Bundesfinanzhof, Urteil vom 15.05.2012, Az. XI R 28/10

11. Senat | REWIS RS 2012, 6459

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Gegenstand

Keine steuerfreie Kreditgewährung bei echter Factoring-Leistung - Behandlung mehrerer zusammenhängender Leistungen als eine Gesamtleistung


Leitsatz

Kauft ein Unternehmer Honorarforderungen von Ärzten gegen ihre Patienten unter Übernahme des Ausfallrisikos (sog. echtes Factoring) gegen sofortige Zahlung des vereinbarten Kaufpreises, liegt auch dann keine steuerfreie Kreditgewährung des Unternehmers (Factors) an die Ärzte vor, wenn der Unternehmer in der zugrunde liegenden Kaufpreisvereinbarung und in den Abrechnungen neben den Factoringgebühren getrennt einen sog. pauschalen Vorfinanzierungszins ausweist .

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, kaufte im Streitjahr 2004 Honorarforderungen von Ärzten gegen ihre Patienten.

2

Na[X.]h den formularmäßigen Abre[X.]hnungsvereinbarungen der Klägerin mit den Ärzten war Vertragsgegenstand der "Verkauf von Forderungen der Praxis". Die Ärzte übermittelten die entspre[X.]henden Abre[X.]hnungsunterlagen für den einzelnen Patienten an die Klägerin und boten dieser hierdur[X.]h die jeweilige Forderung zum Kauf an. Das Kaufangebot galt als angenommen, wenn die Klägerin die Annahme ni[X.]ht innerhalb von zehn Tagen ablehnte. Na[X.]h Eingang der Daten s[X.]hrieb die Klägerin den Kaufpreis für die Forderung dem bei ihr für den jeweiligen Arzt geführten Konto gut. Das Guthaben war für den Arzt jederzeit abrufbar. [X.] die Klägerin das Kaufangebot ab, wurde das Konto des betroffenen Arztes entspre[X.]hend belastet. Mit der Annahme des Kauf- und Abtretungsangebots ging das Risiko der Uneinbringli[X.]hkeit begründeter Forderungen grundsätzli[X.]h auf die Klägerin über.

3

Die zwis[X.]hen der Klägerin und dem jeweiligen Arzt ges[X.]hlossene Abre[X.]hnungsvereinbarung enthielt u.a. folgende Regelung:

4

           

"3. Kaufpreis und Zahlung

Der Kaufpreis entspri[X.]ht dem Re[X.]hnungsendbetrag abzügli[X.]h

a)    

1,50 % [bzw. 1,70 % - je na[X.]h Stand der Vereinbarung] vom Re[X.]hnungsendbetrag [X.] der gesetzli[X.]hen Mehrwertsteuer,

b)    

1,00 % vom Re[X.]hnungsendbetrag (paus[X.]haler Vorfinanzierungszins bei einer dur[X.]hs[X.]hnittli[X.]hen Rü[X.]kzahlungsdauer der Patientenforderungen von 45 Tagen und einem [X.]satz von 8,00 %) und

[X.])    

1,45 € Bearbeitungsgebühr pro Re[X.]hnung sowie 0,72 € Portogebühr pro Re[X.]hnung jeweils [X.] der gesetzli[X.]hen Mehrwertsteuer."

5

Die Klägerin wies in ihren Abre[X.]hnungen gegenüber den Ärzten die Gebühren (3.a und [X.] der Abre[X.]hnungsvereinbarungen) und die Vorfinanzierungszinsen (3.b der Abre[X.]hnungsvereinbarungen) getrennt aus.

6

Sie behandelte in ihren Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die Voranmeldungszeiträume Juli bis Dezember 2004 und in ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2004 die Umsätze aus den [X.] erstmals als (insgesamt) steuerpfli[X.]htig. Dies ges[X.]hah aufgrund des Urteils des Geri[X.]htshofs der [X.] ([X.]) vom 26. Juni 2003 [X.]/01 [X.] (Slg. 2003, [X.], [X.], 688) und des Folgeurteils des [X.] ([X.]) vom 4. September 2003 V R 34/99 ([X.]E 203, 209, [X.], 667) sowie aufgrund des zur Umsetzung dieser Urteile ergangenen S[X.]hreibens des [X.] ([X.]) vom 3. Juni 2004 IV B 7 –S 7104- 18/04 (BStBl I 2004, 737).

