Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.07.2016, Az. I ZB 45/15

1. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 8607

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Anwendung einer gesellschaftsvertraglichen Schiedsklausel trotz zuvor einvernehmlich angerufenem staatlichen Gericht: Auslegung der Schiedsklausel eines Gesellschaftsvertrags im Hinblick auf nach dem Ausscheiden eines Gesellschafters aus der Gesellschaft entstandene Streitigkeiten


Leitsatz

1. Durch einvernehmliche Anrufung eines staatlichen Gerichts wollen die Parteien einer Schiedsvereinbarung deren Geltung regelmäßig allein für den betreffenden Streitgegenstand aufheben.

2. Jedenfalls dann, wenn das staatliche Gericht in einer Streitigkeit zwischen einem ausgeschiedenen Gesellschafter und der Gesellschaft, die sich aus einer separaten Ausscheidensvereinbarung ergibt, einvernehmlich angerufen wird, folgt daraus regelmäßig kein Indiz, die Schiedsklausel eines Gesellschaftsvertrags dahin auszulegen, sie solle allgemein keine Anwendung auf nach dem Ausscheiden eines Gesellschafters aus der Gesellschaft entstandene Streitigkeiten finden.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 8. Zivilsenats des [X.] vom 6. Mai 2015 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.

Wert des [X.]: 257.318 €

Gründe

1

I. Der Antragsteller war bis 1. Oktober 2009 Gesellschafter der Antragsgegnerin, einer überörtlichen Sozietät von Rechtsanwälten und einer Steuerberaterin. Der [X.] enthält in § 15 folgende [X.]:

Alle Streitigkeiten aus und im Zusammenhang mit diesem Vertrag, einschließlich Streitigkeiten über seinen Bestand oder seine Beendigung, die zwischen den [X.] und/oder zwischen einem oder mehreren [X.] einerseits und der Sozietät andererseits entstehen, werden unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs von einem Schiedsgericht endgültig und verbindlich entschieden. Auf das schiedsrichterliche Verfahren finden die Vorschriften der ZPO nach der Maßgabe Anwendung, dass die Schiedsrichter bei einem [X.] Insolvenzgericht als Insolvenzverwalter bestellt sein müssen.

2

Mit Schreiben vom 18. Dezember 2014 leitete die Antragsgegnerin gegen den Antragsteller ein Schiedsverfahren ein. In dem Schiedsverfahren macht sie einen Freistellungsanspruch gegenüber dem Antragsteller geltend. Der Anspruch bezieht sich auf den der früheren Beteiligungsquote des Antragstellers an der Sozietät entsprechenden Ausgleich etwaiger Verpflichtungen der Antragsgegnerin gegenüber ihrem Sozius U. K.   wegen dessen Inanspruchnahme durch den Sonderinsolvenzverwalter der [X.]. & S.   GmbH auf Rückzahlung einer Insolvenzverwaltervergütung in Höhe von etwa 11,4 Mio. € nebst Zinsen.

3

Der Antragsteller hält das Schiedsverfahren für unzulässig. Seinen Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens hat das [X.] zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragstellers, deren Zurückweisung die Antragsgegnerin beantragt.

4

II. Das [X.] hat das Schiedsverfahren hinsichtlich des in Rede stehenden [X.] für zulässig gehalten. Dazu hat es ausgeführt:

5

Zwischen den Parteien bestehe im Hinblick auf § 15 des [X.]s eine wirksame Schiedsvereinbarung, die nach Ausscheiden des Antragstellers aus der Sozietät am 1. Oktober 2009 fortbestehe. Die Schiedsvereinbarung sei nicht konkludent aufgehoben worden, weil die Parteien einvernehmlich das Verfahren 2 O 149/13 vor dem [X.] durchgeführt hätten. Regelmäßig könne die einvernehmliche Anrufung eines staatlichen Gerichts dahin gewertet werden, dass die Parteien die Geltung der Schiedsvereinbarung nur für den betreffenden Streitgegenstand aufheben wollten. Besondere Umstände, die stattdessen auf einen übereinstimmenden Parteiwillen zu einer generellen Aufhebung der Schiedsvereinbarung schließen ließen, lägen nicht vor. Dagegen spreche vielmehr, dass Gegenstand des Verfahrens beim [X.] Ansprüche aus der von den Parteien am 30. September 2009 abgeschlossenen [X.] gewesen seien, die keine gesonderte [X.] enthalte.

6

Die vom Antragsteller erklärte Kündigung der Schiedsvereinbarung aus wichtigem Grund sei unwirksam, da es an einem Kündigungsgrund fehle.

7

Der im Schiedsverfahren geltend gemachte Freistellungsanspruch sei von der Schiedsvereinbarung umfasst. Er habe seine Grundlage in dem ehemals bestehenden gesellschaftsrechtlichen Verhältnis der Parteien.

8

III. [X.] ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 1065 Abs. 1 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 2, § 1032 Abs. 2 ZPO) und auch sonst zulässig (§ 574 Abs. 2, § 575 ZPO). Sie ist aber nicht begründet.

9

1. Das [X.] hat zutreffend angenommen, dass der im Schiedsverfahren geltend gemachte Freistellungsanspruch von der Schiedsvereinbarung des [X.]s erfasst wird.

Es handelt sich um eine Streitigkeit zwischen der Sozietät und dem Antragsteller in seiner Eigenschaft als ehemaliger Gesellschafter der Sozietät. Diese Streitigkeit steht im Zusammenhang mit dem [X.]. Der von der Antragsgegnerin geltend gemachte Freistellungsanspruch beruht auf dem früheren gesellschaftsrechtlichen Verhältnis der Parteien. Die [X.] soll ausdrücklich die in ihr bezeichneten Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Beendigung des [X.]s umfassen, so dass auch Streitigkeiten zwischen ausgeschiedenen [X.] wie dem Antragsteller und der Sozietät erfasst werden.

