Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 01.06.2010, Az. 6 B 77/09

6. Senat | REWIS RS 2010, 6233

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Gegenstand

Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren; Erstattungsfähigkeit von Gutachtenkosten; Musterungsbescheid


Gründe

1

Die auf die Grundsatz- (1.) und die Verfahrensrüge (2.) gestützte [X.]eschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher [X.]edeutung der Rechtssache (§ 34 Satz 1 und 2 [X.], § 135 Satz 3 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

3

Grundsätzliche [X.]edeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt der Rechtssache nur zu, wenn sie eine höchstrichterlich bisher noch nicht geklärte Rechtsfrage von grundsätzlicher, d.h. allgemeiner [X.]edeutung aufwirft. Dazu ist erforderlich, dass die von der [X.]eschwerde darzulegende (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) Rechtsfrage in einem zukünftigen Revisionsverfahren klärungsfähig und klärungsbedürftig ist und ihre Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende [X.]edeutung besitzt. [X.] sind die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts (§ 80 Abs. 2 VwVfG) und der Aufwendungsersatz für ärztliche Privatgutachten (§ 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG) im isolierten Vorverfahren. Die [X.]eschwerde bleibt ohne Erfolg, weil keine der drei vom Kläger hierzu aufgeworfenen Rechtsfragen (a) bis c)) den Darlegungsanforderungen genügt.

4

a) Für grundsätzlich klärungsbedürftig hält der Kläger zunächst die Frage, "auf welche Merkmale es für die Ausfüllung der 'jeweiligen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse' des Einzelfalls und der 'persönlichen Verhältnisse des [X.]' ankommt".

5

Diese Fragestellung rechtfertigt nicht die Zulassung der Grundsatzrevision. Die [X.]eurteilungskriterien, die sich für das Merkmal der Notwendigkeit sowohl im Hinblick auf die Hinzuziehung eines [X.]evollmächtigten im Sinne des § 80 Abs. 2 VwVfG als auch hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit von Gutachtenkosten als Aufwendungen im Sinne des § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG in verallgemeinerungsfähiger Weise aufstellen lassen, sind in der Rechtsprechung des [X.] geklärt und bedürfen aus Anlass des zur Entscheidung stehenden Falles keiner Ergänzung oder Weiterentwicklung (vgl. zum Folgenden erst kürzlich: [X.]eschluss vom 28. April 2010 - [X.]VerwG 6 [X.] 46.09 - [X.]A S. 3 ff.).

6

Danach ist gemäß § 80 Abs. 2 VwVfG bzw. § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO die Erstattungsfähigkeit von Kosten eines [X.]evollmächtigten im Vorverfahren - anders als die von Anwaltskosten im gerichtlichen Verfahren (§ 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO) - nicht automatisch, sondern je nach Lage des Einzelfalls nur unter der Voraussetzung der konkreten Notwendigkeit anzuerkennen. Die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines [X.]evollmächtigten im Vorverfahren ist unter Würdigung der jeweiligen Verhältnisse vom Standpunkt einer verständigen [X.] aus zu beurteilen. Maßgebend ist, ob sich ein vernünftiger [X.]ürger mit gleichem [X.]ildungs- und Erfahrungsstand bei der gegebenen Sachlage eines Rechtsanwalts oder sonstigen [X.]evollmächtigten bedient hätte. Notwendig ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nur dann, wenn es der [X.] nach ihren persönlichen Verhältnissen und wegen der Schwierigkeit der Sache nicht zuzumuten war, das Vorverfahren selbst zu führen. Abzustellen ist regelmäßig auf den Zeitpunkt der [X.]evollmächtigung ([X.]eschluss vom 14. Januar 1999 - [X.]VerwG 6 [X.] - [X.] 316 § 80 VwVfG Nr. 42 S. 1, Urteil vom 17. Dezember 2001 - [X.]VerwG 6 C 19.01 - [X.] 448.0 § 20b [X.] Nr. 3 S. 8, [X.]eschlüsse vom 21. August 2003 - [X.]VerwG 6 [X.] - [X.] 316 § 80 VwVfG Nr. 51 S. 23 f., vom 25. Oktober 2006 - [X.]VerwG 6 [X.] 39.06 - juris Rn. 4, vom 1. Februar 2007 - [X.]VerwG 6 [X.] 85.06 - [X.] 316 § 80 VwVfG Nr. 52 S. 1 und vom 1. Oktober 2009 - [X.]VerwG 6 [X.] 14.09 - juris Rn. 5). Die [X.]esonderheiten des [X.]s gebieten keine andere [X.]etrachtungsweise. Denn bei der in diesem Verfahren zu treffenden Feststellung, ob der Wehrpflichtige in gesundheitlicher Hinsicht den Anforderungen des Grundwehrdienstes zu entsprechen vermag, handelt es sich ungeachtet aller im Detail schwierigen tatsächlichen und rechtlichen Abgrenzungskriterien nicht um eine Fragestellung von schon im Ansatz besonderem Schwierigkeitsgrad ([X.]eschluss vom 14. Januar 1999 a.a.[X.] 2 f.).

