Bundesfinanzhof, Urteil vom 26.01.2012, Az. V R 18/08

5. Senat | REWIS RS 2012, 9750

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Gegenstand

Umsatzsteuer beim Erwerb zahlungsgestörter Forderungen


Leitsatz

1. Ein Unternehmer, der aufgrund der Vorgaben des BMF-Schreibens in BStBl I 2004, 737 zahlungsgestörte Forderungen unter "Vereinbarung" eines vom Kaufpreis abweichenden "wirtschaftlichen Werts" erwirbt, erbringt an den Forderungsverkäufer keine entgeltliche Leistung .

2. Liegt beim Kauf zahlungsgestörter Forderungen keine entgeltliche Leistung an den Forderungsverkäufer vor, ist der Forderungserwerber aus Eingangsleistungen für den Forderungserwerb und den Forderungseinzug nicht zum Vorsteuerabzug nach § 15 UStG berechtigt .

3. Eine Rechnungsberichtigung lässt die Steuerschuld nach § 14c UStG nicht mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Rechnungserteilung entfallen .

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist alleinige Gesellschafterin und Organträgerin einer GmbH, die mit Kaufvertrag vom 26. Oktober 2004 von einer Bank Grundpfandrechte und Forderungen aus 70 gekündigten und fällig gestellten Darlehensverträgen erwarb.

2

Kaufgegenstand des Vertrages, den die GmbH als [X.] (im Folgenden auch Käufer oder [X.]) mit der Bank abgeschlossen hatte, waren "Grundpfandrechte sowie alle sonstigen Rechte und Ansprüche aus den in [der] Anlage [X.] aufgeführten Darlehensverträgen einschließlich der [X.], aller gegenwärtigen und/oder künftigen, bedingten und/oder befristeten Nebenforderungen wie Zinsen, Kosten und Gebühren, sämtlicher Zusatz- und Drittsicherheiten (z.B. Kautionen, Vorbehalts- und Sicherungseigentum, Anwartschaftsrecht, [X.], [X.], Verpfändungen von [X.], Bürgschaften und sonstigen Mitverpflichtungen, Schuldanerkenntnisse), insbesondere der dinglichen Sicherheiten, aller Titel und aller sonstigen im Zusammenhang mit den jeweiligen Darlehensverträgen stehenden Unterlagen wie Urkunden, Kundenakten, Korrespondenz und evtl. sonstigen Geschäftsunterlagen (im Folgenden zusammen als die 'verkauften Gegenstände' bezeichnet)".

3

Der Vertrag sah eine Rückbeziehung auf einen Stichtag (29. April 2004) vor, ab dem die "verkauften Gegenstände" für Rechnung und Risiko des Käufers "geführt bzw. gehalten" wurden. Zahlungen auf die "verkauften Gegenstände", die nach dem Stichtag erfolgten, sollten dem Käufer zustehen. Nach dem Vertrag war eine Haftung des Verkäufers für die Einbringlichkeit der Forderungen (Delkredererisiko) und den wirtschaftlichen Wert der Sicherheiten ausdrücklich ausgeschlossen.

4

Zum Stichtag 29. April 2004 belief sich der Nennwert der verkauften Forderungen aus den 70 Darlehensverträgen auf ... €.

5

Aufgrund eines Schreibens des [X.] ([X.]) vom 3. Juni 2004 [X.] 7104- 18/04 ([X.], 737), das zur Umsetzung des Urteils des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) vom 26. Juni 2003 [X.]/01, [X.] (Slg. 2003, [X.], [X.], 688) und des Folgeurteils des [X.] ([X.]) vom 4. September 2003 [X.] ([X.]E 203, 209, [X.], 667) ergangen ist, trafen die Parteien des [X.] eine Regelung zum sog. wirtschaftlichen Nennwert der verkauften Forderungen. Die Parteien des Kaufvertrages gingen insoweit davon aus, dass der "voraussichtlich realisierbare Teil der Forderungen aufgrund der erheblichen Zahlungsstörungen deutlich unter dem Nennwert liegt und ... € beträgt" (entspricht 57,8 %).

