Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.07.2003, Az. 4 StR 29/03

4. Strafsenat | REWIS RS 2003, 2312

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[X.] StR 29/03vom15. Juli 2003in der [X.] zu 1. wegen Zuhälterei u. a.zu 2. wegen Beihilfe zur Zuhälterei u. [X.] 2 -Der 4. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 15. Juli 2003 gemäߧ§ 349 Abs. 4, 357 StPO [X.] Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil [X.] vom 8. Juli 2002, soweit es [X.] die Mitangeklagte [X.], [X.] betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung,auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andereStrafkammer des [X.] zurückverwiesen.Gründe:Das [X.] hat den Angeklagten [X.]wegen Zuhälterei in Tatein-heit mit Förderung der Prostitution in 28 Fällen, in 23 Fällen in [X.] zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahrenverurteilt, sichergestelltes Geld eingezogen und den erweiterten Verfall einesGeldbetrages als Wertersatz angeordnet. Die Angeklagte [X.]hat es (inden Fällen [X.] bis 16 und 22 bis 28 der Urteilsgründe) wegen Beihilfe zur Zu-hälterei in Tateinheit mit Förderung der Prostitution in 23 Fällen, in 18 Fällen [X.] mit Einschleusen von Ausländern, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe voneinem Jahr und drei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur [X.] -Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten die Verletzung materiellenRechts, die Angeklagte [X.]beanstandet darüber hinaus das Verfahren.Die Rechtsmittel haben jeweils mit der Sachrüge Erfolg. Sie führen gemäß § 357StPO auch zur Aufhebung des Urteils zugunsten der nicht revidierenden Mitan-geklagten [X.] B. , die das [X.] in den Fällen [X.] 22 bis 28 der Ur-teilsgründe wegen Zuhälterei in Tateinheit mit Förderung der Prostitution in [X.], in drei Fällen in Tateinheit mit Einschleusen von Ausländern, zu einerGesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten mit Strafaussetzung [X.] verurteilt hat.1. Nach den Feststellungen unterhielt der Angeklagte [X.]im Tatzeit-raum (April 1999 bis Januar 2002) einen Barbetrieb ("[X.]"), einen Sauna-club und ein [X.], in denen jeweils Prostituierte überwiegend osteu-ropäischer Herkunft beschäftigt waren. In der "[X.]" (Fälle [X.] bis 16 [X.]) bestimmte er, wer der Prostitution nachgehen durfte, verhängtedisziplinarische Maßnahmen gegen Prostituierte, die sich seinen Anweisungennicht fügten und meldete sich täglich mehrfach telefonisch in der Bar oder suchtedie Räumlichkeiten auf, um die Prostituierten zu kontrollieren. Er ließ ferner [X.] den Kunden verbrachten Zeiten und die Einnahmen kontrollieren, inserierte [X.] und warb im [X.]. Seine Lebensgefährtin, die Angeklagte [X.], hatte die Räumlichkeiten der "[X.]" angemietet und besaß die ge-werberechtliche Erlaubnis für die Zimmervermietung. Sie holte außerdem [X.] aus der Bar ab und unternahm Botengänge. Am Saunaclub (Fälle [X.]17 bis 21 der Urteilsgründe) war der Angeklagte [X.], der auch hier "die Zeitund die näheren Umstände der Prostitutionsausübung" ([X.]) bestimmte, [X.] mit 50% am Gewinn beteiligt. Den Betrieb im [X.](Fälle [X.] 22 bis 28 der Urteilsgründe) organisierte die dort als Prostituierte tätigeMitangeklagte [X.]in Absprache mit dem Angeklagten [X.]. Sie gab- 4 -den Prostituierten auch die Preise vor, die sie von den [X.] verlangen sollten.Auch hier übernahm die Angeklagte [X.]Botengänge. Die [X.] hier, wie auch in den Fällen [X.] und 2 der Urteilsgründe, 50% ihrer Ein-nahmen an den Angeklagten [X.]abzuführen. In den übrigen Fällen ([X.] 3 bis21 der Urteilsgründe) konnten sie ihre Einnahmen behalten, hatten jedoch [X.] pro Tag als Mietpreis für [X.] zu zahlen. Der Angeklagte [X.]vereinnahmte in diesen Fällen die Eintrittsgelder in den Etablissements [X.] bzw. 50,-- 2. a) Soweit es den Angeklagten [X.]betrifft, halten die [X.] Überprüfung bereits deshalb nicht stand, weil das [X.]rechtsfehlerhaft jeweils tateinheitlich den Tatbestand der Förderung der [X.] (§ 180a Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB a. [X.]) angewandt hat.aa) Der [X.] führt in seiner Antragsschrift zutreffend aus:—Das [X.] hat den Tatbestand der Förderung der [X.] (§ 180a Abs. 1 Nr. 1 und [X.]) angewandt unddabei nicht bedacht, dass der Gesetzgeber diesen mit [X.] vom 01. Januar 2002 und damit vor Urteilsfindung durchdas [X.] neu und enger gefasst und die Deliktsbe-zeichnung geändert hat. Die geänderte Vorschrift wäre hier alsdas ... ersichtlich günstigere Recht (vgl. [X.], Beschluss vom19. November 2002 [X.] 1 StR 313/02) auch auf die Taten an-zuwenden gewesen, die vor dem 01. Januar 2002... [X.] (§ 2 Abs. 3 StGB)....