Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25.01.2017, Az. 9 C 29/15

9. Senat | REWIS RS 2017, 16736

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Gegenstand

Abfindungszusicherung im Bodenneuordnungsverfahren


Leitsatz

1. Die Flurneuordnungsbehörde kann den Beteiligten eines Bodenordnungsverfahrens eine Abfindungszusicherung (§ 38 VwVfG) erteilen, mit der sie sich hinsichtlich der späteren Abfindungsgestaltung bindet.

2. Bei der Zusammenführung von Boden und Gebäudeeigentum (§ 64 LwAnpG ) hat die Behörde eine geringe Restnutzungsdauer der Gebäude (§ 31 Abs. 1 SachenRBerG) zu berücksichtigen. Unter dieser Voraussetzung hat sie bei der Zuteilungsentscheidung nach den Umständen des Einzelfalls zu prüfen, ob nach Maßgabe des Normzwecks des § 3 LwAnpG dem Grundstücks- gegenüber dem Gebäudeeigentümer der Vorrang einzuräumen ist (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2003 - 9 C 5.03 - Buchholz 424.02 § 64 LwAnpG Nr. 10).

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine Abfindungszusicherung in einem Bodenordnungsverfahren nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz.

2

Er ist Eigentümer mehrerer Grundstücke im [X.] und [X.]". Die Beigeladene ist dort ebenfalls Eigentümerin von Grundstücken. Sie ist zugleich Eigentümerin landwirtschaftlich genutzter Gebäude und Anlagen, die ihre Rechtsvorgängerin, eine LPG, teilweise auf Grundstücken des [X.] ([X.]stücke Nr. 100/1, 103/1 und 629/2 in [X.] 1 der Gemarkung [X.]) errichtet hat. Nachdem die Beigeladene dem Kläger im Jahr 1995 vergeblich ein Angebot zum Ankauf dieser Grundstücksflächen nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz unterbreitet hatte, machte sie ihr Begehren ohne Erfolg gerichtlich geltend; ihre Revision wies der [X.] durch Urteil vom 29. September 2000 - [X.] - zurück. Das Urteil ist darauf gestützt, dass der Kläger das Ankaufverlangen der Beigeladenen wegen der geringen Restnutzungsdauer der Gebäude von damals weniger als 25 Jahren habe verweigern dürfen.

3

Auf Antrag des [X.] und der Beigeladenen ordnete der Beklagte mit Beschluss vom 27. Januar 2004 das Bodenordnungsverfahren an. Nach Durchführung einer Wertermittlung zum Stichtag 31. Dezember 2006 erarbeitete er ein Abfindungskonzept. Auf dessen Grundlage gab er am 20. September 2011 unter anderem gegenüber dem Kläger und der Beigeladenen die streitgegenständliche Abfindungszusicherung ab. Vorgesehen ist im Wesentlichen, dass der Kläger die mit Gebäuden der [X.] überbauten und für die Nutzung der Gebäude benötigten Grundstücksflächen an die Beigeladene abgibt und dafür Ackerflächen sowie eine - zunächst nicht konkret bestimmte - Teilfläche eines [X.] ([X.]stück Nr. 32 in [X.] 1 der Gemarkung [X.]) erhält. Der gegen die Zusicherung erhobene Widerspruch des [X.] wurde durch Widerspruchsbescheid vom 6. August 2012 zurückgewiesen.

4

Mit der Klage hat der Kläger angeführt, das von ihm erstrittene Urteil des [X.]s vom 29. September 2000 sei auch im Bodenordnungsverfahren zu beachten. Die geringe Restnutzungsdauer der Gebäude der Beigeladenen sei in den angegriffenen Entscheidungen nicht gewürdigt worden.

5

Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das Urteil des [X.]s binde nur die Beteiligten des damaligen Verfahrens hinsichtlich der Frage des Ankaufsrechts nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz. Die hier umstrittene Zuweisung der betreffenden Gebäude- und Funktionalflächen an die Beigeladene sei trotz der geringen Restnutzungsdauer der Gebäude nicht zu beanstanden. Im Hinblick darauf, dass die Beigeladene eine [X.] mit 180 Milchkühen betreibe und ohne diesen Betriebsteil ihren Betrieb grundlegend umstrukturieren müsste, wohingegen der nicht als Landwirt tätige Kläger die seit langem in Familienbesitz stehenden Flächen verpachten wolle, sei gegen die Abwägungsentscheidung des Beklagten nichts zu erinnern. Auch die vorgesehene Abfindung des [X.] sei nicht zu beanstanden.

