Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.08.2023, Az. X R 30/21

10. Senat | REWIS RS 2023, 9089

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Gegenstand

Festsetzung von Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer; Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Säumniszuschlags


Leitsatz

1. Das Finanzamt ist nach § 37 Abs. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes --in Übereinstimmung mit dessen Zweck der Verstetigung des Steueraufkommens-- berechtigt, Vorauszahlungen über den laufenden Veranlagungszeitraum hinaus festzusetzen.

2. Gegen die gesetzliche Höhe des Säumniszuschlags nach § 240 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung bestehen auch für Zeiträume nach dem 31.12.2018 keine verfassungsrechtlichen Bedenken (Anschluss an die Urteile des Bundesfinanzhofs vom 23.08.2022 - VII R 21/21, BFHE 278, 1, BStBl II 2023, 304 und vom 15.11.2022 - VII R 55/20, BFHE 278, 403, BStBl II 2023, 621).

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des [X.] vom 22.04.2021 - 12 K [X.] wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Mit geändertem Bescheid vom 07.05.2018 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt --[X.]--) gegenüber den Klägern und Revisionsklägern (Kläger) quartalsweise zu leistende Vorauszahlungen "für 2017" in Höhe von 0 € (1. bis 3. Quartal) beziehungsweise 6.837 € [X.]inkommensteuer und 376 € [X.] (4. Quartal) sowie "ab 2018 jeweils zum 10. März, 10. Juni, 10. Sept., 10. Dez." in Höhe von 1.665 € [X.]inkommensteuer und 91 € [X.] je Quartal fest.

2

Diesen Vorauszahlungsbescheid setzte das [X.] mit Verfügung vom 10.12.2018 hinsichtlich des 1. bis 4. Quartals 2018 teilweise von der Vollziehung aus; es verblieben nicht ausgesetzte Beträge von 1.391 € je Quartal. Die Kläger zahlten jeweils in Höhe der nicht ausgesetzten Beträge fristgerecht.

3

[X.]ine weitere Zahlung in derselben Höhe (1.391 €) leisteten die Kläger am 06.02.2019. Da das [X.] von einer Nichtaussetzung der für das [X.] geschuldeten Beträge ausging, ergab sich --aus seiner Sicht-- ein noch offener Differenzbetrag bei der [X.]inkommensteuer in Höhe von 274 € (1.665 € ./. 1.391 €) sowie in Höhe von 91 € beim [X.]. Diese Beträge wurden mit Mahnung nach dem Stand vom 26.04.2019 angefordert, der Gesamtbetrag von 365 € am 15.05.2019 von den Klägern beglichen.

4

Hieraus resultierten --ausgehend von einer Fälligkeit der Vorauszahlungen "1. Vj. 2019" am 10.03.2019-- Säumniszuschläge zur [X.]inkommensteuer in Höhe von 7,50 € und zum [X.] in Höhe von 1,50 €, die in eine auf den 05.06.2019 datierende [X.] zur Pfändungs- und [X.]inziehungsverfügung vom [X.] [X.]ingang fanden.

5

In ihrem Schreiben vom 09.09.2019 beanstandeten die Kläger, in der Pfändungs- und [X.]inziehungsverfügung vom [X.] seien Säumniszuschläge mit mehreren unterschiedlichen Beträgen enthalten; deren Rechtsgrundlage und Höhe sei nicht verständlich.

6

Aufgrund dieses als Antrag gewerteten Schreibens erließ das [X.] unter dem [X.] einen Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung ([X.]) über Säumniszuschläge zur [X.] Quartal 2019, gegen den die Kläger [X.]inspruch unter anderem wegen nicht nachvollziehbarer Daten einlegten, die das [X.] nachfolgend erläuterte.

7

In der zurückweisenden [X.]inspruchsentscheidung vom 13.05.2020 wurde die Abrechnung insoweit geändert, als eine offenbare Unrichtigkeit --ein Rechenfehler ohne Auswirkung auf das [X.] berichtigt wurde.