7

Zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig im Sinne des § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG und deshalb erstattungsfähig können auch die Kosten eines in Auftrag gegebenen Privatgutachtens sein, wenn dessen Einholung zur Vorbereitung des Verfahrens oder zur Erlangung der erforderlichen Sachkunde geboten war. Die Frage, ob die Einholung eines - ärztlichen - Gutachtens in diesem Sinne notwendig ist, hängt wiederum von den tatsächlichen Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab und entzieht sich - generell und so auch im [X.] - einer allgemein geltenden [X.]eantwortung (vgl. [X.]eschlüsse vom 15. März 1994 - [X.]VerwG 8 [X.] 207.93 - [X.] 316 § 80 VwVfG Nr. 35, vom 3. April 1996 - [X.]VerwG 8 [X.] 158.95 - [X.] 316 § 80 VwVfG Nr. 37 und vom 14. Januar 1999 a.a.[X.] 3).

8

[X.]ei der [X.]eurteilung der Frage, ob im konkreten Fall die Hinzuziehung des [X.]evollmächtigten des [X.] und die Einholung von drei fachärztlichen Gutachten notwendig waren, hat das Verwaltungsgericht die beschriebenen Maßstäbe angewandt. Die in diesen Maßstäben angelegte Maßgeblichkeit der jeweiligen Umstände des Einzelfalls steht einer weiteren rechtsgrundsätzlichen Klärung entgegen. Dies wird durch die aufgeworfene Frage im Ergebnis nur bestätigt. Ein Revisionsverfahren könnte insoweit zu keinen weiteren allgemeinen Erkenntnissen führen. Dies gilt auch, soweit sich die [X.]eschwerdebegründung im Hinblick auf die von ihr für erforderlich erachtete weitere Klärung der Kriterien zur [X.]eurteilung der Notwendigkeit einer [X.]evollmächtigtenheranziehung auf den zu § 109a Abs. 1 OWiG ergangenen [X.]eschluss des [X.]undesverfassungsgerichts vom 11. Februar 1994 - 2 [X.]vR 1883/93 - (NJW 1994, 1855, 1856) und im Zusammenhang damit auf die erforderliche [X.]erücksichtigung des gesetzlichen Zwecks der jeweiligen Kostennorm beruft. Denn die Gesichtspunkte, die der Kläger hierzu anführt, können im Rahmen der dargestellten Maßstäbe für eine Entscheidung nach § 80 Abs. 2 VwVfG [X.]erücksichtigung finden (vgl. [X.]eschlüsse vom 14. Januar 1999 - [X.]VerwG 6 [X.] - juris Rn. 16 - insoweit in [X.] a.a.[X.] nicht abgedruckt - und vom 28. April 2010 - [X.]VerwG 6 [X.] 46.09 - [X.]A S. 4).

