Bundesfinanzhof, Beschluss vom 09.02.2015, Az. I B 32/14

1. Senat | REWIS RS 2015, 15851

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Gegenstand

Verjährenlassen von Forderungen als verdeckte Gewinnausschüttung


Leitsatz

1. NV: Der Verzicht auf Forderungen kann als Beitrag zur Sanierung eines Unternehmens ausschließlich betrieblich veranlasst sein und schließt dann die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung aus .

2. NV: Auf die Beantwortung der als rechtsgrundsätzlich bedeutsam geltend gemachten Frage, ob auch das Verjährenlassen von Forderungen als konkludenter Forderungsverzicht und damit Sanierungsbeitrag gewertet werden kann, kommt es nicht an, wenn eine verdeckte Gewinnausschüttung bereits deswegen vorliegt, weil der behauptete Sanierungsbeitrag nicht Gegenstand einer klar und eindeutig im Voraus getroffenen Vereinbarung (Sonderanforderungen bei beherrschenden Gesellschaftern) war .

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 13. März 2014  10 K 62/12 wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, stellt u.a. Drucksachen her. Ihre Gesellschafter sind zu je 50% A und [X.] Diese sind in demselben Verhältnis an der [X.] beteiligt. Aus Lieferverträgen standen der Klägerin erhebliche Ansprüche gegen die [X.] zu. Diese leistete jedoch keine Zahlungen. Schließlich buchte die Klägerin ihre Forderungen mit der Begründung erfolgswirksam aus, dass, worüber kein Streit besteht, mittlerweile Verjährung eingetreten sei. Zu einer vergleichbaren Verjährung der Ansprüche gegenüber der [X.] war es bereits zwei Jahre zuvor gekommen.

2

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) behandelte die Ausbuchung als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA). Seines Erachtens hätte ein ordentlicher Geschäftsleiter dafür Sorge getragen, dass nicht erneut Forderungen verjähren.

3

Das Finanzgericht (FG) Köln schloss sich mit seinem Urteil vom 13. März 2014  10 K 62/12 dieser Beurteilung an. Die Revision gegen sein Urteil ließ es nicht zu.

Entscheidungsgründe

4

II. [X.] ist unzulässig und durch [X.]eschluss zu verwerfen (§ 116 [X.]bs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Die Klägerin hat die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in einer den [X.]nforderungen des § 116 [X.]bs. 3 Satz 3 [X.]O genügenden Weise dargelegt.

5

1. Soweit die Klägerin das Fehlen von Entscheidungsgründen [X.] der §§ 105 [X.]bs. 2 Nr. 6, 119 Nr. 6 [X.]O, einen Verstoß gegen den klaren Inhalt der [X.]kten, mangelnde Sachaufklärung und schließlich eine Verletzung ihres [X.]nspruchs auf rechtliches Gehör rügt, werden Verfahrensfehler [X.] des § 115 [X.]bs. 2 Nr. 3 [X.]O nicht schlüssig geltend gemacht.

6

Sämtliche gerügten Verfahrensverstöße hängen damit zusammen, dass der Sachvortrag der Klägerin, wonach der Verzicht auf die prozessuale Durchsetzung der Forderung ein [X.]eitrag zur Sanierung eines Geschäftskunden gewesen sei, aus ihrer Sicht vom [X.] nicht berücksichtigt, nicht weiter aufgeklärt bzw. ohne Urteilsbegründung zurückgewiesen worden sei.