8

Die hiergegen erhobene Klage, mit welcher die Kläger einen seinerzeit gegebenen Zahlungsrückstand bestritten und geltend machten, die Höhe der Säumniszuschläge sei verfassungswidrig, wies das Finanzgericht ([X.]) ab ([X.]ntscheidungen der Finanzgerichte 2021, 1962). Die Kläger hätten die Vorauszahlung für das 1. Quartal des Jahres 2019 nicht vollständig zum gesetzlich geregelten Fälligkeitstag entrichtet. [X.]ntgegen dem Vorbringen der Kläger habe das [X.] mit der Verfügung vom 10.12.2018 nur die Vorauszahlungen des Jahres 2018, nicht aber die des Jahres 2019 von der Vollziehung ausgesetzt. Im Übrigen bestünden keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 240 [X.].

9

Mit ihrer Revision bringen die Kläger vor, der Bescheid vom 07.05.2018 könne lediglich Vorauszahlungen auf die [X.]inkommensteuer des Jahres 2018 festgesetzt haben. Denn § 37 des [X.]inkommensteuergesetzes ([X.]StG) lasse den [X.]rlass eines [X.] jeweils nur für das laufende Jahr zu. Da ein am 10.03.2019 fälliger [X.] nicht bestanden habe, hätten insoweit keine Säumniszuschläge ausgelöst werden können. Dementsprechend habe auch das [X.] selbst in dem beim [X.] anhängigen Klageverfahren 3 K 2408/19 [X.] davon gesprochen, dass der zwischenzeitlich ergangene Jahressteuerbescheid für 2018 den angefochtenen Vorauszahlungsbescheid "[X.]St-VZ 2018 in der Fassung vom 7.5.2018" ersetzt habe.

Das [X.] habe die rechtlichen Vorgaben des § 37 [X.]StG sowie den sich aus dem Klageverfahren 3 K 2408/19 [X.] ergebenden [X.] bei seiner Auslegung unberücksichtigt gelassen.

Hieraus ergäben sich --auch wegen der Nichtbeiziehung der Gerichtsakten zu dem [X.] entscheidungserhebliche Verfahrensmängel. [X.]ine Zurückverweisung an das [X.] sei gleichwohl nicht erforderlich, da das Revisionsgericht den Inhalt des in Rede stehenden [X.] selbst beurteilen könne.

Ferner schuldeten die Kläger deshalb keine Säumniszuschläge, da § 240 [X.] wegen Verstoßes gegen das Übermaßverbot verfassungswidrig und nichtig sei. Die Zinshöhe in § 233a [X.] i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 [X.] von 6 % pro anno sei --bezogen auf die üblichen [X.] völlig realitätsfern bemessen; dies gelte für die Höhe der Säumniszuschläge von 12 % pro anno --auch unter Berücksichtigung ihrer Bedeutung als "Druckmittel"-- in gleicher Weise.

Die Kläger beantragen,
das angefochtene Urteil und den Abrechnungsbescheid vom [X.] in Gestalt der [X.]inspruchsentscheidung vom 13.05.2020 aufzuheben.

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

[X.]s hält die [X.]ntscheidung des [X.] für zutreffend. Nach § 37 [X.]StG würden die festgesetzten Vorauszahlungen auch für alle künftigen Veranlagungszeiträume gelten, solange sie nicht angepasst würden. Aus dem Gesetz ergebe sich nicht, dass Vorauszahlungen zwingend jährlich mittels eines eigenständigen Bescheids anzupassen seien. In dem von den Klägern genannten Klageverfahren 3 K 2408/19 [X.] habe der Jahressteuerbescheid für 2018 den Vorauszahlungsbescheid vom 07.05.2018 lediglich hinsichtlich des Jahres 2018 ersetzt; für alle [X.] das [X.]-- sei der Vorauszahlungsbescheid unberührt geblieben.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zurückzuweisen. Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass der Abrechnungsbescheid vom 14.10.2019 in Gestalt der [X.]inspruchsentscheidung vom 13.05.2020 rechtmäßig ist.

