Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.05.2000, Az. VI ZR 90/99

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2000, 2255

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]Verkündet am16. Mai 2000Holmes,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z: jaBGB § 823 Be; StGB § 266 [X.] zur Sozialversicherung können auch dann im Sinne des§ 266 a Abs. 1 StGB vorenthalten sein, wenn für den betreffenden Zeitraum keinLohn an die Arbeitnehmer ausgezahlt worden ist.[X.], Urteil vom 16. Mai 2000 - [X.] - OLGHammLGDetmold- 2 -Der VI. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 16. Mai 2000 durch [X.], Dr. [X.], [X.] und [X.] erkannt:Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 15. Januar 1999 im Kosten-punkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin er-kannt worden ist.Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision,an das Berufungsgericht zurückverwiesen.Von Rechts [X.]:Die klagende [X.] nimmt den Beklagten alsfrüheren Geschäftsführer der [X.], der Komplementärin der [X.] & Co.[X.] (künftig: [X.]), auf Ausgleich des Schadens in Anspruch, der ihr als der zu-ständigen Einzugsstelle für die Sozialversicherungsbeiträge dadurch entstan-den ist, daß die [X.] Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung für die Mo-nate Januar und Februar 1994 (24.400,43 DM bzw. 22.528,35 DM) nicht [X.] -Während die [X.] ihren Arbeitnehmern den Nettolohn für den [X.] in vollem Umfang auszahlte, erfolgten für den Monat Februar 1994keine Lohnzahlungen mehr. Mit Beschluß vom 22. März 1994 ordnete das zu-ständige Konkursgericht gegenüber der [X.] die Sequestration an und erließ einallgemeines Veräußerungsverbot. Am 27. April 1994 wurde das Konkursverfah-ren über das Vermögen der [X.] eröffnet.Die Klägerin hält den Beklagten hinsichtlich der beide Monate betreffen-den Arbeitnehmerbeiträge für schadensersatzpflichtig, da er die Beitragszah-lung trotz im jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt noch ausreichender Finanzmittelder [X.] vorsätzlich unterlassen habe.Das [X.] hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Auf dieBerufung des Beklagten hat das [X.] die Klage insoweit abge-wiesen, als der Beklagte zur Zahlung von mehr als 24.400,43 DM nebst Zinsen(Beiträge für Januar 1994) verurteilt worden ist. Mit der zugelassenen Revisionbegehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.Entscheidungsgründe:[X.] Berufungsgericht hält, soweit es um die Arbeitnehmerbeiträge [X.] für den Monat Februar 1994 geht, die [X.] auf § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 266 a Abs. 1 StGB gegründeten Scha-densersatzanspruchs der Klägerin nicht für erfüllt, da der Beklagte diese [X.] nicht im Sinne der gesetzlichen Regelung "vorenthalten" [X.] sei der Beklagte als Geschäftsführer der Pflicht der [X.] zur Abfüh-rung der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung für den [X.] nicht nachgekommen, obwohl dies am Fälligkeitstag, dem 15. März 1994,durch Überweisung zu Lasten des bei der [X.] geführten [X.] der [X.] möglich gewesen wäre, die finanziellen Mittel also zur Verfü-gung gestanden hätten. [X.] habe der Beklagte den Tatbestand des § 266a Abs. 1 StGB deshalb nicht verwirklicht, weil ein "Vorenthalten" der [X.] (mindestens teilweise) Auszahlung der Löhne für den betreffenden Zeit-raum voraussetze, eine