Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.10.2015, Az. I ZR 51/12

I. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 3613

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[X.]:[X.]:[X.]:2015:211015UIZR51.12.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES
URTEIL
I
ZR
51/12
Verkündet am:

21. Oktober 2015

Führinger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

[X.] II
[X.] Art. 8 Abs. 1, Art. 15 Abs. 1, Art. 17, Art. 47 Satz 1, Art.
52 Abs. 1 Satz 2; DurchsetzungsRL Art. 8 Abs. 3 Buchst. e; [X.] §
19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3; ZPO § 383 Abs. 1 Nr. 6
§
19 Abs.
2 Satz
1 Halbsatz
2 [X.] ist unionsrechtskonform dahin auszule-gen, dass ein Bankinstitut nicht gemäß §
383 Abs.
1 Nr.
6 ZPO die Auskunft über Namen und Anschrift eines Kontoinhabers unter Berufung auf das Bank-geheimnis verweigern darf, wenn das Konto für den Zahlungsverkehr im Zu-sammenhang mit einer offensichtlichen Markenverletzung genutzt wurde.
[X.], Urteil vom 21. Oktober 2015 -
I [X.] -
[X.]

[X.]

-
2
-
Der I.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-lung vom 21.
Oktober 2015
durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr.
Büscher, die Richter Prof.
Dr.
Schaffert,
Dr.
Kirchhoff, Dr.
Löffler und die Richterin Dr.
Schwonke

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 9. Zivilsenats des [X.] vom 15. März 2012 aufgehoben.
Die Berufung der [X.] gegen das Urteil der 7. Zivilkammer des [X.] vom 28. September 2011 wird [X.].
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt die Beklagte.

Von Rechts wegen
-
3
-
Tatbestand:

Die Klägerin produziert und vertreibt
international
Parfums. Sie ist [X.] Lizenznehmerin der für [X.] eingetragenen Gemeinschafts-marke Nr.
0968661 "[X.]". Sie ist zur Verteidigung der [X.] im eigenen Namen berechtigt.

Im Januar 2011 bot ein Verkäufer unter der Bezeichnung "s.

" auf einer Internetauktionsplattform das Parfum "[X.]"
an. Die Zahlung des Kaufpreises sollte auf ein bei der [X.], der Stadt-sparkasse M.

, geführtes Konto erfolgen. Die Klägerin ersteigerte
das
Parfum, zahlte den Kaufpreis auf das angegebene Konto bei der [X.] und erhielt das Parfum unter dem Absender "H.

" zugesandt. Das Parfum war
eine auch für einen Laien erkennbare Fälschung. Der Betreiber der Internet-plattform gab als Verkäufer S.

F.

, J.

-Straße

in M.

an.
Eine Umsatzanalyse ergab, dass der mit "s.

" bezeichnete Ver-
käufer in der [X.] vom 12.
Dezember 2010 bis 14.
Januar 2011 einen Umsatz von 10.956,63

Die Klägerin hat behauptet, S.

F.

habe ihr die Auskunft erteilt,
nicht Verkäuferin des Parfums zu sein und wegen eines bestehenden Zeugnis-verweigerungsrechts keine weiteren Informationen zu geben. Daraufhin forderte die Klägerin die Beklagte erfolglos auf, Namen und Anschrift
des Kontoinhabers
anzugeben.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, der
Klägerin Auskunft zu erteilen über Namen und Anschrift des Inhabers des Kontos Nummer 4

.

1
2
3
4
-
4
-
Das Landgericht hat die beklagte Sparkasse antragsgemäß zur Auskunft verurteilt ([X.], ZD
2012, 39). Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen ([X.], GRUR-RR
2012, 388).
Mit der vom Berufungsge-richt zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Auskunftsbegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Der Senat hat mit Beschluss vom 17.
Oktober 2013 ([X.], 1237 =
[X.], 1611

[X.] I) dem [X.] folgende Frage zur
Auslegung des Art.
8 Abs.
3 Buchst.
e der Richtlinie 2004/48/[X.] vom 29.
April 2004 zur Durchsetzung der
Rechte des geistigen Eigentums
zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Art.
8 Abs.
3 Buchst.
e der Richtlinie 2004/48/[X.] dahin auszulegen, dass diese Vorschrift einer nationalen Regelung entgegensteht, die einem Bankinsti-tut in einem Fall wie dem Ausgangsverfahren gestattet, eine Auskunft nach Art.
8 Abs.
1 Buchst.
c dieser Richtlinie über Namen und Anschrift eines [X.] unter Berufung auf das Bankgeheimnis zu verweigern?