6

Mit der - vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen - Revision macht der Kläger geltend, angesichts der kurzen Restnutzungsdauer der Gebäude gebühre seinem Interesse als Grundstückseigentümer und Nebenerwerbslandwirt der Vorrang vor dem gegenläufigen Interesse der Beigeladenen als Gebäudeeigentümerin. Wenn bei getrenntem Grundstücks- und Gebäudeeigentum bereits eine Regelung erfolgt sei, wie hier durch das Urteil des [X.]s in dem vorangegangenen Zivilprozess, dann sei kein Raum mehr für eine abweichende Feststellung und Neuordnung der Eigentumsverhältnisse im Bodenordnungsverfahren.

7

Der Kläger beantragt,

das Urteil des [X.] vom 28. September 2015 zu ändern, den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 6. August 2012 in Gestalt der im Verhandlungstermin des [X.] vom 28. September 2015 erklärten Änderungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft zurückzuverweisen.

8

Der Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,

die Revision zurückzuweisen.

9

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des [X.] ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtene Abfindungszusicherung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten.

1. Zutreffend ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass eine Abfindungszusicherung, mit der sich die Behörde hinsichtlich der späteren Abfindungsgestaltung bindet, im [X.] grundsätzlich ebenso zulässig ist wie im Flurbereinigungsverfahren (vgl. dazu [X.], Urteil vom 17. Januar 2007 - 10 [X.] 1.06 - [X.]E 128, 87 Rn. 24 f.).

Soweit die hier umstrittene Abfindungszusicherung des [X.]n ursprünglich Bestimmtheitsbedenken hinsichtlich einer als Abfindung des [X.] vorgesehenen, aber noch nicht näher festgelegten Teilfläche des Flurstücks Nr. 32 ausgesetzt war, sind diese Bedenken durch die in der mündlichen Verhandlung des [X.] vom 28. September 2015 abgegebene Protokollerklärung des [X.]n und die darin in Bezug genommene neue [X.] ausgeräumt worden. Die Zusicherung wurde schriftlich und damit [X.] (§ 38 Abs. 1 Satz 1 ThürVwVfG) erteilt. Die Ergänzung zur Niederschrift des [X.] wahrt ebenfalls die Schriftform (s. [X.], Beschluss vom 26. Mai 2003 - 8 [X.] - [X.] 316 § 38 VwVfG Nr. 18).

2. Die angefochtene Abfindungszusicherung ist auch in der Sache rechtmäßig. Ihr steht die Rechtskraft des vom Kläger erstrittenen Urteils des [X.] nicht entgegen (a). Der [X.] durfte bei der Zusammenführung des Grundstücks- mit dem Gebäudeeigentum auch unter der Prämisse, dass die fraglichen Gebäude eine Restnutzungsdauer von weniger als 25 Jahren aufweisen (b), dem Interesse der beigeladenen Gebäudeeigentümerin den Vorrang einräumen vor den Belangen des klagenden Grundstückseigentümers (c).

a) Der [X.] hat mit Urteil vom 29. September 2000 - [X.] - ([X.], 83) einen zivilrechtlichen Anspruch der Beigeladenen auf Abschluss eines [X.] gegen den Kläger des vorliegenden Rechtsstreits wegen der seinerzeit geringen Restnutzungsdauer der im Gebäudeeigentum der Beigeladenen stehenden baulichen Anlage verneint. Im Hinblick auf den damaligen Streitgegenstand hindert dieses Urteil den - an dem Zivilprozess nicht beteiligten - [X.]n nicht daran, die betreffenden Gebäudeflächen nebst den zugehörigen Funktionalflächen im Rahmen des [X.]s als Abfindung für die Beigeladene vorzusehen.