§ 180a Abs. 1 Nr. 2 StGB a. [X.](ist) entfallen.fibb) Die Feststellungen tragen auch nicht die Verurteilungen wegen [X.] (§ 180a Abs. 1 StGB n. [X.]). Dieser Tatbestand, derdem vom [X.] angewandten § 180a Abs. 1 Nr. 1 StGB a. [X.] entspricht,- 5 -verlangt, daß die Prostituierten in persönlicher oder wirtschaftlicher Abhängigkeitgehalten werden. Nach dem Willen des Gesetzgebers können diese Vorausset-zungen nur vorliegen, wenn die entsprechende Abhängigkeit einseitig, also ge-gen den freien Willen der Prostituierten, durch Druck oder sonstige gezielte Ein-wirkung herbeigeführt oder aufrechterhalten wird oder die Prostituierten an einerSelbstbefreiung oder Loslösung aus diesem Abhängigkeitsverhältnis gehindertwerden; ein einvernehmlich begründetes Beschäftigungsverhältnis, das [X.] eine jederzeitige Selbstbefreiung bzw. Loslösung aus dieser vertraglichenBeziehung ermöglicht, fällt nicht unter den Tatbestand des § 180a Abs. 1 StGBn.[X.] (vgl. [X.]. 14/5958 S. 5). Wie der [X.] im einzelnenzutreffend ausgeführt hat, ist den bisherigen Feststellungen nicht ausreichend zuentnehmen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind. Es ist weder dargelegt, worindie Kontrolle der Prostituierten durch den Angeklagten bestand, noch wird deut-lich, welcher Art die "disziplinarischen Maßnahmen" waren, die er gegen [X.] verhängte. Hinzu kommt, daß das [X.] festgestellt hat, daßsämtliche Prostituierte freiwillig der Prostitution nachgingen und "die Möglichkeit(hatten), sich der weiteren Leitung und Aufsicht durch die Angeklagten [X.](und) [X.]... zu entziehen, indem sie mit ihrer Tätigkeit in den [X.] aufhörten" ([X.]) Auch der Tatbestand der dirigierenden Zuhälterei (§ 181a Abs. 1 Nr. 2StGB) ist durch die bisherigen Feststellungen nicht belegt. Dieser setzt [X.] allen [X.] eine bestimmende Einflußnahme auf die Prostituti-onsausübung voraus; eine bloße Unterstützung reicht nicht aus ([X.] NStZ-RR2002, 232 m.w.N.). Das Verhalten muß vielmehr geeignet sein, die [X.] Abhängigkeit vom Täter zu halten, ihre Selbstbestimmung zu beeinträchtigen,sie zu nachhaltiger Prostitutionsausübung anzuhalten oder in ihrer [X.] nachhaltig zu beeinflussen ([X.] aaO). Daß es sich hier so verhält,- 6 -kann [X.] wie der [X.] ebenfalls im einzelnen zutreffend [X.] auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe bislang nicht mit ge-nügender Sicherheit entnommen werden.c) Der Senat kann nicht ausschließen, daß in einer neuen Hauptverhand-lung [X.] über die auf den geständigen Einlassungen des Angeklagten [X.]undder Mitangeklagten [X.]beruhenden bisherigen Feststellungen hinaus [X.]weitergehende Feststellungen getroffen werden können, die eine Verurteilungwegen Ausbeutung von Prostituierten und Zuhälterei rechtfertigen können. [X.] ist daher in den Fällen [X.] bis 28 mit den Feststellungen aufzuheben. [X.] zwangsläufig die Aufhebung der Verurteilungen wegen der [X.], den Wegfall der verhängtenEinzelstrafen und der Verfallsanordnung nach sich. Wegen des Wegfalls [X.], zu denen die Angeklagte [X.]Beihilfe geleistet haben soll,ist das Urteil, soweit es diese Angeklagte betrifft, ebenfalls aufzuheben. Die [X.] ist wegen der unter 2. a) und b) aufgezeigten sachlich-rechtlichen Män-gel nach § 357 StPO auch auf die Verurteilung der früheren Mitangeklagten[X.]zu erstrecken.3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich auf folgen-des hin:a) Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen bestehen rechtlicheBedenken hinsichtlich der vom [X.] angenommenen [X.]