er zu dem Zeitpunkt, zu dem die Einleitungsverfügung gegen ihn erging, in ..., mithin in [X.], wohnhaft war, war für ihn gem. § 1 Abs. 2 Nr. 3 der Verordnung zur Regelung der Dienstbereiche der [X.]e und zur Bildung von Truppendienstkammern - [X.]e-Verordnung - vom 15. August 2012 ([X.], S. 1714) das [X.] Süd zuständig. Die Bestimmung richtet sich auch nach dem Wohnsitz, weil der Verordnungsgeber in der [X.]e-Verordnung darauf verzichtet hat, die Zuständigkeit der [X.]e an die Gliederung der [X.] in [X.] auszurichten (vgl. [X.], [X.], Kommentar, 6. Aufl. 2013, § 70 Rn. 8).

b) Soweit es den (aktiven) Soldaten [X.] ... betrifft, richtet sich die gerichtliche Zuständigkeit nach § 70 Abs. 1 [X.]. Danach ist das [X.] zuständig, das für den [X.] errichtet ist, zu dem der Truppenteil oder die Dienststelle des Soldaten bei Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens gehört. Der Soldat gehörte zum Zeitpunkt der Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens dem ... in ... an, sodass für ihn nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 [X.]e-Verordnung das [X.] zuständig ist.

3. Es liegen auch zusammenhängende Dienstvergehen mehrerer Soldaten im Sinne des § 70 Abs. 3 [X.] vor.

Die Wehrdisziplinarordnung enthält zwar keine ausdrückliche Regelung darüber, unter welchen Voraussetzungen ein Zusammenhang zwischen mehreren Dienstvergehen besteht. Der Wortlaut besagt nur, dass persönliche oder sachliche Gründe eine Art Klammer zwischen den [X.] bilden müssen. Dem [X.], der Entstehungsgeschichte und dem daraus ableitbaren Zweck der Vorschrift lässt sich jedoch entnehmen, dass ein Zusammenhang zwischen mehreren Dienstvergehen jedenfalls dann anzunehmen ist, wenn Gegenstand der jeweiligen Disziplinarverfahren eine einheitliche Tat ist, bei der die betroffenen Soldaten als Mittäter oder Teilnehmer beteiligt waren (vgl. [X.], Beschlüsse vom 30. Juni 2010 - 2 [X.] 2.10 - Rn. 7 m.w.N. und vom 23. Januar 2015 - 2 [X.] 2.14 - [X.] 450.2 § 70 [X.] 2002 Nr. 5 Rn. 9). Dies ist vorliegend bei dem vor dem [X.] Süd anhängigen disziplinargerichtlichen Verfahren des früheren Soldaten und des vor dem [X.] anhängigen disziplinargerichtlichen Verfahrens des [X.]s ... der Fall, weil ihnen ausweislich der jeweiligen [X.]en vom 28. September 2016 (Verfahren ...) und vom 24. Oktober 2016 (früherer Soldat) vorgeworfen wird, gemeinsam ein Dienstvergehen begangen zu haben.

4. Als zuständiges Gericht bestimmt der Senat das [X.].

a) Das [X.] als zuständiges Gericht zu bestimmen, verbietet sich nicht bereits deshalb, weil es nicht beabsichtigte, die Verfahren zu verbinden (vgl. [X.], Beschluss vom 23. Januar 2015 - 2 [X.] 2.14 - a.a.[X.] Rn. 18). Ausweislich der Vermerks des Vorsitzenden [X.] der [X.] des [X.]s Süd vom 31. Januar 2017 hat [X.] der 4. Kammer des [X.]s Nord vielmehr erklärt, nach Übernahme des Verfahrens des früheren Soldaten es mit dem Verfahren des [X.]s ... zur gemeinsamen Verhandlung zu verbinden.

b) Da auch keine Rechtsgründe ersichtlich sind, die einer Verfahrensverbindung entgegenstehen, ist sowohl aus Gründen der [X.] als auch der Verfahrensbeschleunigung (§ 17 Abs. 1 [X.]) das [X.] als zuständiges Gericht zu bestimmen.

Der Tatort der nach der Anschuldigung gemeinsam mit dem [X.] ... begangenen Pflichtverletzung des früheren Soldaten liegt im Zuständigkeitsbereich des [X.]s Nord. Etwaig zur Hauptverhandlung zu ladende Zeugen gehören ausweislich der [X.] vom 24. Oktober 2016 ebenfalls dem dortigen ... oder jedenfalls in [X.] stationierten Einheiten an. Diesem sachlichen wie räumlichen Kontext ist bereits im Vorfeld durch die Entscheidung des [X.] dadurch Rechnung getragen worden, den Inspekteur der [X.] auch für den früheren Soldaten als zuständige Einleitungsbehörde zu bestimmen, um eine disziplinarrechtlich einheitliche Würdigung und eine abgestimmte Verfahrensführung beider Sachen zu befördern.

Meta

2 WDB 1/17

27.04.2017

Bundesverwaltungsgericht 2. Wehrdienstsenat

Beschluss

Sachgebiet: WDB

§ 17a Abs 2 S 3 GVG, § 70 Abs 2 S 1 WDO 2002, § 70 Abs 3 WDO 2002, § 70 Abs 1 WDO 2002, § 17 Abs 1 WDO 2002

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 27.04.2017, Az. 2 WDB 1/17 (REWIS RS 2017, 11776)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 11776

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 WDB 6/21 (Bundesverwaltungsgericht)

Bestimmung des Truppendienstgerichts


2 WDB 5/13 (Bundesverwaltungsgericht)

Verweisung bei örtlicher Unzuständigkeit


2 WDB 2/14 (Bundesverwaltungsgericht)

Zuständigkeit des Truppendienstgerichts; Mehrfachverteidigung; Tatidentität


2 WDB 3/17 (Bundesverwaltungsgericht)

Bestimmung des zuständigen Truppendienstgerichts


2 WD 13/12 (Bundesverwaltungsgericht)

Gerichtliches Disziplinarverfahren; Einleitungsbehörde; Zuständigkeitsbestimmung des Bundesministers der Verteidigung; Entscheidung einer unzuständigen Kammer des Truppendienstgerichts; schwerwiegender …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.