Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.05.2010, Az. V R 15/09

5. Senat | REWIS RS 2010, 6853

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Keine Änderung des Entgelts aufgrund Abtretung


Leitsatz

1. Tritt ein Unternehmer eine Forderung aus einem Umsatzgeschäft gegen einen unter dem Nennwert der Forderung liegenden Forderungskaufpreis ab, mindert sich hierdurch nicht die Bemessungsgrundlage für die an den Schuldner des Entgelts ausgeführte Leistung .

2. Das Entgelt bestimmt sich nach den Zahlungen der Kunden des Unternehmers an den Forderungserwerber      .

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb im Streitjahr 2000 ein [X.] und erbrachte umsatzsteuerpflichtige Leistungen. Die Steuer berechnete er gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) nach vereinnahmten Entgelten. Im Fall des Zahlungsverzugs seiner Kundinnen trat er seine Gegenleistungsansprüche an ein Inkassobüro für 25 % des Forderungsnennwerts ab. Das Ausfallrisiko für die Forderungen ging auf das Inkassobüro über.

2

Aufgrund der Abtretung ging der Kläger davon aus, dass er seine Umsätze nur in Höhe des tatsächlich von ihm vereinnahmten [X.] zu versteuern habe. Dem folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) im [X.] an eine Außenprüfung nicht, sondern ging davon aus, dass der Kläger nach Maßgabe der mit seinen Leistungsempfängern (den Kundinnen des Fitnessstudios) vereinbarten Entgelte zu besteuern sei, weil diese mit der Abtretung als vereinnahmt gelten und nur im Umfang der Uneinbringlichkeit eine Berichtigung möglich sei. Das [X.] erließ einen entsprechend geänderten Umsatzsteuerjahresbescheid.

3

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) stützte die Klageabweisung darauf, dass sich das Entgelt trotz der Abtretung nach den von den Leistungsempfängern entrichteten Zahlungen bestimme. Ein möglicher Forderungsausfall beim Inkassobüro sei nur im Rahmen der Uneinbringlichkeit nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG beachtlich, wofür der Kläger beweispflichtig sei. Dass der Kläger diesen Nachweis nicht führen könne, gehe zu seinen Lasten.

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen und formellen Rechts. Bemessungsgrundlage könne nur sein, was er tatsächlich und letztendlich erhalten habe; dies sei der Kaufpreis für die Forderung, der 25 % des Nennwerts der Forderungen betrage. Das Ausfallrisiko und die Chance einer weitergehenden Beitreibung hätten beim Erwerber der Forderungen gelegen. Durch den Forderungsverkauf sei die gegenseitige Verknüpfung zwischen seiner Leistung und dem von seinen Kundinnen geschuldeten Gegenleistungen aufgelöst worden. Die Kundinnen hätten auf einen eigenen Anspruch des [X.] gezahlt. Es mache keinen Unterschied, ob die Kundin nur 25 % an ihn zahle oder der [X.]. Das [X.] habe weiter zu Unrecht unterstellt, dass der [X.] die Forderungen vollständig eingezogen habe. Es sei aufgrund einer Aufstellung zum Stichtag 18. November 2004 bekannt gewesen, dass der [X.] die Forderungen nur zu ca. 53 % einziehen konnte. Nach den [X.] zum Factoring habe er, der Kläger, nur das zu versteuern, was er tatsächlich erlangt habe. Darüber hinaus beruhe das Urteil des [X.] auf einem Verfahrensfehler, da der nur teilweise Forderungseinzug durch den [X.] aktenkundig gewesen sei.

5

Der Kläger beantragt,

das Urteil des [X.] aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid 2000 vom 31. Mai 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. Juli 2005 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer um 16.715,68 DM (8.546,59 €) herabgesetzt wird.