6

Die Vertragsparteien waren weiter der Auffassung, dass "der realisierbare Teil der abgetretenen Forderungen wegen der durchzuführenden [X.] und Zwangsverwaltungsmaßnahmen über einen Zeitraum von ca. drei Jahren realisiert werden muss". Im Hinblick hierauf und aufgrund eines von den Parteien angenommenen Zinssatzes von 5,97 % ergab sich nach Ansicht der Vertragsparteien eine Kreditgewährung des Käufers an den Verkäufer mit einem Zinsanteil von ... €, der zu einem abgezinsten wirtschaftlichen Nennwert von ... € (entspricht 54,2 %) führte.

7

Der Kaufpreis für die Forderungen betrug 8.034.883 € (entspricht 51,8 %). Die Parteien waren der Auffassung, dass der [X.] an den [X.] keine umsatzsteuerpflichtige Leistung erbringt. Für den Fall einer abweichenden Beurteilung durch die Finanzverwaltung gingen die Parteien davon aus, dass die Differenz zwischen dem abgezinsten wirtschaftlichen Nennwert und dem Kaufpreis als Gegenleistung anzusehen sei.

8

Nach dem Kaufvertrag war keine nachträgliche Kaufpreisanpassung vorzunehmen, "wenn sich bei [X.] Betrachtung herausstellen sollte, dass der realisierbare Teil der Forderungen höher oder niedriger ausfallen sollte oder die Realisierung der Forderungen schneller oder langsamer möglich ist", als im Vertrag angenommen.

9

Dem Kaufvertrag entsprechend informierte die Bank durch sog. "good bye letters" über Verkauf und Abtretung der Forderungen.

Die Klägerin gab für den Voranmeldungszeitraum Oktober 2004 eine Umsatzsteuer-Voranmeldung ab, in der sie --entsprechend dem [X.]-Schreiben in [X.], 737, aber entgegen ihrer eigenen Rechtsauffassung-- die Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem abgezinsten wirtschaftlichen Nennwert als Vergütung für eine umsatzsteuerpflichtige Leistung an den Verkäufer der Forderung ansah. Dementsprechend behandelte sie den Abschlag von ... € als Gegenleistung, so dass sich ein Entgelt von ... € und eine Umsatzsteuerschuld von ... € ergab.

Die Klägerin erhob gegen ihre Umsatzsteuer-Voranmeldung Einspruch. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) wies den Einspruch als unbegründet zurück. Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Finanzgericht ([X.]). Während des [X.]-Verfahrens erging der [X.] 2004 vom 24. Mai 2006, den das [X.] durch Bescheid vom 9. August 2007 änderte. Beide Bescheide wurden gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) Gegenstand des Klageverfahrens.

Das [X.] gab der Klage mit seinem in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2008, 887 veröffentlichten Urteil statt. Anders als beim echten Factoring führe die Übertragung zahlungsgestörter Forderungen nicht zu einer umsatzsteuerpflichtigen Leistung an den Verkäufer.

Hiergegen wendet sich das [X.] mit der Revision, die es auf die Verletzung materiellen Rechts stützt.

Der Senat hat mit Beschluss vom 10. Dezember 2010 [X.] ([X.]E 227, 528, [X.], 654) das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem [X.] folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

"1. Zur Auslegung von Art. 2 Nr. 1 und Art. 4 der [X.]/[X.]:

Liegt beim Verkauf (Kauf) zahlungsgestörter Forderungen aufgrund der Übernahme von Forderungseinzug und Ausfallrisiko auch dann eine entgeltliche Leistung und eine wirtschaftliche Tätigkeit des [X.]s vor, wenn sich der Kaufpreis

-       nicht nach dem Nennwert der Forderungen unter Vereinbarung eines pauschalen Abschlags für die Übernahme von Forderungseinzug und des Ausfallrisikos bemisst, sondern

-       nach dem für die jeweilige Forderung geschätzten Ausfallrisiko richtet und dem Forderungseinzug im Verhältnis zu dem auf das Ausfallrisiko entfallenden Abschlag nur untergeordnete Bedeutung zukommt?