b) Unbeschadet dessen ist bei der Entscheidung darüber, in welcher Weise bislang getrenntes Grund- und Gebäudeeigentum neu zu ordnen ist (§ 56 Abs. 1, § 64 [X.]), die Restnutzungsdauer der betreffenden Gebäude gemäß dem Rechtsgedanken des § 31 Abs. 1 SachenRBerG zu berücksichtigen. Nach dieser Vorschrift kann der Grundstückseigentümer den Abschluss eines Erbbaurechtsvertrages oder eines [X.] verweigern, wenn dem Nutzer an dem von ihm errichteten, landwirtschaftlich genutzten Gebäude ein Nutzungsrecht nicht bestellt wurde und die Restnutzungsdauer des Gebäudes in dem [X.]punkt, in dem der Nutzer Ansprüche geltend macht, weniger als 25 Jahre beträgt. Auf das [X.] findet diese Vorschrift allerdings weder unmittelbar Anwendung, noch ist sie insoweit für entsprechend anwendbar erklärt. Daraus folgt insbesondere, dass der Grundstückseigentümer, der im [X.] - anders als in der Sachenrechtsbereinigung - einen Anspruch auf wertgleiche Landabfindung hat (§ 58 Abs. 1 [X.]), auch unter den in § 31 Abs. 1 SachenRBerG genannten Umständen nicht bereits der Anordnung des [X.]s verbindlich widersprechen kann ([X.], Urteil vom 10. Dezember 2003 - 9 [X.] 5.03 - [X.] 424.02 § 64 [X.] Nr. 10 S. 12 ff.).

Dennoch sind die betreffenden Umstände aber sowohl bei der Feststellung der Ergebnisse der Wertermittlung (§ 63 Abs. 2 [X.] i.V.m. §§ 27 ff. [X.]) als auch bei der Aufstellung des [X.]s (§ 59 [X.]) zu berücksichtigen. Soweit dem Gebäudeeigentümer nicht ein Nutzungsrecht zusteht, das ihn zu einem Neubau berechtigen würde, führt eine geringe Restnutzungsdauer zu einer Erhöhung des [X.], die im Rahmen der Wertfestsetzung dem [X.] zugutekommt. Das ist hier dadurch geschehen, dass bei der - insoweit bestandskräftig abgeschlossenen - Wertermittlung der Halbteilungsgrundsatz des § 68 Abs. 1 SachenRBerG, der im Verfahren nach §§ 56, 64 [X.] grundsätzlich sinngemäß anzuwenden ist ([X.], Beschluss vom 21. Dezember 2015 - 9 [X.] - [X.] 424.02 § 64 [X.] Nr. 15 Rn. 10 m.w.N.), zugunsten des [X.] nicht herangezogen wurde. Unter den in § 31 Abs. 1 SachenRBerG genannten Voraussetzungen muss die Flurneuordnungsbehörde bei der im [X.] zu treffenden Zuteilungsentscheidung - bzw. einer diesbezüglichen Zusicherung - zudem prüfen, ob dem Grundstückseigentümer gegenüber dem Gebäudeeigentümer der Vorrang einzuräumen ist, weil ausnahmsweise gewichtigere Belange dafür sprechen, Boden und Gebäudeeigentum in seiner Hand zu vereinigen ([X.], Urteil vom 10. Dezember 2003 - 9 [X.] 5.03 - [X.] 424.02 § 64 [X.] Nr. 10 S. 13 f., 16). Die Voraussetzungen für die so umrissene Prüfung lagen hier vor.