7

Indes geht aus der [X.]eschwerdebegründung selbst hervor, dass das [X.] in den Urteilsgründen das Hauptargument der Klägerin, wonach die Forderungen aus betrieblichen Gründen nicht im [X.] geltend gemacht worden seien, als nicht überzeugend gewürdigt hatte. Mit den betrieblichen Gründen war ersichtlich das Vorbringen der Klägerin angesprochen, wonach der Verzicht auf die prozessuale Durchsetzung ein [X.]eitrag zur Sanierung eines Geschäftskunden gewesen sei, dessen Weiterarbeit habe sichergestellt werden müssen. Die [X.]egründung des [X.] war zwar recht knapp gehalten, aber sie war durchaus vorhanden. Eine bloß lückenhafte oder kurz gefasste Urteilsbegründung begründet aber keine Verletzung der §§ 105 [X.]bs. 2 Nr. 5, 119 Nr. 6 [X.]O (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2014 I [X.] 101/13, [X.], 201, m.w.N.). Ferner sind im Streitfall keine besonderen Umstände ersichtlich, die dafür sprechen könnten, dass das Gericht das aktenkundige Vorbringen der [X.]eteiligten nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben könnte (vgl. dazu [X.]eschluss des [X.] --[X.]-- vom 14. Dezember 2006 VIII [X.] 108/05, [X.] 2007, 741; Senatsbeschluss vom 7. November 2012 I [X.] 172/11, [X.] 2013, 561). [X.]uch dies verdeutlichen der Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils. Schließlich scheidet auch eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes (§ 76 [X.]bs. 1 [X.]O) nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin aus. Denn nach dem vom [X.] eingenommenen Rechtsstandpunkt, auf den maßgeblich abzustellen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 6. Dezember 2012 I [X.] 8/12, [X.] 2013, 703), war die behauptete Sanierung der Schwestergesellschaft nicht von der Klägerin, sondern von den Gesellschaftern zu leisten. [X.]usgehend von dieser Rechtsauffassung kam es ersichtlich auf die [X.]ufklärung der näheren Umstände der beabsichtigten Sanierung nicht an. Im [X.] macht die Klägerin mit ihren Verfahrensrügen lediglich geltend, dass das [X.] ihrem Sach- und [X.] zur betrieblichen Veranlassung des "[X.]" der Forderungen nicht gefolgt ist. Dieser vermeintliche Fehler ist materiell-rechtlicher [X.]rt und kann die Revisionszulassung wegen eines [X.] nicht rechtfertigen (vgl. [X.] in [X.] 2007, 741).

8

2. Die gerügte Divergenz zum Urteil des [X.] Rheinland-Pfalz vom 29. Juni 1995  4 K 1587/93 (Entscheidungen der Finanzgerichte --E[X.]-- 1995, 1074) ist nicht ordnungsgemäß dargelegt. Es fehlen substantiierte [X.]usführungen zur Vergleichbarkeit der Sachverhalte (vgl. z.[X.]. Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2014 I [X.] 169/13, [X.], 234, m.w.N.). Während das [X.] Rheinland-Pfalz einen rechtsgeschäftlich zwischen Gläubiger und Schuldner vereinbarten Teilverzicht auf Forderungen aus Lieferungen und Leistungen zu beurteilen hatte, geht es im Streitfall um das einseitige Nichtgeltendmachen von Forderungen vor dem zivilrechtlichen [X.]. Die Klägerin behauptet zwar, dass darin ein konkludenter Verzicht zu erkennen sei. Das versteht sich ohne nähere Darlegungen aber nicht von selbst. Denn im Verzicht ist regelmäßig ein Erlassvertrag [X.] des § 397 des [X.]ürgerlichen Gesetzbuchs zu erblicken (vgl. [X.]/[X.], [X.], 14. [X.]ufl., § 397 Rz 1). Es handelt sich damit um eine ausgehandelte rechtsgeschäftliche Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner. Ein solcher Erlass kann, wenn er --regelmäßig im Zusammenwirken mit anderen [X.] in der [X.]bsicht ausgesprochen wird, den Schuldner geschäftlich und finanziell gesunden zu lassen, als --dann betrieblich veranlasste-- Sanierungsmaßnahme zu beurteilen sein (vgl. [X.], [X.], 2. [X.]ufl., § 8 Rz 1200). Im Streitfall hat das [X.] gerade nicht festgestellt, dass dem --wiederholten-- Nichtergreifen verjährungsunterbrechender Maßnahmen ein vergleichbarer rechtsgeschäftlicher Erklärungsinhalt zukam. Weder der Schuldner noch andere Gläubiger waren Teil einer wie auch immer gearteten Sanierungsvereinbarung, die vor dem Hintergrund einer substantiiert aufgeklärten wirtschaftlichen Situation des [X.] getroffen wurde.