6

Das [X.] beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7

Maßgeblich sei die vom Leistungsempfänger erbrachte Gegenleistung. Die Leistungsbeziehungen zwischen Kläger und Kundin sowie zwischen Kläger und [X.] dürften nicht vermischt werden. Die Zahlung des [X.] stelle keine Gegenleistung für die vom Kläger erbrachte Leistung dar, vielmehr erbringe der [X.] eine Leistung an den Kläger. Der Forderungskauf habe keinen Einfluss auf die von den Kundinnen zu erbringenden Gegenleistungen; die Kundinnen seien an den zwischen Kläger und [X.] getroffenen Vereinbarungen auch nicht beteiligt gewesen. Abschließende Feststellungen zu den Voraussetzungen einer Minderung nach § 17 UStG aufgrund nicht beigetriebener Forderungen gegen die Kundinnen lägen nicht vor. Die Zahlung des [X.] sei nicht als Entgelt für die Leistung des [X.] an die Kundinnen anzusehen. Auf die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung des sog. Factoring komme es im Streitfall nicht an.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision des [X.] ist begründet. Das Urteil des [X.] ist aufzuheben und die Sache an das [X.] zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Zwar hat das [X.] zu Recht entschieden, dass es auch bei einer Abtretung des [X.] aus einer umsatzsteuerpflichtigen Leistung für die Bestimmung des Entgelts auf die Zahlungen des Leistungsempfängers und nicht auf den für die Abtretung vereinbarten [X.] ankommt. Das [X.] hat jedoch keine Feststellungen zu den Zahlungen der Leistungsempfänger getroffen.

9

1. Tritt ein Unternehmer eine Forderung aus einem Umsatzgeschäft gegen einen unter dem Nennwert der Forderung liegenden [X.] ab, mindert sich hierdurch nicht die Bemessungsgrundlage für die an den Schuldner des Entgelts ausgeführte Leistung (Urteil des [X.] --BFH-- vom 27. Mai 1987 [X.], [X.], 375, [X.] 1987, 739, Leitsatz).

2. a) Bei dem "Entgelt", dessen Vereinnahmung bei der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG für den Unternehmer die Steuerschuld begründet, handelt es sich um das Entgelt i.S. von § 10 Abs. 1 UStG. Zum Entgelt gehört gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer. Diese Vorschriften beruhen auf Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der [X.] zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/[X.] ([X.]/[X.]). Danach ist Besteuerungsgrundlage bei Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen ... "alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen".

Trotz der zwischen § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG und Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der [X.]/[X.] bestehenden Formulierungsunterschiede führen beide Regelungen zum selben Ergebnis, da weder § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG die Berücksichtigung der Sicht des Leistenden verbietet noch Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der [X.]/[X.] eine Berücksichtigung der Aufwendungen des Leistungsempfängers ausschließt (Urteil des [X.], seit 1. Dezember 2009: [X.] --EuGH-- vom 15. Mai 2001 [X.], [X.]., [X.]. 2001, [X.], [X.] Beilage 2001, 173 Rdnr. 43; BFH-Urteil vom 19. Oktober 2001 [X.], [X.], 376, [X.] 2003, 210, unter [X.]).

Dementsprechend richtet sich die Höhe des Entgelts nach dem zwischen [X.] und Leistungsempfänger bestehenden Rechtsverhältnis, aus dem sich der für die Steuerbarkeit der Leistung maßgebliche unmittelbare Zusammenhang zwischen der Leistung und dem erhaltenen Gegenwert ergibt (vgl. BFH-Urteile in [X.], 376, [X.] 2003, 210, unter [X.], und vom 16. Januar 2003 [X.], [X.] 2003, 667, unter [X.]; vgl. auch EuGH-Urteil Primback in [X.]. 2001, [X.], [X.] Beilage 2001, 173 Rdnr. 25).

b) Bestimmen sich Höhe und Umfang des Entgelts nach dem zwischen den Parteien des [X.] bestehenden Rechtsverhältnis, ist eine Abtretung des dem leistenden Unternehmer zustehenden [X.] an einen [X.] für die Bestimmung des Entgelts ohne Bedeutung.

Durch eine Vereinbarung, an der der Leistungsempfänger nicht beteiligt ist, kann das zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger bestehende Rechtsverhältnis nicht geändert werden. Tritt daher der leistende Unternehmer seine Forderung aus dem seiner Leistung zugrunde liegenden Rechtsgeschäft ohne Beteiligung des Leistungsempfängers an einen [X.] für einen unter dem Nennwert der abgetretenen Forderung liegenden Kaufpreis ab, sind Abtretung und Verkauf der Forderung für die Bestimmung der Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG ohne Bedeutung. Hierdurch wird die erforderliche Übereinstimmung zwischen dem vom Unternehmer zu versteuernden und dem vom Leistungsempfänger aufgewendeten Entgelt gewährleistet (vgl. hierzu z.B. BFH-Urteil vom 12. Januar 2006 [X.], [X.], 69, [X.] 2006, 479, unter II.1.).