solche aber für Februar 1994 nicht mehr erfolgt sei.Zwar verlange § 266 a Abs. 1 StGB im Gegensatz zu früheren Strafvor-schriften kein "Einbehalten" der Arbeitnehmeranteile seitens des Arbeitgebersmehr. Jedoch liege das in § 266 a Abs. 1 StGB unter Strafe gestellte Unrechtnicht nur in der Beeinträchtigung des Beitragsaufkommens der Sozialversiche-rung durch schlichte Nichtzahlung der Arbeitnehmerbeiträge. Vielmehr müsseein untreueähnliches Verhalten des [X.] hinzukommen. Der Arbeitgeber ha-be gegenüber der Sozialversicherung nicht nur die Stellung eines originärenSchuldners, sondern ihm sei zugleich im Interesse der Solidargemeinschaft [X.] das Recht zum [X.] verliehen, das die treueähnlichePflicht begründe, die dem Abzugsrecht unterliegenden Beiträge entsprechendihrer Zweckbestimmung abzuführen. Nur wenn diese Pflicht verletzt werde,könne von einem "Vorenthalten" gesprochen werden, nicht hingegen bereitsdann, wenn mangels einer Lohnzahlung auch die Möglichkeit eines [X.] nicht bestehe und die Verletzung der [X.] deshalb nicht anders als die von vornherein nicht unter [X.] der Arbeitgeberanteile zu bewerten sei.- 5 -I[X.] Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision nicht stand. [X.] der Ansicht des Berufungsgerichts kann ein Schadensersatzanspruchnach § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 266 a Abs. 1 StGB auch dann gegeben sein,wenn nicht nur die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung nicht abge-führt worden sind, sondern für den betreffenden Zeitraum auch keinerlei Lohnan die Arbeitnehmer ausgezahlt worden ist.1. Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung werden dann im Sinnedes § 266 a Abs. 1 StGB vorenthalten, wenn sie bei Fälligkeit nicht an die zu-ständige Einzugsstelle abgeführt werden (ständige Rechtsprechung, vgl. [X.]Z134, 304, 307; Senatsurteile vom 1. Oktober 1991 - [X.] - VersR1991, 1378, 1379 und vom 15. Oktober 1996 - [X.] - [X.]). Das Berufungsgericht geht insoweit ohne Rechtsfehler davon aus, daßdie hier streitigen Arbeitnehmerbeiträge für den Monat Februar 1994 am15. März 1994 zur Zahlung an die Klägerin fällig waren und daß es der [X.] indiesem Zeitpunkt auch finanziell möglich gewesen wäre, die entsprechendeZahlung zu leisten.a) Das Entstehen der Beitragspflicht zur Sozialversicherung und die Fäl-ligkeit der für den Monat Februar 1994 zu leistenden Arbeitnehmerbeiträgezum 15. März 1994 waren unabhängig davon, ob und wann Lohn für [X.] an die Arbeitnehmer tatsächlich ausgezahlt wurde (vgl. [X.] 1. Oktober 1991 - [X.] - aaO; [X.], 61, 65; BSG, [X.] 1996,1268, 1269).Gemäß § 22 Abs. 1 i.V. mit §§ 2 Abs. 2 Nr. 1 und 7 Abs. 1 [X.] ent-steht die Beitragspflicht zur gesetzlichen Sozialversicherung allein durch die- 6 -versicherungspflichtige Beschäftigung eines Arbeitnehmers gegen Entgelt.Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 [X.] knüpft die Fälligkeit der Beiträge zum [X.] ausschließlich an die Ausübung der Beschäftigung oder Tätigkeitan, mit der das Arbeitsentgelt erzielt wird, ohne daß es darauf ankommt, ob [X.] selbst bereits geleistet und empfangen ist (vgl. [X.], 61, 65; vgl.ferner - für die frühere Regelung des § 293 Abs. 1 Satz 1 RVO - [X.], 136,137; s. auch [X.]/[X.]-Lenckner, StGB, 25. Aufl., [X.]. 7 zu § 266 aStGB; Tröndle/[X.], StGB, 49. Aufl., [X.]. 11 c zu § 266 a StGB; a.