9

b) Für grundsätzlich klärungsbedürftig hält der Kläger außerdem, "ob ein Widerspruchsführer auch dann in der Lage ist, das Verfahren zur Anfechtung eines Musterungsbescheides ohne sachkundige Hilfe Dritter - eines Anwaltes und/oder eines medizinischen Gutachters - alleine zu führen, wenn er von den rechtlich maßgeblichen Umständen, die einer Heranziehung entgegenstehen, keine Kenntnis hat und aufgrund der Eigenheit dieser Umstände keine Kenntnis haben kann".

Diese Frage führt nicht auf eine grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache, weil sie sich dem Verwaltungsgericht nicht gestellt hat. Denn dessen Urteil liegt die tragende Erwägung zu Grunde, dass von dem Kläger weder die rechtliche Erheblichkeit, noch die wehrmedizinische Einordnung seiner gesundheitlichen Verhältnisse, wohl aber die Mitteilung der bei ihm vorliegenden gesundheitlichen Einschränkungen bzw. [X.]eschwerden als solche verlangt werden konnte. Eine Rechtsfrage, die sich für die Vorinstanz nicht gestellt oder auf die diese nicht entscheidend abgehoben hat, kann regelmäßig und so auch hier nicht zur Zulassung der Revision führen ([X.]eschlüsse vom 14. November 2008 - [X.]VerwG 6 [X.] 61.08 - [X.] 422.2 Rundfunkrecht Nr. 47 Rn. 3 und vom 5. Oktober 2009 - [X.]VerwG 6 [X.] 17.09 - juris Rn. 7).

c) Aus dem gleichen Grund kann der Kläger mit der dritten Frage, der er Grundsatzbedeutung beimisst, die Revisionszulassung nicht erreichen. Diese Frage geht dahin, ob "einem Widerspruchsführer im [X.] zugemutet werden kann, seinen Sachvortrag aus dem Ausgangsverfahren einfach zu wiederholen, anstatt sich fachkundiger Hilfe - sei es juristischer oder medizinischer Art - zu bedienen".

Eine derartige Forderung hat das Verwaltungsgericht nicht aufgestellt. Es ist vielmehr in erster Linie davon ausgegangen ([X.]), von dem Kläger habe nach seinen persönlichen Verhältnissen erwartet werden können, dass er etwaige seit der Musterung eingetretene Veränderungen in seinen gesundheitlichen Verhältnissen und auch Ergänzungen im Widerspruchsverfahren ohne die Hilfe eines [X.]evollmächtigten vorbringe. Nur alternativ zu dieser Erwägung und für den Fall, dass der Kläger alle [X.]eeinträchtigungen bereits im [X.] benannt, die [X.]eklagte hieraus jedoch keine Konsequenzen gezogen haben sollte, hat das Verwaltungsgericht ausgeführt ([X.]), dem Kläger sei es auch insoweit zumutbar gewesen, das Widerspruchsverfahren ohne Hinzuziehung eines Rechtsanwalts zu führen und - dann allerdings notwendigerweise auch teils wiederholend - auf seinen Gesundheitszustand hinzuweisen, weitere [X.]eschwerden vorzutragen, entsprechende Atteste vorzulegen und gegebenenfalls Einsicht in seine Musterungsunterlagen zu nehmen.

2. Die von der [X.]eschwerde erhobenen Verfahrensrügen (§ 34 Satz 1 und 2 [X.], § 135 Satz 3 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) bleiben ebenfalls ohne Erfolg. Die [X.]eschwerde rügt zu Unrecht, das angefochtene Urteil sei in sich nicht nachvollziehbar und widerspruchsfrei begründet. Aus dem [X.]eschwerdevorbringen ergibt sich weder ein Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO, noch ein solcher gegen die [X.]egründungspflicht des § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO.