aa) Zutreffend ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Beigeladenen kein Nutzungsrecht im Sinne des § 31 Abs. 1 SachenRBerG bestellt worden ist. Gemeint ist damit nur ein dingliches Nutzungsrecht (vgl. [X.], in: [X.]zub/[X.], SachenRBerG, Stand April 2001, § 29 Rn. 16, § 31 Rn. 4). Wie vom Oberverwaltungsgericht festgestellt worden und im Übrigen unstreitig ist, hat die Beigeladene, deren Rechtsvorgängerin die Grundstücke des [X.] zur [X.] aufgrund einer Baugenehmigung oder jedenfalls mit Billigung staatlicher oder gesellschaftlicher Organe mit den landwirtschaftlichen Gebäuden bebaut hat, jedoch lediglich Gebäudeeigentum ohne dingliches Nutzungsrecht erworben (Art. 233 § 2a Abs. 1 Satz 1 Buchst. a, § 2b Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 EGBGB). Zwar umfasst auch ein derartiges Gebäudeeigentum die Befugnis, in den Grenzen von Umfang und Nutzungsart des bestehenden Gebäudes erforderlichenfalls ein neues Gebäude zu errichten (Art. 233 § 2b Abs. 4 i.V.m. § 4 Abs. 3 Satz 2 EGBGB; s. dazu Urteil des Senats vom 19. Januar 2011 - 9 [X.] 3.10 - [X.] 424.02 § 64 [X.] Nr. 13 Rn. 16). Im Unterschied zum dinglichen Nutzungsrecht besteht die Befugnis aber nicht auf Dauer, sondern berechtigt den Nutzer nur vorübergehend zum Besitz der Grundstücke, längstens bis zum Abschluss der Sachenrechtsbereinigung (vgl. Art. 233 § 2a Abs. 1 Satz 3 EGBGB i.V.m. § 4 Nr. 3, § 7 Abs. 2 Nr. 5 SachenRBerG) bzw. des [X.]s (Art. 233 § 2a Abs. 5 EGBGB i.V.m. § 64 Satz 2 [X.]).

bb) Was die somit maßgebliche Restnutzungsdauer der Gebäude auf den Grundstücken des [X.] betrifft, hat der Senat davon auszugehen, dass sie in dem für die Beurteilung maßgeblichen [X.]punkt weniger als 25 Jahre betragen hat. Dieser [X.]punkt unterscheidet sich von jenem, auf den es im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 31 Abs. 1 SachenRBerG ankommt. Die Vorschrift stellt ausdrücklich auf den [X.]punkt ab, in dem der Nutzer seine Ansprüche geltend macht. Sie zielt darauf, den [X.] nur denjenigen Anspruchstellern zu gewähren, deren Gebäude mit längerer Restnutzungsdauer eine dingliche Absicherung rechtfertigen, aber nicht denjenigen, die sich erst durch spätere Investitionen in die Vorteile der Sachenrechtsbereinigung quasi einzukaufen ([X.], Urteil vom 29. September 2000 - [X.] - [X.], 83 <84>).

Diese Erwägung lässt sich auf das [X.] nicht übertragen. Dessen Zweck, durch Schaffung [X.] Rechtsverhältnisse und dem damit verbundenen Abbau von [X.] ([X.], Urteil vom 10. Dezember 2014 - 9 [X.] 11.13 - [X.]E 151, 89 Rn. 12, 24) die Voraussetzungen für die Wiederherstellung leistungs- und wettbewerbsfähiger Landwirtschaftsbetriebe zu schaffen (§ 3 [X.]), erfordert vielmehr eine planerische Entscheidung anhand der aktuellen Verhältnisse. In Übereinstimmung damit ist für das [X.] ebenso wie für das Flurbereinigungsverfahren anerkannt, dass der rechtlichen Beurteilung in Abfindungsstreitigkeiten, solange der neue Rechtszustand noch nicht eingetreten und eine vorläufige Besitzeinweisung nicht wirksam ist (§ 63 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 und 4 [X.]), der [X.]punkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem [X.] zu Grunde zu legen ist. Denn dem Flurbereinigungsgericht ist in § 60 [X.] i.V.m. § 144 [X.] die Befugnis erteilt, den angefochtenen Verwaltungsakt zu ändern, soweit es die Klage für begründet hält, also selbst rechtsgestaltend tätig zu werden. Diese Ermächtigung bezieht sich auf alle Verwaltungsakte, die der flurbereinigungsgerichtlichen Überprüfung unterliegen, schließt also auch eine Abfindungszusicherung ein. Sie macht es erforderlich, Ereignisse, die sich auf die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts auswirken, bis zum Schluss des flurbereinigungsgerichtlichen Verfahrens zu berücksichtigen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 1. Juli 1991 - 5 B 59.91 - [X.] 424.01 § 144 [X.] Nr. 15 S. 6, vom 3. November 2006 - 10 B 19.06 - [X.] 424.01 § 41 [X.] Nr. 8 Rn. 5 und vom 21. Dezember 2015 - 9 [X.] - [X.] 424.02 § 64 [X.] Nr. 15 Rn. 15).

