Bundesgerichtshof, Urteil vom 02.12.2015, Az. I ZR 239/14

1. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 1365

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Gegenstand

Markenrechtsschutz: Parallelimport eines Arzneimittels mit durch Verwaltungsakt der Zulassungsbehörde gestatteter Kennzeichnung; Erschöpfung des Markenrechts - Eligard


Leitsatz

Eligard

Gestattet ein Verwaltungsakt dem Parallelimporteur eine bestimmte Kennzeichnung des parallel zu importierenden Arzneimittels, kann der Markeninhaber vor den Zivilgerichten grundsätzlich nicht geltend machen, diese Kennzeichnung verstoße gegen die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes und sei deshalb rechtswidrig. Ist der auf der Grundlage von § 25 AMG erlassene Zulassungsbescheid nicht nichtig, ist er der Prüfung zugrunde zu legen, ob der Markeninhaber sich aus berechtigten Gründen im Sinne von § 24 Abs. 2 MarkenG dem Vertrieb der parallelimportierten Arzneimittel widersetzen kann.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des [X.] - 3. Zivilsenat - vom 25. September 2014 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin ist ein pharmazeutisches Unternehmen. Sie vertreibt in [X.] das Arzneimittel [X.]® in drei Wirkstärken. Das Arzneimittel, das für die Behandlung des hormonabhängigen fortgeschrittenen Prostatakarzinoms eingesetzt wird, eignet sich ausschließlich zur subkutanen Anwendung. Es besteht aus einer vorgefüllten Spritze mit Pulver zur Herstellung einer Injektionslösung und einer weiteren Spritze mit einem Lösungsmittel. Die zur einmaligen Verwendung vorgesehenen Spritzen sind in einer Schalenverpackung mit [X.] verpackt und werden in einer Faltschachtel abgegeben. Nach dem Öffnen der Schalenverpackung muss das Arzneimittel sofort verwendet werden.

2

Die Marke [X.] ist eine international registrierte Marke, deren Schutz auf [X.] erstreckt worden ist. Markeninhaberin ist die [X.], die in den [X.] ansässig ist. Exklusive Lizenznehmerin ist die [X.] der Klägerin, die [X.]., die die Klägerin mit dem Vertrieb des Arzneimittels in [X.] beauftragt hat. Die [X.]. hat die Klägerin ermächtigt, Unterlassungsansprüche und Folgeansprüche gegen die Beklagte in eigenem Namen geltend zu machen. Die [X.] hat der Geltendmachung ihrer Markenrechte im vorliegenden Verfahren zugestimmt.

3

Die Beklagte betreibt den Parallelimport von [X.]. Sie zeigte der Klägerin im [X.] 2011 an, dass sie das Arzneimittel [X.]® aus [X.] parallel importieren und auf dem [X.] Markt vertreiben wolle. Die Klägerin widersprach dem nach Überlassung eines Musters mit Schreiben vom 4. November 2011 mit der Begründung, die Spritzen seien im Gegensatz zu der Schalenverpackung und zu der Faltschachtel entgegen § 10 [X.] nicht in [X.], sondern nur in [X.] und [X.] gekennzeichnet. Die Beklagte lehnte die Abgabe der von der Klägerin deswegen geforderten Unterlassungserklärung unter Hinweis darauf ab, dass für eine Änderung der Kennzeichnung der Spritzen die Schalenverpackung geöffnet und die Lösung danach sofort zubereitet und verwendet werden müsse.

4

Die Beklagte erhielt im Oktober 2011 Zulassungsbescheide des [X.] ([X.]) für den Parallelimport des Arzneimittels [X.]® aus [X.] in allen drei Wirkstärken. In den Bescheiden wird der Beklagten aufgegeben, die Schalenverpackung und die Faltschachtel in [X.] Sprache zu kennzeichnen. Vorgaben zur Kennzeichnung der Spritzen enthalten die Bescheide nicht.

5

Die Klägerin hat ihr Unterlassungsbegehren auf markenrechtliche Ansprüche gestützt. Hilfsweise hat sie wettbewerbsrechtliche Ansprüche geltend gemacht.