Die Freiheit, die der Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO dem [X.] zugesteht, bezieht sich auf die [X.]ewertung der für die Feststellung des Sachverhalts maßgebenden Umstände. Sie ist nach der einen Seite hin begrenzt durch das jeweils anzuwendende Recht und dessen Auslegung. Nach der anderen Seite hin ergibt sich die Grenze daraus, dass der Überzeugungsgrundsatz nicht für eine Würdigung in Anspruch genommen werden kann, die im Vorgang der Überzeugungsbildung an einem Fehler leidet, z.[X.]. an der Missachtung gesetzlicher [X.]eweisregeln oder an der [X.]erücksichtigung von Tatsachen, die sich weder auf ein [X.]eweisergebnis noch sonst wie auf den Akteninhalt stützen lassen. Dabei ist die Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung selbst dem jeweils anzuwendenden sachlichen Recht zuzurechnen; Verfahrensfehler können insoweit in Gestalt einer im Einzelfall willkürlichen Würdigung - etwa wegen widersprüchlicher oder aktenwidriger Feststellungen oder wegen Verstößen gegen Natur- oder Denkgesetze - vorliegen ([X.]eschlüsse vom 27. Februar 2007 - [X.]VerwG 6 [X.] 81.06 - [X.] 402.41 [X.] Rn. 59 und vom 30. April 2008 - [X.]VerwG 6 [X.] 15.08 - juris Rn. 15, insoweit in [X.] 111 Art. 37 EV Nr. 6 nicht abgedruckt).

Die [X.]egründungspflicht des § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO verlangt, dass in den Urteilsgründen die tatsächlichen Umstände und rechtlichen Erwägungen wiedergegeben werden, die das Gericht bestimmt haben, die Voraussetzungen für seine Entscheidung als erfüllt anzusehen. Das Urteil muss erkennen lassen, dass das Gericht den ermittelten Tatsachenstoff wertend gesichtet und in welchen konkreten [X.]ezug es ihn zu den angewandten Rechtsnormen gesetzt hat. Dies setzt voraus, dass das Gericht zum einen seinen rechtlichen Prüfungsmaßstab offenlegt und zum anderen in tatsächlicher Hinsicht angibt, von welchem Sachverhalt es ausgeht und - sofern es den Tatsachenbehauptungen eines [X.]eteiligten widerspricht - warum es dessen Vortrag nicht folgt und aufgrund welcher Erkenntnisse es eine ihm ungünstige Tatsachenlage als erwiesen ansieht. Aus den Entscheidungsgründen muss sowohl für die [X.]eteiligten als auch für das Rechtsmittelgericht nachvollziehbar sein, aus welchen Gründen des materiellen Rechts oder des Prozessrechts das Gericht dem Vortrag eines [X.]eteiligten, jedenfalls soweit es sich um einen zentralen Punkt seiner Rechtsverfolgung handelt, nicht folgt. Die [X.]egründungspflicht ist immer dann verletzt, wenn die Entscheidungsgründe rational nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder sonst wie unbrauchbar sind (vgl. [X.]eschlüsse vom 18. Oktober 2006 - [X.]VerwG 9 [X.] 6.06 - [X.] 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 66 Rn. 24, vom 30. Juni 2009 - [X.]VerwG 9 [X.] 23.09 - juris Rn. 3 und vom 22. Oktober 2009 - [X.]VerwG 5 [X.] 51.09 - juris Rn. 24).

Ausgehend hiervon lässt das [X.]eschwerdevorbringen, mit dem der Kläger durch sechs [X.] (a) bis f)) einen Verfahrensmangel darzutun sucht, weder eine Verletzung des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO, noch des § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO erkennen.

a) Der Kläger macht zunächst geltend, dass in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils nicht klar zwischen der Subsumtion des Sachverhalts im Hinblick auf die [X.]edingungen für die Hinzuziehung eines [X.]evollmächtigten einerseits und die Erstattungsfähigkeit von Gutachtenkosten andererseits unterschieden werde.