2. Falls Frage 1 zu bejahen ist, zur Auslegung von Art. 13 Teil [X.]. d Nr. 2 und 3 der [X.]/[X.]:

a)      Ist die Übernahme des Ausfallrisikos durch den [X.] beim Erwerb zahlungsgestörter Forderungen zu einem erheblich unter dem Nennwert der Forderungen liegenden Kaufpreis als Gewährung einer anderen Sicherheit oder Garantie steuerfrei?

b)      Falls eine steuerfreie Risikoübernahme vorliegt:

Ist der Forderungseinzug als Teil einer einheitlichen Leistung oder als Nebenleistung steuerfrei oder als eigenständige Leistung steuerpflichtig?

3. Falls Frage 1 zu bejahen ist und keine steuerfreie Leistung vorliegt, zur Auslegung von Art. 11 Teil [X.]. a der [X.]/[X.]:

Bestimmt sich das Entgelt für die steuerpflichtige Leistung nach den von den Parteien vermuteten oder nach den tatsächlichen Einziehungskosten?"

Der [X.] hat in seinem Urteil vom 27. Oktober 2011 [X.], [X.] ([X.], 933, [X.] Steuerrecht --DStR-- 2011, 2093) nur eine Antwort auf die erste Frage für erforderlich gehalten und diese wie folgt beantwortet:

"Art. 2 Nr. 1 und Art. 4 der ... [X.]/[X.] ... sind dahin auszulegen, dass ein Wirtschaftsteilnehmer, der auf eigenes Risiko zahlungsgestörte Forderungen zu einem unter ihrem Nennwert liegenden Preis kauft, keine entgeltliche Dienstleistung im Sinne von Art. 2 Nr. 1 dieser Richtlinie erbringt und keine in ihren Geltungsbereich fallende wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, wenn die Differenz zwischen dem Nennwert dieser Forderungen und deren Kaufpreis den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert der betreffenden Forderungen zum Zeitpunkt ihrer Übertragung widerspiegelt."

Das [X.] geht davon aus, dass auch unter Berücksichtigung des [X.]-Urteils [X.] in [X.] 2011, 933, [X.], 2093 eine steuerpflichtige Leistung der Klägerin vorliege. Die Differenz zwischen dem wirtschaftlichen Wert der Forderungen und dem Kaufpreis in Höhe von ... € habe sich nicht auf eine Wertminderung der Forderungen bezogen. Es habe sich daher insoweit um eine Gegenleistung für eine an den [X.] erbrachte Leistung gehandelt, da im Hinblick auf diesen Betrag eine Veräußerung unter dem von den Parteien angenommenen wirtschaftlichen Wert vorliege. Die dem Verkäufer erbrachte Dienstleistung bestehe in der Übernahme des [X.]. Für die Annahme einer Gegenleistung komme es nicht darauf an, dass diese als Gebühr bezeichnet werde. Die Gegenleistung bestehe darin, dass der [X.] auf einen Teil des wirtschaftlichen Werts der Forderungen verzichtet habe, wie sich bei zutreffender Interpretation des [X.]-Urteils ergebe.