9

3. Soweit die Klägerin der Rechtsfrage rechtsgrundsätzliche [X.]edeutung beimisst, ob ein [X.] nur dann anzunehmen sei, wenn dieser durch eindeutige Erklärung eines Verzichts erfolge, oder ob ein [X.] infolge einer wirtschaftlichen [X.]etrachtungsweise ebenfalls dann anzunehmen sei, wenn dieser durch Nichtgeltendmachung und Eintritt der Verjährung einer Forderung gegenüber dem Schuldner erfolge, fehlt es an der erforderlichen Darlegung der Klärungsbedürftigkeit (zu den [X.] insoweit z.[X.]. Senatsbeschluss vom 12. März 2014 I [X.] 167/13, [X.] 2014, 1092, m.w.N.). [X.]begründung setzt sich mit der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung und Literatur zum [X.] der Sanierung nicht auseinander und versäumt damit die [X.]ntwort auf die naheliegende Frage, ob das aufgeworfene Rechtsproblem angesichts der fehlenden rechtsgeschäftlichen Grundlage des "Verzichts" und der fehlenden Mitwirkung der anderen Gläubiger nicht bereits in einem für die Klägerin nachteiligen Sinne als geklärt betrachtet werden muss. Der ertragsteuerrechtliche Sanierungsbegriff war bereits Gegenstand zahlreicher Entscheidungen des [X.] ([X.]-Urteile vom 18. Dezember 1990 VIII R 39/87, [X.]E 164, 404, [X.] 1991, 784; vom 14. Juli 2010 [X.], [X.]E 229, 502, [X.] 2010, 916). [X.]uch die Literatur (z.[X.]. [X.], a.a.[X.], § 8, Rz 1200; [X.]lümich/Rengers, § 8 [X.] Rz 900 "Sanierung"; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 8 [X.] Rz 380 "Sanierung") und die finanzgerichtliche Rechtsprechung (vgl. z.[X.]. Urteil des [X.] Rheinland-Pfalz in E[X.] 1995, 1074; Urteil des [X.] Münster vom 9. Juli 2002  1 K 430/99 F, E[X.] 2003, 30) haben sich zum Themenkreis vG[X.] und Sanierung geäußert. Neue [X.]rgumente, die den [X.] beeinflussen könnten, sind der [X.]eschwerdebegründung nicht zu entnehmen.

Es fehlt ferner an der erforderlichen Darlegung der sog. Entscheidungserheblichkeit oder Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Frage (vgl. dazu z.[X.]. [X.]-[X.]eschlüsse vom 22. Oktober 2003 III [X.] 14/03, [X.] 2004, 224; vom 18. März 2005 IX [X.] 193/04, [X.] 2005, 1342; vom 5. Dezember 2007 VIII [X.] 79/07, [X.] 2008, 732; vom 15. Oktober 2008 II [X.] 74/08, [X.] 2009, 125; Senatsbeschluss vom 2. [X.]pril 2014 I [X.] 130/13, [X.] 2014, 1085, m.w.N.). Für die Entscheidung des Streitfalls kommt es nicht allein darauf an, ob das Verjährenlassen von Forderungen als konkludenter Forderungsverzicht und damit [X.] gewertet werden kann. Die [X.]nnahme einer vG[X.] muss in [X.]nbetracht der beherrschenden Stellung von [X.] und [X.] und ihrer gleichgerichteten Interessen bereits unter dem Gesichtspunkt ernstlich erwogen werden, dass der behauptete [X.] nicht Gegenstand einer klar und eindeutig im Voraus getroffenen Vereinbarung war (zu den [X.] beim formellen Fremdvergleich vgl. etwa [X.] in [X.]/[X.]/ [X.], § 8 [X.] Rz 144). Dazu verhält sich die [X.]eschwerdebegründung nicht.

4. [X.] beruht auf § 135 [X.]bs. 2 [X.]O.

Meta

I B 32/14

09.02.2015

Bundesfinanzhof 1. Senat

Beschluss

vorgehend FG Köln, 13. März 2014, Az: 10 K 62/12, Urteil

§ 8 Abs 3 S 2 KStG 2002, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, KStG VZ 2007, § 397 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 09.02.2015, Az. I B 32/14 (REWIS RS 2015, 15851)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 15851

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