Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.03.2010, Az. IV R 54/07

4. Senat | REWIS RS 2010, 8399

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Gegenstand

Ablaufhemmung nach Antrag auf befristetes Hinausschieben des Beginns der Außenprüfung - Zeitpunkt des Eintritts der Ablaufhemmung


Leitsatz

Auch bei einem Antrag auf befristetes Hinausschieben des Beginns der Außenprüfung, der für das Verschieben des Prüfungsbeginns ursächlich ist, entfällt die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 Satz 1  2. Alternative AO nur, wenn die Finanzbehörde nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Eingang des Antrags mit der Prüfung beginnt (Heranziehung des in § 171 Abs. 8 Satz 2 und Abs. 10 AO enthaltenen Rechtsgedankens) .

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG, die ein Kieswerk betreibt. Ihre Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von [X.]esteuerungsgrundlagen für die Streitjahre (1993 und 1994) gab die Klägerin in den jeweils folgenden Kalenderjahren (1994 und 1995) ab.

2

Am 4. November 1996 erließ der [X.]eklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[[[X.].].]--) eine Prüfungsanordnung, die auch die Feststellung der Einkünfte in den Streitjahren betraf. Dabei teilte das [[[X.].].] mit, dass die Außenprüfung voraussichtlich Anfang Dezember 1996 beginnen werde. [X.]it der Durchführung der Prüfung sei Steueramtmann [[X.].] beauftragt.

3

Am 15. November 1996 beantragte die [X.]evollmächtigte der Klägerin ([X.]) unter [X.]ezug auf ein Telefongespräch mit dem [X.]etriebsprüfer, die für Anfang Dezember 1996 angesetzte [X.]etriebsprüfung auf [X.]itte Januar 1997 zu verlegen. [X.]it Schreiben vom 19. November 1996 teilte das [[[X.].].] der [X.] mit, der [X.]eginn der [X.]etriebsprüfung werde antragsgemäß auf [X.]itte Januar 1997 verschoben. Es führte aus, der Ablauf der Festsetzungsverjährung der in der Prüfungsanordnung bezeichneten [[[X.].].] sei gemäß § 171 Abs. 4 der Abgabenordnung ([[[X.].].]) seit dem 15. November 1996, dem Tag des Eingangs des [[[X.].].] im [[[X.].].], gehemmt.

4

Am 24. Januar 1997 setzte [[X.].] die [X.] davon in Kenntnis, dass die Prüfung aus zeitlichen Gründen nicht mehr im Januar, evtl. aber im Februar jenen Jahres beginnen könne. Zum 2. [X.]ai 1997 wurde [[X.].] an das [[[X.].].] für [X.] abgeordnet. Die Prüfung wurde am 9. Juni 1997 auf den [X.] des 2. Halbjahres 1997 des [X.]etriebsprüfers [X.] übertragen.

5

Nach einem Aktenvermerk des [X.] vom 10. November 1999 über ein Telefonat mit einer [X.]itarbeiterin der [X.] ([X.]) sollte die Prüfung sodann erst im [X.] beginnen. Tatsächlich begann die Außenprüfung am 30. [X.]ärz 2000.

6

Auf den Einwand der [X.], es sei Festsetzungsverjährung eingetreten, ergänzte [X.] in seinem Schreiben vom 28. November 2000 den aktenkundigen Sachverhalt dahin, dass [X.] in dem Telefongespräch vom 10. November 1999 das Verschieben des [X.] auf Anfang 2000 beantragt habe, weil die [X.]uchführungsunterlagen inzwischen an die Klägerin zurückgegeben worden seien.

7

Im [X.] an die Außenprüfung erließ das [[[X.].].] am 1. Februar 2001 nach § 164 Abs. 2 [[[X.].].] geänderte Feststellungsbescheide für 1993 und 1994.