7

Mit S[X.]hreiben vom 18. September 2006 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --[X.]--), die Umsatzsteuerfestsetzung für das Streitjahr 2004 na[X.]h § 164 der Abgabenordnung ([X.]) zu ändern und hierbei die Entgelte für die Vorfinanzierung steuerfrei zu belassen. Sie vertrat die Ansi[X.]ht, die Vorfinanzierungsgebühren seien die Gegenleistung für eine na[X.]h § 4 Nr. 8 Bu[X.]hst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfreie Kreditgewährung. Das [X.] lehnte diesen Antrag mit Bes[X.]heid vom 20. September 2006 ab. Der hiergegen eingelegte Einspru[X.]h hatte keinen Erfolg (Einspru[X.]hsents[X.]heidung vom 16. Mai 2007).

8

Das Finanzgeri[X.]ht ([X.]) wies die si[X.]h ans[X.]hließende Verpfli[X.]htungsklage dur[X.]h Geri[X.]htsbes[X.]heid (§ 90a Abs. 1 der Finanzgeri[X.]htsordnung --[X.]O--) als unbegründet ab.

9

Die Klägerin habe steuerbare Leistungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG gegen Entgelt in Form eines e[X.]hten Fa[X.]torings an die Ärzte erbra[X.]ht. Sie habe die Ärzte von der Verwaltung und Einziehung der Forderungen entlastet sowie das Ausfallrisiko übernommen und ihnen einen Liquiditätsvorteil gewährt.

Die Leistungen seien ni[X.]ht insoweit na[X.]h § 4 Nr. 8 Bu[X.]hst. a UStG steuerfrei, als die Klägerin den Ärzten einen Liquiditätsvorteil zugewandt habe. Für die Beurteilung einer steuerfreien Kreditgewährung komme es maßgebli[X.]h darauf an, was die an dem Fa[X.]toring Beteiligten wirts[X.]haftli[X.]h gewollt und vertragli[X.]h vereinbart sowie letztli[X.]h dur[X.]hgeführt hätten. Die Ärzte hätten si[X.]h der Verwaltung und Einziehung der Forderungen entledigen wollen und seien bereit gewesen, hierfür eine bestimmte Gegenleistung zu entri[X.]hten. Der Liquiditätsvorteil, der den Ärzten dadur[X.]h entstanden sei, dass sie den geminderten Kaufpreis der Forderung bereits vor deren Einziehung erhalten hätten, sei einem Forderungsges[X.]häft der vorliegenden Art stets immanent.

In der bloßen Entgeltbere[X.]hnung na[X.]h Ziffer 3 Satz 1 Bu[X.]hst. b der Abre[X.]hnungsvereinbarung sei keine gesonderte Vereinbarung einer Kreditgewährung zu sehen.

Mit der vom [X.] zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Re[X.]hts. Die mit der Vorfinanzierung verbundene Gewährung von [X.] sei als Kreditgewährung na[X.]h § 4 Nr. 8 Bu[X.]hst. a UStG steuerfrei.

Die umsatzsteuerre[X.]htli[X.]he Bemessungsgrundlage für die Fa[X.]toring-Leistung sei gemäß Abs[X.]hn. 18 Abs. 12 der [X.] ([X.]) 2008 --nunmehr Abs[X.]hn. 2.4. Abs. 6 des [X.] (UStAE) vom 1. Oktober 2010 (BStBl I 2010, 846)-- die Differenz zwis[X.]hen dem Nennwert der abgetretenen Forderung und dem Betrag, den der Fa[X.]tor dem [X.] als Preis für diese Forderung zahle, abzügli[X.]h der in dem Differenzbetrag enthaltenen Umsatzsteuer. Sie mindere si[X.]h jedo[X.]h, soweit das Entgelt auf eine Kreditgewährung entfalle und diese als eigenständige Hauptleistung anzusehen sei.