6

Sie hat beantragt, die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen,

Arzneimittel unter der Marke [X.]® (Wirkstoff [X.] 7,5 mg, 22,5 mg und/oder 45 mg), nämlich Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Injektionslösung anzubieten, feilzuhalten, zu bewerben und/oder zu vertreiben, bei denen die in den Schalenverpackungen befindlichen Spritzen nicht gemäß § 10 Abs. 1 und Abs. 8 [X.] in [X.] Sprache gekennzeichnet sind.

7

Das [X.] hat die Klage abgewiesen ([X.], [X.] 2014, 253). Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben.

8

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

9

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe weder ein markenrechtlicher noch ein lauterkeitsrechtlicher Unterlassungsanspruch zu. Dazu hat es ausgeführt:

Die Klage sei zulässig. Der Klageantrag sei hinreichend bestimmt. Die Klägerin sei nach den Grundsätzen der gewillkürten Prozessstandschaft prozessführungsbefugt, auch wenn sie nicht Inhaberin des Markenrechts sei. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch sei nicht nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 5, § 107 [X.] begründet. Zwar verwirkliche das von der [X.] beabsichtigte Verhalten den gesetzlichen Tatbestand des § 14 Abs. 2 Nr. 1 [X.]. Das Markenrecht sei jedoch nach § 24 Abs. 1 [X.] erschöpft. Die Markeninhaberin könne sich nicht gemäß § 24 Abs. 2 [X.] aus berechtigten Gründen der Benutzung ihrer Marke im Zusammenhang mit dem weiteren Vertrieb der Ware durch die [X.] widersetzen. Da die der [X.] erteilten Zulassungsbescheide den Parallelimport des Arzneimittels ohne Einhaltung der in § 10 Abs. 8 Satz 3 [X.] normierten Kennzeichnungspflicht gestatteten, könnten die Zivilgerichte der [X.] das damit als rechtmäßig qualifizierte Verhalten nicht verbieten. Auch ein Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11 UWG sei nicht gegeben. Zwar diene die Kennzeichnungspflicht für Fertigarzneimittel gemäß § 10 Abs. 8 Satz 3 [X.] dem Schutz des Patienten und stelle damit eine Marktverhaltensregel im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG dar. Da das [X.] der [X.] den Parallelimport nach [X.] durch Zulassungsbescheide ausdrücklich gestattet habe, sei das beanstandete Verhalten der [X.] als rechtmäßig anzusehen, solange der zugrunde liegende Verwaltungsakt Bestand habe.

II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

1. Zu Recht und von der Revision unbeanstandet hat das Berufungsgericht die Klage als zulässig angesehen.

a) Der Klageantrag ist hinreichend bestimmt und deshalb zulässig.

aa) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Verbotsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der [X.] deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was dem [X.] verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 17. Juli 2003 - [X.]/00, [X.]Z 156, 1, 8 f. - Paperboy; Urteil vom 9. Juli 2009 - [X.], [X.], 977 Rn. 21 = [X.], 1076 - Brillenversorgung I; Urteil vom 29. April 2010 - [X.], [X.], 749 Rn. 21 = [X.], 1030 - Erinnerungswerbung im [X.]; Urteil vom 30. April 2015 - [X.], [X.], 1235 Rn. 10 = [X.], 1461 - Rückkehrpflicht V).

bb) Das Berufungsgericht hat angenommen, um zu präzisieren, welche Angaben auf den Spritzen in [X.] fehlten, stelle der Klageantrag einen Bezug zu den nach dem [X.] erforderlichen Angaben auf kleinen Behältnissen her, die in § 10 Abs. 1 und 8 [X.] niedergelegt seien. Bezüglich der vorgeschriebenen Angaben sei der Gesetzeswortlaut eindeutig, konkret und erschöpfend. Welche Angaben die Klägerin auf den Spritzen vermisse, sei dem Antrag ebenfalls zu entnehmen. Es gehe um alle in § 10 Abs. 1 und - richtig - Abs. 8 [X.] vorgeschriebenen Angaben. Diese Beurteilung lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

b) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerin sei im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft befugt, die Rechte der Markeninhaberin im eigenen Namen geltend zu machen. Die Markeninhaberin habe ihrer Exklusivlizenzinhaberin für die Bundesrepublik [X.] ihre Zustimmung zur Klage wegen einer Markenrechtsverletzung gemäß § 30 Abs. 3 [X.] erteilt. Diese habe die Klägerin ermächtigt, Ansprüche gegen die [X.] gerichtlich geltend zu machen. Die Klägerin habe ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Geltendmachung der Ansprüche, da sie mit dem Vertrieb des Arzneimittels in der Bundesrepublik [X.] betraut sei. Diese Beurteilung wird von der Revisionserwiderung nicht angegriffen.

2. Der Klägerin steht gegen die [X.] kein markenrechtlicher Unterlassungsanspruch gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 5, § 107 [X.] zu.

a) Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht angenommen, dass die [X.] durch den von ihr beabsichtigten Parallelimport des Arzneimittels Eligard® den gesetzlichen Tatbestand des § 14 Abs. 2 Nr. 1 [X.] verwirklicht. Auch soweit die [X.] die streitgegenständlichen Produkte nicht selbst mit der für die Markeninhaberin geschützten Marke versieht, sondern mit der Marke versehene Originalware und Originalverpackungen mit zusätzlichen Aufklebern vertreiben will, wird dieses Verhalten als zu unterlassende Benutzungshandlung durch § 14 Abs. 3 Nr. 2 [X.] erfasst (zu § 19 [X.]: [X.], Urteil vom 23. Februar 2006 - [X.], [X.]Z 166, 233 Rn. 33 - Parfümtestkäufe; [X.]/[X.]/[X.], Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 3. Aufl., § 14 [X.] Rn. 570). Die Ankündigung der [X.] begründet die Erstbegehungsgefahr.

b) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass Erschöpfung eingetreten ist.

aa) Die Arzneimittel, die die [X.] in den [X.] mit [X.] Aufklebern in [X.] vertreiben will, sind mit Zustimmung der Markeninhaberin in [X.] im [X.] in Verkehr gebracht worden. Hinsichtlich der Markenrechte der Markeninhaberin sind in Bezug auf diese Waren die Voraussetzungen der Erschöpfung nach § 24 Abs. 1 [X.] gegeben. Die Erschöpfung erstreckt sich - vorbehaltlich der Anwendung des § 24 Abs. 2 [X.] - auf alle Handlungen, die nach § 14 Abs. 3 [X.] eine Markenverletzung darstellen können. Auch das Recht, die Marke auf einer neuen Verpackung anzubringen und die Ware mit dieser Verpackung zu vertreiben (§ 14 Abs. 3 Nr. 1 und 2 [X.]), unterliegt der Erschöpfung (vgl. [X.], Urteil vom 11. Juli 1996 - C-427/93, [X.]/93 und [X.]/93, [X.]. 1996, [X.] = [X.]. 1996, 1144 Rn. 34 bis 37, 49 f. - [X.]; [X.], Urteil vom 14. Juni 2007 - [X.], [X.], 1075 Rn. 14 = [X.], 1472 - Stilnox; Urteil vom 12. Juli 2007 - I ZR 147/04, [X.]Z 173, 217 Rn. 15 - Aspirin II; Urteil vom 10. Februar 2011 - [X.], [X.], 817 Rn. 11 = [X.], 1164 - [X.]).

bb) Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Klägerin sich dem Vertrieb nicht aus berechtigten Gründen im Sinne von § 24 Abs. 2 [X.] widersetzen kann. Zwar verändert die [X.] mit der Umetikettierung das mit Zustimmung der Markeninhaberin in [X.] in Verkehr gebrachte Arzneimittel. Dies muss die Klägerin jedoch in der vorgesehenen Form hinnehmen.