Daran gemessen verfügten die auf den strittigen Flächen errichteten Gebäude im maßgeblichen [X.]punkt nur noch über eine verhältnismäßig geringe Restnutzungsdauer. Nach den Feststellungen der Vorinstanz wurde, nachdem die Beigeladene entsprechende Investitionen getätigt hatte, in einem Gutachten aus dem [X.] eine Restnutzungsdauer von damals 25 Jahren prognostiziert. Zwar hat der Kläger mit der Klagebegründung selbst vorgetragen, dass die Beigeladene auch noch danach erhebliche wertsteigernde Investitionen vorgenommen habe. Er weist aber zu Recht darauf hin, dass Feststellungen dazu fehlen, ob und inwieweit diese späteren Aufwendungen die Restnutzungsdauer der Gebäude verlängert haben.

c) Auch unter Berücksichtigung des fehlenden dinglichen Nutzungsrechts der Beigeladenen und einer nur noch geringen Restnutzungsdauer ihrer auf den Grundstücken des [X.] errichteten Gebäude ist die Entscheidung des [X.]n, bei der Zuteilung dieser Flächen das Interesse der Beigeladenen höher zu gewichten als das gegenläufige Interesse des [X.], nicht zu beanstanden. Gegenstand der in dem Urteil des Senats vom 10. Dezember 2003 hervorgehobenen Prüfung der Flurneuordnungsbehörde ist insbesondere die Frage, durch welche Art einer Zusammenführung von Boden und Gebäudeeigentum der Zweck des § 3 [X.] besser erreicht werden kann. Da eine geringe Restnutzungsdauer der vom Gebäudeeigentümer im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes genutzten Gebäude die Nachhaltigkeit dieses Betriebes in Frage stellen kann, muss die genannte Prüfung umso intensiver ausfallen, je kürzer die Restnutzungsdauer (noch) ist. Je weniger ein Gebäude in Anbetracht seiner geringen Restnutzungsdauer geeignet ist, den Fortbestand eines vom Gebäudeeigentümer geführten landwirtschaftlichen Betriebes zu sichern, desto stärker wird tendenziell das Grundeigentum im Verhältnis zum Gebäudeeigentum ins Gewicht fallen. Es bedarf dabei stets einer Abwägung nach Maßgabe der konkreten Umstände des Einzelfalls. Im vorliegenden Fall hält die vom Oberverwaltungsgericht bestätigte [X.] des [X.]n der revisionsgerichtlichen Überprüfung stand.

aa) Hinsichtlich der Interessenlage der Beigeladenen hat das Oberverwaltungsgericht festgestellt, dass sie am Standort [X.] eine Milchviehanlage mit 180 Milchkühen betreibt und sechs [X.] beschäftigt. Festgestellt ist [X.] auf die fraglichen Gebäude, die nicht nur auf dem Grundeigentum des [X.], sondern grenzüberschreitend auch auf ihren eigenen Nachbargrundstücken errichtet worden sind, zur Fortführung ihres Betriebes angewiesen ist, der andernfalls grundlegend umstrukturiert werden müsste. Bereits diese Feststellung schließt denknotwendig ein, dass der Betrieb der Beigeladenen als nachhaltig eingeschätzt wurde. Denn nur auf dieser Grundlage konnte die Prognose getroffen werden, dass in dem zur [X.] der tatrichterlichen Entscheidung noch nicht konkret absehbaren, unter Umständen erst nach Ablauf der (derzeitigen) Restnutzungsdauer der Gebäude liegenden [X.]punkt, in dem der neue Rechtszustand eintreten bzw. eine vorläufige Besitzeinweisung wirksam werden wird (§ 63 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 3 und 4 [X.]), der etwaige Verlust der Gebäude eine grundlegende Umstrukturierung des Betriebes erforderlich machen wird.