Das [X.] beantragt,

das Urteil des [X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Parteien des Kaufvertrages hätten eine "Differenz" zwischen dem (abgezinsten) wirtschaftlichen Wert und dem Kaufpreis nur im Hinblick auf die Anforderungen der Finanzverwaltung im Vertrag ausgewiesen. Es habe keine Verpflichtung bestanden, gegenüber der [X.]in Dienstleistungen zu erbringen. Trotz des nichtwirtschaftlichen Charakters des Forderungserwerbs sei sie aus den Aufwendungen, die ihr im Zusammenhang mit dem Erwerb der streitigen Forderungen entstanden seien, zum Vorsteuerabzug berechtigt. Hierfür spreche, dass sie diese Leistungen nicht nur für den Forderungserwerb, sondern auch für den Forderungseinzug bezogen habe. Dem Forderungseinzug wurde im Ertragsteuerrecht gewerblicher und damit unternehmerischer, nicht aber vermögensverwaltender Charakter beigemessen. Eine ansonsten gebotene Vorsteueraufteilung habe im Streitfall nach § 43 Nr. 1 der [X.] (UStDV) zu unterbleiben. Im Übrigen werde sie "den in der Rechnung bislang ausgewiesenen Steuerbetrag von ... € unter Beachtung der weiteren Voraussetzungen des § 14c UStG entsprechend § 17 Abs. 1 UStG berichtigen".

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des [X.] ist im Ergebnis begründet. Das Urteil des [X.] ist aufzuheben und die Sache an das [X.] zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 [X.]O). Zwar hat das [X.] zu Recht entschieden, dass die Klägerin mit dem Ankauf der Forderungen keine steuerpflichtige Leistung an den [X.] erbracht hat. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif, da das [X.] keine Feststellungen zur Frage eines Steuerausweises in einer Rechnung und zum Vorsteuerabzug getroffen hat.

1. Wie das [X.] zu Recht entschieden hat, erbrachte die Klägerin als Organträgerin der GmbH mit dem Erwerb der zahlungsgestörten Forderungen keine steuerpflichtige Leistung an den [X.].

Der [X.] hat im Urteil [X.] in [X.] 2011, 933, [X.], 2093 die erste Vorlagefrage des erkennenden Senats, ob beim Verkauf (Kauf) zahlungsgestörter Forderungen aufgrund der Übernahme von Forderungseinzug und Ausfallrisiko auch dann eine entgeltliche Leistung und eine wirtschaftliche Tätigkeit des Forderungskäufers vorliegt, wenn sich der Kaufpreis nach dem für die jeweilige Forderung geschätzten Ausfallrisiko richtet und dem Forderungseinzug im Verhältnis zu dem auf das Ausfallrisiko entfallenden Abschlag nur untergeordnete Bedeutung zukommt, mit der Begründung verneint, dass im "Ausgangsverfahren ..., anders als in dem Rechtsstreit, zu dem das Urteil [X.]-Kraftfahrzeuge-Factoring ergangen ist, der Erwerber der Forderungen vom Veräußerer keine Gegenleistung [erhält], so dass er weder eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Art. 4 der [X.] ausübt noch eine Dienstleistung im Sinne von Art. 2 Nr. 1 dieser Richtlinie erbringt" (Rdnr. 22), dass anders "als bei der [X.] und der [X.], die der Factor in dem Rechtsstreit, zu dem das Urteil [X.]-Kraftfahrzeuge-Factoring ergangen ist, erhielt, ... diese Differenz im Ausgangsrechtsstreit jedoch keine Vergütung dar[stellt], mit der unmittelbar eine vom Käufer der veräußerten Forderungen erbrachte Dienstleistung entgolten werden soll" (Rdnr. 24) und dass die "Differenz zwischen dem Nennwert der übertragenen Forderungen und deren Kaufpreis ... nicht die Gegenleistung für eine solche Dienstleistung dar [stellt], sondern den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert dieser Forderungen zum Zeitpunkt ihrer Übertragung wider[spiegelt], der auf die [X.] und ein erhöhtes Risiko des Ausfalls der Schuldner zurückzuführen ist" (Rdnr. 25).

