Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.11.2012, Az. AK 32/12

3. Strafsenat | REWIS RS 2012, 1433

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
____________
AK 32/12
vom
14.
November 2012
in dem Ermittlungsverfahren
gegen

wegen
Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung

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Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] sowie des Beschuldigten und seiner Verteidiger am 14.
November 2012 gemäß §§
121, 122 StPO beschlossen:
Die Untersuchungshaft hat [X.].
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesge-richtshof findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach den [X.] Vorschriften zuständigen Gericht übertragen.

Gründe:
I.
Der Beschuldigte wurde aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrich-ters des [X.] vom 25.
April 2012 (6 [X.] 70/12) am 27.
April 2012 festgenommen und befindet sich seitdem ununterbrochen in Untersu-chungshaft.
Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe un-ter dem Decknamen "H.

" als [X.] der "[X.]" ([X.]) und ihrer [X.]organisation "Kurdische Demokratische Volksunion" ([X.]) von Juni 2003 bis Juni 2004 in [X.] den [X.]-Sektor Mitte sowie nach einem Aufenthalt im [X.] von Mai 2005 bis Juni 2007 das 1
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"Wirtschafts-
und [X.]" ([X.]) der [X.] in [X.] von Juni 2007 bis zu einer vorläufigen Festnahme in [X.] am 4.
März 2010 geleitet. Dadurch [X.] er sich als Mitglied an einer Vereinigung im Ausland außerhalb der [X.] beteiligt, deren Zwecke oder Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§
211 StGB) oder Totschlag (§
212 StGB) zu begehen (§
129a Abs.
1 Nr.
1, §
129b Abs.
1 Satz
1 und 2 StGB).
Das [X.] hat am 4.
Mai 2012 die Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung bereits begangener und künftiger Taten des [X.] im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für die [X.] und ihrer [X.] erteilt (§
129b Abs.
1 Satz
3 StGB).