Die Annahme, dass der Betrieb der Beigeladenen im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt (noch) auf Dauer angelegt war, wird durch weitere Umstände erhärtet, die im Revisionsverfahren zutage getreten sind. So wurde vor Erlass des Widerspruchsbescheides vom 6. August 2012 bei der Beigeladenen nicht nur die Einhaltung einer guten landwirtschaftlichen Praxis überprüft, sondern im Rahmen eines Ortstermins auch der Zustand der hier umstrittenen Gebäude. Dabei wurden die Bodenplatte, die Wände und das Dach als im Wesentlichen mängelfrei befunden. Auf den Einwand des [X.] im Verhandlungstermin vor dem Senat, es sei ein Mangel im Bereich der Anschüttwände des Stallgebäudes festgestellt worden, hat die Beigeladene erwidert, dass dieser Mangel alsbald von ihr behoben worden sei. Sie hat in diesem Zusammenhang ein sogenanntes Anlagenverzeichnis vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass sie im Laufe der letzten Jahre beträchtliche Aufwendungen getätigt hat, um die Gebäudeeinrichtung an den Stand der Technik anzupassen. Dabei ging es insbesondere um Beträge in jeweils fünfstelliger Höhe, die in eine Deckenbelüftung, einen Melkstand, eine Kläranlage sowie in Liegeflächen investiert worden sind. Obwohl diese Umstände tatrichterlich nicht festgestellt sind, kann der Senat sie, da von den übrigen Beteiligten nicht bestritten, als gegeben hinnehmen (vgl. auch [X.], Urteil vom 30. Januar 2013 - 9 [X.] 1.12 - [X.]E 146, 1 Rn. 21 m.w.N.). Der Kläger weist zwar zutreffend darauf hin, dass diese Aufwendungen nicht notwendig die Restnutzungsdauer der Gebäude verlängert haben. Sie rechtfertigen aber die Schlussfolgerung, dass die Beigeladene, nachdem sie erhebliche Beträge nicht nur in Reparaturen, sondern vor allem in die technische Ausstattung der für sie notwendigen Betriebsgebäude investiert hat, auch erforderliche bestandserhaltende oder -ersetzende Maßnahmen durchführen wird, sobald dies erforderlich wird.

Eine Fehlgewichtung der Belange der Beigeladenen liegt jedenfalls im Ergebnis auch nicht darin, dass der [X.] in der Abfindungszusicherung auf das Fehlen einer gemäß § 44 Abs. 5 [X.] erforderlichen Zustimmung der Beigeladenen zu der - mit dem [X.] verbundenen - Änderung ihrer Betriebsstruktur abgehoben hat. Allerdings ist zweifelhaft, ob die (nur) sinngemäße Verweisung des § 63 Abs. 2 [X.] auf die Vorschriften des [X.]es über die Neuordnung der Eigentumsverhältnisse das Zustimmungserfordernis des § 44 Abs. 5 [X.] auch insoweit einschließt, als es um die in § 64 [X.] geregelte Zusammenführung von Boden und Gebäudeeigentum geht. Dagegen spricht, dass die wirtschaftlichen Folgen des Verlustes des [X.] in diesem im Prinzip zweipoligen Konflikt gerade den Kernbereich der Interessenabwägung bilden. Es erschiene systematisch wenig überzeugend, könnte der Gebäudeeigentümer diese Abwägung durch die schlichte Verweigerung seiner Zustimmung zu seinen Gunsten präjudizieren. Im vorliegenden Fall kann dies aber dahinstehen. Denn der Widerspruchsbescheid - und ihm folgend das vorinstanzliche Urteil - behandeln die etwa notwendige Umstrukturierung des Betriebes der Beigeladenen als einen Abwägungsbelang. Soweit der Widerspruchsbescheid gleichwohl auf § 44 Abs. 5 [X.] Bezug genommen hat, war dies im Gesamtzusammenhang nicht entscheidungserheblich.

bb) Der [X.] hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass das Interesse des [X.] als Grundeigentümer hinter den so gewichteten Belangen der Beigeladenen unter Berücksichtigung des Normzwecks des § 3 [X.] zurückzutreten hat. Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass der Kläger selbst nicht als Landwirt tätig sei, sondern die eigenen und seit langem in Familienbesitz befindlichen Flächen verpachten wolle. An diese mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen ist der Senat gebunden. Mit der Behauptung, er sei [X.], kann der Kläger daher im Revisionsverfahren nicht gehört werden.