Über Grund und Höhe von Säumniszuschlägen ist im Verfahren gegen einen entsprechenden Abrechnungsbescheid zu entscheiden (dazu unten 1.). [X.]ntgegen der Auffassung der Kläger dürfen [X.] nicht nur für das laufende Steuerjahr, sondern auch für Folgejahre erlassen werden (unten 2.). Vorliegend hat das [X.] im Vorauszahlungsbescheid vom 07.05.2018 auch eine Vorauszahlung für das 1. Quartal 2019 festgesetzt (unten 3.). Gegen die gesetzliche Regelung über die Höhe der Säumniszuschläge bestehen auch für Zeiträume ab 2019 keine verfassungsrechtlichen Bedenken (unten 4.). Die Berechnung der Höhe der Säumniszuschläge durch das [X.] im konkreten Fall ist nicht zu beanstanden (unten 5.).

1. Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf des [X.] entrichtet, so ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 % des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten (§ 240 Abs. 1 Satz 1 [X.]).

Nach § 218 Abs. 1 Satz 1 [X.] sind Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis die Steuerbescheide, die Steuervergütungsbescheide, die [X.] und die Verwaltungsakte, durch die steuerliche Nebenleistungen festgesetzt werden; bei den Säumniszuschlägen nach § 240 [X.] genügt die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands. Über Streitigkeiten, die die Verwirklichung der Ansprüche im Sinne des § 218 Abs. 1 [X.] betreffen, entscheidet nach § 218 Abs. 2 Satz 1 [X.] die Finanzbehörde durch Abrechnungsbescheid.

[X.]inwendungen gegen den Ansatz von Säumniszuschlägen dem Grunde und der Höhe nach sind mit einem Antrag auf [X.]rlass eines Abrechnungsbescheids (§ 218 Abs. 2 [X.]) geltend zu machen. Hierunter fallen auch gegen die Verfassungsmäßigkeit der Höhe des gesetzlichen Zuschlagsatzes gemäß § 240 [X.] erhobene [X.]inwendungen, denn es handelt sich insoweit um die Frage der Verfassungsmäßigkeit der einfach-rechtlichen Grundlagen des [X.]ntstehens von Säumniszuschlägen (vgl. Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 09.10.2020 - [X.]I B 162/19, [X.], 289, Rz 6).

2. [X.]ntgegen der Auffassung der Kläger dürfen [X.] nicht nur für das laufende Steuerjahr, sondern auch für Folgejahre erlassen werden.

a) Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 [X.]StG hat der Steuerpflichtige am 10. März, 10. Juni, 10. September und 10. Dezember Vorauszahlungen auf die [X.]inkommensteuer zu entrichten, die er für den laufenden Veranlagungszeitraum voraussichtlich schulden wird (§ 37 Abs. 1 Satz 1 [X.]StG). Die [X.] entsteht jeweils mit Beginn des Kalendervierteljahres, in dem die Vorauszahlungen zu entrichten sind, oder, wenn die Steuerpflicht erst im Laufe des Kalendervierteljahres begründet wird, mit Begründung der Steuerpflicht (§ 37 Abs. 1 Satz 2 [X.]StG). Das Finanzamt setzt die Vorauszahlungen durch Vorauszahlungsbescheid fest. Die Vorauszahlungen bemessen sich grundsätzlich nach der [X.]inkommensteuer, die sich nach Anrechnung der [X.] (§ 36 Abs. 2 Nr. 2) bei der letzten Veranlagung ergeben hat. Das Finanzamt kann bis zum Ablauf des auf den Veranlagungszeitraum folgenden 15. Kalendermonats die Vorauszahlungen an die [X.]inkommensteuer anpassen, die sich für den Veranlagungszeitraum voraussichtlich ergeben wird (...) (vgl. § 37 Abs. 3 Satz 1 bis 3 [X.]StG).

b) § 37 Abs. 1 [X.]StG regelt Fälligkeit und [X.]ntstehung der Vorauszahlungsschuld, § 37 Abs. 3 [X.]StG ihre Festsetzung und Anpassung.

