Bundessozialgericht, Urteil vom 28.10.2015, Az. B 6 KA 2/15 R

6. Senat | REWIS RS 2015, 3167

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Besetzung der Richterbank - Angelegenheit des Vertragszahnarztrechts - Zahntechniker-Innung - Rabattvertrag mit Krankenkasse - absoluter Revisionsgrund


Tenor

Auf die Revision der Beigeladenen wird das Urteil des [X.] vom 25. November 2014 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Zwischen der zu 1. klagenden [X.], dem zu 2. klagenden zahntechnischen Labor und dem zu 3. klagenden Inhaber eines zahntechnischen Labors und der beklagten Krankenkasse ist umstritten, ob die Beklagte und das in der Form einer GmbH geführte beigeladene zahntechnische Labor einen Rabattvertrag schließen dürfen. Ein entsprechender Vertrag wurde am [X.] vereinbart, und die Kläger haben dazu mit ihrer Klage zum [X.] geltend gemacht, die beklagte Krankenkasse sei nicht zum Abschluss derartiger [X.] berechtigt. Einzelverträge der gesetzlichen Krankenkassen mit Leistungserbringern stellten nach dem System des [X.]B V die Ausnahmen dar. Das [X.] hat festgestellt, dass die Beklagte nicht befugt war, mit der Beigeladenen die umstrittene Vereinbarung abzuschließen. Die Regelungen zu den [X.] in den § 57 Abs 2 und § 88 Abs 2 [X.]B V seien abschließend; Einzelverträge der Krankenkassen mit einzelnen Leistungserbringern seien ausgeschlossen.

2

Dieses Urteil hat die Beigeladene mit der Berufung zum L[X.] angefochten. Das L[X.] hat über die Berufung in der Besetzung von [X.] am L[X.], zwei Richtern am L[X.] sowie - wie das [X.] - [X.] aus den Kreisen der Versicherten und der Arbeitgeber (§ 10 Abs 1 iVm § 12 Abs 2 [X.]G) entschieden und die Berufung zurückgewiesen. Mit ihrer vom L[X.] zugelassenen Revision macht die Beigeladene geltend, die vorinstanzlichen Gerichte hätten die Angelegenheit als eine solche des [X.] im Sinne des § 10 Abs 2 [X.]G behandeln und in der nach § 12 Abs 3 iVm § 33 Abs 1 Satz 2 [X.]G vorgeschriebenen Besetzung mit [X.] aus den Kreisen der Krankenkassen und aus den Kreisen der Vertragszahnärzte entscheiden müssen. Im Übrigen sei das angefochtene Urteil auch materiell rechtswidrig.

3

Die Beigeladene beantragt,
das Urteil des [X.] vom 25. November 2014 sowie das Urteil [X.] vom 23. April 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

4

Die drei Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

5

Sie halten sowohl die Besetzung des L[X.] wie dessen Ausführungen in der Sache für zutreffend.

6

Die Beklagte sieht von einer Stellungnahme im Revisionsverfahren ab.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision der Beigeladenen hat im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das [X.] Erfolg. Die Beigeladene hat zu Recht gerügt, dass das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung nicht vorschriftsgemäß besetzt war. Dieser Verfahrensmangel führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits.

8

Der erkennende Senat kann nicht selbst in der Sache entscheiden, weder nach § 170 Abs 1 Satz 2 noch nach § 170 Abs 2 Satz 1 SGG, denn es fehlt an tragfähigen gerichtlichen Tatsachenfeststellungen für ein Revisionsurteil. Die Rechtsprechung des [X.] hat dies in der Vergangenheit insbesondere angenommen, wenn die Richterbank weder im [X.]- noch im [X.] vorschriftsmäßig besetzt war (vgl [X.]E 115, 165 = [X.]-2500 § 115b [X.], Rd[X.] 16).