II.
Die Voraussetzungen der Untersuchungshaft und ihrer Fortdauer über sechs Monate hinaus liegen vor.
1. Der Beschuldigte ist der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ter-roristischen Vereinigung im Ausland dringend verdächtig.
a) Nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt auszu-gehen:
aa) Die [X.] wurde 1978 u.a. von [X.] in der [X.] als [X.] mit dem Ziel gegründet, einen kurdischen Nationalstaat unter ihrer Führung zu schaffen. Zur Verwirklichung dieses Plans initiierte
die [X.] verschiedene Organisationen, die mehrfach ihre Bezeichnung wechselten. So besteht seit 2007 -
unter dieser Bezeichnung -
die "[X.]" 3
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([X.], "Vereinigte Gemeinschaften [X.]"), die staatliche Attribute bean-sprucht und sich laut ihrem grundlegenden Abkommen als "demokratisches, kommunalistisch-konföderales System" versteht. Die "Civaka Demokratik a [X.]" ([X.], "Kurdische Demokratische Gesellschaft in [X.]"), die letzt-lich der [X.] untergeordnet und aus der [X.] ("Kurdischen Demokrati-schen Volksunion") entstanden ist, dient dazu, die in [X.] lebenden [X.] zu organisieren. Unterhalb der Führungsebene ist [X.] in Sektoren, Gebiete, Räume und Stadtteile eingeteilt.
Die [X.] ist, ebenso wie die [X.], auf die Person von [X.] ausgerichtet. Daneben geschieht die Willensbildung etwa über den "[X.]e [X.]" ([X.], "Volkskongress [X.]s") und den [X.]-Exekutivrat. Die Führungskader folgen grundsätzlich dieser Willensbildung und setzen die getroffenen Entscheidungen um. Zur Überprüfung haben sie regel-mäßig [X.] Bericht über ihre Tätigkeit zu erstatten.
bb) Die [X.] bewertet im Rahmen der "Selbstverteidigung" einen [X.] als legitimes Mittel. Zu ihrem System gehören auch
die "[X.]" ([X.], "[X.]"), die nach dem Willen der Führung handeln. Die [X.] verübten vor allem im Osten der [X.] Anschläge gegen [X.] Soldaten sowie Polizisten und töteten dabei eine Vielzahl von diesen. Sie bekannten sich beispielsweise im [X.] zu diversen Anschlägen mit mindestens vierzig Todesopfern.
Für verschiedene Anschläge, die ebenfalls von dem Kommando der [X.] unterstehenden Einheiten begangen wurden, übernahmen nicht die [X.], sondern die "Teyrebazen Azadiya [X.]" ([X.], "Freiheitsfalken [X.]") nach außen die Verantwortung. Die [X.]/[X.] bezweckt damit, sich [X.] insbesondere von denjenigen Anschlägen distanzieren zu können, bei de-8
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nen Zivilpersonen zu Schaden kommen und die über das in Anspruch genom-mene "Selbstverteidigungsrecht" hinausgehen.
cc) Der Beschuldigte war jedenfalls ab Juni 2003 als Führungskader in die dargestellte Organisation von [X.] sowie [X.] eingebunden und förderte diese.
(1) Von Juni 2003 bis Juni 2004 leitete der Beschuldigte den Sektor ([X.]-) Mitte. Dazu stand er mit der übergeordneten [X.]führung einerseits und den untergeordneten Gebietsverantwortlichen andererseits in regelmäßigem Kontakt und reichte Anweisungen sowie Berichte weiter. Dies umfasste auch finanzielle Belange, etwa die Beteiligung an "Spendenkampag-nen".
(2) Im Mai 2005 reiste der Beschuldigte nach [X.] und hielt sich im [X.] unter anderem im Norden des [X.] bei paramilitärischen Einheiten der [X.] auf.
(3) Seit [X.] 2007 leitete der Beschuldigte das an die [X.]führung der [X.] angebundene "Wirtschafts-
und [X.]" ([X.]). Als solcher nahm er unter anderem Gelder entgegen und verwaltete diese.
b) Hinsichtlich des vorstehenden Sachverhalts ergibt sich der dringende Tatverdacht aus sichergestellten Unterlagen, der Auswertung überwachter [X.], öffentlichen Verlautbarungen der Organisationen und zahl-reichen Zeugenaussagen.
Danach besteht aufgrund der in diesem Ermittlungsverfahren vorliegen-den neueren Erkenntnisse insbesondere auch eine große Wahrscheinlichkeit dafür, dass die [X.] an die Organisationsstrukturen der [X.]/[X.] angebunden sind. Der Senat hatte dies in früheren Entscheidungen in anderen Verfahren im 11
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Hinblick auf die dortige jeweilige Beweislage offengelassen (vgl. etwa [X.], Beschlüsse vom 16.
Februar 2012 -
AK
1/12 u.a., juris Rn.
19; vom 19. April 2012 -
AK 9/12, Rn. 14). Die gegenwärtige Beweissituation in dem hiesigen Verfahren enthält indes deutliche Hinweise auf eine Anbindung der [X.] an die [X.]/[X.] und die Kenntnis des Beschuldigten hiervon. So hat beispielsweise der im Juni 2012 vom [X.] [X.]

, der Gründer und spätere Inhaber sowie Generaldirektor des [X.]

, be-kundet, die [X.] seien eine Unterorganisation der [X.] und erhalte die Anwei-sungen für ihre Anschläge von der Führungsebene der [X.]. Dies sei in den einschlägigen Kreisen allgemein bekannt. Der Grund hierfür bestehe darin, dass die [X.] sich von den zivilen [X.] der [X.] distanzieren wolle, um nicht im Lichte des Terrorismus zu erscheinen ([X.], [X.]. 2, 14 ff.). Diese Aussage wird etwa durch den Inhalt mehrerer weiterer Vernehmungen bestä-tigt, die in der [X.] durchgeführt und im Wege der Rechtshilfe an die deut-schen Strafverfolgungsbehörden übermittelt worden sind. So hat zum Beispiel die Zeugin K.

erklärt, die [X.] seien im Jahr 2005 aufgrund eines [X.] von

E.

