Bundesfinanzhof, Beschluss vom 11.05.2011, Az. VIII B 70/10

8. Senat | REWIS RS 2011, 6806

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - Antrag auf Prüfungsaufschub


Leitsatz

1. NV: Es ist geklärt, dass derjenige, der durch Anfechtung und Aussetzung der Vollziehung der Prüfungsanordnung oder der Festlegung des Prüfungsbeginns bewirkt, dass die Prüfung nicht zu dem vorgesehenen Zeitpunkt beginnt, demjenigen gleichzustellen ist, der die Verschiebung der Prüfung beantragt .

2. NV: Es ist ferner geklärt, dass der Aussetzungsantrag das Begehren einschließt, den Beginn der Außenprüfung hinauszuschieben, bis über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts entschieden ist .

3. NV: Anträge auf Prüfungsaufschub können formlos gestellt werden .

4. NV: Es ist geklärt, dass die Finanzbehörde angemessene Zeit nach dem Wegfall der Verschiebungsgründe tätig werden und Prüfungsmaßnahmen ergreifen muss, um zu vermeiden, dass die durch den Verschiebungsantrag ausgelöste Ablaufhemmung rückwirkend entfällt .

5. NV: Zu der Frage, welche Zeit als angemessen anzusehen ist .

Gründe

1

Der Senat kann offenlassen, ob die Beschwerdebegründung den Anforderungen an die Darlegung von [X.] von § 115 Abs. 2 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) entspricht, denn jedenfalls ist die Beschwerde unbegründet. Weder geht es um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung noch ist eine Entscheidung des [X.] ([X.]) zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

2

a) Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) aufgeworfenen Rechtsfragen, ob § 69 Abs. 6 [X.]O auf das behördliche Verfahren der Aussetzung der Vollziehung (AdV) nach § 361 der Abgabenordnung ([X.]) Anwendung findet und ob ein Antrag auf AdV der Prüfungsanordnung oder auf Verschiebung des Beginns der Außenprüfung förmlich zu bescheiden ist, wenn ein dementsprechender Antrag zuvor von der Finanzbehörde abgelehnt worden ist, haben keine grundsätzliche Bedeutung.

3

aa) Die Frage des Verhältnisses von § 361 [X.] zu § 69 Abs. 6 [X.]O ist bereits mangels Entscheidungserheblichkeit nicht von grundsätzlicher Bedeutung (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 30 f., m.w.N.). Das Finanzgericht ([X.]) hat seine klageabweisende Entscheidung nicht nur darauf gestützt, der Eintritt der Verjährung sei aufgrund des erneuten Antrags des [X.] auf AdV vom 11. September 2000 gehemmt. Vielmehr beruht die Entscheidung auch darauf, dass der Kläger mit Schreiben vom 20. September 2000 jedenfalls konkludent einen Antrag auf [X.] gestellt habe, so dass die Voraussetzungen des § 171 Abs. 4 Satz 1 [X.] gegeben seien.

4

bb) [X.] gilt für die Frage, ob der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) den (wiederholten) Antrag des [X.] auf AdV der Prüfungsanordnung hätte förmlich bescheiden müssen. Auch insoweit fehlt es an der Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage, weil die Vorinstanz ihre Entscheidung auch darauf gestützt hat, der Kläger habe am 20. September 2000 einen Antrag auf [X.] gestellt und damit sei den Voraussetzungen des § 171 Abs. 4 Satz 1 [X.] Genüge getan.

5

cc) Soweit der Kläger sich in diesem Zusammenhang gegen die Auffassung des [X.] wendet, mit dem Schreiben des [X.] vom 20. September 2000 werde [X.] begehrt, wendet sich die Beschwerde gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Urteils. Die Zulassung der Revision kann darauf nicht gestützt werden, denn das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten. Im Übrigen wirft die Beschwerdeschrift insoweit keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf. Nach der Rechtsprechung des [X.] ist derjenige, der durch Anfechtung und AdV der Prüfungsanordnung oder der Festlegung des [X.] bewirkt, dass die Prüfung nicht zu dem vorgesehenen Zeitpunkt beginnt, demjenigen gleichzustellen, der die Verschiebung der Prüfung beantragt; zudem schließt der Aussetzungsantrag das Begehren ein, den Beginn der Außenprüfung hinauszuschieben, bis über die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte entschieden ist (ständige Rechtsprechung, vgl. [X.]-Entscheidungen vom 17. Juni 1998 [X.], [X.]E 186, 485, [X.] 1999, 4; vom 25. Januar 1989 [X.], [X.]E 156, 18, [X.] 1989, 483). Im Streitfall hat der Kläger nicht nur Anträge auf AdV der Prüfungsanordnung gestellt, sondern zudem einen weiteren --formlosen-- Antrag auf [X.]. Dass derartige Anträge formlos gestellt werden können, ist in Rechtsprechung und Schrifttum geklärt (vgl. [X.]-Urteil vom 11. Oktober 1983 [X.], [X.]E 139, 496, [X.] 1984, 125; [X.]/Rüsken, [X.], 10. Aufl., § 171 Rz 66; [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 171 [X.] Rz 40; [X.]/Koenig/ Cöster, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 171 Rz 77). Weshalb das Begehren des [X.], dem als Rechtsanwalt die Konsequenzen der von ihm gestellten Anträge bewusst sein müssen, im Streitfall nicht ausreichen soll, den Voraussetzungen des § 171 Abs. 4 Satz 1 [X.] Genüge zu tun, erschließt sich aus der Beschwerdeschrift nicht. Vielmehr wendet sich die Beschwerde auch insoweit gegen die Rechtsauffassung der Vorinstanz. Die Zulassung der Revision kann darauf nicht gestützt werden.