Die Kreditgewährung im Rahmen eines Fa[X.]torings könne dann als eigenständige Hauptleistung beurteilt werden, wenn sie eigene wirts[X.]haftli[X.]he Bedeutung habe (Abs[X.]hn. 18 Abs. 11 Satz 5 [X.] 2008 --nunmehr Abs[X.]hn. 2.4. Abs. 4 Satz 5 UStAE--). Hiervon sei insbesondere dann auszugehen, wenn die Voraussetzungen des Abs[X.]hn. 29a Abs. 2 [X.] 2008 --nunmehr Abs[X.]hn. 3.11. Abs. 2 UStAE-- erfüllt seien (Abs[X.]hn. 18 Abs. 11 Satz 6 [X.] 2008 --nunmehr Abs[X.]hn. 2.4. Abs. 4 Satz 6 UStAE--). Eine Kreditgewährung sei hierna[X.]h als gesonderte Leistung anzusehen, wenn eine eindeutige Trennung zwis[X.]hen dem Kreditges[X.]häft und der sonstigen Leistung vorliege. Eine sol[X.]he eindeutige Trennung nehme die Finanzverwaltung insbesondere an, wenn (a) sonstige Leistung und Kreditgewährung mit den dafür aufzuwendenden Entgelten bei Abs[X.]hluss des [X.] gesondert vereinbart würden, (b) in der Vereinbarung über die Kreditgewährung der [X.] angegeben werde und ([X.]) eine gesonderte Abre[X.]hnung der Kreditgewährung erfolge (Abs[X.]hn. 29a Abs. 2 Satz 2 [X.] 2008 --nunmehr Abs[X.]hn. 3.11. Abs. 2 Satz 2 UStAE--). Diese Kriterien seien im Streitfall erfüllt. Ziffer 3 Satz 1 Bu[X.]hst. b der Abre[X.]hnungsvereinbarung nenne die notwendigen Bestandteile einer Darlehensvereinbarung, die dur[X.]h die Bezifferung der Forderung vervollständigt werde. Entgegen der Auffassung des [X.] liege hierin ni[X.]ht nur eine Bere[X.]hnung des Entgelts.

Bei wirts[X.]haftli[X.]her Betra[X.]htung aus Si[X.]ht des Leistungsempfängers könne vorliegend ni[X.]ht von einer untergeordneten Bedeutung der Kreditgewährung ausgegangen werden. Erst der kurzfristig errei[X.]hbare Liquiditätsvorteil ma[X.]he es für Ärzte attraktiv, die Forderungen zum Einzug zu übertragen. Vor dem Hintergrund der generell anzunehmenden Kostentragung dur[X.]h einen Versi[X.]herer sei die steuerpfli[X.]htige Einziehung und Übernahme des Ausfallrisikos für das erbra[X.]hte Leistungsbündel ni[X.]ht prägend. Der Vorfinanzierung sei als glei[X.]hwertige Leistung eine eigenständige Bedeutung beizumessen.

Au[X.]h § 8 Nr. 1 Bu[X.]hst. a des [X.] ([X.]) sei zu entnehmen, dass der Verkauf einer Forderung stets eine Kreditgewährung beinhalte.

Das [X.] hätte na[X.]h der Re[X.]htspre[X.]hung des [X.], wona[X.]h jeder Umsatz in der Regel als eine eigene Leistung zu betra[X.]hten sei, keine einheitli[X.]he Leistung annehmen dürfen. Einziehung und Kreditgewährung seien keine einheitli[X.]he Leistung, deren Aufspaltung wirkli[X.]hkeitsfremd wäre.

Die Klägerin beantragt, die Vorents[X.]heidung sowie den Ablehnungsbes[X.]heid vom 20. September 2006 in Gestalt der Einspru[X.]hsents[X.]heidung vom 16. Mai 2007 aufzuheben und das [X.] zu verpfli[X.]hten, die Umsatzsteuer für das Streitjahr 2004 ausgehend von steuerpfli[X.]htigen Umsätzen in Höhe von ... € und abziehbaren Vorsteuerbeträgen von ... € festzusetzen.

Das [X.] beantragt, die Revision zurü[X.]kzuweisen.