Diese Rüge geht fehl, denn das Verwaltungsgericht hat nicht verkannt, dass es - wie ausgeführt - für beide hier umstrittenen kostenrechtlichen Aspekte auf die persönlichen, tatsächlichen und rechtlichen Umstände des Einzelfalls ankommt. Wenn das Verwaltungsgericht, was diese Umstände anbelangt, in den Gründen seines Urteils im Zusammenhang mit der Frage der Erstattungsfähigkeit der Kosten für die von dem Kläger eingeholten ärztlichen Gutachten teilweise auf seine vorhergehenden Ausführungen zur Notwendigkeit der Hinzuziehung eines [X.]evollmächtigten verweist, beeinträchtigt dies die Nachvollziehbarkeit seiner Erwägungen nicht. Soweit der Kläger diese Erwägungen darüber hinaus unter Verweis auf die Vorschrift des § 19 Abs. 5 [X.] (auch) inhaltlich angreift, beschreibt er keinen Verfahrensmangel der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, sondern legt im Stil einer [X.]erufungsbegründung dar, dass ihn das Urteil nicht überzeugt.

b) Weiterhin hat sich das Verwaltungsgericht entgegen der Ansicht der [X.]eschwerde durch seinen Verweis darauf ([X.]), dass allein gesundheitliche Einwendungen des [X.] zu dessen Erfolg im Widerspruchsverfahren geführt hätten und rechtliche Ausführungen nicht erforderlich gewesen seien, nicht in Widerspruch zu dem von ihm angewandten Grundsatz gesetzt, dass maßgeblicher [X.]eurteilungszeitpunkt für die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines [X.]evollmächtigten dessen [X.]eauftragung ist. Das Verwaltungsgericht stellt in der bezeichneten Passage der Urteilsgründe keine ex post-[X.]etrachtung an, sondern verleiht seiner die gesamte Entscheidung tragenden Erwägung Ausdruck, der Kläger sei im Verlauf des Verwaltungsverfahrens stets gehalten gewesen, die gesundheitlichen [X.]eschwerden als solche mitzuteilen, die nach den Erkenntnismöglichkeiten, die von ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen hätten erwartet werden müssen, potentiell erheblich gewesen seien.

c) Von diesem Ausgangspunkt der Vorinstanz her gibt es entgegen der Rüge des [X.] auch keinen Widerspruch zwischen der Erwägung des [X.] ([X.]), er sei nicht gehindert gewesen, Anhaltspunkte für gesundheitliche Mängel innerhalb des Widerspruchsverfahrens selbst und ohne [X.]evollmächtigten vorzubringen, und seinem unter [X.]eweis gestellten und von dem Verwaltungsgericht als wahr unterstellten Vortrag ([X.] f.), er habe bis zu der ersten [X.]esprechung mit seinem [X.]evollmächtigten die [X.]edeutung seiner [X.]eschwerden für seine [X.]elastbarkeit nicht gekannt. Für das Verwaltungsgericht war nicht erheblich, ob der Kläger die [X.]edeutung seiner gesundheitlichen Einschränkungen tatsächlich erkannt hat, sondern es hat auch hier entscheidend darauf abgestellt, dass er seine potentiell erheblichen [X.]eeinträchtigungen nach seinen persönlichen Verhältnissen jedenfalls selbst hätte erkennen und vorbringen können.

d) Widersprüchlich sind deshalb entgegen der [X.]eschwerdebegründung ferner nicht die in den Entscheidungsgründen ([X.]) enthaltene Erwägung, der Wehrpflichtige wisse im Allgemeinen selbst, ob er unter gesundheitlichen [X.]eschwerden leide, die seiner Heranziehung zum Wehrdienst entgegenstehen, und die Wahrunterstellung der [X.]eweisbehauptung des [X.] ([X.] f.), die ganz überwiegende Zahl der von Symptomen pathologischer Allergie- und Skeletterkrankungen betroffenen Menschen könne diese nicht ohne fachkundige Hilfe als Indizien für einen pathologischen Zustand einordnen, solange das Allgemeinbefinden dadurch nicht unerheblich beeinträchtigt werde. Das Verwaltungsgericht hat - worauf es zutreffend hinweist ([X.]) - dem Kläger keine Einordnung pathologischer Zustände angesonnen. Es hat ihn vielmehr für verpflichtet erachtet, die gesundheitlichen [X.]eeinträchtigungen anzugeben, deren potentielle Erheblichkeit er nach der Einschätzung des [X.] erkennen musste.