auf einem Kongress der [X.] mit dem Ziel gegründet worden, durch eine Einheit innerhalb der Organisation
"Aktionen durchzufüh--Strategie ste-hen" ([X.], [X.].
448). Diese unter dem Namen [X.] operierende Aktions-einheit sei der Befehlsgewalt der Spezialeinheit und der [X.] unterstellt. In ähnlicher Weise spricht eine Vielzahl weiterer Aussagen, wie zum Teil in der Antragsschrift des [X.]s vom 16. Oktober 2012 dargelegt, für eine Anbindung der [X.] an die [X.] und damit an die [X.]/[X.].
Somit reicht die sich aus dem Akteninhalt ergebende aktuelle Beweisla-ge aus, um bei der im derzeitigen Verfahrensstadium im Rahmen der [X.] gebotenen vorläufigen Würdigung im Sinne eines dringen-den Tatverdachts eine Verbindung zwischen [X.] und [X.] anzunehmen. Der 17
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Senat sieht jedoch Anlass, insoweit ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass [X.] vor dem Hintergrund der Besonderheiten der hiesigen Beweissituation
-
etwa dem Umstand, dass die Zeugen überwiegend im Ausland vernommen worden sind -
es Aufgabe des Tatgerichts sein wird, den Wert der einzelnen Beweismittel aufgrund des Ergebnisses der in der Hauptverhandlung durchzu-führenden Beweisaufnahme abschließend zu beurteilen.
c) Insgesamt liegt eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür vor, dass sich der Beschuldigte wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland nach §
129b Abs.
1 Satz
1 und 2, §
129a Abs.
1 Nr.
1 StGB strafbar gemacht hat.
Nach dem Ermittlungsstand stellt die von der [X.] initiierte [X.] eine Vereinigung dar, bei der sich der einzelne entsprechend den intern bestehenden Regeln unter den [X.] unterordnet. Sie ist angesichts des von ihr in Anspruch genommenen -
indes nicht gegebenen (vgl. [X.], [X.] vom 16.
Februar 2012 -
AK
1/12 u.a., juris Rn.
18) -
"Selbstverteidi-gungsrechts" und der durch ihre weiteren Unterorganisationen, die [X.] und die [X.], verübten Anschläge darauf ausgerichtet, Mord (§
211 StGB) oder [X.] (§
212 StGB) zu begehen.
2. Es bestehen die Haftgründe der Flucht-
und der Verdunkelungsgefahr (§
112 Abs.
2 Nr.
2, Nr.
3 StPO), wie im Haftbefehl zutreffend dargelegt worden ist. Der Zweck der Untersuchungshaft kann nicht durch weniger [X.] Maßnahmen als deren Vollzug erreicht werden (§
116 StPO).
3. Die besonderen Voraussetzungen
für die Fortdauer der Untersu-chungshaft über sechs Monate hinaus (§
121 Abs.
1 StPO) liegen vor. Mit [X.]ick auf den besonderen Umfang und die besondere Schwierigkeit der Ermittlungen ist das Verfahren mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt 18
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worden. So sind etwa Informationen im Wege der Rechtshilfe mit [X.] zu beschaffen gewesen. Dort ist der Beschuldigte im März 2010 in einer Wohnung vorläufig festgenommen worden, in der sich nach dem Ermittlungsstand das Büro der [X.] befand. Auf ein (weiteres) Rechtshilfeersuchen vom 15.
Juni 2012 haben die [X.] Behörden mit Schreiben vom 23.
August 2012 ge-antwortet. Im Folgenden sind die sich daraus ergebenden Erkenntnisse ebenso auszuwerten gewesen wie die umfangreichen Beweismittel zur Struktur der [X.] im Hinblick auf den hier Beschuldigten.
4. Schließlich steht der weitere Vollzug der Untersuchungshaft nicht
außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Falle einer Verurteilung zu erwartenden Strafe (§
120 Abs.
1 Satz
1 StPO). Der Senat
geht -
entspre-chend der Einschätzung des [X.]s -
allerdings davon aus, dass die Anklage noch in diesem Jahr fertiggestellt und im Januar 2013 erho-ben werden kann.
[X.]

Spaniol

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Meta

AK 32/12

14.11.2012

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.11.2012, Az. AK 32/12 (REWIS RS 2012, 1433)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1433

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