(1) Das Berufungsgericht hat angenommen, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] zur Auslegung von Art. 7 der [X.], der der Regelung des § 24 [X.] zugrunde liegt, könne sich der Markeninhaber der Markenbenutzung im Hinblick auf die [X.] unter besonderen Voraussetzungen nicht widersetzen; unter diesen Voraussetzungen könne sich der Importeur trotz Veränderung der Verpackung auf die Erschöpfung des Markenrechts berufen. Diese Voraussetzungen lägen im Streitfall vor. Der Originalzustand der in der Verpackung enthaltenen Ware könne mittelbar dadurch beeinträchtigt sein, dass die äußere oder innere Verpackung der Ware verändert werde. Die neue Verpackung und der Beipackzettel müssten die vorgeschriebenen Mindestangaben enthalten. Dies sei hier der Fall. Das [X.] habe der [X.] mit mehreren [X.] den Parallelimport des Arzneimittels ohne Einhaltung der in § 10 Abs. 8 Satz 3 [X.] normierten Kennzeichnungspflicht gestattet. Hieran seien die Zivilgerichte im Umfang der [X.] der Zulassungsbescheide gebunden. Die Zulassungsbescheide regelten die in Streit stehende Kennzeichnungspflicht bezüglich der Spritzen und seien auch rechtswirksam. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg.

(2) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] beeinträchtigt das Umpacken mit einer Marke versehener Arzneimittel als solches den spezifischen Gegenstand der Marke, der darin besteht, die Herkunft der mit ihr gekennzeichneten Ware zu garantieren. Der Widerspruch des Markeninhabers gegen den Vertrieb umgepackter Arzneimittel ist jedoch nicht zulässig, wenn die Ausübung dieses Rechts eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten im Sinne des Art. 36 Satz 2 AEUV darstellt (vgl. [X.], Urteil vom 26. April 2007 - [X.]/04, [X.]. 2007, [X.] = [X.], 586 Rn. 15 f. - [X.]/[X.]). Eine solche verschleierte Beschränkung liegt vor, wenn der Markeninhaber durch die Ausübung seines Rechts, sich dem Umpacken zu widersetzen, zur künstlichen Abschottung der Märkte zwischen den Mitgliedstaaten beiträgt und der Parallelimporteur das Umpacken unter Beachtung der berechtigten Interessen des Markeninhabers vornimmt. Der Markeninhaber kann sich dem weiteren Vertrieb eines Arzneimittels, das der Importeur umgepackt und wieder mit der Marke versehen hat, nach Art. 7 Abs. 2 [X.] nicht widersetzen, wenn die fünf in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] entwickelten Erschöpfungsvoraussetzungen vorliegen, das heißt wenn eine künstliche Abschottung der Märkte erfolgen würde, der Originalzustand der Verpackung nicht beeinträchtigt ist, Hersteller und Umverpackender angegeben sind, keine Schädigung des guten Rufs der Marke zu befürchten ist und eine Vorabinformation des Markeninhabers erfolgt (vgl. [X.], [X.]. 1996, 1144 Rn. 79 - [X.]; [X.], 586 Rn. 21 - [X.]/[X.]; [X.], [X.], 817 Rn. 16 - [X.]; [X.], Urteil vom 9. Oktober 2013 - [X.], [X.] 2014, 265 Rn. 13 - [X.]). Diese vom Gerichtshof der [X.] ausformulierten Grundsätze beziehen sich nicht nur auf das Umpacken, sondern schließen auch die Neuetikettierung mit ein ([X.], [X.], 586 Rn. 28 - [X.]/[X.]). Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht ausgegangen.

(3) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die auf der Grundlage von § 25 [X.] ergangenen Zulassungsbescheide des [X.] eine [X.] des Inhalts erzeugen, dass das Inverkehrbringen des Arzneimittels mit den in den [X.] von der Zulassungsbehörde vorgegebenen Kennzeichnungen nach den Vorschriften des [X.]es zulässig ist und aus diesem Grund eine Beeinträchtigung der Rechte der Markeninhaberin ausscheidet.