e) Wegen dieser die Entscheidung des [X.] tragenden Erwägung fehlt es weiter an dem von dem Kläger angenommenen Widerspruch zwischen einerseits der Annahme ([X.]), von dem Wehrpflichtigen könne - bei bestehender Unsicherheit über den für eine Heranziehung (richtig: Nichtheranziehung) zum Wehrdienst erforderlichen Leidensdruck gegebenenfalls nach Konsultierung eines Facharztes - die Mitteilung aller gesundheitlichen [X.]eschwerden, unter denen er leide, und etwaige seit der Musterung eingetretenen gesundheitlichen Veränderungen erwartet werden, und andererseits der als wahr unterstellten [X.]ehauptungen des [X.] über seine Unkenntnis, worauf es bei den von ihm für normal gehaltenen körperlichen Reaktionen ankomme, und über das Nichtbestehen eines Leidensdrucks.

f) Schließlich ist das Verwaltungsgericht nicht auf der Grundlage eines Verfahrensfehlers zu der Überzeugung gelangt ([X.]), es sei dem Kläger ohne Weiteres zumutbar gewesen, die Angaben über seine [X.]eschwerden auf neuro-psychiatrischem Gebiet, die er gegenüber dem Gutachter [X.] geäußert habe, ergänzend zu den ihm bereits im Rahmen des [X.] geltend gemachten gesundheitlichen Verhältnissen im Widerspruchsverfahren gegenüber der [X.]eklagten vorzubringen. Zum einen stellt diese Einschätzung entgegen der Ansicht des [X.] entsprechend den obigen Ausführungen (unter 2.b)) keine in Widerspruch zu den allgemeinen Grundsätzen für die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines [X.]evollmächtigten stehende ex post-[X.]etrachtung dar. Zum anderen geht der Vorwurf fehl, das Verwaltungsgericht habe in [X.] nicht berücksichtigt, dass der Kläger bereits in der Musterungsuntersuchung vom 15. Januar 2007 zu den in der gutachterlichen Stellungnahme des [X.] vom 22. Juli 2007 erwähnten [X.]eschwerden vorgetragen habe, diese Stellungnahme also keine neuen Feststellungen enthalte, sondern nur die bereits vorgetragenen Umstände anders bewerte. Denn der [X.] vom 15. Januar 2007 verhält sich unter den Nummern 31 und 32 lediglich zu dezenten Hinweisen für musisch-sensible Persönlichkeitsmerkmale und einer Neigung zu migränoidem Kopfschmerz. Demgegenüber referiert die Stellungnahme von [X.] vom 24. Juli 2007 wesentlich ausführlichere Angaben des [X.] zu Kopfschmerzattacken und Engegefühlen im Hals beim Essen.

3. [X.] folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes für das [X.]eschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG und folgt der von den [X.]eteiligten nicht in Frage gestellten berichtigten Wertfestsetzung in der ersten Instanz.

Meta

6 B 77/09

01.06.2010

Bundesverwaltungsgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend VG Frankfurt, 14. August 2009, Az: 2 K 2856/07, Urteil

§ 80 Abs 2 VwVfG, § 80 Abs 1 S 1 VwVfG, § 108 Abs 1 S 1 VwGO, § 108 Abs 1 S 2 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 01.06.2010, Az. 6 B 77/09 (REWIS RS 2010, 6233)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6233

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Referenzen
Wird zitiert von

4 LA 37/17

19 K 2583/16

Au 2 K 17.600

12 K 2863/18

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