Die mit dem Fa[X.]toring einhergehende Kreditgewährung sei vorliegend von untergeordneter Bedeutung. Sie teile als Nebenleistung das umsatzsteuerre[X.]htli[X.]he S[X.]hi[X.]ksal der Hauptleistung.

Eine Kreditgewährung könne nur dann als eigenständige Hauptleistung beurteilt werden, wenn sie eine eigene wirts[X.]haftli[X.]he Bedeutung habe. Hiervon sei insbesondere auszugehen, wenn [X.] als hier-- die Voraussetzungen na[X.]h Abs[X.]hn. 29a Abs. 2 Satz 2 [X.] 2008 --nunmehr Abs[X.]hn. 3.11. Abs. 2 Satz 2 UStAE-- erfüllt seien. Der Vorfinanzierungszins sei vorliegend stets paus[X.]hal mit einem Prozent des Re[X.]hnungsendbetrags angesetzt worden und lasse die tatsä[X.]hli[X.]hen Zahlungszeiten oder einen Zahlungsausfall unberü[X.]ksi[X.]htigt. Der Zinsanteil stelle si[X.]h damit als feste kalkulatoris[X.]he Größe im Rahmen des gesamten Entgelts und ni[X.]ht als gesonderte Vereinbarung von Kreditzinsen dar.

Na[X.]h den Grundsätzen zur Abgrenzung von Haupt- und Nebenleistungen könne vorliegend der Kreditgewährung keine eigenständige Bedeutung beigemessen werden. Dies gelte au[X.]h hinsi[X.]htli[X.]h der von der Klägerin angeführten wirts[X.]haftli[X.]hen Betra[X.]htungsweise.

Entscheidungsgründe

II. Die gemäß § 90a Abs. 2 Satz 2 [X.]O zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Sie war daher nach § 126 Abs. 2 [X.]O zurückzuweisen.

Das [X.] hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass der Antrag der Klägerin auf Erlass eines [X.] für das Streitjahr 2004 nach § 164 Abs. 2 AO dahingehend, dass neben den umsatzsteuerpflichtigen echten [X.] eigenständige nach § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG umsatzsteuerfreie Kreditgewährungen berücksichtigt werden, zu Recht abgelehnt wurde. Denn die Klägerin hat vorliegend den Ärzten keine Kredite gewährt.

1. Die Klägerin erbrachte mit dem Erwerb und der Einziehung von Forderungen unter Übernahme des Ausfallrisikos umsatzsteuerbare Leistungen an die Ärzte.

a) Die Voraussetzungen für eine steuerbare Leistung gegen Entgelt i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG und Art. 2 Nr. 1 der [X.]/[X.] des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/[X.]) sind beim echten Factoring --wie hier-- erfüllt, wenn im Zusammenhang mit der Abtretung von Forderungen der Factor den sog. [X.] (hier: den jeweiligen Arzt) von der Einziehung der Forderungen sowie von dem Risiko ihrer Nichterfüllung entlastet und hierfür eine Vergütung erhält (vgl. [X.]. 2003, [X.], [X.], 688, Rz 49; vom 27. Oktober 2011 [X.]/10 --GFKL--, [X.] --[X.]-- 2011, 933, [X.] Steuerrecht --DStR-- 2011, 2093, Rz 20; unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung [X.]-Urteil in [X.], 209, [X.], 667, unter [X.]).

Dagegen erbringt ein Unternehmer, der auf eigenes Risiko sog. zahlungsgestörte Forderungen (s. dazu BMF-Schreiben in [X.], 737, IV Tz 12; Abschn. 18 Abs. 12 Satz 5 ff. [X.] 2008; Abschn. 2.4. Abs. 7 und 8 UStAE) zu einem unter ihrem Nennwert liegenden Preis kauft, keine entgeltliche Leistung i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG und Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/[X.], wenn die Differenz zwischen dem Nennwert dieser Forderungen und deren Kaufpreis den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert der betreffenden Forderungen zum Zeitpunkt ihrer Übertragung widerspiegelt (vgl. [X.]-Urteil in [X.] 2011, 933, [X.], 2093, Rz 26; [X.]-Urteil vom 26. Januar 2012 V R 18/08, [X.], 250, [X.], 513).

b) Hiernach hat die Klägerin --wovon die Vorentscheidung zutreffend ausging und was zwischen den Beteiligten unstreitig ist-- steuerbare Leistungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG gegen Entgelt in Form eines echten Factorings an die Ärzte erbracht.