Die Festsetzung von Vorauszahlungen dient der Sicherung eines stetigen Steueraufkommens (vgl. [X.]-Urteil vom 22.03.2011 - [X.] R 42/10, [X.], 10, [X.], 607, Rz 32) und soll eine (annähernde) Gleichstellung der Bezieher von [X.] mit denjenigen Steuerpflichtigen bewirken, die ihre Steuer durch Steuerabzug (Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer) vorauszahlen (vgl. [X.]-Urteil vom 19.10.2006 - III R 4/05, [X.], 217, [X.], 637, unter [X.]; [X.] vom 29.04.1992 - VI B 152/91, [X.], 152, [X.] 1992, 752, unter 3.b).

Der Gesetzgeber hat sich bewusst für ein Vorauszahlungssystem entschieden, das aus Vereinfachungsgründen ohne unterjährige [X.]rmittlungen des [X.]inkommens auskommt. Das geltende Vorauszahlungssystem ist nicht verfassungswidrig. [X.]s greift weder unverhältnismäßig in grundrechtlich geschützte Positionen ein noch verstößt es gegen das Gebot der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit. Das gilt zunächst für die im System angelegte und vom Gesetzgeber gewollte Nichtberücksichtigung der unterjährigen Leistungsfähigkeit. Ihr steht zum einen der Vorteil erheblicher Verwaltungsvereinfachung und [X.]ntlastung der Steuerpflichtigen gegenüber. [X.] hohe Vorauszahlungen werden außerdem durch die Möglichkeit der Anpassung in § 37 Abs. 3 Satz 3 [X.]StG grundsätzlich vermieden. Diese vom Gesetzgeber bewusst gewählte Typisierung ist nicht zuletzt unter Berücksichtigung des berechtigten öffentlichen Interesses an einer Verstetigung der Steuereinnahmen gerechtfertigt (vgl. [X.]-Urteil vom 22.11.2011 - [X.]I R 11/09, [X.], 470, [X.] 2012, 329, Rz 18 f.).

c) Aus dem Wortlaut der gesetzlichen Regelungen in § 37 [X.]StG ergibt sich nicht, dass die durch einen Bescheid festzusetzenden Vorauszahlungen allein ein einziges Kalenderjahr betreffen dürften.

Gesetzliche Vorgabe ist allein, dass sich die Höhe der Festsetzung an der voraussichtlich anfallenden [X.]inkommensteuer orientiert, also grundsätzlich an der [X.], die sich nach Anrechnung der [X.] "bei der letzten Veranlagung" ergeben hat.

Die "letzte Veranlagung" bleibt daher solange Bemessungsgrundlage für die Festsetzung von Vorauszahlungen, bis die [X.]inkommensteuer durch einen neuen Bescheid oder eine Rechtsbehelfsentscheidung geändert oder die [X.]inkommensteuer für ein nachfolgendes Kalenderjahr festgesetzt wird (vgl. [X.]/[X.], [X.]StG, 42. Aufl., § 37 Rz 15).

Schon nach der Konzeption des Gesetzes kommt somit in Betracht, dass die [X.]rgebnisse nur einer Veranlagung die Grundlage für die Festsetzung gleichbleibender Vorauszahlungen für mehr als ein Kalenderjahr darstellen.

Dies spricht für die rechtliche Möglichkeit der Finanzbehörden, Vorauszahlungen über den laufenden Veranlagungszeitraum hinaus festsetzen zu können.

Diese Vorgehensweise erscheint aufgrund praktischer [X.]rwägungen als naheliegend, wenn bereits im Zeitpunkt des [X.]rlasses des [X.] aufgrund der Umstände des [X.]inzelfalls --beispielsweise angesichts einer häufigen Nichtabgabe der [X.] zweifelhaft ist, ob es überhaupt zu einer weiteren (neueren) Veranlagung, die die [X.]rgebnisse der "letzten Veranlagung" inhaltlich ersetzen würde, kommen wird.

Aber auch unabhängig davon sieht es der Senat als sachlich gerechtfertigt an, wenn die Finanzverwaltung --in Übereinstimmung mit dem Normzweck der Verstetigung des [X.] eine Vorauszahlungsfestsetzung über den laufenden Veranlagungszeitraum hinaus vornehmen kann.