. Soweit bei der dirigierenden Zuhälterei und der Ausbeutung von [X.] teilweise eine Identität der Ausführungshandlungen vorliegt, stehen [X.] zum Nachteil mehrerer Frauen trotz der Höchstpersönlichkeit des ge-schützten Rechtsguts zueinander in Tateinheit gemäß § 52 StGB (vgl. dazu nur- 7 -[X.]R StGB § 181a Abs. 1 Nr. 2 Konkurrenzen 3; [X.], Beschluß vom 9. Okto-ber 2001 [X.] 4 StR 395/01 und Beschluß vom 19. November 2002 [X.] 1 StR 313/02,insoweit in [X.]R StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 12 nicht abgedruckt). Das Verhal-ten eines Gehilfen ist zudem auch dann als eine Tat zu werten, wenn der Tatbei-trag des Gehilfen aus einer einzigen Handlung besteht, der Haupttäter aber meh-rere rechtlich selbständige Handlungen begeht (vgl. [X.] NStZ 2000, 657, 660m.w.[X.]) Der neue Tatrichter wird deutlicher, als dies dem angefochtenen [X.] entnehmen ist, die tatsächlichen Voraussetzungen des [X.] (§ 92a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 AuslG) darzulegen haben. Er [X.] Feststellungen zur Nationalität der Prostituierten (etwa im Fall [X.] 25 [X.]) zu treffen haben. Ferner wird er [X.] soweit es sich bei den [X.] um sogenannte "Positivstaatler" im Sinne von § 1 Abs. 1 [X.] zum [X.].[X.]. [X.] handelt (vgl. dazu [X.], 1282 f.) [X.] zu beachtenhaben, daß seit dem 10. April 2001 die vorrangigen Art. 1 Abs. 1, Abs. 2 [X.] II der [X.] vom 15. März 2001 ([X.]. [X.] vom 21. März 2001 [X.], [X.] ff., zuletzt geändert durch Verordnung ([X.]) Nr. 453/2003 vom [X.], [X.]. [X.] vom 13. März 2003 L 69, [X.]0 f.) i.[X.]. Art. 20 Abs. 1, Art. 5 Abs.1 Buchst. a), c) bis e) des [X.] Durchführungsübereinkommens [X.] SDÜ [X.]vom 19. Juni 1990 ([X.] 1010; 1994 II 631; 1996 II 242; 1997 [X.] 1968) Geltung haben (vgl. auch [X.], 249 f.; West-phal/[X.] ZAR 2002, 315 ff.; dies. [X.] 2001, 309 ff. m.w.N.). [X.] grundsätzlich visumpflichtigen "Negativstaatler" wird der Tatrichter genauermitzuteilen haben, welcher Art die ([X.] waren und welche Berechti-gung sich daraus für die betreffenden Ausländerinnen ergab (vgl. etwa §§ 92Abs. 1 Nr. 3, 14 Abs. 2 Satz 2 AuslG; [X.] NStZ 2000, 657 ff.; [X.], 175 ff.).- 8 -c) Schließlich wird der neue Tatrichter zu bedenken haben, daß das beiden Angeklagten [X.]und der Mitangeklagten [X.]sichergestellte Geldnicht der Einzeihung unterliegt sondern als Gegenstand der Verfallsvorschriften(§§ 73 ff. StGB) in Betracht kommt (vgl. [X.], Beschluß vom 7. Mai 2003 [X.] 5 [X.]/02). Dabei wird nicht nur darzulegen sein, ob und inwieweit sämtliche si-chergestellten Gelder, also etwa auch die vereinnahmten Eintrittsgelder, be-stimmten Straftaten zuzuordnen sind und damit dem § 73 Abs. 1 Satz 1 StGBunterfallen; der Tatrichter wird zudem zu beachten haben, daß die durch [X.] betroffenen Frauen nach der nunmehr getroffenen Wert-entscheidung (§ 1 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Pro-stituierten [X.] ProstG [X.] vom 20. Dezember 2001 [[X.]]) als Verletzte [X.] des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB anzusehen sind (vgl. dazu [X.] aaO).Die Anordnung des auf § 181c StGB, § 92a Abs. 5 AuslG i. V. m. §§ [X.]Abs. 1, Abs. 2, 73a StGB gestützten erweiterten Verfalls des [X.] ebenfalls rechtlichen Bedenken. Der (einfache) Verfall des [X.] neben einem Schuldspruch wegen der abgeurteilten Taten schon nach [X.] der §§ 73, 73a, 73c StGB gerechtfertigt sein. Sind die Vorausset-zungen für die Anordnung des Verfalls oder des Verfalls von Wertersatz gege-ben, ist für die Anordnung eines erweiterten Verfalls nach § [X.] StGB [X.]. Vor der Anwendung des § [X.] StGB muß unter Ausschöpfung aller [X.] zulässigen Mittel ausgeschlossen werden, daß die Voraussetzungen [X.] 73, 73a StGB erfüllt sind (vgl. [X.] NStZ-RR 2003, 75 f.; [X.]/Kühl StGB24. Aufl. § [X.] Rdn. 11 f.; [X.]/[X.] [X.] Rdn. 7 f., jeweils m.w.[X.] 9 -Soweit gegebenenfalls zusätzlich die Anordnung des erweiterten Verfalls [X.] in Betracht gezogen wird, wird der neue Tatrichter die Grundsätze derEntscheidung [X.]St 40, 371 zu beachten haben.Die Vorsitzende Richterin am [X.]AthingBundesgerichtshof [X.] urlaubsbedingt verhindert zuunterschreiben [X.] Ernemann Sost-Scheible

Meta

4 StR 29/03

15.07.2003

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.07.2003, Az. 4 StR 29/03 (REWIS RS 2003, 2312)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 2312

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