Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.10.2018, Az. I ZB 17/18

1. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 2213

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Gegenstand

(Zulässigkeit eines Schiedsverfahrens nach Beendigung eines Sozietätsvertrags)


Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 12. Zivilsenats des [X.] vom 8. März 2018 wird auf Kosten des Antragstellers als unzulässig verworfen.

Wert des [X.]: 50.000 €

Gründe

1

I. Die Parteien schlossen am 8. November 2007 einen [X.], der in § 20 unter der Überschrift "Schiedsgericht" folgende [X.] enthielt:

(1) Für alle Streitigkeiten aus und im Zusammenhang mit diesem Vertrag oder über seine Gültigkeit, die zwischen den Gesellschaftern oder zwischen Gesellschaftern und der Gesellschaft entstehen sollten, entscheidet unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs abschließend und verbindlich ein Schiedsgericht.

(2) Das Schiedsgericht soll aus einem Schiedsrichter bestehen. Dieser wird durch den Präsidenten der [X.] ernannt. Er muss die Befähigung zum Richteramt haben.

2

Der Antragsgegner kündigte den [X.] fristgerecht zum 31. Dezember 2017. Die Parteien streiten in Folge der Kündigung über die Auslegung der Regelung in § 18 des [X.]s, die unter der Überschrift "Fortführung der Sozietät, Abfindung" Fälle des Ausscheidens und der Kündigung regelt. Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 12. Januar 2018 beantragte der Antragsgegner, die Streitigkeit einem Schiedsgericht vorzulegen. Beigefügt war ein Schreiben der [X.] vom 11. Oktober 2017, in dem ein Schiedsrichter benannt wurde.

3

Der Antragsteller ist der Auffassung, ein Schiedsverfahren sei nach der Kündigung des [X.]s unzulässig, und hat beim [X.] einen entsprechenden Feststellungsantrag gestellt. Hilfsweise hat er die Feststellung begehrt, dass die Durchführung des Schiedsverfahrens nicht wirksam eingeleitet worden ist sowie dass die Bestellung des Schiedsrichters unwirksam ist.

4

Das [X.] hat auf den Hilfsantrag festgestellt, dass die Bestellung des Schiedsrichters unwirksam ist, und die Anträge im Übrigen zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller seinen Hauptantrag weiter.

5

II. Das [X.] hat angenommen, die [X.] in § 20 des [X.]s sei wirksam und erfasse auch Streitigkeiten, die nach Beendigung des [X.]s entstanden seien, soweit sie - wie vorliegend - im Zusammenhang mit dem Vertrag stünden. Das ergebe sich bereits aus dem Wortlaut der Vereinbarung und entspreche im Übrigen allein einer interessengerechten Auslegung.

6

III. [X.] ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 1065 Abs. 1 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 2, § 1032 Abs. 2 ZPO). Sie ist aber unzulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert und die von der Rechtsbeschwerde behaupteten Verstöße gegen Verfahrensgrundrechte nicht vorliegen (§ 574 Abs. 2 ZPO). Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, die Beurteilung des [X.]s verletze allgemeine [X.] und erweise sich als willkürlich.

7

1. Gerichtliche Entscheidungen verstoßen nicht schon dann gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG, wenn die Rechtsanwendung oder das eingeschlagene Verfahren Fehler enthalten. Hinzukommen muss, dass die Entscheidung bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich deshalb der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht. Ist eine Entscheidung derart unverständlich, dass sie sachlich schlechthin unhaltbar ist, so ist sie objektiv willkürlich (vgl. [X.], NJW 1998, 2810 [juris Rn. 13]). Danach kann eine Entscheidung gegen das Willkürverbot verstoßen, wenn das Gericht bei der Auslegung eines Vertrags anerkannte [X.] in besonderem Maße außer [X.] gelassen hat oder eine sich als notwendig aufdrängende Vertragsauslegung unterblieben ist und dies der Verständlichkeit der angefochtenen Entscheidung entgegensteht (vgl. [X.], Beschluss vom 3. November 2016 - [X.], juris Rn. 12 mwN). Solche Umstände zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf.

8

2. [X.] macht geltend, das [X.] verkenne, dass die Parteien sich nach dem Wortlaut der Klausel und unter Berücksichtigung ihrer Fachkenntnisse als Rechtsanwälte bewusst dagegen entschieden hätten, Streitigkeiten "im Zusammenhang mit der Beendigung des [X.]s" ebenfalls der Schiedsgerichtsbarkeit zu unterwerfen. Es stelle mit seiner Auslegung auch den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichenden Obersatz auf, dass bei der Auslegung von Begriffen deren fachsprachliche Bedeutung nicht zu Grunde zu legen sei. Auch das erkennbare Interesse der Parteien bei Abfassung des Vertrags sei dahin gegangen, Streitigkeiten in Zusammenhang mit der Beendigung des [X.]s gerade nicht einer Entscheidung durch das Schiedsgericht zu unterwerfen. Das [X.] habe ferner gegen den Grundsatz der Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Vertragsurkunde verstoßen; die Beendigung der Sozietät sei in der [X.] nicht erwähnt. Damit legt die Rechtsbeschwerde eine Verletzung des Verfahrensgrundrechts des Antragstellers auf ein objektiv willkürfreies Verfahren (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht dar. Die Begründung des [X.]s zur Zulässigkeit des Schiedsverfahrens ist zwar knapp, sie erweist sich jedoch in der Begründung wie im Ergebnis als zutreffend.