c) Der von Wagner in Sölch/Ringleb (UStG, § 10 Rz 173 f.) vertretenen Auffassung, nach der im Falle der Übernahme des Ausfallrisikos durch den [X.] (sog. echtes Factoring) "das Schicksal der Entgeltsforderung nur noch ein Inkassobüro, nicht aber den Lieferer [berührt]" und eine "Nicht- oder Minderzahlung des Leistungsempfängers an das Inkassounternehmen nicht zur Vorsteuerberichtigung, sondern nur zur Wertberichtigung beim [X.] [führt]", so dass "Besteuerung des Lieferers und Vorsteuerabzug auf Grund der Nennwertveräußerung an das Inkassobüro im neutralen Gleichgewicht [bleiben]", schließt sich der [X.] nicht an (vgl. [X.] in Rau/Dürrwächter, UStG, § 10 Rz 65 "Forderungsabtretung"; ebenso Stadie, UStG, Kommentar 2009, § 10 Rz 30).

Hiergegen spricht bereits, dass weder das nationale Umsatzsteuerrecht noch die [X.]/[X.] eine Rechtsgrundlage für eine "Wertberichtigung beim [X.]" im Fall einer Abweichung zwischen [X.] und tatsächlicher Zahlung des Leistungsempfängers enthalten. Veräußert der Unternehmer seinen Entgeltanspruch im Rahmen eines [X.], obliegt es ihm im Übrigen, mit dem [X.] einen Auskunftsanspruch hinsichtlich des Umfangs der Zahlungen des Leistungsempfängers zu vereinbaren. Ob sich ein derartiger Informationsanspruch bei der Abtretung von Forderungen aus steuerpflichtigen Umsatzgeschäften bereits nach [X.] und Glauben (§ 242 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) aus einer vertraglichen Nebenpflicht des [X.]s ergibt (vgl. z.B. Urteil des [X.] vom 14. November 1984 [X.], Neue Juristische Wochenschrift 1986, 423, unter II.2.), hat der [X.] im Streitfall nicht zu entscheiden.

3. Das Urteil des [X.] ist gleichwohl aufzuheben und die Sache an das [X.] zurückzuverweisen.

Der Kläger versteuert nach den Feststellungen des [X.] seine Umsätze gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG i.V.m. § 20 UStG nach vereinnahmten Entgelten, so dass die Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen mit Ablauf des [X.] entsteht, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind.

Daher sind Feststellungen zum Umfang der von den Leistungsempfängern geleisteten Zahlungen --und damit aufgrund der Forderungsabtretung zu den Zahlungen an den [X.]-- zu treffen. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass das [X.] dem beklagten [X.] mit Schreiben vom 30. November 2004 mitgeteilt hatte, dass der [X.] die abgetretenen Forderungen zu ca. 53 % einziehen konnte. Können keine weiteren Feststellungen zum Umfang der Zahlungen der Leistungsempfänger getroffen werden, ist nach § 162 der Abgabenordnung zu schätzen.

Aufgrund der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG ist schließlich die Frage der Uneinbringlichkeit nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG im Streitfall unerheblich.

4. Auf den geltend gemachten Verfahrensfehler kommt es somit nicht mehr an.

Meta

V R 15/09

06.05.2010

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 23. Juli 2008, Az: 12 K 193/05, Urteil

§ 10 Abs 1 S 2 UStG 1999, Art 11 Teil A Abs 1 Buchst a EWGRL 388/77

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.05.2010, Az. V R 15/09 (REWIS RS 2010, 6853)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6853

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

V B 123/09 (Bundesfinanzhof)

Keine Änderung der Bemessungsgrundlage durch Abtretung - Unbeachtlichkeit eines Verfahrensfehlers bei Richtigkeit des Urteils aus …


V R 18/08 (Bundesfinanzhof)

Umsatzsteuer beim Erwerb zahlungsgestörter Forderungen


XI R 28/10 (Bundesfinanzhof)

Keine steuerfreie Kreditgewährung bei echter Factoring-Leistung - Behandlung mehrerer zusammenhängender Leistungen als eine Gesamtleistung


V R 8/10 (Bundesfinanzhof)

(Keine entgeltliche Factoring-Leistung beim Erwerb zahlungsgestörter Forderungen - Anwendungsbereich des § 41 Nr. 6 ZPO)


XI R 28/13 (Bundesfinanzhof)

Zur Haftung des Abtretungsempfängers für Umsatzsteuer beim sog. echten Factoring


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.