Der Kläger kann sich auch nicht auf § 45 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 [X.] berufen, wonach unter anderem Hofflächen nur dann verlegt oder einem anderen gegeben werden dürfen, wenn der Zweck der Flurbereinigung in anderer Weise nicht erreicht werden kann. Abgesehen davon, dass wiederum fraglich ist, inwieweit diese Vorschrift auf den im [X.] nicht geregelten Konflikt von Grundstücks- und Gebäudeeigentümer anzuwenden ist, liegen ihre Voraussetzungen zugunsten des [X.] nicht vor. Hofflächen sind bebaute oder unbebaute Grundstücke oder [X.], die im räumlichen Zusammenhang mit den Wohn- und Wirtschaftsgebäuden stehen und dauerhaft der Betriebsführung des Anwesens dienen. Maßgebend für die Beurteilung ist der in § 44 Abs. 1 [X.] genannte [X.]punkt, in dem der neue Rechtszustand eintritt bzw. eine vorläufige Besitzeinweisung wirksam wird ([X.]/[X.], [X.], 9. Aufl. 2013, § 45 Rn. 3, 8 m.w.N.). Für die Rechtmäßigkeit der hier umstrittenen Abfindungszusicherung kommt es aus den bereits genannten Gründen auf den [X.]punkt der letzten tatrichterlichen Verhandlung an. Zu dieser [X.] dienten die umstrittenen Gebäude- und Funktionalflächen, auch wenn sie dem Anwesen des [X.] benachbart sind, aber gerade nicht seiner Betriebsführung, sondern vielmehr der Betriebsführung der Beigeladenen.

Die Belange des [X.] könnten sich im Übrigen auch dann nicht gegenüber dem Interesse der Beigeladenen durchsetzen, wenn man sein Anliegen dahin verstehen wollte, dass es auch auf das Ziel gerichtet ist, sein Anwesen unter Einbeziehung der umstrittenen Gebäude- und Funktionalflächen wieder zu einer (aktiven) Hofstelle zu entwickeln. Auch unter dieser Prämisse trägt die [X.] zugunsten der Beigeladenen, die schon derzeit einen Betrieb mit sechs Arbeitskräften nachhaltig bewirtschaftet, dem schon mehrfach erwähnten Zweck des § 3 [X.] besser Rechnung als eine Entscheidung zugunsten des [X.], der sich allenfalls auf ein ungewisses Entwicklungspotential berufen könnte.

cc) Der [X.] bleibt auch nach Erteilung der Abfindungszusicherung verpflichtet, seine [X.] bis zum Erlass des [X.]s unter Kontrolle zu halten. Sollten nachträglich wesentliche Veränderungen eintreten, die - wären sie seinerzeit bekannt gewesen - die Zusage rechtswidrig erscheinen ließe, wird er einen Widerruf der Zusage zu prüfen haben (vgl. [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl. 2013, § 44 Rn. 49 m.w.N.)

3. In Anbetracht der Entscheidung des [X.]n, das Grund- und Gebäudeeigentum in der Hand der Beigeladenen zusammenzuführen, steht dem Kläger ein Anspruch auf wertgleiche Landabfindung zu (§ 58 Abs. 1 [X.]). Das Oberverwaltungsgericht hat nach Maßgabe seiner tatrichterlichen Bewertung im Einzelnen begründet, dass die dem Kläger zugesicherte Abfindung die Voraussetzungen der Wertgleichheit erfüllt. Die Revision hat dagegen keine substantiierten Einwände erhoben. Eine über die gleichwertigkeitsbestimmenden Faktoren hinausgehende Zweckmäßigkeitskontrolle durch das Flurbereinigungsgericht findet regelmäßig - und auch hier - nicht statt (s. [X.], Urteil vom 23. August 2006 - 10 [X.] 4.05 - [X.]E 126, 303 Rn. 27).

4. [X.] beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

Meta

9 C 29/15

25.01.2017

Bundesverwaltungsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Thüringer Oberverwaltungsgericht, 28. September 2015, Az: 7 F 618/12, Urteil

§ 38 VwVfG, § 3 LAnpG, § 64 LAnpG, § 56 Abs 1 LAnpG, § 58 Abs 1 LAnpG, § 31 Abs 1 SachenRBerG, § 44 Abs 5 FlurbG, § 45 Abs 1 S 1 Nr 1 FlurbG, § 45 Abs 2 S 1 FlurbG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25.01.2017, Az. 9 C 29/15 (REWIS RS 2017, 16736)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 16736

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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