Der [X.] hat damit in Kenntnis aller den Streitfall betreffenden Umstände eine entgeltliche Leistung abgelehnt. Zwar steht das Fehlen einer entgeltlichen Leistung und einer wirtschaftlichen Tätigkeit nach dem Leitsatz des [X.]-Urteils unter dem Vorbehalt, dass "die Differenz zwischen dem Nennwert dieser Forderungen und deren Kaufpreis den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert der betreffenden Forderungen zum Zeitpunkt ihrer Übertragung widerspiegelt". Aus dem --neben dem abgezinsten wirtschaftlichen [X.] vereinbarten Abschlag lässt sich aber nicht ableiten, dass die Parteien einen Forderungskauf zu einem unter dem tatsächlichen wirtschaftlichen Wert liegenden Kaufpreis vereinbaren wollten. Die Vereinbarung eines wirtschaftlichen Werts und des vom [X.] als Entgelt angesehenen Abschlags erfolgte erst und nur aufgrund der Vorgaben der Finanzverwaltung (vgl. BMF-Schreiben in [X.], 737, und später Abschn. 2.4 Abs. 8 des [X.]), wie der Senat in seinem Vorlagebeschluss in [X.], 528, [X.], 654, unter [X.] (3) ausführlich dargelegt hat. Die gegenteilige Verwaltungsauffassung ist mit dem [X.]-Urteil [X.] in [X.] 2011, 933, [X.], 2093 nicht vereinbar.

2. Das Urteil des [X.] war gleichwohl aufzuheben, da die Sache im Hinblick auf den in Frage stehenden Steuerausweis in einer Rechnung und den Vorsteuerabzug nicht spruchreif ist.

a) Hat die Klägerin für den Erwerb der Forderungen eine Rechnung mit Steuerausweis erteilt, schuldet sie die in dieser Rechnung ausgewiesene Steuer nach § 14c des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Eine Rechnungsberichtigung wäre entgegen der Auffassung der Klägerin nur zu berücksichtigen, wenn sie noch im Streitjahr erfolgt wäre. Eine erst spätere Rechnungsberichtigung wirkt nicht auf den Zeitpunkt der Rechnungserteilung zurück (BFH-Urteil vom 1. Februar 2001 [X.], [X.], 493, [X.] 2003, 673, Leitsatz 3).

Hieran hat sich durch das [X.]-Urteil vom 15. Juli 2010 [X.], [X.] ([X.], 1475) nichts geändert. Denn dieses Urteil betrifft nur die Frage, ob eine Rechnungsberichtigung für Zwecke des Vorsteuerabzugs auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung zurückwirkt, ist demgegenüber aber für die sich aus § 14c UStG ergebende Steuerschuld ohne Bedeutung. Wie sich aus der ausdrücklichen Verweisung in § 14c UStG auf § 17 Abs. 1 UStG ergibt, wirkt die Rechnungsberichtigung erst für den Besteuerungszeitraum der Berichtigung ohne Rückwirkung auf den Besteuerungszeitraum der Rechnungserteilung. Jede andere Auslegung wäre mit dem Normzweck des § 14c UStG, einer Gefährdung des Steueraufkommens durch einen unzutreffenden Steuerausweis in Rechnungen entgegenzuwirken (vgl. hierzu Senatsurteil vom 17. Februar 2011 [X.], [X.], 94, [X.] 2011, 734), nicht zu vereinbaren.

Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass der von der GmbH abgeschlossene Vertrag über den Kauf der Forderungen die Anforderungen an eine Rechnung i.S. von § 14c UStG (vgl. auch insoweit das Senatsurteil in [X.], 94, [X.] 2011, 734) mangels Leistungsbeschreibung nicht erfüllt.

b) Sollte im Streitfall keine Steuerschuld nach § 14c UStG vorliegen, ist zu prüfen, ob die Klägerin im Streitjahr einen Vorsteuerabzug (§ 15 UStG) für den Erwerb der Forderungen und deren Einziehung zu Unrecht in Anspruch genommen hat.

aa) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen.

Bei richtlinienkonformer Auslegung entsprechend Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der [X.] des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/[X.] ([X.]/[X.]) setzt der Vorsteuerabzug voraus, dass der Unternehmer die bezogene Leistung für sein Unternehmen (§ 2 Abs. 1 UStG, Art. 4 der [X.]/[X.]) und damit für seine wirtschaftliche Tätigkeit zur Erbringung entgeltlicher Leistungen zu verwenden beabsichtigt (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 9. Dezember 2010 [X.], [X.], 243, [X.] 2012, 53, unter [X.]; vom 13. Januar 2011 [X.], [X.], 261, [X.] 2012, 61, unter [X.]; vom 27. Januar 2011 [X.]/09, [X.], 278, [X.] 2012, 68, unter II.2., und vom 3. März 2011 [X.], [X.], 274, [X.] 2012, 74, unter [X.]).

Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats, der bereits in der Vergangenheit für den Vorsteuerabzug auf die Absicht abgestellt hat, die bezogene Leistung für eine wirtschaftliche Tätigkeit und damit für gegen Entgelt erbrachte Leistungen zu verwenden (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 28. November 2002 [X.], [X.], 440, [X.] 2003, 443, unter [X.], und vom 6. September 2007 [X.], [X.], 1710, unter [X.]) und der [X.]-Rechtsprechung, nach der wirtschaftliche Tätigkeiten i.S. von Art. 4 Abs. 2 der [X.]/[X.] dann vorliegen, wenn der Steuerpflichtige (Unternehmer) Leistungen erbringt, die nach Art. 2 Nr. 1 der [X.]/[X.] der Mehrwertsteuer unterliegen ([X.]-Urteil [X.] in [X.]. 2003, [X.], [X.] 2004, 688 [X.]. 41 und 46 f.).

bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin reicht es zur Begründung der für den Vorsteuerabzug erforderlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nicht aus, dass die Klägerin beabsichtigte, durch den Forderungseinzug Einnahmen zu erzielen. Denn wirtschaftliche Tätigkeiten setzen die Erbringung entgeltlicher Leistungen voraus; diese liegen nur vor, wenn zwischen dem Unternehmer und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, das einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt begründet, so dass das Entgelt als Gegenwert für die Leistung anzusehen ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 5. Dezember 2007 [X.], [X.], 455, [X.] 2009, 486, unter [X.]a, m.w.N. zur Rechtsprechung von [X.] und BFH).

Der Einzug von Forderungen, die die Klägerin --als Organträgerin der [X.] nicht im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit erworben hat (s. oben [X.]), erfolgte ebenso wie der Erwerb nicht im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit, da die Klägerin mit dem Forderungseinzug keine Leistung gegenüber einer anderen Person erbrachte und dem eingezogenen Forderungsbetrag darüber hinaus auch kein Entgeltcharakter zukam. Ob insoweit nach ertragsteuerrechtlichen Grundsätzen eine gewerbliche Tätigkeit vorliegt, ist für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung unerheblich. Die Klägerin ist daher weder für den Forderungserwerb noch für den Forderungseinzug zum Vorsteuerabzug berechtigt.

cc) Gegenteiliges ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht aus § 43 Nr. 1 UStDV. Danach sind "Umsätze von Geldforderungen, denen zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze des Unternehmers zugrunde liegen" nur dann vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, "wenn sie diesen Umsätzen ausschließlich zuzurechnen sind". Die Vorschrift kann einen Vorsteuerabzug ermöglichen, wenn ein Unternehmer z.B. Forderungen aus seinen steuerpflichtigen Umsatzgeschäften steuerfrei verkauft und abtritt. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen aber im Streitfall nicht vor, da die Klägerin weder beim Erwerb (s. oben [X.]) noch bei der Einziehung (s. oben [X.]) der zahlungsgestörten Forderungen zum Vorsteuerabzug berechtigende Leistungen ausgeführt hat.

Meta

V R 18/08

26.01.2012

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 15. Februar 2008, Az: 1 K 3682/05 U, Urteil

§ 1 Abs 1 Nr 1 UStG 1999, § 2 Abs 1 UStG 1999, § 14c UStG 1999, § 15 Abs 1 Nr 1 UStG 1999, Art 2 EWGRL 388/77, Art 4 EWGRL 388/77, Art 17 Abs 2 Buchst a EWGRL 388/77

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 26.01.2012, Az. V R 18/08 (REWIS RS 2012, 9750)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9750

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