8

[X.]it ihrem hiergegen gerichteten Einspruch machte die Klägerin geltend, der [X.]eginn der Außenprüfung sei aufgrund ihres Antrags von Dezember 1996 auf Januar 1997 verschoben worden. Das Verschieben des [X.] sei zeitlich befristet beantragt worden. Der Ablauf der Verjährung sei daher nur bis zum 31. Dezember 1997 gehemmt gewesen. Ohne weitere schriftliche Äußerung habe das [[[X.].].] die Prüfung erst im [X.] begonnen. Unter Hinweis auf den [X.]eschluss des [X.]undesfinanzhofs ([X.]FH) vom 30. [X.]ärz 1999 I [X.] 139/98 ([X.]FHE 188, 131) vertrat die Klägerin die Auffassung, das [[[X.].].] sei wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung nicht zum Erlass der angefochtenen Feststellungsbescheide berechtigt gewesen. Der Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg.

9

Das Finanzgericht ([X.]) gab der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2007, 1567 veröffentlichten Gründen statt.

[X.]it seiner Revision rügt das [[[X.].].] die Verletzung materiellen Rechts.

Das [[[X.].].] beantragt sinngemäß, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des [X.] ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zurückzuweisen. Das [X.] ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass dem Erlass der angefochtenen geänderten Feststellungsbescheide 1993 und 1994 vom 1. Februar 2001 der Ablauf der Feststellungsfrist und damit der Eintritt der [X.] entgegenstanden. Zwar hat der Antrag der Klägerin auf Hinausschieben des Beginns der Außenprüfung ungeachtet der beantragten Frist der Verschiebung dazu geführt, dass die in § 181 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 171 Abs. 4 Satz 1  2. Alternative [X.] bestimmte Ablaufhemmung (zunächst) eingetreten und auch nicht allein wegen des Ablaufs der beantragten Frist (rückwirkend) entfallen ist. Die Ablaufhemmung ist jedoch deshalb wieder entfallen, weil das [X.] nicht innerhalb einer Frist von zwei Jahren nach Eingang des Antrags auf Verschieben des [X.] beim [X.] mit einer Prüfung begonnen hat.

1. Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 [X.], der gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1 [X.] für die gesonderte Feststellung sinngemäß gilt, ist eine Steuerfestsetzung (Feststellung) sowie ihre Aufhebung oder Änderung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist (Feststellungsfrist) abgelaufen ist. Gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] beträgt die [X.] Ist --wie im [X.] eine Feststellungserklärung abzugeben, so beginnt die Feststellungsfrist gemäß den §§ 181 Abs. 1 Satz 1, 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Feststellungserklärung eingereicht wird. Zutreffend --und wie im Übrigen zwischen den Beteiligten unstreitig [X.] hat das [X.] erkannt, dass nach diesen Rechtsgrundsätzen und ohne Berücksichtigung der streitbefangenen Ablaufhemmung die Feststellungsfrist für das Streitjahr 1993 mit Ablauf des 31. Dezember 1998 und für das Streitjahr 1994 mit Ablauf des 31. Dezember 1999 abgelaufen ist.

2. Der Ablauf der Feststellungsfrist war unter den im Streitfall vorliegenden Umständen auch nicht nach § 171 Abs. 4 Satz 1 [X.], der gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1 [X.] gleichfalls für die gesonderte Feststellung sinngemäß gilt, gehemmt.

a) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist (Feststellungsfrist) mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern (Feststellungsfrist für die Besteuerungsgrundlagen), auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall des Hinausschiebens der Außenprüfung erstrecken sollte, gemäß § 171 Abs. 4 Satz 1 [X.] u.a. nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide (Feststellungsbescheide) unanfechtbar geworden sind.