[X.], [X.], 1998, [X.]. 36 ff. zu § 266 a StGB). "Erzielt" im Sinne dieserRegelung ist das Arbeitsentgelt nicht erst, wenn es tatsächlich ausbezahlt,sondern bereits, wenn es durch die Arbeitsleistung "verdient" worden ist (soausdrücklich auch [X.], 61, 66). Die Fälligkeit ist auch nicht davon ab-hängig, daß die Beitragshöhe durch Abrechnung oder gar [X.] bereits endgültig "konkretisiert" ist; die Regelung in § 23 Abs. 1 Satz 4[X.] zeigt, daß sich die fälligen Beiträge gegebenenfalls zunächst an der"voraussichtlichen Höhe der [X.]" ausrichten können.b) Das Berufungsgericht hat auch rechtsfehlerfrei festgestellt, daß [X.] die Zahlung der Arbeitnehmeranteile zu den [X.] für Februar 1994 im somit maßgeblichen Fälligkeitszeitpunkt des15. März 1994 tatsächlich möglich gewesen wäre, da der Kreditrahmen desGeschäftskontos der [X.] bei der [X.] noch nicht ausgeschöpft warund der Höhe nach ausgereicht hätte, so daß dem Beklagten normgemäßesVerhalten jedenfalls aus finanziellen Gründen seinerzeit nicht unmöglich war(vgl. hierzu [X.]Z 133, 370, 379 f.; 134, 304, 307; Senatsurteil vom 18. No-vember 1997 - [X.] - [X.], 468, 469). Das Berufungsgericht hatferner zutreffend dargelegt, daß die am 4. März 1994 zugestellte Pfändungs-verfügung seitens des Finanzamts D. der Zahlung nicht entgegenstand, da die- 7 -Pfändung ins Leere ging, weil das betreffende Konto der [X.] im März 1994ausschließlich im Soll geführt wurde. Der Erlaß eines [X.] das Konkursgericht erfolgte erst nach Fälligkeit der [X.].2. Das Berufungsgericht erachtet dennoch den (objektiven) [X.] § 266 a Abs. 1 StGB deshalb - soweit es um die Arbeitnehmerbeiträge [X.] 1994 geht - für nicht verwirklicht, weil die Nichtabführung nur dann einstrafbares "Vorenthalten" im Sinne der gesetzlichen Regelung darstelle, wennder Lohn für den betreffenden Zeitraum ausgezahlt worden ist. Dagegen [X.] sich die Revision mit [X.]) Die Frage, ob die Strafbarkeit nach § 266 a Abs. 1 StGB abhängig istvon einer tatsächlich erfolgten Lohnzahlung, ist umstritten und bisher in [X.] noch nicht abschließend geklärt.aa) Die dem Berufungsurteil zugrundeliegende Auffassung kann sich aufverschiedentliche Äußerungen im rechtswissenschaftlichen Schrifttum stützen(vgl. etwa [X.]/[X.]/[X.], Strafrecht, Besonderer Teil, [X.], 8. Aufl., [X.]; [X.]/Kühl, StGB, 23. Aufl., [X.]. 8 a zu § 266 a StGB;[X.]/[X.]-Lenckner, aaO, [X.]. 9 zu § 266 a StGB; Tröndle/[X.],aaO, [X.]. 11 b zu § 266 a StGB; LK-Gribbohm, aaO, [X.]. 30 zu § 266 a StGB;Gribbohm, [X.] 1997, 479 ff.; [X.], Die Strafbarkeit des Arbeitgebers wegenBeitragsvorenthaltung, 1992, [X.] ff.). Kurz zusammengefaßt wird sie insbe-sondere mit folgenden Überlegungen begründet:Zwar enthalte die Vorschrift des § 266 a Abs. 1 StGB nicht mehr - [X.] entsprechenden früheren gesetzlichen Regelungen - das Tatbestands-merkmal des "Einbehaltens" der Beiträge vom Arbeitslohn. [X.] lasse sichden Gesetzesmaterialien entnehmen, daß dadurch keine Erweiterung der- 8 -Strafbarkeit auf die Fälle habe herbeigeführt werden sollen, in denen kein [X.], die Arbeitnehmerbeiträge also auch nicht von diesem abgezogen [X.] seien. Das strafbare Unrecht in § 266 a Abs. 1 StGB verlange weiterhin [X.] Verhalten des Arbeitgebers (im Hinblick auf die ihm [X.] Möglichkeit des [X.]s), an dem es bei gänzlich [X.] fehle. Zur Rechtfertigung der Strafbarkeit könne die schlichteNichterfüllung der Zahlungsverpflichtung nicht ausreichen, wie sich auch daranzeige, daß die Nichtentrichtung der Arbeitgeberbeiträge straffrei bleibe.bb) Für die entgegengesetzte Auffassung, die Verwirklichung des [X.] des § 266 a Abs. 1 StGB setze keine Auszahlung des Lohns an [X.] voraus, wird vor allem angeführt (vgl. aus der Rechtsprechung:[X.], NStZ 1991, 287; [X.], NJW-RR 1993, 1448 sowie [X.], 689; [X.], [X.], 303; aus dem Schrifttum vgl. z.B. [X.] inSK, StGB, [X.]