Der [X.] hat
hierüber durch Urteil vom 16.
Juli 2015 ([X.]/13, [X.], 894 =
[X.], 1078

Coty Germa-ny/[X.]) wie folgt entschieden:

Art.
8 Abs.
3 Buchst.
e der Richtlinie 2004/48/[X.] des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.
April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Rechtsvorschrift wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, die es einem Bankinstitut unbegrenzt und bedingungslos gestattet, eine Auskunft nach Art.
8 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie über Namen und Anschrift eines Kontoinha-bers unter Berufung auf das Bankgeheimnis zu verweigern.

5
6
7
-
5
-
Entscheidungsgründe:

A.
Das Berufungsgericht hat den Auskunftsanspruch nach §
19 Abs.
2 Satz
1 Nr.
3 [X.] für unbegründet erachtet. Hierzu hat es ausgeführt:

Das in Rede stehende Parfum, das über die Internetplattform verkauft worden sei, sei eine offensichtliche Produktfälschung. Das sei für die Beklagte nach dem Hinweis der Klägerin auch erkennbar gewesen. Der unter "F.

"
und "H.

" handelnde unbekannte Täter habe den Verkauf im
geschäftlichen
Verkehr vorgenommen.

Für die rechtsverletzende Tätigkeit sei die Dienstleistung der [X.] genutzt worden, die in der Führung des Girokontos bestanden habe. Diese Dienstleistung habe die Beklagte in gewerblichem Ausmaß erbracht.

Die Beklagte könne die Auskunft jedoch nach §
19 Abs.
2 Satz
1 Mar-kenG in Verbindung mit
§
383 Abs.
1 Nr.
6 ZPO verweigern, weil sie als [X.] in einem Zivilprozess zur Zeugnisverweigerung berechtigt wäre. [X.] folge auch nicht aus einer richtlinienkonformen Auslegung dieser Vor-schriften
anhand der Richtlinie 2004/48/[X.] vom 29.
April 2004 zur Durchset-zung der Rechte des geistigen Eigentums.

B. Die Revision hat Erfolg. Der Klägerin steht gemäß §
19 Abs.
2 Satz
1 Nr. 3, Abs. 3
Nr. 1
[X.]
gegen die Beklagte
ein Anspruch auf Auskunft über Namen und Anschrift des Inhabers des Kontos Nummer
4

zu.

I.
Die durch das Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung
von Rech-ten des geistigen Eigentums vom 7.
Juli 2008
mit Wirkung vom 1.
September 8
9
10
11
12
13
-
6
-
2008 in das [X.] eingefügte Vorschrift des §
19 Abs.
2 Satz
1 Nr.
3 setzt die in Art.
8 Abs.
1 Buchst.
c der Richtlinie 2004/48/[X.] geregelte Aus-kunftspflicht für den Bereich der Markenverletzungen um.
Die Bestimmung des
§
19 Abs.
2 Satz
1 Nr.
3
[X.]
ist nach Art.
102 Abs.
2 GMV
in Verbindung mit §
125b Nr.
2 [X.] auf eine Gemeinschaftsmarke anwendbar
([X.], [X.], 1237 Rn.
14

[X.]
I; vgl. auch [X.], [X.], 894 Rn.
20

Coty Germany/[X.]).

Nach der Bestimmung des §
19 Abs.
2 Satz
1 Nr.
3 [X.] hat der Markeninhaber in einem Fall offensichtlicher Rechtsverletzung einen
Aus-kunftsanspruch gegen einen [X.], der im gewerblichen Ausmaß für rechts-verletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbracht hat, es sei denn, der Dritte wäre nach den §§
383
bis 385 ZPO im Prozess gegen den Verletzer zur Zeugnisverweigerung berechtigt.