9

Der Rechtsstreit betrifft eine Angelegenheit des [X.] im Sinne des § 10 Abs 2 SGG und keine Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung im Sinne des § 10 Abs 1 SGG. Zu den Streitigkeiten aufgrund der Beziehungen zwischen Krankenkassen und Vertragszahnärzten einschließlich ihrer Vereinigungen und Verbände im Sinne des § 10 Abs 2 Satz 1 SGG gehören nach ständiger Rechtsprechung des [X.] auch Streitigkeiten zwischen den [X.] bzw den zahntechnischen Leistungserbringern und den Krankenkassen, und zwar unabhängig davon, ob die [X.] ([X.]) an dem jeweiligen Rechtsstreit beteiligt ist. Das hat der zwischenzeitlich für das Vertragszahnarztrecht zuständige 14a-Senat des [X.] mit Urteil vom 13.1.1993 klargestellt ([X.]E 72, 15 = [X.]-2500 § 88 [X.] 2; so auch schon für die Rechtslage unter der RVO [X.] SozR 1500 § 12 [X.] 6). Der seit 1994 wieder für das Vertragszahnarztrecht zuständige 6. Senat des [X.] hat daran festgehalten. Das ergibt sich beispielhaft aus dem Urteil vom 11.12.2002 ([X.]-2500 § 88 [X.] 3). Auch im Beschluss vom 13.8.2014 - B 6 [X.]/14 B - ist der Senat in Übereinstimmung mit dem Thüringer [X.] als Vorinstanz davon ausgegangen, dass ein Rechtsstreit zwischen einem zahntechnischen Labor und einer Zahntechniker-Innung, zu dem die [X.] und die Verbände der Krankenkasse beigeladen waren, zu den Angelegenheiten des [X.] im Sinne des § 12 Abs 3 SGG zählt. Entsprechend enthält seit Jahren die Beschreibung der Zuständigkeit des 6. Senats des [X.] im Geschäftsverteilungsplan neben der Wiederholung des Wortlauts des § 10 Abs 2 SGG hinter dem Wort "Vertragszahnärzten" den Zusatz "unter Einschluss der Zahntechniker".

Die Zahntechniker sind, wie sich aus dem erwähnten Urteil vom 13.1.1993 ergibt, spätestens seit 1977 in das Regelungssystem des [X.] einbezogen ([X.]E 72, 15, 16 = [X.]-2500 § 88 [X.] 2). Die Unterschiede zwischen der Stellung der Zahntechniker und sonstigen nichtärztlichen Leistungserbringern im Rahmen der Krankenversicherung bestehen fort (vgl § 57 Abs 2, §§ 88, 89 Abs 7 und 8 SGB V). Das beruht [X.] darauf, dass zahntechnische Leistungen sowohl von zahntechnischen Laboren wie auch von den eigenen Laboren der Vertragszahnärzte erbracht werden können und insofern partiell auch vertragszahnärztliche Leistungen darstellen.

Die fehlerhafte Zuordnung eines Rechtsstreits zu den Angelegenheiten der Sozialversicherung im Sinne des § 10 Abs 1 Satz 1 SGG anstelle der Zuordnung zum [X.] im Sinne des § 10 Abs 2 Satz 1 SGG stellt einen absoluten Revisionsgrund im Sinne des § 547 [X.] 1 ZPO iVm § 202 SGG dar. Wenn das Berufungsgericht falsch besetzt war, ist grundsätzlich auf eine entsprechende Rüge der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Soweit die Rechtsprechung des [X.] in begrenzten Fällen Ausnahmen zulässt (vgl [X.]E 115, 165 = [X.]-2500 § 115b [X.], Rd[X.] 16), sind diese Voraussetzungen hier nicht erfüllt. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Berufung der Beigeladenen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Aussicht auf Erfolg hat; dem steht schon der Umstand entgegen, dass das [X.] selbst wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zugelassen hat.

Nach Zurückverweisung der Sache wird das [X.] durch den für das Vertragsarzt- bzw Vertragszahnarztrecht zuständigen Senat über die Berufung der Beigeladenen gegen das sozialgerichtliche Urteil neu zu entscheiden haben und bei dieser Gelegenheit auch über die Kosten des Revisionsverfahrens entscheiden.

Die Festsetzung des Streitwerts entspricht der Festsetzung des [X.] (§ 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 GKG).

Meta

B 6 KA 2/15 R

28.10.2015

Bundessozialgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: KA

vorgehend SG Hannover, 23. April 2010, Az: S 10 KR 755/08, Urteil

§ 10 Abs 1 S 1 SGG, § 10 Abs 2 S 1 SGG, § 12 Abs 3 SGG, § 202 SGG, § 547 Nr 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 28.10.2015, Az. B 6 KA 2/15 R (REWIS RS 2015, 3167)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 3167

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