9

a) Mit Recht ist das [X.] davon ausgegangen, dass die [X.] wirksam ist. Das greift die Rechtsbeschwerde nicht an; Rechtsfehler sind nicht ersichtlich. Die [X.] hat insbesondere mit der Kündigung des Vertrags durch den Antragsgegner nicht ihre Wirksamkeit verloren. Die [X.] ist nach § 1040 Abs. 1 Satz 2 ZPO als eine von den übrigen Vertragsbestimmungen unabhängige Vereinbarung zu behandeln. Allein aus dem Umstand, dass die übrigen Vertragsbestimmungen wirkungslos geworden sind, kann nicht darauf geschlossen werden, dass dies auch für die [X.] gilt. Vielmehr ist anhand von Wortlaut und Zweck der Schiedsvereinbarung sowie der Interessenlage der Parteien zu entscheiden, ob mit der Beendigung der übrigen Vertragsbestimmungen auch die [X.] entfallen sollte. Dabei ist im Zweifel davon auszugehen, dass eine Schiedsvereinbarung, wonach alle Rechtsstreitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit einem Vertrag durch ein Schiedsgericht entschieden werden sollen, bedeutet, das Schiedsgericht solle auch über die Frage der Gültigkeit und des Bestehens des Vertrags und die bei Unwirksamkeit oder Beendigung des Vertrags bestehenden Ansprüche entscheiden. In einem solchen Fall führt die Unwirksamkeit oder Beendigung des [X.] nicht zur Unwirksamkeit oder Beendigung der darin enthaltenen Schiedsvereinbarung (vgl. [X.], Beschluss vom 9. August 2016 - [X.], [X.] 2017, 103 Rn. 17 mwN). Das gilt erst recht, wenn die Parteien - wie hier - Streitigkeiten über die Gültigkeit des Vertrags ausdrücklich in die [X.] einbezogen haben (vgl. [X.], [X.] 2013, 180, 182; [X.], Handbuch für die [X.], 3. Aufl., Rn. 532).

b) Das [X.] hat weiter zutreffend angenommen, die [X.] erfasse auch Streitigkeiten anlässlich der Beendigung des [X.]s.

aa) Die [X.] der Rechtsbeschwerde, das [X.] habe [X.] verkannt und einen fehlerhaften Obersatz aufgestellt, greifen nicht durch. Das [X.] ist vielmehr von dem zutreffenden Obersatz ausgegangen, eine Abrede, die Meinungsverschiedenheiten oder Streitigkeiten aus einem Vertrag allgemein einem Schiedsgericht zuweist, sei grundsätzlich weit auszulegen (vgl. [X.], Urteil vom 4. Oktober 2001 - [X.], NJW-RR 2002, 387 [juris Rn. 14] mwN; Beschluss vom 1. August 2002 - [X.], NJW-RR 2002, 1462, 1463 [juris Rn. 5]; [X.]Komm.ZPO/[X.], 5. Aufl., § 1029 Rn. 110 mwN). In der vertraglichen Regelung, mit der die Parteien dem Schiedsgerichtsverfahren nicht nur Streitigkeiten "aus dem [X.]" unterworfen haben, sondern auch solche, die sich "im Zusammenhang mit diesem Vertrag" ergeben, kommt der Wille der Parteien zum Ausdruck, eine möglichst umfassende Zuständigkeit des Schiedsgerichts zu begründen (vgl. [X.], Urteil vom 25. Oktober 2016 - [X.], [X.] 2017, 144 Rn. 17); das gilt erst recht für die hier rechtskundigen Parteien. Einen nachvollziehbaren Grund für ein erkennbares Interesse der Parteien, diese weite [X.] zu beschränken und Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Beendigung des [X.]s von ihrem Anwendungsbereich auszunehmen, legt die Rechtsbeschwerde nicht dar. Eine solche Annahme liegt auch fern, worauf die Rechtsbeschwerdeerwiderung zutreffend hinweist. Die Rechtsfolgen im Fall der Auflösung der Sozietät oder des Ausscheidens eines Gesellschafters können Vorfragen aufwerfen, die Bestimmungen des [X.]s berühren, die der [X.] unterfallen; das verkennt die Rechtsbeschwerde, wenn sie meint, Fragen der Fortführung, Abfindung und Bewertung wollten die Parteien einer Entscheidung durch die ordentliche Gerichtsbarkeit unterwerfen. Es liegt nicht im Interesse der Parteien, dass über diese Fragen einmal ein staatliches Gericht und einmal ein Schiedsgericht entscheidet.

bb) Ebenfalls ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde einen Verstoß gegen den Grundsatz der Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Vertragsurkunde (vgl. [X.], Beschluss vom 11. Mai 2017 - [X.]/16, [X.], 817 Rn. 19). Der [X.] kann nicht entnommen werden, dass Streitigkeiten anlässlich der Beendigung der Sozietät von ihr nicht erfasst sein sollten; damit konnte der Text der [X.] insoweit auch keine Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit begründen (vgl. [X.], [X.], 817 Rn. 20).

IV. [X.] ist danach auf Kosten des Antragstellers zu verwerfen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Koch     

        

[X.]     

        

Löffler

        

Feddersen     

        

Schmaltz     

        

Meta

I ZB 17/18

31.10.2018

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend KG Berlin, 8. März 2018, Az: 12 Sch 3/18

Art 3 Abs 1 GG, § 1029 ZPO, § 1040 Abs 1 S 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.10.2018, Az. I ZB 17/18 (REWIS RS 2018, 2213)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 2213

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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