aa) Soweit § 171 Abs. 4 Satz 1 [X.] in seiner 2. Alternative dem Antrag des Steuerpflichtigen auf Hinausschieben des Beginns der Außenprüfung die gleiche Rechtsfolge (Hemmung des Ablaufs der [X.] bzw. Feststellungsfrist) wie dem Beginn der Außenprüfung zuordnet, gilt dies nur, soweit ein entsprechender Antrag auch ursächlich für das Hinausschieben des [X.] ist (vgl. [X.] in [X.], 131; [X.] [X.]ünster, Urteil vom 19. [X.]ärz 1996  15 K 5602/94 U, E[X.] 1996, 630, m.w.N.; [X.] in [X.], [X.], § 171 [X.] 37; [X.] in [X.], [X.] § 171 [X.] 41; [X.]/Koenig/[X.], Abgabenordnung, 2. Aufl., § 171 [X.] 77). Dabei ist hinsichtlich der erforderlichen Kausalität eines Antrags nach § 171 Abs. 4 Satz 1  2. Alternative [X.] auf den Tag des [X.] abzustellen, welcher der maßgebliche Zeitpunkt für den Eintritt der Ablaufhemmung ist (vgl. z.B. [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 171 [X.] [X.] 40; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 171 [X.] [X.] 48). Wird der Beginn der Außenprüfung nicht maßgeblich aufgrund des Antrags, sondern aufgrund der eigenen Belange der Finanzbehörde bzw. aus innerhalb deren Sphäre liegenden Gründen hinausgeschoben, so läuft die Frist ungeachtet des Antrags ab (vgl. [X.] in [X.], 131; [X.] in [X.], a.a.[X.], § 171 [X.] 37; [X.], Die steuerliche Betriebsprüfung 1999, 192; [X.]/ Rüsken, [X.], 10. Aufl., § 171 [X.] 66; [X.] in Tipke/[X.], a.a.[X.], § 171 [X.] [X.] 41; [X.]/Koenig/[X.], a.a.[X.], § 171 [X.] 77); dabei ist auch die beantragte Zeitdauer des [X.] bedeutungslos (vgl. [X.]/Rüsken, a.a.[X.], § 171 [X.] 66). § 171 Abs. 4 Satz 1  2. Alternative [X.] verhindert lediglich eine einseitige Begünstigung des Steuerpflichtigen, wenn aufgrund seines Antrags der eine Ablaufhemmung auslösende Beginn einer Außenprüfung hinausgeschoben wird; den Eintritt der in § 171 Abs. 4 Satz 1  1. Alternative [X.] für den Regelfall bestimmten Rechtsfolge soll der Steuerpflichtige nicht nach Belieben bestimmen können. Die Anordnung einer Ablaufhemmung nach dieser Vorschrift soll hingegen nicht den Eintritt nachteiliger Folgen für die Steuerfestsetzung bzw. die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen verhindern, die der Finanzbehörde aufgrund von Umständen entstehen, die sie selbst zu vertreten hat.

bb) Diese Bestimmung einer Rechtsfolge (Ablaufhemmung) nach den in den jeweiligen Sphären der am [X.] bzw. Feststellungsverfahren Beteiligten liegenden Gründen für das tatsächliche Unterbleiben einer Außenprüfung kommt auch in § 171 Abs. 4 Satz 2 [X.] zum Ausdruck, der eine Ausnahme von Satz 1 der Norm enthält. Danach tritt die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 Satz 1 [X.] nicht ein, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs [X.]onaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat; diese Rechtsfolge wird --im Ergebnis gleich-- auch damit umschrieben, dass die Ablaufhemmung rückwirkend entfällt (vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 17. Juni 1998 [X.], [X.], 485, [X.] 1999, 4; [X.] in [X.], 131; [X.]/ Rüsken, a.a.[X.], § 171 [X.] 68; [X.] in Tipke/[X.], a.a.[X.], § 171 [X.] [X.] 47). Die Bestimmung will einer missbräuchlichen Ausnutzung der [X.]öglichkeit der Ablaufhemmung durch die Finanzverwaltung entgegentreten (vgl. [X.]/Rüsken, a.a.[X.], § 171 [X.] 68); Außenprüfungen sollen nicht pro forma begonnen werden, um den Ablauf der Festsetzungsfrist hinauszuschieben (BTDrucks 7/4292, [X.]). Wenn § 171 Abs. 4 Satz 2 [X.] hinsichtlich der Prüfungsunterbrechung auf Gründe abstellt, die in der Sphäre der Finanzverwaltung liegen und die die Finanzbehörde deshalb zu vertreten hat, so ist dieses [X.]erkmal das Gegenstück zum [X.] auf Antrag des Steuerpflichtigen nach § 171 Abs. 4 Satz 1  2. Alternative [X.] (vgl. [X.] in Tipke/[X.], a.a.[X.], § 171 [X.] [X.] 46). Steuerpflichtiger und Finanzbehörde sollen demnach die in § 171 Abs. 4 Satz 1  1. Alternative [X.] bestimmte Rechtsfolge weder verhindern noch durch lediglich formelle Prüfungshandlungen oder Scheinhandlungen, die zu keinem ernsthaften tatsächlichen Beginn einer Außenprüfung führen (vgl. dazu z.B. [X.] in Tipke/[X.], a.a.[X.], § 171 [X.] 37 ff., m.w.N.), eintreten lassen können.