Das [X.] hat in seinen [X.] die [X.] festgelegt und dabei auch entschieden, dass die in den [X.] eingelegten Spritzen keiner Beschriftung in [X.] bedürfen. Der Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts ist in entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 BGB nach den Grundsätzen zu bestimmen, die auch für die Auslegung von Willenserklärungen gelten. Danach ist der erklärte Wille der erlassenden Behörde maßgebend, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte ([X.], Urteil vom 14. Juni 2007 - [X.], [X.], 1359 Rn. 16; Urteil vom 7. Mai 2015 - [X.], [X.], 1244 Rn. 33 = [X.], 44 - Äquipotenzangaben in Fachinformation; BVerwGE 123, 292, 297; BVerwG, NJW 2013, 1832 Rn. 10). Bei der Ermittlung dieses objektiven Erklärungswerts ist in erster Linie auf den Entscheidungssatz und die Begründung des Verwaltungsakts abzustellen; darüber hinaus ist das materielle Recht, auf dem der Verwaltungsakt beruht, heranzuziehen (vgl. BVerwGE 126, 254 Rn. 78; [X.]/[X.], [X.], 15. Aufl., § 43 Rn. 15).

Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Zulassungsbescheide des [X.] die Kennzeichnung der Spritzen des Arzneimittels regeln und insoweit als Verwaltungsakt einzustufen sind. Die Zulassungsbehörde hat zwar in den [X.] nicht ausdrücklich angeordnet, dass die eingelegten Spritzen nicht in [X.] zu etikettieren sind. Sie hat jedoch in Kenntnis der fremdsprachigen Beschriftung der Spritzen die Zulassungsbescheide erteilt und trotz des Entwurfs von für die Spritzen selbst bestimmten [X.] [X.]n durch die [X.] auf Vorgaben zur Umetikettierung der Spritzen nach einer Einzelfallprüfung verzichtet, weil die sie enthaltenden [X.] auf die Haltbarkeit des Arzneimittels Einfluss haben und das Arzneimittel nach Öffnen der Tiefziehschale unverzüglich zuzubereiten und zu verabreichen ist. Diese Erwägungen hat die Zulassungsbehörde in Erfüllung des vom [X.] erlassenen [X.] in einer amtlichen Auskunft mitgeteilt.

Bei dieser Sachlage ist es der Klägerin im Markenrechtsstreit grundsätzlich verwehrt, geltend zu machen, der Bescheid der Zulassungsbehörde sei rechtswidrig. Gestattet ein Verwaltungsakt dem Parallelimporteur eine bestimmte Kennzeichnung des parallel zu importierenden Arzneimittels, kann der Markeninhaber vor den Zivilgerichten nicht geltend machen, diese Kennzeichnung verstoße gegen die Vorschriften des [X.]es und sei deshalb rechtswidrig. Ist der auf der Grundlage von § 25 [X.] erlassene Zulassungsbescheid nicht nichtig, ist er der Prüfung zugrunde zu legen, ob der Markeninhaber sich aus berechtigten Gründen im Sinne von § 24 Abs. 2 [X.] dem Vertrieb widersetzen kann. Dabei gelten die vom Senat für das Wettbewerbsrecht entwickelten Rechtsgrundsätze entsprechend, nach denen der Tatbestand des § 4 Nr. 11 UWG nicht erfüllt ist, wenn ein Marktverhalten durch einen Verwaltungsakt ausdrücklich erlaubt worden ist und der Verwaltungsakt nicht nichtig ist ([X.], Urteil vom 23. Juni 2005 - I ZR 194/02, [X.]Z 163, 265, 269 - Atemtest I; Urteil vom 24. September 2013 - [X.], [X.], 405 Rn. 10 = [X.], 428 - Atemtest II). [X.] sich der Markeninhaber dem beabsichtigten Parallelimport ausschließlich mit der Begründung, der Parallelimporteur verletze durch die Kennzeichnung des Produkts nationale Vorschriften des [X.], besteht eine entsprechende Interessenlage. Der Parallelimporteur, der alles Erforderliche unternommen hat, um die arzneimittelrechtlichen Erfordernisse des Parallelimports zu erfüllen, darf auf die Rechtmäßigkeit des ihm erteilten [X.] der Zulassungsbehörde vertrauen. Es ist ihm nicht zumutbar, zur Abwendung eines Unterlassungsanspruchs des Markeninhabers von den Vorgaben in dem ihm erteilten Zulassungsbescheid abzuweichen und vom Markeninhaber für erforderlich gehaltene weitergehende Kennzeichnungspflichten zu erfüllen. Dies gilt im Streitfall schon deshalb, weil die Zulassungsbehörde sich aus Gründen der Arzneimittelsicherheit entschieden hat, auf eine Umetikettierung der Spritzen zu verzichten. Die [X.] liefe - wollte sie den Forderungen der Klägerin nach einer Umetikettierung der Spritzen nachkommen - Gefahr, wegen einer Öffnung der [X.] von der Klägerin ebenfalls wegen einer Markenverletzung mit der Begründung in Anspruch genommen zu werden, sie gefährde mit dem Öffnen der [X.] die Haltbarkeit des Arzneimittels.