II. Im Streitfall
sind die Voraussetzungen eines Anspruchs
auf Auskunft über Namen und Anschrift des Lieferanten des fraglichen Parfums gemäß
§
19 Abs.
2 Satz
1 Nr.
3, Abs.
3 Nr.
1 [X.]
gegeben.

1.
Es liegt eine offensichtliche Rechtsverletzung vor. Der Verkäufer des in Rede stehenden Parfums hat ohne Zustimmung des Markeninhabers im ge-schäftlichen Verkehr ein mit
der Gemeinschaftsmarke identisches Zeichen für Waren benutzt, die mit denjenigen identisch sind, für die sie eingetragen ist (Art.
9 Abs.
1 Satz
2 Buchst.
a GMV). Im Hinblick auf den Umsatz von mehr als 10.000

etwas mehr als
ei-nem Monat auf der Internetplattform erzielt hat, ist davon auszugehen, dass der beanstandete Verkauf, der in den maßgeblichen [X.]raum fällt, im [X.] Verkehr erfolgt
ist. Es handelt sich um eine offensichtliche Rechtsverlet-14
15
16
-
7
-
zung, weil die Fälschung nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auch für einen Laien ohne weiteres erkennbar war.

2.
Die Beklagte hat zudem eine für diese rechtsverletzende Tätigkeit ge-nutzte Dienstleistung in gewerblichem Ausmaß erbracht.
Davon ist auszuge-hen, wenn der Verletzer sich im Rahmen der Markenverletzung des [X.] bedient. Hierzu kann auch die Tätigkeit einer Bank zäh-len, die den Zahlungsverkehr im Zusammenhang mit dem Kaufpreis für das rechtsverletzende Produkt abwickelt (vgl. [X.], GRURRR
2012, 73;
Ingerl/[X.], [X.], 3.
Aufl., §
19 Rn.
20). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt. Die Tätigkeit der beklagten Sparkasse steht im Zu-sammenhang mit der Markenverletzung und ist ihr nicht nur nachgeschaltet, also etwa erst nach Beendigung der Markenverletzung erfolgt. Nach den Fest-stellungen des Berufungsgerichts hat
der
Verkäufer das gefälschte Parfum erst an die Klägerin gesandt und damit in Verkehr gebracht, nachdem der Kaufpreis auf dem von der [X.] geführten Konto eingegangen war.

3.
Die Klägerin ist von der Markeninhaberin auch ermächtigt, die Rechte aus der Gemeinschaftsmarke im eigenen Namen geltend
zu machen und Leis-tung an sich zu beanspruchen.

4.
Der Auskunftsanspruch ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der [X.] im Streitfall ein Zeugnisverweigerungsrecht nach §
19 Abs.
2 Satz
1 Halbsatz
2
[X.]
in Verbindung mit §§
383
bis 385 ZPO zusteht.

a) Als Grundlage für die Ablehnung
der Auskunftserteilung
kommt vorlie-gend ausschließlich ein Zeugnisverweigerungsrecht
des beklagten [X.]
nach §
383 Abs.
1 Nr.
6 ZPO
in Betracht. Nach dieser Bestimmung sind Perso-nen, denen kraft ihres Gewerbes Tatsachen anvertraut sind, deren Geheimhal-17
18
19
20
-
8
-
tung durch ihre Natur oder durch gesetzliche Vorschrift geboten ist, im Hinblick auf diese Tatsachen zur Verweigerung des Zeugnisses
berechtigt.

b)
Vorliegend ist das beklagte
Bankinstitut
nicht berechtigt, gemäß §
383 Abs.
1 Nr.
6 ZPO
unter Berufung auf das Bankgeheimnis die Angabe von [X.] und Anschrift des Inhabers des Kontos zu verweigern, über das die [X.] des Kaufpreises für die
markenrechtsverletzende Ware abgewickelt wor-den ist.

aa) Allerdings begründet §
383 Abs.
1 Nr.
6 ZPO ein Zeugnisverweige-rungsrecht für die dem Bankgeheimnis unterfallenden Tatsachen. Hierzu [X.] grundsätzlich Tatsachen, die einem Kreditinstitut aufgrund oder aus Anlass der Geschäftsverbindung zum Kunden bekannt geworden sind. Zu diesen der Bank anvertrauten Tatsachen, die unter das Bankgeheimnis fallen und Mitarbei-ter einer Bank zur Zeugnisverweigerung nach §
383 Abs.
1 Nr.
6 ZPO berechti-gen, gehören regelmäßig auch Name und Anschrift des Kontoinhabers
(vgl. [X.], GRUR
2013, 1237 Rn.
22