cc) Für den Fall, dass der Steuerpflichtige mit seinem Antrag [X.] von § 171 Abs. 4 Satz 1  2. Alternative [X.] nur ein zeitlich befristetes Hinausschieben des [X.] begehrt, trifft § 171 Abs. 4 [X.] keine gesonderte Bestimmung. Deshalb verbleibt es auch bei einem derart befristet gestellten Antrag bei der zuvor dargestellten Rechtsfolge, dass der Ablauf der Festsetzungsfrist ab dem Tag des [X.] bei der Finanzbehörde gehemmt wird, soweit der Antrag im Zeitpunkt seines Eingangs bei der Finanzbehörde für das Verschieben des [X.] kausal ist, weil keine die Ursächlichkeit des Antrags überlagernden, in der Sphäre der Finanzverwaltung liegenden Gründe für den [X.] vorliegen. Die Vorschrift erfordert es hingegen nicht, nach Ablauf der beantragten Aufschubfrist erneut zu prüfen, ob die im Zeitpunkt der Antragstellung bejahte Kausalität des Antrags für das Hinausschieben des [X.] auch noch bei oder nach Ablauf der beantragten Aufschubfrist fortbesteht. Denn auch bei einem unbefristet gestellten Antrag kommt es für den Eintritt der Ablaufhemmung nicht darauf an, ob bzw. inwieweit zu einem dem Tag der Antragstellung nachfolgenden Zeitpunkt in der Sphäre der Finanzverwaltung liegende Gründe nunmehr gleichfalls ursächlich für das Hinausschieben des Beginns einer Außenprüfung sein könnten. Dies gilt insbesondere für in der Sphäre der Finanzverwaltung liegende Umstände, die nach Antragstellung oder nach Ablauf der beantragten Aufschubfrist neu entstanden sind. Eine sog. "überholende Kausalität", wie sie der [X.] des [X.] erwogen hat ([X.] in [X.], 131), scheidet regelmäßig schon deshalb aus, weil nach den zuvor genannten [X.]aßstäben bereits im Zeitpunkt der Antragstellung vorliegende, in der Sphäre der Finanzverwaltung liegende maßgebliche Gründe für den [X.] den Eintritt der Ablaufhemmung meist schon von vorneherein --d.h. bereits im Zeitpunkt der [X.] ausschließen. [X.] auch ein befristeter Antrag hinsichtlich des Eintritts der Ablaufhemmung uneingeschränkte Wirkung, so bedarf es keiner Entscheidung, ob bzw. inwieweit der Steuerpflichtige nach Ablauf der von ihm beantragten Aufschubfrist auf den Beginn der Außenprüfung zu drängen hat (vgl. --ohne generelle Festlegung-- [X.] in [X.], 131, unter [X.] cc der Gründe; für ein Drängen als allgemeine Voraussetzung für das Entfallen der Ablaufhemmung [X.]/ Rüsken, a.a.[X.], § 171 [X.] 66; [X.] in Tipke/[X.], a.a.[X.], § 171 [X.] [X.] 43; kritisch dazu [X.] in [X.], [X.], § 171 [X.]. 39).