(4) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die Zulassungsbescheide seien nichtig. Sie enthielten weder eine Regelung zur Kennzeichnung der Spritzen noch eine Begründung, aus der die [X.] als ihre Adressatin hätte schließen können, dass und aus welchen Gründen von der Kennzeichnung der Spritzen des Arzneimittels eine Ausnahme von der Vorschrift des § 10 Abs. 8 Satz 3 [X.] gemacht werden sollte. Die [X.] seien in diesem wesentlichen Punkt unklar, widersprüchlich, unsinnig oder unverständlich, sie litten unter fehlender Bestimmtheit und seien deshalb nicht nur rechtswidrig, sondern nichtig.

Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, die Zulassungsbescheide seien nicht nichtig, sondern wirksam. Für die [X.] als Empfängerin der Zulassungsbescheide war erkennbar, dass nach den Vorgaben des [X.] eine Kennzeichnung der Spritzen, anders als eine Kennzeichnung der Verpackung und der Tiefziehschale, nicht erforderlich ist. Dies ergibt sich aus der vom [X.] eingeholten amtlichen Auskunft der Zulassungsbehörde zum Inhalt der Anträge der [X.]. Der Umstand, dass das [X.] Beweis erhoben hat, rechtfertigt nicht die Annahme, der Inhalt der Zulassungsbescheide sei unklar. Gegenstand der Beweiserhebung waren die Behauptungen der [X.] zum Inhalt ihres Zulassungsantrages, insbesondere dazu, dass sie der Zulassungsbehörde [X.] für die Etikettierung der Spritzen vorgelegt habe. Die Behauptungen hierzu sind maßgeblich dafür, wie die [X.] als Adressatin der Zulassungsbescheide diese verstehen musste. Hatte die [X.] mit ihren Zulassungsanträgen [X.] [X.] für die Spritzen vorgesehen, die Zulassungsbehörde jedoch insoweit keine Vorgaben gemacht, konnte die [X.] die [X.] nur so verstehen, dass insofern eine Umetikettierung nicht erforderlich ist.

(5) Vor den Zivilgerichten ist grundsätzlich nicht zu prüfen, ob die Entscheidung der Zulassungsbehörde, auf eine Kennzeichnung der Spritzen gemäß § 10 Abs. 8 Satz 3 [X.] zu verzichten, möglicherweise rechtswidrig ist, oder ob die Zulassungsbehörde zu Recht zur Gewährleistung der Haltbarkeit des Arzneimittels auf eine Auflage zu einer [X.] Etikettierung der Spritzen verzichtet hat, die ohne ein Öffnen der [X.] nicht möglich ist. Auf die insoweit von der Revision erhobenen [X.] kommt es deshalb nicht an.