[X.]
I, mwN).
Da §
19
[X.]
jedoch der Umsetzung der in Art.
8 der Richtlinie 2004/48/[X.] vorge-sehenen
Auskunftspflicht
dient,
muss die Bestimmung
und damit auch die [X.] auf §
383 ZPO
im Einklang mit dem [X.]srecht stehen.

[X.]) Mit dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Art.
47 und dem Schutz des geistigen Eigentums nach Art.
17 Abs.
2 der [X.] stehen nationale Vorschriften -
vorliegend §
19 Abs.
2 Satz
1 [X.] in Verbindung mit §
383 Abs.
1 Nr.
6 ZPO
-
nicht in [X.], die eine unbegrenzte und bedingungslose Berufung auf das [X.] und die damit geschützten personenbezogenen Daten erlauben (vgl. [X.], [X.], 894 Rn.
35 bis 41 -
Coty Germany/[X.]). Vielmehr müssen die kollidierenden Grundrechte -
auf Seiten der Klägerin die 21
22
23
-
9
-
Grundrechte auf Schutz des geistigen Eigentums und auf einen wirksamen Rechtsbehelf und auf Seiten der beklagten Sparkasse auf Schutz personenbe-zogener Daten ihrer Kunden nach Art.
8 [X.]
-
in ein ange-messenes Gleichgewicht gebracht werden (vgl. [X.], [X.], 894 Rn.
34 -
Coty Germany/[X.]). Dabei ist in die Abwägung zugunsten der [X.] auch deren Recht auf Berufsfreiheit nach Art.
15 EU-Grundrech-techarta einzubeziehen. Insoweit sind §
19 Abs.
2 Satz
1 [X.] und §
383 Abs.
1 Nr.
6 ZPO unter Berücksichtigung der kollidierenden Grundrechte uni-onsrechtskonform auszulegen. Ferner ist bei der Abwägung zu berücksichtigen, ob
das nationale Recht andere Rechtsbehelfe oder Rechtsmittel enthält, die es den zuständigen Justizbehörden ermöglichen, im Einklang mit der Richtlinie 2004/48/[X.] die Erteilung der erforderlichen Auskünfte im Einzelfall anzuord-nen.

cc) Nach diesen Maßstäben ist §
19 Abs.
2 Satz
1 Halbsatz
2 [X.] dahin auszulegen, dass ein Bankinstitut nicht gemäß §
383 Abs.
1 Nr.
6 ZPO die Auskunft über Namen und Anschrift des Kontoinhabers unter Berufung auf das Bankgeheimnis verweigern darf, wenn das Konto für den Zahlungsverkehr im Zusammenhang mit einer offensichtlichen Markenverletzung genutzt wurde.

(1) Die begehrte Auskunft benötigt die Klägerin, um gegen denjenigen, der die in Rede stehende Markenverletzung begangen hat, vorgehen zu [X.]. Der Auskunftsanspruch nach §
19 Abs.
2 Satz
1 Nr.
3 [X.] ist daher erforderlich, um die Klägerin in die Lage zu versetzen, ihr Markenrecht effektiv zu verfolgen.

(2) Nach Erwägungsgrund
17 der Richtlinie 2004/48/[X.] sollten die nach der Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe in je-dem Einzelfall so bestimmt werden, dass den spezifischen Merkmalen des Fal-24
25
26
-
10
-
les, einschließlich der [X.] jedes Rechts an geistigem Eigentum und gegebenenfalls des vorsätzlichen oder nicht vorsätzlichen Charakters der Rechtsverletzung gebührend Rechnung getragen wird. Der Gerichtshof der [X.] hat daraus gefolgert, dass in die Prüfung, ob der beklagten Sparkasse ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, die Frage einzubeziehen ist, ob andere Rechtsbehelfe oder Rechtsmittel zur Erlangung der Auskunft be-stehen ([X.], [X.], 894 Rn.
42 -
Coty Germany/Sparkasse Magde-burg).