Die Klägerin hat von den Ärzten keine zahlungsgestörten Forderungen erworben. Denn vorliegend ging es nach den Feststellungen des [X.] "insbesondere um Honorarforderungen der Ärzte, die gegenüber in aller Regel solventen Versicherten bestanden und demzufolge ein Ausfallrisiko allenfalls als gering anzusehen war" (Urteil, S. 11). In dem Fall, der den Urteilen des [X.] in [X.] 2011, 933, [X.], 2093 und des [X.] in [X.], 250, [X.], 513 zugrunde liegt, gingen die Parteien des Kaufvertrages dagegen davon aus, dass der voraussichtlich realisierbare Teil der Forderungen "aufgrund der erheblichen Zahlungsstörungen" (nur) bei 57,8 % des Nennwerts lag (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 250, [X.], 513, unter I.).

2. Die ausgeführten Umsätze sind nicht umsatzsteuerfrei.

a) Die Umsätze im Geschäft mit Forderungen sind zwar nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG umsatzsteuerfrei. Hiervon ausgenommen ist jedoch --wie hier-- die Einziehung von Forderungen (§ 4 Nr. 8 Buchst. c Halbsatz 2 UStG).

Dies entspricht unionsrechtlichen Vorgaben. Eine wirtschaftliche Tätigkeit, die darin besteht, dass ein Wirtschaftsteilnehmer Forderungen unter Übernahme des Ausfallrisikos aufkauft und seinen Kunden dafür Gebühren berechnet, stellt eine Einziehung von Forderungen [X.]. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 a.E. der Richtlinie 77/388/[X.] dar und ist damit von der mit dieser Bestimmung eingeführten Steuerbefreiung ausgenommen (vgl. [X.]-Urteil in [X.]. 2003, [X.], [X.], 688, Rz 80).

b) Die Klägerin hat den Ärzten keine Kredite i.S. des § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG gewährt. Eine eigenständige Vorfinanzierung der erworbenen Forderungen bis zu deren durchschnittlicher Rückzahlungsdauer von 45 Tagen liegt entgegen Ziffer 3 Satz 1 Buchst. b der Abrechnungsvereinbarung im Streitfall nicht vor.

aa) [X.] ist nach § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG die Gewährung von Krediten. Dies beruht auf Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Richtlinie 77/388/[X.].

[X.]) Der [X.] hat zum sog. unechten Factoring --bei dem der Factor das Risiko des [X.] nicht übernimmt-- entschieden, dass der Factor eine Mehrheit von steuerfreien und steuerpflichtigen Leistungen erbringe, sodass die insgesamt in Rechnung gestellten Factoring-Gebühren aufgeteilt werden müssten (vgl. [X.]-Urteil vom 10. Dezember 1981 V R 75/76, [X.]E 134, 470, [X.] 1982, 200, unter II.3.). Der Unternehmer könne daher --beim unechten Factoring-- für die in der Bevorschussung liegende Leistung des Forderungskäufers, für die vom [X.] gesondert Zinsen zu entrichten sind, nach § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG Steuerbefreiung in Anspruch nehmen (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 134, 470, [X.] 1982, 200, unter II.3.).

cc) Das soll nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung auch für das echte Factoring --wie hier-- gelten (vgl. hierzu [X.], [X.] 2004, 454; ferner [X.]/Keller, DStR 2003, 1286; Thielo, Betriebs-Berater --BB-- 2007, 2487). Vorliegend hat die Klägerin aber neben der Übernahme der Forderungseinziehung und des (geringen) Ausfallrisikos keine Kredite an die Ärzte gewährt, für die sie die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG beanspruchen könnte.

aaa) Die Klägerin war nach Ziffer 3 Satz 2 der Abrechnungsvereinbarung zur sofortigen Gutschrift (Kaufpreiszahlung) verpflichtet. Es ist weder vom [X.] festgestellt noch vorgebracht, dass die Klägerin hiervon abweichend berechtigt gewesen wäre, den Kaufpreis für die abgetretenen Forderungen erst nach Abschluss ihrer Einziehungstätigkeit zu entrichten, und den zuvor erfolgten Zahlungen mithin bloßer [X.] zukommen sollte (vgl. insoweit auch [X.]-Beschluss vom 10. Dezember 2009 V R 18/08, [X.]E 227, 528, [X.] 2010, 654, unter [X.]).