Denn dies dient der Verwaltungsvereinfachung. Andernfalls müssten jährlich inhaltsgleiche Bescheide ergehen, solange keine neue Veranlagung durchgeführt wurde (vgl. A. [X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 37 [X.]StG Rz 25; ebenfalls für die Zulässigkeit der finanzbehördlichen Praxis: [X.]/[X.]mann/[X.]ttlich, § 37 [X.]StG Rz 88; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], Kommentar, § 37 Rz 36; [X.] in [X.]/[X.], § 37 [X.]StG Rz 66; a.A.: [X.] in [X.][X.], [X.]StG, § 37 Rz D 5). Zugleich werden hierdurch auch die Interessen des Steuerpflichtigen an Rechtssicherheit und Planbarkeit gewahrt.

3. Die Vorinstanz hat --wenngleich ohne gesonderte Befassung mit diesem [X.] ihrer [X.]ntscheidung rechtsfehlerfrei zugrunde gelegt, dass in dem Bescheid vom 07.05.2018 eine [X.] auch für das 1. Quartal 2019 ([X.]inkommensteuer: 1.665 €; [X.]: 91 €) festgesetzt worden ist.

a) Der Senat ist selbst zur Auslegung des [X.]sbescheids berechtigt und verpflichtet. Bei der Prüfung der Frage, ob der Inhalt einer behördlichen [X.]rklärung einen Verwaltungsakt darstellt, ist das Revisionsgericht nicht an eine Wertung durch das [X.] gebunden. [X.]s handelt sich nicht um eine Tat-, sondern um eine Rechtsfrage. Dasselbe gilt für die Frage, welchen Inhalt der Verwaltungsakt hat (vgl. Senatsurteil vom 01.10.2015 - X R 32/13, [X.], 298, [X.] 2016, 139, Rz 33; [X.]-Urteil vom 11.07.2006 - [X.]I R 10/05, [X.], 18, [X.], 96, unter [X.] aa).

b) Das oben genannte Auslegungsergebnis ergibt sich insbesondere aus dem eindeutigen Wortlaut des Festsetzungsteils des [X.] vom [X.] Während die Festsetzung der Vorauszahlungen betreffend das [X.] "für 2017" getroffen wird, wird dieser Ausdruck hinsichtlich des Jahres 2018 nicht verwendet. [X.]s wird keine Regelung (nur) "für 2018", sondern eine Festsetzung "ab 2018", also die für ab dem [X.] beginnenden Zeiträume/Kalenderjahre, mithin auch für die Folgejahre (2019 ff.) getroffen. Außerdem erfolgt die Festsetzung ab 2018 "jeweils zum 10. März". Die Verwendung des Wortes "jeweils" hat aber nur dann einen eigenständigen Sinngehalt, wenn es für mehr als nur einen einzigen "10. März", also unter anderem auch für den 10.03.2019 gilt. Danach wurde --wie das [X.] zutreffend erkannt hat-- vorliegend auch eine zum 10.03.2019 zu zahlende Vorauszahlung festgesetzt.

c) Aus dem [X.]rläuterungsteil des Bescheids ergibt sich kein Hinweis auf einen hiervon abweichenden Regelungsgehalt.

d) Soweit die Kläger meinen, bei der Auslegung sei auch zu berücksichtigen, dass das [X.] im Rahmen des beim [X.] unter dem Aktenzeichen 3 K 2408/19 [X.] anhängigen Klageverfahrens nach [X.]rgehen des [X.] für 2018 den ursprünglich streitgegenständlichen Vorauszahlungsbescheid als "[X.]St-VZ 2018 in der Fassung vom 7.5.2018" bezeichnet habe, ist dieses Vorbringen unbeachtlich.

aa) Nach ständiger Rechtsprechung ist bei der Auslegung eines Verwaltungsakts entscheidend, wie der Betroffene nach den ihm bekannten Umständen --nach seinem "objektiven Verständnishorizont"-- den materiellen Gehalt der [X.]rklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte. Somit kommt es nicht allein darauf an, was die Finanzbehörde mit ihrer [X.]rklärung gewollt hat. Maßgebend sind auch nicht die erst nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zutage tretenden Umstände (vgl. [X.]-Urteil vom 11.07.2006 - [X.]I R 10/05, [X.], 18, [X.], 96, unter [X.] aa, m.w.N.).