dd) Gleichwohl verbleibt der Finanzbehörde nach Ansicht des erkennenden [X.]s nach Eingang eines Antrags [X.] von § 171 Abs. 4 Satz 1  2. Alternative [X.], der zum Eintritt der Ablaufhemmung führt, nicht unbegrenzte Zeit, mit der Außenprüfung zu beginnen. Vielmehr hat die Behörde die Prüfung vor Ablauf von zwei Jahren nach Eingang des Antrags auf Hinausschieben des [X.] bei der Finanzbehörde zu beginnen, wenn sie den Ablauf der Festsetzungsfrist verhindern will. Die Festsetzungsfrist (Feststellungsfrist) endet nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Eingang des Antrags. Der erkennende [X.] stützt seine Auffassung auf einen allgemeinen Rechtsgedanken, der in § 171 Abs. 8 Satz 2 [X.] und --jedenfalls in seiner gegenwärtig gültigen [X.] auch in § 171 Abs. 10 [X.] Ausdruck findet; jene Vorschriften räumen der Finanzbehörde in den Fällen des Wegfalls eines außerhalb ihrer Sphäre eingetretenen Hindernisses eine Zweijahresfrist für ein weiteres Tätigwerden ein.

(1) § 171 [X.] lässt sich die Vorstellung des Gesetzgebers entnehmen, dass der Finanzbehörde nicht unbegrenzte Zeit verbleiben soll, bei rechtlichen oder --was regelmäßig Hintergrund einer Außenprüfung [X.] tatsächlichen Unsicherheiten den konkreten Steuerfall abschließend zu beurteilen. So sieht § 171 Abs. 4 Satz 2 [X.] --wie bereits ausgeführt-- eine Frist für ein weiteres Tätigwerden der Finanzbehörde vor, soweit eine begonnene Außenprüfung nur für die Dauer von sechs [X.]onaten unterbrochen werden darf, um die Ablaufhemmung zu bewahren. Allerdings bewirkt in der dort zugrunde gelegten Situation das Hindernis für die abschließende Würdigung des Falles die Finanzbehörde selbst, indem sie die tatsächliche und rechtliche Klärung durch eine (bereits begonnene) Außenprüfung hinausschiebt. Ein derartiges Hindernis liegt indes nicht in der Sphäre der Finanzbehörde, wenn eine Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 1 Satz 2 [X.] für vorläufig erklärt wird, weil z.B. eine höchstrichterliche Entscheidung abzuwarten ist. § 171 Abs. 8 Satz 2 [X.] sieht dann vor, dass die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren endet, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erlangt hat. Gleichfalls hat die Finanzbehörde ein solches Hindernis nicht zu verantworten, wenn sie gehalten ist, einen sie bindenden Grundlagenbescheid abzuwarten. Soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Grundlagenbescheid bindend ist, endet nach § 171 Abs. 10 Satz 1 [X.] in seiner gegenwärtig gültigen Fassung die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids. Zwar war in § 171 Abs. 10 [X.] in seiner in den Streitjahren (1993 und 1994) gültigen Fassung noch eine Einjahresfrist bestimmt. Erst durch Art. 18 Nr. 4 des Jahressteuergesetzes ([X.]) 1997 vom 20. Dezember 1996 ([X.] 1996, 2049, 2075), das insoweit am Tag nach seiner Verkündung, also am 28. Dezember 1996, in [X.] trat, wurde die Einjahresfrist durch eine Frist von zwei Jahren ersetzt. Diese Änderung folgte einer Empfehlung des Finanzausschusses des [X.] (vgl. Zweite Beschlussempfehlung vom 5. November 1996, BTDrucks 13/5951, S. 83; Zweiter Bericht vom 5. November 1996, BTDrucks 13/5952, [X.] f.) und wurde u.a. damit begründet, dass es sowohl auf Seiten der Finanzverwaltung als auch auf Seiten des Steuerpflichtigen einen erheblichen Verwaltungsaufwand erfordern könne, wenn in einem Folgebescheid eine Vielzahl von Grundlagenbescheiden zu berücksichtigen seien und diese wiederum mehrfach geändert würden; besondere Probleme ergäben sich vor allem, wenn der Steuerpflichtige an mehreren Personengesellschaften beteiligt sei und bei ihm eine Außenprüfung durchgeführt werde; eine aus praktischer Sicht naheliegende Bündelung der Auswertung der Prüfungsfeststellungen und der Grundlagenbescheide scheitere regelmäßig am Ablauf der Festsetzungsfrist; durch die Verlängerung der [X.] auf zwei Jahre solle es ermöglicht werden, die notwendigen Anpassungen des Folgebescheids zu bündeln (BTDrucks 13/5952, [X.]). [X.]it der Aufnahme dieser Empfehlung hat der Gesetzgeber also im Ergebnis einer Situation Rechnung getragen, die --nach Wegfall eines außerhalb der Sphäre der zuständigen Finanzbehörde liegenden [X.] (auch) einen erhöhten Verwaltungsaufwand erfordert.