[X.]b) Selbst wenn insoweit von einer Kreditgewährung auszugehen wäre, wäre diese nicht als eigene, getrennt zu besteuernde Leistung zu behandeln. Ihr käme umsatzsteuerrechtlich kein eigenständiges Gewicht zu.

(1) Nach der Rechtsprechung des [X.], der sich der [X.] angeschlossen hat, ist bei einem Umsatz, der ein Leistungsbündel darstellt, für die Frage, ob mehrere zusammenhängende Leistungen als eine Gesamtleistung zu behandeln sind, eine Gesamtbetrachtung erforderlich. In der Regel ist zwar jede Leistung als eigene selbständige Leistung anzusehen. Eine wirtschaftlich einheitliche Leistung darf aber im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems auch nicht künstlich aufgespalten werden. Deshalb ist das Wesen bzw. sind die charakteristischen Merkmale des fraglichen Umsatzes zu ermitteln, um festzustellen, ob der Steuerpflichtige gegenüber dem Leistungsempfänger mehrere selbständige Leistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt, wobei auf die Sicht des [X.] abzustellen ist (vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 17. April 2008 V R 39/05, [X.]/NV 2008, 1712; vom 10. Februar 2010 XI R 49/07, [X.]E 228, 456, [X.] 2010, 1109; vom 2. März 2011 XI R 25/09, [X.]E 233, 348, [X.] 2011, 737, jeweils m.w.N.).

(2) Die letztgenannten Voraussetzungen einer untrennbaren wirtschaftlichen Leistung wären -läge neben einer Factoring-Leistung auch eine Kreditgewährung vor- im Streitfall bei der gebotenen Gesamtbetrachtung erfüllt. Zu Recht hat das [X.] entschieden, dass ein Liquiditätsvorteil, der den Ärzten dadurch entsteht, dass sie den geminderten Kaufpreis der Forderung bereits vor Einziehung der Forderung erhalten, einem Forderungsgeschäft der hier vorliegenden Art --Forderungskauf zur Einziehung mit Übernahme des [X.] stets immanent ist. Es mag sein, dass --wie die Klägerin vorbringt-- erst der kurzfristig erreichbare Liquiditätsvorteil es für die Ärzte vor dem Hintergrund des geringen Ausfallrisikos attraktiv mache, die Forderungen zum Einzug zu übertragen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass im Streitfall die echte Factoring-Leistung der wesentliche Bestandteil der erbrachten einheitlichen Leistung darstellt. Eine daneben in der Verschaffung von [X.] liegende Kreditgewährung würde [X.] auch die [X.] in der prägenden Factoring-Leistung aufgehen.

(3) Wie das [X.] insoweit --revisionsrechtlich nicht zu beanstanden-- ausgeführt hat, spricht auch der Wortlaut der vertraglichen Vereinbarung für ein einheitliches Geschäft. So ergibt sich aus Ziffer 1 der Abrechnungsvereinbarung ein einheitlicher "Vertragsgegenstand" in Gestalt des "Verkaufs von Forderungen". Eine separate Kreditgewährung ist dort nicht vereinbart. Lediglich aus Ziffer 3 "Kaufpreis und Zahlung" ergibt sich unter Buchst. b der Hinweis auf einen pauschalen Vorfinanzierungszins bei einer durchschnittlichen Rückzahlungsdauer der [X.] und einem Jahreszinssatz von 8 %.