Der Markeninhaber muss die Rechtswidrigkeit des dem Parallelimporteur erteilten [X.] im verwaltungsgerichtlichen Rechtsweg geltend machen. Eine vom Markeninhaber dagegen erhobene Anfechtungsklage setzt - da er nicht selbst Adressat des angegriffenen [X.]s ist - allerdings nach ständiger Rechtsprechung des [X.] voraus, dass er die Verletzung einer Vorschrift behauptet, die ihn als [X.] zu schützen bestimmt ist (vgl. NVwZ 2012, 639 Rn. 11 mwN). Die Kennzeichnungsvorschriften des [X.]es dienen zwar grundsätzlich nicht dem Schutz des Markeninhabers, sondern dem Schutz der öffentlichen Gesundheit und der Verbraucher. Für den Parallelimport von Arzneimitteln gelten allerdings Besonderheiten. Der den Parallelimport genehmigende Zulassungsbescheid beeinträchtigt den Markeninhaber und Arzneimittelhersteller unmittelbar sowohl im Hinblick auf sein Markenrecht als auch in seiner Stellung auf dem Markt. Gegen einen dem Parallelimporteur erteilten rechtswidrigen Zulassungsbescheid muss er deshalb gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen können. Für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der [X.] ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der vom [X.] erlassenen [X.] im markenrechtlichen Rechtsstreit kommt nur in Betracht, wenn die Verwaltungsgerichte dem Markeninhaber und Arzneimittelhersteller eine eigene Klagebefugnis absprechen sollten. In diesem Fall müsste eine Überprüfung der [X.] im markenrechtlichen Rechtsstreit erfolgen. Der Markeninhaber und Arzneimittelhersteller muss im Fall des [X.] von Arzneimitteln wegen des Eingriffs in sein durch Art. 17 Abs. 2 der EU-Grundrechtecharta und Art. 14 GG als Recht des geistigen Eigentums geschütztes Markenrecht (vgl. [X.], Urteil vom 2. April 2015 - [X.], [X.]Z 205, 22 Rn. 41 - [X.]) die Möglichkeit haben, die Frage der Rechtmäßigkeit der die [X.] gestattenden Verwaltungsakte einer gerichtlichen Prüfung unterziehen zu lassen, weil davon die Zulässigkeit des [X.] durch den Parallelimporteur in der vorliegenden Fallkonstellation abhängt.

(6) Ohne Erfolg beruft sich die Revision darauf, dass bei einem europaweit nach der Verordnung ([X.]) Nr. 726/2004 vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer [X.] zugelassenen Arzneimittel kein entsprechender Bescheid ergeht, sondern lediglich eine Anzeige bei der [X.] erforderlich ist (§ 67 Abs. 7 Satz 2 [X.] in der seit dem 26. Oktober 2012 geltenden Fassung). Der Umstand, dass in einem derartigen Fall kein Bescheid der Zulassungsbehörde ergeht, der die Frage der Kennzeichnung nach § 10 [X.] regelt, und dass der Markeninhaber dann möglicherweise nicht gehindert ist, im Rahmen des § 24 Abs. 2 [X.] eine unzureichende Kennzeichnung in [X.] geltend zu machen, verhilft der Klage im Streitfall nicht zum Erfolg. Wenn wie hier die für die Erteilung von [X.] und für die Überwachung der Einhaltung der Kennzeichnungspflichten zuständige nationale Behörde zum Umfang der Kennzeichnungspflicht eine Entscheidung trifft, entfaltet diese Entscheidung zugunsten des [X.] grundsätzlich [X.].

3. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass auch der von der Klägerin hilfsweise geltend gemachte wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch gemäß §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 10 Abs. 8 Satz 3 [X.] nicht besteht. Auch insoweit gilt die [X.] der vom [X.] erlassenen [X.].

III. Danach ist die Revision der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Büscher                   Schaffert                    [X.]

             [X.]Schwonke

Meta

I ZR 239/14

02.12.2015

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 25. September 2014, Az: 3 U 190/13

§ 24 Abs 1 MarkenG, § 24 Abs 2 MarkenG, § 10 Abs 1 AMG, § 10 Abs 8 S 3 AMG, § 25 AMG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 02.12.2015, Az. I ZR 239/14 (REWIS RS 2015, 1365)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 1365

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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