. 20 zu § 266 a StGB; [X.], [X.] 1998, 551, 558; [X.],[X.] 1996, 2142, 2143; [X.], wistra 1986, 154, 156; [X.], [X.] 1994, 877,888; Tag, [X.] 1997, 1115, 1118; [X.], [X.], 283, 286 f.):Nachdem § 266 a Abs. 1 StGB kein "Einbehalten" der [X.] mehr voraussetze, liege das nunmehr allein relevante "Vorent-halten" bereits in der Nichtzahlung an die zuständige Stelle bei Fälligkeit. Dementspreche, daß das durch die Strafvorschrift geschützte Rechtsgut in der Si-cherung des Aufkommens der Sozialversicherungsbeiträge liege. Die [X.] rechtfertige keine andere Beurteilung. Die Gesetzesfas-sung des § 266 a Abs. 1 StGB knüpfe nicht mehr an ein Untreueverhalten [X.] an. Die Unabhängigkeit der Tatbestandsverwirklichung von einertatsächlichen Lohnauszahlung gewährleiste, daß gleichwertige Sachverhalte inderselben Weise von der [X.] erfaßt [X.] 9 -b) Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Die Tatbe-standsmerkmale des § 266 a Abs. 1 StGB können auch für Zeiträume erfülltsein, in denen es zur Lohnauszahlung nicht gekommen ist.aa) Bis zur Einführung des § 266 a StGB durch das [X.] der Wirtschaftskriminalität vom 15. Mai 1986 ([X.] I 721) war [X.] dahin in den §§ 529, 1428 RVO, § 225 [X.], § 150 [X.] und § 234RKnappschG geregelte Strafbarkeit der Beitragsvorenthaltung nach [X.] dieser Vorschriften davon abhängig, daß die bei Fälligkeit nicht [X.] Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung "einbehalten" wordenwaren. Dieses Merkmal war verwirklicht, wenn der Arbeitgeber die [X.] Vergütung der Arbeitnehmer im Hinblick auf deren Verpflichtung zurZahlung von Sozialversicherungsbeiträgen um die entsprechenden Beträgegekürzt auszahlte (vgl. [X.]Z 58, 199, 201; Senatsurteil vom 25. Februar 1975- VI ZR 222/73 - [X.], 739, 740; [X.], Urteil vom 17. November 1981- 1 [X.] - NJW 1982, 588, 589); ein "Einbehalten" lag danach nur vor,wenn Lohn tatsächlich ausbezahlt wurde.bb) Dieses Merkmal des "Einbehaltens" wurde in den Wortlaut des neu-en Straftatbestandes des § 266 a Abs. 1 StGB nicht übernommen. [X.] für die Tatbestandsverwirklichung ist nunmehr lediglich das "Vorenthal-ten" der Beiträge gegenüber der zuständigen Stelle. Dies verlangt - wie [X.] bereits dargelegt - lediglich die Nichtabführung der Arbeitnehmerbeiträ-ge bei Fälligkeit (vgl. etwa [X.]Z 134, 304, 307 m.w.N.). Dieses Verständnisdes Begriffs "Vorenthalten" i.S. der Nichterfüllung einer Verpflichtung entsprichtseiner Verwendung in anderen gesetzlichen Regelungen, sowohl innerhalb alsauch außerhalb des Strafrechts (vgl. z.B. § 170 Abs. 2 StGB sowie §§ 542Abs. 2 und 557 Abs. 1 BGB). Da - wie bereits erörtert - weder die [X.] -noch die Fälligkeit der Verpflichtung zur Abführung von [X.] der tatsächlichen Lohnauszahlung abhängig sind, führt der Wortlaut des§ 266 a Abs. 1 StGB eindeutig zu dem Schluß, daß auch die Verwirklichungdieses Straftatbestandes nicht an eine Lohnzahlung geknüpft [X.]) Eine einschränkende Auslegung des Merkmals des "Vorenthaltens"erscheint weder aufgrund der Gesetzgebungsgeschichte noch im Hinblick aufdie gesetzessystematische Stellung der Vorschrift [X.]) Allerdings knüpfte die Begründung des [X.] weitgehend an die zuvor bestehende Rechtslage an und sah auch für dievorgeschlagene Neuregelung [X.] des strafbaren Unrechts darin, daß"der Arbeitgeber treuhänderisch einbehaltene [X.]" (vgl. BT-Drucks. 