Kann die Finanzbehörde also eine abschließende rechtliche und/oder tatsächliche Klärung des [X.] zunächst nicht selbst herbeiführen, räumt ihr das Gesetz in § 171 Abs. 8 Satz 2 und Abs. 10 [X.] eine zweijährige, den Ablauf der Festsetzungsfrist hindernde Frist ab dem Zeitpunkt ein, in dem die entsprechenden Vorfragen geklärt sind und ihr das Ergebnis bekannt ist. Ab diesem Zeitpunkt kann und darf die Finanzbehörde wieder selbst die Initiative zur Bearbeitung des Falles ergreifen. Dabei hat der Gesetzgeber bei der Erweiterung der Frist in § 171 Abs. 10 [X.] auf zwei Jahre erkennbar auch die Situation berücksichtigt, dass der Verwaltung nach Wegfall des Hindernisses ein erhöhter Verwaltungsaufwand entstehen kann.

(2) Wird der Beginn der Außenprüfung auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, ist die Finanzbehörde gleichfalls zunächst aus von ihr nicht zu vertretenden Gründen an der abschließenden rechtlichen und/oder tatsächlichen Klärung des [X.] gehindert; auch erfordert der spätere Beginn einer Außenprüfung regelmäßig weiteren organisatorischen Aufwand der Behörde, etwa um den Fall erneut in die Prüfungspläne zu integrieren. Insoweit weicht diese Situation nicht wesentlich von den in § 171 Abs. 8 Satz 2 und Abs. 10 [X.] erfassten Fallkonstellationen ab. Dies rechtfertigt es zum Einen, der Finanzbehörde ausreichend Zeit für den späteren Beginn einer Außenprüfung einzuräumen. Dabei ist jedoch nach Ansicht des erkennenden [X.]s für den Fall eines Antrags [X.] von § 171 Abs. 4 Satz 1  2. Alternative [X.] die Ablaufhemmung in Anwendung des auch in § 171 Abs. 8 Satz 2 und Abs. 10 [X.] konkretisierten allgemeinen Rechtsgedankens daran zu knüpfen, dass die Finanzbehörde vor Ablauf von zwei Jahren nach Eingang des Antrags des Steuerpflichtigen mit einer Außenprüfung beginnt. Insoweit bleibt der Finanzbehörde die gleiche Zeit wie in den von § 171 Abs. 8 Satz 2 und --in seiner gegenwärtigen [X.] Abs. 10 [X.] erfassten Fällen, aus eigener Initiative die abschließende Bearbeitung des [X.] zu betreiben. Auch wenn --wie im [X.] ein befristeter Aufschub des [X.] beantragt worden ist, kommt nicht in Betracht, die Festsetzungsfrist (hier Feststellungsfrist) nicht vor Ablauf von zwei Jahren seit Ablauf der beantragten Aufschubfrist enden zu lassen. Denn im Unterschied zu den in § 171 Abs. 8 Satz 2 und Abs. 10 [X.] geregelten Fällen hat die Finanzbehörde bei einem Antrag auf Aufschub des [X.] die [X.]öglichkeit, bei der Bescheidung des Antrags auf die zeitliche Dauer ihrer Untätigkeit Einfluss zu nehmen. Im Übrigen ist eine Frist von zwei Jahren nach Antragseingang auch im Hinblick auf die erforderliche (neue) Integration des [X.] in die Prüfungspläne der Finanzbehörde ausreichend bemessen. Dabei sieht sich der erkennende [X.] an der Anwendung der Zweijahresfrist auch im Streitfall nicht dadurch gehindert, dass --wie ausgeführt-- § 171 Abs. 10 [X.] in seiner gegenwärtigen Fassung in den Streitjahren noch keine Gültigkeit hatte. Es kann offenbleiben, ob es unter den im Streitfall vorliegenden Umständen nicht auf die Gültigkeit der Norm in den Streitjahren, sondern auf die Rechtslage im Zeitpunkt des Antrags auf Verschieben der Außenprüfung ankäme. Gleichfalls braucht nicht erörtert zu werden, ob § 171 Abs. 10 [X.] i.d.[X.]. 18 [X.] 1997 gemäß Art. 97 § 1 Abs. 6 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung auf das vorliegende Verfahren anzuwenden wäre. Denn maßgeblich ist der zu jener Zeit bereits in § 171 Abs. 8 Satz 2 [X.] zum Ausdruck gebrachte Rechtsgedanke, den der Gesetzgeber später folgerichtig mit der dargestellten Änderung des § 171 Abs. 10 [X.] fortentwickelt hat. Im Übrigen wirkte eine Anknüpfung an die in § 171 Abs. 10 [X.] a.F. bestimmte Einjahresfrist zu Lasten des [X.].

b) Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen hat das [X.] im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Ablauf der Feststellungsfrist nicht nach § 181 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 171 Abs. 4 Satz 1 [X.] gehemmt war.

Der Antrag der Klägerin ist am 15. November 1996 beim [X.] eingegangen. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass --wie das [X.] entschieden hat-- der Antrag der Klägerin ursächlich für das Hinausschieben des Beginns der Außenprüfung geworden ist. Das [X.] hat jedoch nicht innerhalb von zwei Jahren nach Eingang des Antrags mit der Außenprüfung begonnen, sondern erst am 30. [X.]ärz 2000. Damit ist die zunächst eingetretene Ablaufhemmung nach § 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 171 Abs. 4 Satz 1  2. Alternative [X.] rückwirkend entfallen. [X.]angels Ablaufhemmung war die Feststellungsfrist --wie oben bereits ausgeführt-- hinsichtlich beider Streitjahre abgelaufen, als das [X.] die streitbefangenen geänderten Feststellungsbescheide erlassen hat.

Soweit das [X.] in seiner Revisionsbegründung vorgetragen hat, die Klägerin habe durch [X.] im November 1999 einen weiteren Antrag auf Verschiebung des Beginns der Außenprüfung gestellt, ist der erkennende [X.] an die nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des [X.] gebunden (§ 118 Abs. 2 [X.]O), wonach sich nicht erwiesen habe, dass [X.] als [X.]itarbeiterin der Bevollmächtigten der Klägerin anlässlich eines Telefonats mit dem Betriebsprüfer am 10. November 1999 einen entsprechenden Antrag gestellt habe, der ursächlich für eine tatsächliche Verschiebung der Prüfung gewesen sei. Deshalb ist auch nach den vom erkennenden [X.] entwickelten Rechtsgrundsätzen ausschließlich auf den Antrag der Klägerin vom 15. November 1996 abzustellen.

3. Dass die besonderen Voraussetzungen für den Erlass eines Feststellungsbescheides nach Ablauf der Feststellungsfrist gemäß § 181 Abs. 5 [X.] vorgelegen hätten, ergibt sich weder aus dem Bescheid (vgl. § 181 Abs. 5 Satz 2 [X.]) noch ist solches vom [X.] festgestellt oder von den Beteiligten vorgetragen worden.

4. Zwar haben die Beteiligten übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet. Zur Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) hält es der [X.] gleichwohl für zweckmäßig, durch Gerichtsbescheid zu erkennen (§§ 121, 90a [X.]O; vgl. z.B. auch [X.]-Urteil vom 16. Dezember 2003 [X.]/00, [X.]/NV 2004, 934, unter 5. der Gründe). Nicht alle rechtlichen Gesichtspunkte, auf die der erkennende [X.] seine Entscheidung stützt, sind bislang von den Beteiligten oder in der vorinstanzlichen Entscheidung erörtert worden.

Meta

IV R 54/07

17.03.2010

Bundesfinanzhof 4. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 17. Juli 2007, Az: 15 K 443/02, Urteil

§ 171 Abs 4 S 1 AO, § 171 Abs 8 S 2 AO, § 171 Abs 10 AO, § 181 Abs 1 S 1 AO, § 171 Abs 4 S 2 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.03.2010, Az. IV R 54/07 (REWIS RS 2010, 8399)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8399

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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