6

b) Eine Entscheidung des [X.] zur Fortbildung des Rechts ist nicht erforderlich. Mit der insoweit aufgeworfenen Rechtsfrage, ob ein tatsächlicher Widerspruch gegen den vorgesehenen Prüfungsbeginn wegen Anfechtung der Prüfungsanordnung einem Antrag auf Verschiebung des [X.] gleichzustellen ist, wendet sich der Kläger wiederum gegen die Rechtsauffassung des [X.], welches das Schreiben des [X.] vom 20. September 2000 als konkludenten Antrag auf [X.] gewertet hat. Mit Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung kann die Zulassung der Revision indes nicht erreicht werden.

7

c) Die weiteren vom Kläger aufgeworfenen Fragen, ob die Untätigkeit des [X.] nach Verstreichen des sich aus dem [X.] ergebenden Zeitraums die Ablaufhemmung rückwirkend entfallen lässt, ob die Verkündung eines [X.]-Beschlusses im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde den Verschiebungsgrund des Vorliegens einer bindenden gerichtlichen Entscheidung entfallen lässt und ob die Vorinstanz ein Schreiben des [X.] vom 21. Februar 2001 zur Frage der überholenden Kausalität nicht berücksichtigt habe, haben ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung und belegen auch keine Divergenz. Nach der Rechtsprechung des [X.] ist geklärt, dass die Finanzbehörde angemessene Zeit nach dem Wegfall der [X.] tätig werden und Prüfungsmaßnahmen ergreifen muss, um zu vermeiden, dass die durch den [X.] ausgelöste Ablaufhemmung rückwirkend entfällt (vgl. [X.]-Entscheidungen vom 30. März 1999 [X.], [X.]E 188, 131; vom 17. März 2010 IV R 54/07, [X.]E 229, 20, [X.] 2011, 7). Zwar ist bislang nicht konkret entschieden, welcher Zeitraum der Finanzverwaltung insoweit zur Verfügung steht. Der [X.] hat aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in Fällen, in denen der Beginn einer Außenprüfung --wie hier-- auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben wird, die Finanzbehörde zunächst aus von ihr nicht zu vertretenden Gründen an der abschließenden Klärung des [X.] gehindert sei, und dass der spätere Beginn einer Außenprüfung regelmäßig weiteren organisatorischen Aufwand der Behörde verlange, was es rechtfertige, der Finanzbehörde ausreichend Zeit für den späteren Beginn einer Außenprüfung einzuräumen ([X.]-Urteil in [X.]E 229, 20, [X.] 2011, 7). Es liegt daher nahe, dass die "Angemessenheit" danach eine Frage der Umstände des Einzelfalls ist, wobei der [X.] in diesem Zusammenhang sogar eine Frist von zwei Jahren nennt. Eine konkrete und detaillierte Auseinandersetzung zu der Frage, welche Fristen als angemessen zu betrachten sind, enthält die Beschwerdeschrift nicht. Nur der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass die Auffassung des [X.] hinsichtlich der Angemessenheit der Frist für den Beginn der Außenprüfung angesichts eines Zeitraums von rund drei Monaten zwischen der Zustellung des [X.]-Beschlusses im Verfahren der [X.]/02 am 8. Dezember 2003 und dem Prüfungsbeginn im März 2004 nicht zu beanstanden ist.

8

Auch hinsichtlich der Frage der "überholenden Kausalität" liegt keine Divergenz vor. Eine Zulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative [X.]O setzt u.a. voraus, dass das [X.] in einer Rechtsfrage von einer Entscheidung eines anderen Gerichts abgewichen ist, im Urteil des [X.] dieselbe Rechtsfrage wie in der Divergenzentscheidung entschieden wurde und die Entscheidungen zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sind (vgl. Gräber/Ruban, a.a.[X.], § 115 Rz 48). Nach diesen Maßstäben liegt eine Divergenz nicht vor, denn der Sachverhalt, der dem vom Kläger herangezogenen [X.]-Beschluss in [X.]E 188, 131 zugrunde lag, ist mit dem des Streitfalls nicht vergleichbar. Der Prüfer war in jenem Fall offenbar wegen hoher Arbeitsbelastung und eines anstehenden anderweitigen Eilauftrags am Hinausschieben des [X.] sehr interessiert, so dass dies die Ursächlichkeit des [X.]s für die Verschiebung des [X.] zurücktreten lassen konnte. Im Streitfall indes hat das [X.] etwaige behördeninterne Gründe für den [X.] verneint und daher den Antrag des [X.] auf [X.] von September 2000 als kausal für den in das [X.] verschobenen Prüfungsbeginn gewertet.

Meta

VIII B 70/10

11.05.2011

Bundesfinanzhof 8. Senat

Beschluss

vorgehend FG Münster, 26. März 2010, Az: 4 K 3303/08 E, U, Urteil

§ 115 Abs 2 FGO, § 171 Abs 4 S 1 AO, § 193 Abs 1 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 11.05.2011, Az. VIII B 70/10 (REWIS RS 2011, 6806)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6806

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