10/318, [X.]). Das Merkmal des "Einbehaltens"sollte insoweit konkludent in die Neufassung, für die nur noch der Begriff des"Vorenthaltens" vorgesehen war, mit einbezogen sein (vgl. BT-Drucks. 10/318,S. 25 f., 28).(b) Eine deutliche Loslösung der Neuregelung in § 266 a Abs. 1 StGBvon den überkommenen rechtlichen Strukturen der bis dahin bezüglich [X.] von Sozialversicherungsbeiträgen geltenden Strafnormen [X.] im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens ihren Niederschlag in der Be-schlußempfehlung des Rechtsausschusses des [X.] (BT-Drucks. 10/5058, [X.]) gefunden. Nunmehr wurde ausdrücklich auf die [X.] im jeweiligen Regelungsgehalt zwischen Abs. 1 und Abs. 2 der ge-planten Vorschrift des § 266 a StGB hingewiesen. Während in Abs. 2 dieserNorm ein untreueähnliches Verhalten des Arbeitgebers (betreffend anderweiteinbehaltene Teile des Arbeitsentgelts) unter Strafe gestellt wird, soll es inAbs. 1 um den Schutz der Solidargemeinschaft gehen; das Aufkommen der- 11 -Sozialversicherungsträger und der [X.] soll strafrechtlichgewährleistet werden. Der Rechtsausschuß betont, daß diese Schutzrichtungin Abs. 1 durch die Streichung eingrenzender Merkmale des bis dahin gelten-den Rechts, insbesondere des Begriffs "Einbehalten", verdeutlicht werde, [X.] sich Abs. 1 bewußt von Abs. 2 unterscheide. Der [X.] dementsprechend auch eine Ergänzung der Überschrift, in der nachdem Regierungsentwurf nur von "[X.] von Arbeitsentgelt" die [X.], durch die Neufassung "Vorenthalten und [X.] von Arbeitsentgelt"vor. In dieser Fassung wurde die Regelung [X.]) Auch wenn im Rahmen der gesetzgeberischen Arbeit ersichtlich derFall der unterbliebenen Lohnzahlung nicht Gegenstand der Überlegungen war,sondern insbesondere an den Fall gedacht wurde, daß im Einvernehmen zwi-schen Arbeitgeber und Arbeitnehmer von vornherein keine Beiträge einbehal-ten und abgeführt werden sollten (vgl. dazu [X.]Z 134, 304, 310 m.w.N.), er-gibt sich jedenfalls aus der Entwicklung des Gesetzgebungsverfahrens für [X.] nichts, was auf die weitere Erforderlichkeit der [X.] als Voraussetzung für die Verwirklichung des [X.] "Vorenthalten" in § 266 a Abs. 1 StGB schließen ließe. [X.] davon ausgegangen werden, daß sich der Gesetzgeber für die [X.] (gerade im Gegensatz zu derjenigen des Abs. 2) dieser Norm von derfrüheren Vorstellung eines "untreueähnlichen Verhaltens" distanziert [X.]) Von einem "untreueähnlichen Verhalten" des Arbeitgebers, das zuseiner Verwirklichung das Einbehalten eines Teils des tatsächlich ausgezahl-ten Lohnes erfordern würde, kann nach der heutigen Rechtslage auch der Sa-che nach nicht - als die Strafbarkeit erst begründendes Element - ausgegangenwerden (zur Beurteilung der früheren Rechtslage vgl. insoweit z.B. [X.] -teile vom 7. Juni 1963 - [X.] - VersR 1963, 1034 und vom4. Dezember 1979 - [X.] - [X.], 647).