Da es nach dem Vorstehenden allein auf den [X.]rklärungsgehalt nach dem objektiven [X.]mpfängerhorizont der Kläger zum Zeitpunkt des [X.]rlasses des [X.] vom 07.05.2018 ankommt, ist es in rechtlicher Hinsicht ohne Bedeutung, inwieweit das [X.] später dem Bescheid einen hiervon abweichenden Aussagegehalt beigemessen haben sollte.

bb) Im Übrigen wäre --die Richtigkeit der Angaben der Kläger hier einmal unterstellt-- allein die vom [X.] im Rahmen des beim [X.] unter dem Aktenzeichen 3 K 2408/19 [X.] anhängigen Klageverfahrens verwendete Bezeichnung des [X.] kein durchgreifender Hinweis darauf, dass das [X.] selbst mit dem Vorauszahlungsbescheid vom 07.05.2018 eine Regelung nur für den [X.]szeitraum 2018 hätte treffen wollen.

(1) Nach der [X.]-Rechtsprechung verliert ein Vorauszahlungsbescheid durch den [X.] seine Wirksamkeit, da der [X.] den Vorauszahlungsbescheid in seinen Regelungsgehalt aufnimmt. Der [X.]inkommensteuerbescheid bildet einen neuen Rechtsgrund für die Steuerzahlungen, so dass sich der [X.]inkommensteuervorauszahlungsbescheid nach § 124 Abs. 2 [X.] "auf andere Weise" erledigt hat. Der [X.]inkommensteuerbescheid ist daher die alleinige Grundlage für die Verwirklichung der Steuerschulden (vgl. [X.]-Urteil vom 22.03.2011 - [X.] R 42/10, [X.], 10, [X.], 607, Rz 17). Wird ein Vorauszahlungsbescheid während eines gegen diesen anhängigen Verfahrens durch den [X.] ersetzt, wird Letzterer gemäß § 68 Satz 1 [X.]O zum Gegenstand des Verfahrens (vgl. Senatsurteil vom 26.11.2008 - X R 15/07, [X.][X.] 223, 445, [X.] 2009, 710, unter II.3.a).

(2) Hiernach hat der [X.] für 2018 zwar den in Rede stehenden Vorauszahlungsbescheid hinsichtlich des Veranlagungszeitraums 2018 "erledigt" und in seinen Regelungsgehalt aufgenommen, nicht aber --wie das [X.] zu Recht [X.] bezüglich der weiteren im Bescheid vom 07.05.2018 enthaltenen [X.] unter anderem für das 1. Quartal des Jahres 2019.

Die insoweit angefallenen Säumniszuschläge können daher von dem [X.]rgehen des [X.] für 2018 nicht berührt sein.

e) Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass unabhängig von den dargestellten Wirkungen eines [X.]s die Rechtswirkungen erhalten bleiben, welche der Vorauszahlungsbescheid als solcher in der Vergangenheit ausgelöst hat. Zu diesen formellen Rechtswirkungen des [X.], die in der Vergangenheit eingetreten sind und von der späteren Festsetzung der Jahressteuer unberührt bleiben, gehören nicht nur auf den Vollstreckungstitel des [X.] in der Vergangenheit gestützte Vollstreckungsmaßnahmen, sondern auch die Fälligkeit von Vorauszahlungsansprüchen und die Säumnis (vgl. [X.] vom 22.08.1995 - [X.] B 107/95, [X.][X.] 178, 532, [X.] 1995, 916, unter 1.a).