Die Klärung der Frage, ob das [X.] Recht andere Rechtsbehelfe enthält, die eine Auskunftserteilung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls ermöglichen, hat der [X.] deshalb für maßgeblich erachtet, weil im Streitfall die kollidierenden Grundrechtspositio-nen der Beteiligten in ein angemessenes Gleichgewicht zu bringen sind (vgl. [X.], [X.], 894 Rn.
34
f. und 39
ff. -
Coty Germany/[X.]). Dabei ist gemäß Art.
52 Abs.
1 Satz
2 der [X.] zu berücksichtigen, dass Einschränkungen der in der [X.] anerkannten Rechte und Freiheiten unter Wahrung des Grundsatzes
der Verhältnismäßigkeit nur vorgenommen werden dürfen, wenn sie erforderlich sind und den von der [X.] anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernis-sen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

(3) Für die Frage, ob ein im Zivilrechtsweg durchzusetzender Anspruch des Markeninhabers gegen ein Bankinstitut zur Offenlegung von Name und An-schrift eines
Kontoinhabers im Sinne dieser Grundsätze erforderlich ist, kann es darauf ankommen, ob der Markeninhaber diese Auskunft auch durch ein Ver-fahren erlangen kann, welches das Grundrecht des Kontoinhabers auf Schutz seiner personenbezogenen Daten gemäß Art.
8 Abs.
1 und das Recht der [X.] Sparkasse auf Berufsfreiheit nach Art.
15 [X.] weni-27
28
-
11
-
ger stark beeinträchtigt. In Betracht kommt nach dem geltenden [X.]n Recht insoweit allein, dass der Markeninhaber eine Strafanzeige erstattet, um im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens den Namen und die An-schrift des mutmaßlichen Verletzers zu erfahren (vgl. Schlussanträge des [X.] vom 16.
April 2015 im Vorabentscheidungsverfahren in der vorliegenden Rechtssache [X.]/13 Rn.
42; [X.], [X.], 896, 897; [X.], [X.] 2015, 319).

Die Möglichkeit, Strafanzeige zu erstatten und im Rahmen des [X.] Ermittlungsverfahrens die begehrte Auskunft zu erhalten, steht der Durchsetzung eines markenrechtlichen Auskunftsanspruchs gemäß §
19 Abs.
2 Satz
1 Nr.
3 [X.] gegen ein Bankinstitut jedoch nicht entgegen. Zwar ist die Markenverletzung vorliegend strafbar (§
143 Abs.
1 Nr.
1, §
143a Abs.
1 Nr.
1 [X.]). Es ist jedoch mit dem Recht des Inhabers des Markenrechts auf wirksamen Rechtsbehelf (Art.
47 [X.]) nicht zu vereinba-ren, wenn er zur zivilrechtlichen Durchsetzung seiner Rechte auf Unterlassung und Schadensersatz zunächst auf die Durchführung eines Strafverfahrens an-gewiesen wäre (vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts [X.] vom 16.
April 2015

[X.]/13 Rn.
42). In diesem Zusammenhang ist zu be-rücksichtigen, dass Art und Umfang der von der Staatsanwaltschaft veranlass-ten Ermittlungen in deren pflichtgemäßem
Ermessen stehen und es der die Strafanzeige erstattende Markenrechtsinhaber nicht erzwingen kann, dass [X.] und Anschrift des Kontoinhabers durch die [X.] ermittelt werden. Darüber hinaus ist auch nicht gesichert, dass der [X.] in die Ermittlungsakten die für ein zivilrechtliches Vorgehen gegen den Markenverletzer notwendigen Informationen über die Identität des Kontoinhabers zeitnah erhält und dadurch in die Lage versetzt wird, den rechtswidrigen Vertrieb markenverletzender Ware effektiv -
etwa im 29
-
12
-
Wege des einstweiligen Rechtsschutzes
-
zu unterbinden (vgl. auch [X.], [X.], 896, 897).