(a) Um die Verletzung einer "Vermögensbetreuungspflicht" gegenüberdem Arbeitnehmer geht es hier schon deswegen nicht, weil letzterer durch [X.] der Arbeitnehmerbeiträge grundsätzlich keinen Vermögens-schaden erleidet; sein Sozialversicherungsschutz, der an das [X.] anknüpft, wird durch die Nichtabführung in der Regel nicht beein-trächtigt (vgl. dazu z.B. [X.], wistra 1986, 154 f.; Tag, [X.] zur Sozial- und Arbeitslosenversicherung, 1994,S. 35 f.; s. auch BT-Drucks. 10/318, [X.]). Zudem ist von vornherein aus-schließlich der Arbeitgeber selbst Schuldner der Beiträge zur Sozialversiche-rung; er hat gemäß § 28 e Abs. 1 [X.] den Gesamtsozialversicherungsbei-trag (einschließlich der Arbeitnehmerbeiträge) zu zahlen (vgl. hierzu etwa[X.], 136, 138). Der einzelne Arbeitnehmer hat für den Beitrag selbstdann nicht aufzukommen, wenn sein Arbeitgeber diese Verpflichtung nicht er-füllt. Das [X.]sverfahren ermöglicht gemäß § 28 g [X.] lediglich [X.], vom Arbeitnehmer den auf diesen entfallenden Teil der [X.]sbeiträge wieder zu [X.]) Es geht im vorliegenden Zusammenhang jedoch auch nicht um ein- die vom tatsächlich ausgezahlten Entgelt einbehaltenen Beiträge des [X.] betreffendes - "treueähnliches Verhältnis" zwischen Arbeitgeber [X.] (a.A. [X.]/[X.]-Lenckner, [X.]. 2 zu § 266 aStGB). Der Arbeitgeber ist gemäß § 28 e Abs. 1 [X.] originärer und alleini-ger Schuldner des [X.] gegenüber der [X.], und zwar unabhängig davon, ob er vom [X.] gemäß § 28 g[X.] Gebrauch gemacht hat oder noch machen kann, und - im Hinblick auf- 13 -die bereits erörterte [X.] nach § 23 Abs. 1 [X.] - auch unab-hängig davon, ob er seiner Lohnzahlungsverpflichtung an den [X.] nachgekommen ist oder nicht. Die [X.]sregelung in § 28 g [X.] gibt dem Arbeitgeber lediglich die Möglichkeit, sich für einen Teil des vonihm gemäß § 28 e [X.] zu entrichtenden [X.] beim Arbeitnehmer in einem bestimmten Verfahren schadlos zu halten.Auf der Grundlage dieser Regelung kann ein gemäß § 28 g einbehaltener [X.] nicht als Gegenstand eines "treueähnlichen Verhältnisses" zwi-schen Arbeitgeber und Sozialversicherungsträger angesehen werden.ee) Daß somit in § 266 a Abs. 1 StGB - ohne "untreueähnliches [X.]" - die vorsätzliche Nichtzahlung der Arbeitnehmerbeiträge zur [X.] durch den Arbeitgeber strafrechtlich sanktioniert ist, und zwar unab-hängig davon, ob letzterer den Lohn ausgezahlt und hiervon einen entspre-chenden Beitrag in Abzug gebracht hat, findet seine Rechtfertigung in der be-sonderen Schutzbedürftigkeit der Aufbringung der Mittel zur Sozialversiche-rung (vgl. dazu BT-Drucks. 10/5058, [X.]). Die - öffentlich-rechtliche - Pflichtdes Arbeitgebers zur Abführung der Arbeitnehmerbeiträge ist dadurch gegen-über sonstigen schuldrechtlichen Verbindlichkeiten deutlich herausgehoben(vgl. [X.]Z 134, 304, 311).Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, daß die Nichtabführung der [X.] ihrerseits nicht unter Strafe gestellt ist. Zwar dienen auchdiese Beiträge der finanziellen Sicherung der Sozialversicherung. Wenn sichder Gesetzgeber jedoch insoweit darauf beschränkt hat, mit einer strafrechtli-chen Sanktion nur die Nichtentrichtung der Arbeitnehmerbeiträge zu belegen,so erscheint dies keineswegs als ungerechtfertigt. Hinsichtlich dieser Beiträgesteht dem Arbeitgeber die Möglichkeit zum [X.] gegenüber dem Arbeit-- 14 -nehmer zu. Sie belastet den Arbeitgeber daher