2. Anders als die Rechtsbeschwerde meint, steht dieser Auslegung der Schiedsvereinbarung nicht entgegen, dass die Parteien nach dem Ausscheiden des Antragstellers aus der Sozietät das Verfahren 2 O 149/13 vor dem [X.] geführt haben.

a) [X.] rügt, das [X.] habe das Verfahren vor dem [X.] nur dahin gewürdigt, es lasse keinen Schluss auf einen übereinstimmenden Parteiwillen zur generellen Aufhebung der Schiedsvereinbarung zu. Es habe indes nicht beachtet, dass dieses nachträgliche Verhalten bei der Auslegung der Schiedsvereinbarung zu berücksichtigen sei und auf den schon bei ihrem Abschluss bestehenden Parteiwillen schließen lasse, nach dem Ausscheiden eines Gesellschafters aus der Sozietät entstandene Streitigkeiten von vornherein von der Schiedsvereinbarung auszunehmen.

b) Das Verhalten der Parteien im Verfahren vor dem [X.] könnte allerdings als Indiz für die Auslegung der Schiedsvereinbarung von vornherein nur Bedeutung erlangen, wenn die in diesem Gerichtsverfahren erhobenen Ansprüche von der Schiedsvereinbarung erfasst werden. Das ist indes zumindest zweifelhaft. Die [X.] enthält weder einen Verweis auf die [X.] in § 15 des [X.]s noch eine eigene [X.]. Sie regelt darüber hinaus in erheblichem Umfang die Verteilung von Umsätzen, die der Antragsteller erst nach seinem Ausscheiden aus der Sozietät für bereits zuvor erteilte, von ihm fortgeführte Mandate erzielt. Die Geltung der [X.] für Ansprüche im Zusammenhang mit der [X.] kann jedoch dahinstehen.

c) Das [X.], das die Geltung der [X.] für die vor dem [X.] erhobenen Ansprüche stillschweigend unterstellt hat, hat angenommen, durch die einvernehmliche Anrufung eines staatlichen Gerichts wollten die Parteien einer Schiedsvereinbarung deren Geltung regelmäßig allein für den betreffenden Streitgegenstand aufheben. Diese Ansicht trifft zu ([X.], [X.] 2013, 49, 57; [X.]Komm.ZPO/[X.], 4. Aufl., § 1032 Rn. 17; [X.]/[X.], ZPO, 31. Aufl. § 1032 Rn. 5; [X.], Handbuch für die [X.], 3. Aufl., Rn. 661; aA im Grundsatz, jedoch nicht im Fall einer für eine Mehrzahl von Verträgen - etwa [X.] und [X.] - geltenden [X.] [X.], [X.] 2013, 297, 299, 301). Besondere Umstände, die im vorliegenden Fall zu einem abweichenden Auslegungsergebnis führen könnten, hat das [X.] verneint und sind vom Antragsteller nicht dargelegt worden.

d) Unter diesen Umständen liegt es fern, in der einvernehmlichen Durchführung des Verfahrens vor dem [X.] ein Indiz dafür zu erkennen, dass die Parteien mit dem Antragsteller nach dessen Ausscheiden aus der Sozietät entstandene Streitigkeiten generell von vornherein oder jedenfalls ab einvernehmlicher Verfahrensführung vor dem [X.] nachträglich von der [X.] in § 15 des [X.]s ausnehmen wollten. Allenfalls könnte ein solcher Parteiwille hinsichtlich von Ansprüchen in Zusammenhang mit der separaten [X.] in Betracht kommen. Der hier in Rede stehende Freistellungsanspruch betrifft dagegen der Sache nach eine nachträgliche Korrektur der Gewinnbeteiligung des Antragstellers für die Zeit seiner Zugehörigkeit zur Sozietät. Er soll der Sozietät in dem Umfang haften, wie er über die Gewinnverteilung an vom [X.]erzielten Honoraren beteiligt war, die dieser zurückzahlen musste.

3. Damit hat das [X.] zu Recht die Zulässigkeit des Schiedsverfahrens festgestellt, ohne dass es darauf ankommt, ob die [X.] der Parteien von der [X.] des § 15 des [X.] erfasst wird. Der von der Rechtsbeschwerde in diesem Zusammenhang erhobene Willkürvorwurf geht ins Leere.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Büscher                            Schaffert                            [X.]

                     Löffler                            Schwonke

Meta

I ZB 45/15

07.07.2016

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Hamm, 6. Mai 2015, Az: 8 SchH 1/15

§ 1062 Abs 1 Nr 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.07.2016, Az. I ZB 45/15 (REWIS RS 2016, 8607)

Papier­fundstellen: NJW 2017, 892 WM 2016, 2395 REWIS RS 2016, 8607


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. I ZB 45/15

Bundesgerichtshof, I ZB 45/15, 07.07.2016.


Az. 8 SchH 1/15

Oberlandesgericht Hamm, 8 SchH 1/15, 06.05.2015.


Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

I ZB 45/15 (Bundesgerichtshof)


8 SchH 1/15 (Oberlandesgericht Hamm)


8 SchH 2/14 (Oberlandesgericht Hamm)


I ZB 17/18 (Bundesgerichtshof)

(Zulässigkeit eines Schiedsverfahrens nach Beendigung eines Sozietätsvertrags)


34 SchH 2/14 (OLG München)

Schiedsklausel über Nutzung von Taxistandplätzen und Taxispeichern am Flughafen


Referenzen
Wird zitiert von

I ZB 45/15

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.