Zudem ist nicht ersichtlich, dass die Einleitung eines strafrechtlichen Er-mittlungsverfahrens gegen Unbekannt und die im Rahmen dieses Verfahrens
erzwungene
Auskunftserteilung des [X.] über Name und Anschrift des Inhabers eines Kontos, das für den Zahlungsverkehr im Zusammenhang mit einer offensichtlichen Markenverletzung genutzt wurde, die Rechte des [X.] auf Schutz seiner persönlichen Daten weniger stark beeinträchtigt
als die zivilrechtlich durchgesetzte
Auskunftserteilung gemäß § 19 Abs. 2 Mar-kenG. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Einleitung eines Strafverfahrens die Notwendigkeit einer Auskunftserteilung durch das Bankinstitut regelmäßig [X.] überflüssig machen wird, weil der Verletzer auch ohne die Informationen über den Inhaber des Kontos
ermittelt werden kann, über das der [X.] abgewickelt wurde. Vielmehr ent-spricht es dem nicht seltenen Fall, dass

wie auch im Streitfall geschehen

der Inhaber eines anonym geführten [X.] bei einer Internethandels-plattform, über das in gewerblichem Ausmaß gefälschte
Markenware vertrieben wird, unter Hinweis auf
das Schweigerecht des Beschuldigten oder ein
beste-hendes Zeugnis-
oder Aussageverweigerungsrecht
(§§ 52 ff., § 55 StPO) keine Angaben machen wird. Im Rahmen eines Strafverfahrens wird daher regelmä-ßig der Versuch unternommen werden müssen, den Inhaber des Bankkontos zu ermitteln, über das der markenverletzende Verkauf abgewickelt wurde. Schließlich ist nicht ersichtlich, dass im Rahmen eines strafrechtlichen [X.] dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dem Schutz perso-nenbezogener Daten des Kontoinhabers und der Berufsfreiheit der beklagten Sparkasse oder Bank weitergehend Rechnung getragen werden kann als in einem zivilrechtlichen Auskunftsverfahren.

30
-
13
-
(4)
Die Verpflichtung
eines [X.] zur Auskunft
über Namen und Anschrift des Inhabers eines Kontos, das für den Zahlungsverkehr im [X.] mit einer offensichtlichen Markenverletzung genutzt wurde, steht [X.] im Einklang mit dem Grundsatz, dass im Rahmen der richtlinienkonformen Auslegung
einer nationalen Rechtsvorschrift
ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den verschiedenen durch die Rechtsordnung der [X.] geschützten Grundrechten
sicherzustellen ist (vgl. [X.], [X.], 894 Rn.
34 -
Coty Germany/[X.]). Insoweit ist zu berücksichtigen, dass ein Auskunftsanspruch des Markeninhabers
gemäß §
19 Abs.
2 [X.] nur in Fällen offensichtlicher Rechtsverletzungen im geschäftlichen Verkehr in [X.] kommt. In diesen Fällen überwiegen regelmäßig die Interessen des [X.] am Schutz seines
geistigen Eigentums und an einem effektiven Rechtsbehelf bei der Durchsetzung seiner Ansprüche wegen des Vertriebs markenrechtsverletzender Ware die Interessen des beklagten [X.] und seines Kunden am Schutz der in Rede stehenden [X.]. Die Of-fenbarung von Name und Anschrift des Inhabers eines Kontos, das im [X.] mit einer offensichtlichen Verletzung eines Rechts des geistigen Ei-gentums benutzt worden ist und dessen Kontonummer
dem Markeninhaber schon bekannt geworden ist, wiegt nicht besonders schwer
(vgl. bereits [X.], [X.], 1237 Rn.
26

[X.]
I).

Durch die Begrenzung des Auskunftsanspruchs gemäß §
19 Abs.
2 [X.]
auf Fälle offensichtlicher Rechtsverletzung entsteht für das betroffene Bankinstitut kein unzumutbarer Prüfungsaufwand. Angesichts des Umstands, dass das Bankinstitut durch die Abwicklung des Zahlungsverkehrs wirtschaftlich auch von Zahlungsvorgängen profitiert, die im Zusammenhang mit [X.] stehen, ist es entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht geboten, das Bankinstitut von dem mit der Prüfung des Auskunftsverlangens 31
32
-
14
-
zusammenhängenden Aufwand zu entlasten und diesen Aufwand in das staatli-che Ermittlungsverfahren zu verlagern.