Soweit vorliegend ein [X.] für 2019 ergangen sein sollte, bliebe daher der Vorauszahlungsbescheid vom 07.05.2018 Grundlage der verwirkten Säumniszuschläge (vgl. [X.] in Kirchhof/[X.], [X.]StG, 22. Aufl., § 37 Rz 28; [X.]/A. [X.], § 37 [X.]StG Rz 29).

f) Vor diesem Hintergrund können auch die von den Klägern gerügten Verfahrensfehler im Zusammenhang mit dem beim [X.] unter dem Aktenzeichen 3 K 2408/19 [X.] anhängigen Klageverfahren nicht vorliegen beziehungsweise entscheidungserheblich sein.

4. Gegen die gesetzliche Höhe des [X.] nach § 240 Abs. 1 Satz 1 [X.] bestehen auch bei einem strukturellen Niedrigzinsniveau keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

a) Der [X.]. Senat des [X.] hat mit Urteilen vom 23.08.2022 - [X.] R 21/21 ([X.][X.] 278, 1, [X.] 2023, 304, Rz 38 ff.) und vom 15.11.2022 - [X.] R 55/20 ([X.][X.] 278, 403, [X.] 2023, 621, Rz 19 ff.) für Zeiträume vor dem 01.01.2019 entschieden, dass auch bei einem strukturellen Niedrigzinsniveau gegen die in § 240 Abs. 1 Satz 1 [X.] festgelegte Höhe des [X.] keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen.

Insbesondere lassen sich den genannten Urteilen zufolge weder die vom [X.] in seinem Beschluss vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17 ([X.], 4303) herausgearbeiteten Grundsätze, nach denen die Verzinsung von [X.] und -erstattungen nach §§ 233a, 238 [X.] in Höhe von 0,5 % pro Monat für Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2014 mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar ist, auf den Säumniszuschlag übertragen, noch verstößt die Höhe des [X.] gegen das Übermaßverbot und verletzt daher auch nicht das Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG.

b) Der erkennende Senat folgt dieser Rechtsprechung und nimmt wegen der [X.]inzelheiten darauf Bezug. Zwar betreffen die genannten [X.]ntscheidungen des [X.]. Senats Zeiträume vor dem 01.01.2019. Die tragenden Gründe der vom [X.]. Senat vorgenommenen --eigenständigen-- verfassungsrechtlichen Prüfung gelten aber gleichermaßen für Zeiträume nach dem 31.12.2018.

Die genannten [X.]ntscheidungen des [X.]. Senats sind am 09.02.2023 ([X.]-Urteil vom 23.08.2022 - [X.] R 21/21, [X.][X.] 278, 1, [X.] 2023, 304) und am 30.03.2023 ([X.]-Urteil vom 15.11.2022 - [X.] R 55/20, [X.][X.] 278, 403, [X.] 2023, 621) veröffentlicht worden. Die vom III., V. und [X.]I. Senat in Verfahren der Aussetzung der Vollziehung geäußerten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Säumniszuschläge ([X.]-Beschlüsse vom 23.05.2022 - V B 4/22 (AdV), [X.][X.] 276, 535; vom 11.11.2022 - [X.]I B 64/22 (AdV), [X.][X.] 278, 36 und vom 28.12.2022 - III B 48/22 (AdV), [X.]/NV 2023, 970) sind nach Auffassung des beschließenden Senats durch die --im Hauptsacheverfahren ergangenen-- [X.]ntscheidungen des [X.]. Senats überholt.

5. Gegen die Berechnung der Säumniszuschläge durch das [X.] nach Maßgabe der gesetzlichen Regelung (vgl. § 240 [X.]) haben die Kläger keine [X.]inwände erhoben, so dass der Senat insoweit von weiteren Ausführungen absieht.

6. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

X R 30/21

23.08.2023

Bundesfinanzhof 10. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 22. April 2021, Az: 12 K 1420/20 AO, Urteil

§ 218 Abs 2 AO, § 240 Abs 1 S 1 AO, § 37 Abs 1 EStG 2009, § 37 Abs 2 S 1 EStG 2009, Art 20 Abs 3 GG, Art 3 Abs 1 GG, § 118 Abs 2 FGO, EStG VZ 2019

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.08.2023, Az. X R 30/21 (REWIS RS 2023, 9089)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9089

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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