In dieser bloßen Entgeltberechnung sieht das [X.] zu Recht keine gesonderte Vereinbarung einer neben dem Factoring selbständigen Kreditgewährung. Insofern sind die Voraussetzungen des Abschn. 29a Abs. 2 Satz 2 [X.] 2008 (nunmehr Abschn. 3.11. Abs. 2 Satz 2 UStAE), der eine gesonderte Vereinbarung der Hauptleistung einerseits und der Kreditgewährung andererseits fordert, nicht gegeben.

ccc) Hiernach kann im Streitfall offenbleiben, ob ausgehend von der Rechtsprechung des [X.], nach der ein verzinslicher Zahlungsaufschub bis zur Lieferung eines Gegenstandes keine steuerfreie Kreditgewährung, sondern Teil des steuerpflichtigen Entgelts für die Lieferung ist (vgl. [X.]-Urteil vom 27. Oktober 1993 [X.]/91 --Muys'en De Winter's Bouw en Aannemingsbedrijf--, [X.]. 1993, [X.], Rz 18), auch bei einem echten Factoring für den Fall, dass der [X.] den Kaufpreis erst nach Abschluss der Einziehung schuldet, ein unbeachtlicher Zahlungsaufschub für den Zeitraum bis zur Leistungserbringung vorliegt (vgl. hierzu [X.]-Beschluss in [X.]E 227, 528, [X.] 2010, 654, unter [X.]; zustimmend [X.], BB 2010, 2207; ferner [X.] in [X.], Umsatzsteuergesetz, § 4 Nr. 8 Rz 35; a.[X.]/[X.]/[X.], Der Betrieb 2010, 750; [X.], BB 2010, 679).

3. Die Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch.

a) Ihrem Revisionsvorbringen liegt zugrunde, sie, die Klägerin, habe neben den erbrachten [X.] als weitere, eigenständige Leistungsbestandteile Kredite gewährt. Dies trifft --wie vorstehend unter [X.] ausgeführt-- nicht zu.

b) Soweit die Klägerin auf § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG abstellt, betrifft die dort geregelte gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung schon einen anderen als den hier vorliegenden Fall. Jedenfalls kann dieser Vorschrift nicht entnommen werden, dass für Zwecke der Umsatzsteuer bei einem Forderungsverkauf von einer umsatzsteuerfreien Kreditleistung in Höhe von 25 % des Forderungsbetrags auszugehen sei.

c) Selbst wenn die Klägerin die Voraussetzungen nach Abschn. 18 Abs. 11 Sätze 5 und 6 i.V.m. Abschn. 29a Abs. 2 Satz 2 [X.] 2008 --nunmehr Abschn. 2.4. Abs. 4 Sätze 5 und 6 i.V.m. Abschn. 3.11. Abs. 2 Satz 2 UStAE-- erfüllt hätte, unter denen die Finanzverwaltung eine mit einer Factoring-Leistung einhergehenden selbständigen Kreditgewährung des Factors annimmt, wäre das für die Finanzgerichte im Festsetzungsverfahren nicht bindend (vgl. z.B. Senatsurteil vom 17. Dezember 2008 XI R 64/06, [X.]/NV 2009, 798, unter [X.] [X.]).

Meta

XI R 28/10

15.05.2012

Bundesfinanzhof 11. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht des Saarlandes, 13. Juli 2010, Az: 1 K 1307/07, Urteil

§ 1 Abs 1 Nr 1 UStG 1999, § 4 Nr 8 Buchst a UStG 1999, § 4 Nr 8 Buchst c UStG 1999, Art 2 Nr 1 EWGRL 388/77, Art 13 Teil B Buchst d Nr 3 EWGRL 388/77, Abschn 29a Abs 2 S 2 UStR 2008, Abschn 18 Abs 11 S 5 UStR 2008, Abschn 18 Abs 11 S 6 UStR 2008, Abschn 18 Abs 12 S 5ff UStR 2008, Abschn 2.4 Abs 4 S 5 UStAE, Abschn 2.4 Abs 4 S 6 UStAE, Abschn 2.4 Abs 7 UStAE, Abschn 2.4 Abs 8 UStAE, Abschn 3.11 Abs 2 S 2 UStAE, Abschn 18 Abs 12 S 5 UStR 2008

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 15.05.2012, Az. XI R 28/10 (REWIS RS 2012, 6459)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6459

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