(5) Danach stellt sich die Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsver-fahrens allein zu dem Zweck, im Rahmen dieses Verfahrens das Bankinstitut zur Auskunftserteilung über Namen und Anschrift des Inhabers eines Kontos zu veranlassen, das für den Zahlungsverkehr im Zusammenhang mit einer offen-sichtlichen Markenverletzung genutzt wurde, als Zweckentfremdung des Straf-verfahrens für sachfremde Ziele dar und scheidet daher als vorrangig in [X.] zu ziehendes Verfahren aus (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts [X.] vom 16.
April 2015
580/13 Rn.
42 aE).

(6) Der richtlinienkonformen Auslegung der Bestimmung des §
19 Abs.
2 [X.] dahingehend, dass ein Bankinstitut die Auskunft über Namen und Anschrift eines Kontoinhabers nicht gemäß §
383 Abs.
1 Nr.
6 ZPO unter [X.] auf das Bankgeheimnis verweigern darf, wenn das Konto für den [X.]sverkehr im Zusammenhang mit einer offensichtlichen Markenverletzung genutzt wurde, steht auch nicht der uneingeschränkte Verweis in §
19 Abs.
2 Satz
1 Halbsatz
2 [X.] auf das Zeugnisverweigerungsrecht gemäß §
383 ZPO entgegen.

Die nationalen Gerichte sind aufgrund des [X.] gemäß Art.
288 AEUV und des Grundsatzes der [X.]streue gemäß Art.
4 Abs.
3 EUV gehalten, die Auslegung des nationalen Rechts unter voller Ausschöpfung des [X.], den ihnen das nationale Recht einräumt, soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen. Dieser Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung verlangt von den nationalen Gerichten mehr als die bloße Auslegung 33
34
35
-
15
-
innerhalb des Gesetzeswortlauts, sondern findet seine Grenze erst in dem Be-reich, in dem eine richterliche Rechtsfortbildung nach nationalen Methoden [X.] ist. Der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung fordert deshalb auch, das nationale Recht, wo dies nötig und möglich ist, richtlinienkonform im Wege der teleologischen Reduktion fortzubilden
(vgl. [X.], Urteil vom 26.
November 2008

VIII
ZR
200/05, [X.]Z 179, 27 Rn.
19
ff.;
Beschluss vom 16.
April 2015

I
ZR
130/13, [X.], 705 Rn.
26 = [X.], 863

[X.]). Die für die Zulässigkeit einer teleologischen Re-duktion erforderliche verdeckte Regelungslücke (vgl. [X.]Z 179, 27 Rn.
22) ist gegeben. Die uneingeschränkte Verweisung auf §
383 Abs.
1 Nr.
6 ZPO führt zu einem generellen Recht eines [X.] zur Auskunftsverweigerung unter Berufung auf das Bankgeheimnis.
Damit ist eine mit dem [X.]srecht nicht ver-einbare Beeinträchtigung der wirksamen Ausübung der
Grundrechte
auf einen wirksamen Rechtsbehelf
und auf
Schutz
des geistigen Eigentums (Art.
17, 47 Satz 1 [X.]) verbunden.
Es ist nicht ersichtlich, dass der [X.] [X.] diesen Umstand bei der Umsetzung des Art. 8 der Richtlinie 2004/48/[X.] bewusst derart geregelt hat.

C. Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Berufung der [X.] gegen das Urteil des [X.] zurückzuweisen. Der Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden, weil die Aufhebung des Berufungsurteils nur wegen Rechtsverletzungen bei der Anwendung des Gesetzes auf den festge-stellten Sachverhalt erfolgt und nach letzterem die Sache zur
Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).

36
-
16
-
D. Die Kostenentscheidung beruht auf §
91 Abs.
1, §
97 Abs.
1 ZPO.

Büscher
Schaffert
Kirchhoff

Löffler
Schwonke
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 28.09.2011 -
7 O 545/11 -

[X.], Entscheidung vom 15.03.2012 -
9 [X.] -

37

Meta

I ZR 51/12

21.10.2015

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.10.2015, Az. I ZR 51/12 (REWIS RS 2015, 3613)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 3613

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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I ZR 51/12

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