wirtschaftlich letztlich nicht, sodaß deren Zahlung von ihm noch selbstverständlicher erwartet werden [X.] die Nichtleistung deshalb besonders vorwerfbar ist. Gerade für den Fallder finanziellen Krise eines Unternehmens kann somit wenigstens auf die Si-cherstellung dieses Teils des [X.] mit besonde-rem Nachdruck hingewirkt werden. Diese Überlegungen gelten auch für [X.], daß die Lohnauszahlung unterbleibt, andererseits aber noch finanzielleMittel zur Verfügung stehen, die für die Beitragszahlung ausreichen; ist [X.] nicht mehr der Fall (und dies dem Arbeitgeber nicht anzulasten), [X.] die Voraussetzungen für die Strafbarkeit ohnehin nicht gegeben (vgl. dazu[X.]Z 134, 304, 307 ff.; Senatsurteil vom 15. Oktober 1996 - [X.] -aaO).ff) Kann demgemäß das Tatbestandsmerkmal des "Vorenthaltens" [X.] zur Sozialversicherung i.S. des § 266 a Abs. 1 StGBauch dann erfüllt sein, wenn es zu einer Lohnauszahlung nicht gekommen ist,so führt dies im Hinblick auf die besondere Schutzwürdigkeit des Beitragsauf-kommens auch nicht zu einer unangemessenen Ausweitung der Strafbarkeit.Vielmehr ist diese - ihrem Wortlaut und ihrem Schutzzweck entsprechende -Auslegung der Vorschrift geeignet, in ihrer Strafwürdigkeit vergleichbar gela-gerte Fälle gleichermaßen zu erfassen. Denn es erscheint nicht als gerechtfer-tigt, denjenigen Arbeitgeber, der - bei insoweit noch vorhandenem finanziellemSpielraum - um eine (wenigstens teilweise) Auszahlung der Löhne bemüht ist,die Abführung der Arbeitnehmerbeiträge jedoch unterläßt, der [X.] zuunterwerfen, hingegen den Arbeitgeber, der - bei gleicher finanzieller Lage -nicht nur die Beitrags- sondern auch die Lohnzahlung in vollem Umfang [X.], von der Strafbarkeit von vornherein auszunehmen. Die Pflichtenlage unddie bei Nichterfüllung drohenden Sanktionen müssen sich in derartigen Fällen- 15 -entsprechen: Zahlt der Arbeitgeber den Lohn aus, muß er um die Sicherstel-lung der geschuldeten Arbeitnehmerbeiträge für den Fälligkeitszeitpunkt [X.] sein (vgl. [X.]Z 134, 304, 310 ff.); unterläßt er die Lohnzahlung, be-schäftigt seine Arbeitnehmer jedoch weiter, so trifft ihn dieselbe - strafrechtlichsanktionierte - Pflicht, für den Fälligkeitszeitpunkt die Sicherstellung der [X.] Abführung der Arbeitnehmerbeiträge soweit möglich zu gewährleisten unddie Zahlung termingerecht vorzunehmen.3. Das Berufungsurteil kann auf der Grundlage der bisher getroffenenFeststellungen auch nicht mit anderer Begründung aufrechterhalten werden.Zu der Frage, ob der Beklagte die Abführung der Arbeitnehmeranteilefür den Monat Februar 1994 im maßgeblichen Fälligkeitszeitpunkt am [X.] vorsätzlich unterlassen hat, hat das Berufungsgericht keine Feststellun-gen getroffen. Es kann daher derzeit nicht beurteilt werden, ob unter Berück-sichtigung der Anforderungen, die an den "Vorenthaltungsvorsatz" i.S. des§ 266 a Abs. 1 StGB zu stellen sind (vgl. dazu z.B. Senatsurteile vom- 16 -1. Oktober 1991 - [X.] - aaO und vom 15. Oktober 1996 - [X.] - [X.], 1541, 1542), von einem vorsätzlichen Verhalten des [X.] ausgegangen werden kann.[X.] Dr. v. Gerlach Dr. [X.] [X.] Wellner

Meta

VI ZR 90/99

16.05.2000

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.05.2000, Az. VI ZR 90/99 (REWIS RS 2000, 2255)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 2255

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